Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 1.8.2026 in Grundschulen: Altparteien treiben Kopie des DDR-Schulsystems voran

Quelle: Von Joachim Müllerchen - Joachim Müllerchen, CC BY 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=12431830

BERLIN / MÜNCHEN – Altparteien treiben die Annäherung an das Bildungsmodell der SED weiter voran und verursachen in den Kommunen erhebliche Mehrkosten.

 

Bildung ist Ländersage, ist im Grundgesetz festgelegt. Doch nach dem „Digital-Pakt“ greift nun der Bund innerhalb von kurzer Zeit ein zweites Mal mit dem deutschlandweiten Ausbau des Ganztagsangebots für Grundschüler in die Kompetenz der Länder ein und er stößt dabei auf keinerlei Widerstand bei den Ländern. In einer Art sozialistischer Brudertreue akzeptieren die Länder die Vorgabe des Bundes zukünftig einheitlich als einklagbaren Rechtsanspruch an Grundschulen eine Ganztagsbetreuung anzubieten.

Selbst die Kommunen, die in Bayern grundsätzlich die Hauptlasten tragen müßten, schweigen hierzu.

Wenn Kommunisten in Berlin und die CSU in Bayern an einem Strang ziehen und die Kommunen als Betroffene schweigen, dann ist dies eine Konstellation, die skeptisch macht und die nach intensiven Hinterzimmergesprächen riecht. Dabei steht nun bereits fest: Die Söder-CSU hat keine „Herdprämie“ mehr herausgeschlagen, sondern es gibt in trauter Einigkeit mit Grünen und SED-Nachfolgern nur eine Förderung des Staatsmodels: Wer ein anderes Modell, als das Staatsmodell in Anspruch nehmen will, wird relativ betrachtet finanziell benachteiligt.

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Ende der 50er geboren: Eine Idee aus der DDR-Mottenkiste

Kritiker eines solchen Ganztagsmodells erinnern sich an eine Initiative der Kommunisten in dem von Moskau besetzten Teil Deutschlands. Vor ca. 60 Jahren führten die Marionetten Moskaus aus zwei Gründen die so bezeichnete „Tagesschule“ ein:

1. In der „Tagesschule“ würden leistungsstarke „bürgerliche“ Kinder leistungsschwache Bauernkinder Arbeiterkinder  quasi mitunterrichten.

2. In der „Tagesschule“ konnte der „neue Mensch“ geformt werden, der die zukünftige sozialistische Gesellschaft trägt.

Nachdem auf dem V. Parteitag 1958 das Ziel propagiert worden war, an jeder Schule einen Hort einzurichten, spielte Ganztagserziehung mittels Hort und Ganztagsschule eine Schlüsselrolle in der parteilich initiierten Bildungsdebatte. Das Gesetz über den Siebenjahrplan sah vor, bis 1965 die Hortplätze mehr als zu verdoppeln (vgl. DPZI 1960, S. 6). Die neue Schulordnung von November 1959 definierte „den Hort als Stätte systematischer Bildung und Erziehung“ und legte „entsprechende Maßnahmen fest, die seine Eingliederung in das pädagogische Geschehen der Schule sichern sollen“ (Lindner 1963, S. 1091f.). Von einer ganztägigen pädagogischen Betreuung versprach man sich vor allem ein effektives Instrument zur Verbesserung der schulischen Leistungen gerade im Hinblick auf die neu eingeführte Zehnklassenschule. Es hatte sich gezeigt, dass es für viele Schüler, insbesondere für die Arbeiter- und Bauernkinder, schwierig war, den Lernstoff und die Hausaufgaben zu bewältigen…. Neben einer konkreten Schulreform ging es für Partei und Regierung Ende der 1950er-Jahre auch um politisch-ideologische Erziehung und moralische Mobilisierung der gesamten Gesellschaft, um den Aufbau des Sozialismus voranzubringen. In allen Fragen der Erziehung entwickelte sich die Sowjetpädagogik zur normativen Richtschnur (vgl. Lost 2000). Ihr Leitgedanke, den „Neuen Sozialistischen Menschen“ zu schaffen, inspirierte die Diskurse über „sozialistische Gemeinschaftserziehung“

Mit einer vergleichbaren Problematik sind zahlreiche Schulen auch heute wieder konfrontiert, wobei jedoch die Leistungsdifferenz erfahrungsgemäß weniger zwischen Bauern/Arbeiterkindern auf der einen Seite und „bürgerlichen“ Kindern auf der anderen Seite, sondern vielmehr zwischen „bunten Kindern“ auf der einen Seite und deutschen Kindern auf der anderen Seite zu beobachten ist.

So wundert es nicht, daß versucht wird, dieser alten Idee wieder neues Leben einzuhauchen:

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2017 aus der DDR-Mottenkiste in den Koalitionsvertrag von CD/SU gehievt

Nachdem der Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung im Kindergarten zumindest auf dem Papier durchgesetzt worden war, weiteten die Altparteien diese Idee dann im Koalitionsvertrag  2017 auf die Grundschulen aus, obwohl die Ganztagsbetreuung im Kindergarten vielerorts noch nicht einmal umgesetzt ist, und es an allen Ecken und Enden hakt, wie z.B. am Personal:

Vor vier Jahren bereits hatten sich die Altparteien in ihrem Koalitionsvertrag darüber verständigt, einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter schaffen zu wollen. Dabei wolle man auf Flexibilität achten, bedarfsgerecht vorgehen und die Vielfalt der in den Ländern und Kommunen bestehenden Betreuungsmöglichkeiten der Kinder- und Jugendhilfe und die schulischen Angebote berücksichtigen. Für die Ausgestaltung wollte man das Sozialgesetzbuch VIII nutzen. Um diesen Rechtsanspruch bis 2025 auch tatsächlich zu verwirklichen, hatte man konkrete rechtliche, finanzielle und zeitlicher Umsetzungsschritte erkannt, die in einer Vereinbarung von Bund und Ländern unter Einbeziehung der kommunalen Spitzenverbände festgelegt werden sollten. Dabei solle der Bund sicherstellen, dass insbesondere der laufenden Kostenbelastung der Kommunen Rechnung getragen wird, ist dem Koalitionsvertrag ab Zeile 753 zu entnehmen. 

Zu diesem Zweck solle es eine Investitionsoffensive für Schulen geben. Diese solle zusätzlich zum laufenden Schulsanierungsprogramm die Unterstützung der Länder bei ihren Investitionen in die Bildungsinfrastruktur, insbesondere Ganztagsschul- und Betreuungsangebote, Digitalisierung und berufliche Schulen unterstützen. Dazu mußte die erforderliche Rechtsgrundlage in Art. 104c Grundgesetz (GG) durch die Streichung des Begriffs „finanzschwache“ in Bezug auf die Kommunen erst geschaffen werden. Die Kultushoheit, so die Meinung damals, solle Kompetenz der Länder bleiben, ist wiederum den Zeilen 1139ff zu entnehmen. Der Bund würde dafür Investitionen in Ganztagsschul- und Betreuungsangebote von zwei Milliarden Euro zur Verfügung stellen (Zeile 1152).

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Die Arbeitskraft von Frauen als Steuersubstrat nutzbar machen und Instrumentalisierung von berechtigten Bedürfnissen von Minderheiten, wie z.B. Alleinerziehenden

Der Gesetzesbegründung kann man in der Drucksache 19/30512 entnehmen, daß man ihr eigentlich gar nichts entnehmen kann, was nicht Familien genauso, wenn nicht sogar noch besser leisten können, als ein Ganztagsangebot des Staats:

Was bleibt, ist der Allgemeinplatz einer besseren „Vereinbarkeit von Familie und Beruf„, was aber wiederum nicht verwunderlich ist, wenn man die Löhne im Land so weit drückt, daß zwei Verdienste notwendig sind, um halbwegs normal leben zu können. Dieser Zwang des Staates die Arbeitskraft von Frauen in möglichst großem Umfang als „Steuersubstrat“ nutzbar zu machen kommt Im Gesetzgebungsverfahren recht unverblümt in dem Satz

gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern am Erwerbsleben seien wichtige gesellschaftspolitische Ziele 

zum Ausdruck. Der Ausbau von ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangeboten für Kinder in Tageseinrichtungen und Grundschulen sei ein wichtiges Element zur Erreichung dieser Ziele, so die Bundesregierung weiter.

Wie bei praktisch jedem Gesetzesvorschlag, an dem Sozialisten mitgewirkt haben, darf auch hier eine Passage nicht fehlen, aus der hervorgeht, daß man die (berechtigten) Bedürfnisse einer Minderheit dazu instrumentalisiert, ein ideologisch gewolltes Projekt für Alle zu schaffen:

Insbesondere Alleinerziehende sind darauf angewiesen, dass Betreuungsangebote für ihre Kinder die Zeiten ihrer Erwerbstätigkeit in vollem Umfang abdecken.

Natürlich sollen/müssen Alleinerziehende mehr Angebote bekommen, als Eltern in funktionierenden Beziehungen, aber dazu hätte es gereicht, dieses Angebot der Ganztagsschule für Grundschüler auf diese Personengruppe zu begrenzen. Daß genau dies nicht geschieht, belegt, daß der Gesetzgeber die Alleinerziehenden instrumentalisiert, um allen Familien ein Angebot zu machen, deren Kinder möglichst umfangreich in eine staatliche Betreuung und Obhut zu übernehmen. Sozialismus für Alle auf Kosten der Kinder, also.

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2021 beschlossen: der Bund schafft an, die Kommunen zahlen mit

Weil die Bundesländer mit der geplanten Finanzierung der Betreuungsplätze nicht einverstanden waren, hatte der Bundesrat den Vermittlungsausschuss angerufen, da ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter für Länder und Kommunen erhebliche und dauerhafte Kostenfolgen in Milliardenhöhe mit sich bringen wird. Das gemeinsam von Bund und Ländern finanzierte Deutsche Jugendinstitut (DJI) schätzt allein die Investitionskosten für die zusätzlich benötigten Plätze auf bundesweit bis zu 7,5 Milliarden Euro.

Gleiches gilt für die dauerhaft entstehenden Betriebskosten, die nach Schätzung des DJI bei Vollauslastung etwa 4,5 Milliarden Euro jährlich aufwachsend betragen werden.

Hinsichtlich der Betriebskosten forderte der Bundesrat zudem eine dynamisierte hälftige Kostenbeteiligung des Bundes an dem realistisch geschätzten Gesamtbedarf in Höhe von jährlich 4,5 Milliarden Euro im Endausbau zuzüglich der anfallenden Kostensteigerungen durch die Erhöhung des Umsatzsteueranteils der Länder. Doch das Ergebnis bleibt hinter diesen Forderungen zurück:

Der Bund beteiligt sich gemäß § 4 Absatz 1 des Ganztagsfinanzierungsgesetzes vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2865) mit einem Betrag von maximal 3,5 Milliarden Euro mit einer Förderquote von höchstens 70 Prozent, die Länder beteiligen sich mit mindestens 30 Prozent am Gesamtvolumen des öffentlichen Finanzierungsanteils der nach § 3 förderfähigen Ausgaben eines Landes im Sinne von Artikel 104c des Grundgesetzes. Die Eigenmittel freier Träger können auf den Finanzierungsanteil der Länder angerechnet werden, soweit der verbleibende Anteil des Landes am Gesamtvolumen des öffentlichen Finanzierungsanteils mindestens 10 Prozent beträgt.“

Teilt man diese 7,5 Milliarden, durch die ca. 2,8 Millionen Grundschüler, dann erhält man Kosten pro Grundschüler von knappen 2700€. Diese würden sich dann dem Schlüssel von 70/30 entsprechend auf Bund und Land aufteilen.  Das wären dann wiederum ca. 800€ pro Grundschüler, die auf „das Land“ entfielen. Da in Bayern zuständigen kommunalen Körperschaften den Schulaufwand tragen, kommen auf die Kommunen grundsätzlich erst einmal ca. 800€ pro Grundschüler am Mehrkosten zu.

An diese koppeln sich dann noch die jährlichen zusätzlichen Betriebskosten an.

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Der Beschluß im Bundestag

Im Bundestag stimmte nur die AfD nicht für dieses Gesetz: Für die SPD gibt Frau Katja Mast in der Aussprache im Bundestag ganz offen zu, daß dieser Rechtsanspruch für die SPD nur ein wichtiger Schritt hin zu noch mehr Sozialismus, in Gestalt einer „Kindergrundsicherung“ ist.

Für die Kommunisten forderte deren Sprecherin Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) die Verankerung einer – offenbar sozialistischen – Gemeinschaftsaufgabe „Bildung“ im Grundgesetz.

Die AfD stimmte dem Vorhaben als einzige Partei nicht zu: Sie kritisiert insbesondere drei Aspekte:

  • Erstens: die Zielsetzung des Gesetzes. Sie geben es selber zu bzw. im Textteil des Gesetzes wird es auch erläutert, dass es Ihnen vorrangig ja darum geht, die Wirtschaft zu unterstützen, sprich: dafür zu sorgen, dass Mütter früher in den Produktionsprozess zurückkehren können. Dagegen ist grundsätzlich natürlich nichts zu sagen. Für uns ist das auch vollkommen in Ordnung. Was wir aber kritisieren, ist, dass Sie die Wahlfreiheit weiter aushöhlen, die ja nach dem Grundgesetz den Eltern zusteht. Hier greift der Staat einmal mehr in die Kompetenzen der Eltern ein, indem er ihnen diese Entscheidung abnehmen will und nur ein bestimmtes Betreuungsmodell, nämlich das staatliche, fördern will.
  • Zweiter Punkt: die Finanzierung. Ihr Gesetz ist noch nicht mal veröffentlicht, da wird Ihnen schon vorgerechnet – vielleicht haben Sie die Pressemitteilung des Deutschen Städtetages vom heutigen Tage gelesen –, dass dieses Gesetz in der vorliegenden Form massiv unter finanziert ist. Die Rede ist von mehreren Milliarden, die fehlen, die vor allen Dingen fehlen werden, wenn man nicht nur im Wahlkampf einen Ballon steigen lassen will, sondern die Betreuung auch nachhaltig für die nächsten Jahrzehnte finanzieren möchte. Auch das kritisieren wir: die wenig ausreichende Finanzierung.
  • Der dritte Punkt ist vielleicht der schwerwiegendste. Einmal mehr kauft der Bund den Ländern Kompetenzen ab im Bildungsbereich. Auch wenn Sie sich hier auf den geänderten Artikel 104c Grundgesetz berufen, verstößt das doch gegen die Grundordnung unseres Staates. Das Ergebnis haben wir beim DigitalPakt gesehen: Es entsteht ein Kuddelmuddel, es entstehen bürokratische Hürden, und die Prozesse, die eigentlich gewünscht werden, kommen nicht wirklich in Gang. Aus unserer Sicht wäre es besser, hier klare Verhältnisse zu schaffen: dass die Länder das tun, was die Länder tatsächlich tun sollen nach unserem Grundgesetz, nämlich sich um Bildung kümmern, um Schulen und Hochschulen. Und der Bund sollte sie in die Lage versetzen, dass sie dies auch nachhaltig tun können. Meine Damen und Herren, eine weitere Aushöhlung des Grundgesetzes, erst recht hin zu einer zentralistischen Steuerung unseres Bildungswesens, mit weiteren ideologischen Projekten – das fängt ja mit der Ganztagsbetreuung erst an; weitere werden dem folgen –, das lehnen wir als AfD-Fraktion entschieden ab. Ich danke Ihnen.