Stadtratssitzung Burghausen: Bürgermeister beeinflusst durch ohne Rechtsgrundlage eingesetzte „Bürgerräte“ die Abstimmung über die Umsetzung der Agenda 2030 im Stadtgebiet

Quelle: Von Martin Falbisoner - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=25243073

BURGHAUSEN – Fehlt den in Burghausen gebildeten „Bürgerräten“ die Rechtsgrundlage? Diese zentrale Frage hat die AfD in der heutigen Stadtratssitzung in Burghausen aufgeworfen. Und sie hat dabei starke Argumente auf ihrer Seite.

 

Die Stadt Burghausen hatte jüngst zu aktuellen Themen eine Bürgerbeteiligung ermöglicht. Statt hierfür aber die vom Gesetzgeber in den Art. 18, 18a, 18b der Gemeindeordnung vorgesehenen Partizipationsformen zu nutzen, hat der Bürgermeister einen Bürgerrat eingesetzt. Weder ein Bundesgesetz, noch ein Landesgesetz kennen jedoch einen „Bürgerrat“. Es fehlt einem „Bürgerrat“ damit schon schlichtweg die notwendige Rechtsgrundlage.

2014: CSU-Staatsregierung stolpert über das neue Instrument der „Volksbefragung“

Selbst wenn es eine Rechtsgrundlage gäbe, so hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof auf Antrag von SPD und GRÜNEN über das 2014 von der Staatsregierung eingeführte Instrument der „Volksbefragung“ erkannt, wäre diese Rechtsgrundlage verfassungswidrig, denn die bayerische Verfassung kennt im maßgeblichen Artikel 7 eben auch keine „Bürgerräte“, sondern halt nur „Wahlen, Volksbegehren und Volksentscheidungen“. Im Detail lautete die Argumentation:

Im November 2013 verkündete Ministerpräsident Seehofer „Ich habe immer befürwortet, das Volk einzubinden. In Bayern wollen wir das Instrument der Volksbefragung einführen. Zum Beispiel bei großen Infrastrukturprojekten soll es möglich werden, die Bürgerinnen und Bürger bayernweit zu beteiligen. Mein Ziel ist: Wir machen unseren Freistaat zum Vorbild für den modernen Bürgerstaat des 21. Jahrhunderts!

Ein Jahr später setzte die Landesregierung dies um und definierte die Abgrenzung zur Volksvertretung Landtag in der Gesetzesbegründung wie folgt: „Solche Volksbefragungen sind nicht auf die Herbeiführung einer rechtlich verbindlichen Entscheidung gerichtet. Sie lassen vielmehr die in der Verfassung geregelten Entscheidungsbefugnisse und Verantwortlichkeiten von Landtag und Staatsregierung unberührt.Nebenbei bemerkt hatte der Bürgermeister im Stadtrat am 15.9. zur Abgrenzung zum demokratisch legitimierten Stadtrat das selbe Argument vorgetragen.

Doch der bayerische Verfassungsgerichtshof sah dies anders, denn in den Leitsätzen 2 und 3 schreibt er in RdNr. 98: „Die Formen der Beteiligung des Volkes an der Staatswillensbildung sind in Art. 7 Abs. 2 BV dem Grundsatz nach abschließend aufgeführt; ohne Änderung der Verfassung können neue plebiszitäre Elemente nicht eingeführt werden… Als neuartiges Instrument der unmittelbaren Demokratie, das die geltenden verfassungsrechtlichen Regelungen zur Staatswillensbildung modifiziert, hätte die Einführung von Volksbefragungen einer Verankerung in der Bayerischen Verfassung bedurft “ und genau dazu hatte die Staatsregierung nie eine Initiative gestartet.

Zu dem Argument, dem Parlament würde dadurch ja nichts weggenommen, hielten die Verfassungsrichter in RdNr. 97 fest: „Dieser rechtlichen Einordnung kann nicht gefolgt werden….Auch rechtlich unverbindliche konsultative Volksbefragungen eröffnen danach dem Staatsvolk eine aktive Mitwirkung an der Staatswillensbildung… In zwei Entscheidungen vom 30. Juli 1958 zu Volksbefragungen auf Länder- und Gemeindeebene über die atomare Bewaffnung der Bundeswehr hat bereits das Bundesverfassungsgericht die Auffassung vertreten, die Teilnahme an konsultativen Volksbefragungen sei als Mitwirkung an der Staatswillensbildung und damit als Teilhabe an der Staatsgewalt zu qualifizieren (BVerfGE 8, 104 ff. und 122 ff.).“

2022: SPD-Bürgermeister Schneider stolpert wohl über das neue Instrument der „Bürgerräte“

Da „Bürgerräte“ noch nicht einmal eine Rechtsgrundlage im Gesetz haben, geschweige denn, in der Verfassung, geht die AfD davon aus, daß dieses Instrument durch den Bürgermeister in Burghausen eingesetzt wurde, ohne daß er dafür eine Rechtsgrundlage hatte. Selbst wenn diese in Gestalt eines Gesetzes bestünde, dann würde diesem Gesetz wiederum die Rechtsgrundlage in der Verfassung fehlen.

Hierzu ergänzt Stadtrat Schwembauer

Die AfD steht für eine maximal mögliche Bürgerbeteiligung. Derjenige, der von den Folgen von Entscheidungen betroffen ist, sollte auch die Möglichkeit haben, sich aktiv an dieser Entscheidung zu beteiligen. In dieser Überzeugung hatte die AfD im Stadtrat angeregt gehabt, die in Art. 18, 18a, 18b der Gemeindeordnung definierten Partizipationsmöglichkeiten zu nutzen, statt das im Gesetz nicht vorgesehene Instrument eines „Bürgerrats“.

Das aber wurde von Bürgermeister Schneider abgelehnt. Bürgermeister Schneider hat möglicherweise die Chance gesehen in Burghausen auf diesem Weg Parteipolitik zu betreiben und die Passage „Wir wollen die Entscheidungsfindung verbessern, indem wir neue Formen des Bürgerdialogs wie etwa Bürgerräte nutzen“ aus Seite 8 des Koalitionsvertrags aus der Bundesebene einfach mal in Burghausen umgesetzt, bevor Bund und/oder Land die Rechtsgrundlagen dafür geschaffen haben. Das mag ihm vielleicht Klatscher innerhalb von Rot-Grün einbringen, aber zusätzliche Klatscher innerhalb der Rot-Grünen Blase machen dieses Vorgehen eben noch nicht rechtskonform.

Hinzu kommt: wenn der von Bürgermeister Schneider eingesetzte Bürgerrat tatsächlich ohne Rechtsgrundlage, also illegal war, dann wurde die Abstimmung vom 15.9. im Stadtrat über das „Nachhaltigkeitskonzept der Stadt Burghausen“ durch illegale Mittel beeinflusst. Ich frage mich: welchen Einfluss hat das dann auf den Stadtratsbeschluss?

Aus diesem Hauptgrund hat die AfD gegen den Antrag gestimmt, der Stadt Burghausen ein Nachhaltigkeits-Konzept aufzuerlegen.

Ein zweiter Grund war, daß ein derartiger verbindlicher Rahmen vollkommen unnötig und reine Ideologie ist, denn maßgeblich sind letztendlich immer konkreten Einzelmaßnahmen und von denen wurde keine einzige beschlossen.

Ein dritter Grund war, daß die unter dem Nachhaltigkeitskonzept zusammengefassten Handlungsfelder im Kern nichts Anderes sind, als eine Vergatterung der Kommune an den Koalitionsvertrag der Ampelregierung in Berlin, in dem auf Seite 20 steht „die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDG) sind Richtschnur unserer Politik„, die in der Tagesordnung zum 15ten September auf Seite 3 abgedruckt sind. Dort taucht

  • das Handlungsfeld „Klima und Energie“ auf Seite 43 unter der Überschrift “Klima, Energie, Transformation“ auf,
  • das Handlungsfeld „natürliche Ressourcen und biologische Vielfalt“ auf Seite 29 unter der Überschrift “Naturschutz und Biodiversität„,
  • das Handlungsfeld „Wissenschaft, Wirtschaft und Arbeit“ auf den Seiten 16, 20 und 52,
  • das Handlungsfeld „Bildung und Bürgerbeteiligung“ auf Seite 74 unter der Überschrift “Bildung und Chancen für alle“ und die Bürgerräte tauchen auf Seite 9 auf
  • das Handlungsfeld „soziale Stadt und Miteinander“ ab Seite 57 unter der Überschrift “Sozialstaat, Altersvorsorge, Grundsicherung„,
  • das Handlungsfeld „Mobilität“ wird auf Seite 38 unter der Überschrift „Mobilität“ ausgebreitet

Liest man sich diese Passagen des Koalitionsvertrags durch, so erkennt man, daß die dortigen Inhalte mit den Inhalten des „Nachhaltigkeitskonzepts“ weitestgehend inhaltsidentisch sind.

Wenn  man aber das Stadtparlament auf den Koalitionsvertrag vergattert, dann kann man es eigentlich auch gleich auflösen und an seine Stelle einen Gouverneur der Regierung einsetzen.“