Expertenanhörung zur Zukunft des Chemiedreiecks und den „Ewigkeitschemikalien“ im Bayerischen Landtag

Quelle: eigenes Werk

MÜNCHEN – Der Wirtschaftsausschuss des bayerischen Landtags befragte am Mittwoch, den 15.6. Sachverständige zur Zukunft der Chemieindustrie in Bayern, wie denn mit dem Problem der geplanten Außer-Verkehrziehung der PFOS-Stoffgruppe umzugehen wäre.

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Vor dem Hintergrund der in der EU geplanten Reform des Chemikalienrechts hörte der Wirtschaftsausschuss Sachverständige zu der Frage an, welche Folgen sich daraus für Bayern ergeben. Im Fokus standen besonders die Konsequenzen für die Chemieindustrie und nachgelagerte Industriezweige im Hightech- und Energiebereich.

In dieser Anhörung hatten die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses die Möglichkeit erhalten, Experten zu aktuellen Problemen zu befragen, mit denen sich die bayerische Chemieindustrie und insbesondere der Chemiestandort im Landkreis Altötting konfrontiert sieht.

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Die Politik der Bundesregierung treibt 3M zur Schließung des Standorts Gendorf

Fünf europäische Länder wollen die Produktion, Verwendung und Import der chemischen Stoffgruppe der PFAS EU-weit verbieten lassen und haben am 13.1.2023 der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) Vorschlag zur Beschränkung von PFAS zur Prüfung vorgelegt:

Der Vorschlag wurde von Behörden in Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Norwegen und Schweden ausgearbeitet und am 13. Januar 2023 bei der ECHA eingereicht. Ziel ist es, PFAS-Emissionen in die Umwelt zu reduzieren und Produkte und Prozesse für Menschen sicherer zu machen.

Diese Initiative ist aber vor dem Hintergrund von noch viel breiteren Initiativen der EU zu  lesen:

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EU konfrontiert die  europäische Chemieindustrie mit dem „Zero Polution Action Plan“ 

Die demokratisch nicht legitimierte EU-Kommission hatte dieses Null-Emissions-Ziel 2019 innerhalb ihres „Europäischen Green Deal“ festgeschrieben und in ihrer
Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit im Oktober 2020 erstmals konkretisiert. Ende 2020 konsultierte sie dann Interessensvertreter zu diesem Null-Schadstoff-Aktionsplan. Auch die Green Week in Brüssel widmete sich 2021 dem Thema giftfreie Umwelt. Mitte Mai 2021 hatte die EU ihren „Aktionsplan Schadstofffreiheit“ von Luft, Wasser und Boden vorgelegt. Darin wird das Ziel festgelegt, Null-Schadstoffe in die Umwelt zu emittieren. Es ist der „Zero Pollution Action Plan – ZPAP“ der EU.

Der Chef der Europäischen Chemie Agentur (ECHA) gibt  hierbei zu erkennen, daß das umfassende PFOS-Verbot als Teilelement dieser Null-Schadstoff-Strategie zu verstehen ist:

Peter van der Zandt, ECHA-Direktor für Risikobewertung, sagte: „Dieser wegweisende Vorschlag der fünf Behörden unterstützt die Ambitionen der EU-Chemikalienstrategie und des Null-Schadstoff-Aktionsplans.“ Jetzt beginnen unsere wissenschaftlichen Gremien mit der Auswertung und Meinungsbildung. Auch wenn die Bewertung eines so umfassenden Vorschlags mit Tausenden von Stoffen und vielen Verwendungsmöglichkeiten eine Herausforderung sein wird, sind wir bereit.“

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Die Bundesregierung formuliert ihr Verbotsbegehren für PFOA als Rundumschlag für eine gesamte Stoffgruppe aus

Das Pikante: vorangetrieben wird dieses Verbot von fünf EU-Staaten. Dazu kann man den Webseiten der EU entnehmen:

Darüber hinaus arbeiten fünf europäische Länder (Niederlande, Deutschland, Dänemark, Schweden und Norwegen) an einem Beschränkungsvorschlag, der alle PFAS in anderen Verwendungszwecken abdeckt. Sie planen, ihren Vorschlag im Januar 2023 bei der ECHA einzureichen.

Innerhalb dieser fünf EU-Staaten sind Deutschland und die Niederlande federführend.

Deutschland und die Niederlande sind bei den Verboten der PFAS federführend.

Und das obwohl Deutschland und die Niederlande selbst Standorte unterhalten, an denen PFAS produziert wurden, wie z.B. in Gendorf oder an denen Ersatzstoffe produziert werden, wie z.B. GenX in Dordrecht (NL).

Die hiervon betroffene chemische Stoffgruppe der PFAS, das sind per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, hat gemeinsam, daß sie Fluor-Elemente beinhalten und dadurch eine hohe Resistenz gegen äußere Einflüsse aufbauen.

Diese hohe Resistenz gegen Umwelteinflüsse ist bei gewissen Anwendungen hilfreich und gewollt, bei anderen jedoch schädlich und das insbesondere dann, wenn sie in die Umwelt gelangen, wo sie nicht hin gehören. So ist  z.B. deren Wirkung absolut notwendig,  um bei der Wasserstoffelektrolyse die dazu notwendigen Anoden zu beschichten, da Wasserstoff auf  die Anoden recht aggressiv wirkt.

Die Frage, ob diese Stoffe durch wirkidentische Ersatzstoffe ersetzt werden können, ist in diesem Fall absolut sinnlos, denn diese Stoffe werden ja gerade wegen ihrer Wirkung eingesetzt und ein wirkidentischer Ersatzstoff ist eben wirkidentisch und zwar in positiver, wie in negativer Hinsicht. Ein wirkidentischer Ersatzstoff muß eben genauso resistent gegen Umwelteinflüsse sein, wie der zu ersetzende  Werkstoff.

Federführend bei dem Ziel ein Verbot durchzusetzen ist Deutschland:

In den letzten Jahren haben verschiedene europäische Behörden aus den fünf EU-Ländern Deutschland, Niederlande, Dänemark, Schweden und Norwegen sämtliche vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich PFAS ausgewertet und die aktuellen Anwendungen dieser Substanzen zusammengetragen. Zu den beteiligten Institutionen aus Deutschland zählen das Umweltbundesamt (UBA), das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sowie die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).
Bislang wurden im Zulassungs- und Bewertungsprozess der EU (REACH) nur einzelne Substanzen reguliert, von denen nachweislich negative Auswirkungen ausgehen. Der neue Vorschlag der fünf EU-Staaten zielt jedoch darauf ab, ein umfassendes Verbot von PFAS einzuführen. Damit würde die gesamte Substanzklasse verboten, beziehungsweise stark beschränkt. Ein solches Verbot hätte weitreichende Konsequenzen für Hersteller vieler Produkte in der EU.

Das bedeutet: Es ist also die Bundesregierung, die das Chemiedreieck schwächt!

Die Attacke des Bundesumweltamts gegen PFAS

Im Jahr 2020 war im Kabinett Merkel Frau Svenja Schulze (SPD) die zuständige Umweltministerin. Unter ihrer Verantwortung wurde im Bundesumweltamt das Verbot der PFAS-Stoffgruppe vorangetrieben. So kann man einer Broschüre des Umweltbundesamts von Anfang 2020, Seite 1 entnehmen:

Wir meinen, es ist an der Zeit, dem entgegenzutreten. Das Umweltbundesamt bemüht sich gemeinsam mit anderen Institutionen darum, dass die PFAS-Stoffe aus Vorsorgegründen in der EU verboten bzw. nur für wirklich zwingend notwendige Verwendungen zugelassen werden. Das ist ein langer Weg, aber wir hoffen, dem Eintrag dieser sogenannten Ewigkeitschemikalien in die Umwelt in absehbarer Zeit Grenzen zu setzen.

Und der Seite 28 kann man dazu entnehmen:

Eine weltweite Regulierung langlebiger organischer Schadstoffe ist über das Stockholmer Übereinkommen möglich. Die internationale Gemeinschaft hat für PFOA und PFOS und ihre Vorläuferverbindungen Verbote mit Ausnahmen für unverzichtbare Anwendungen ausgesprochen. Ein weiterer Vertreter der Stoffgruppe,
die Perfluorhexansulfonsäure (PFHxS), soll in Kürze folgen.

Das Umweltbundesamt hält, insbesondere unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips, eine Regulierung der gesamten Stoffgruppe für notwendig, denn alle PFAS verbleiben für lange Zeiträume in der Umwelt. Daher erarbeitet das UBA mit anderen Behörden aus Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Schweden und Norwegen einen EU-weiten Beschränkungsvorschlag unter REACH für diese Stoffgruppe….

Der Beschränkungsvorschlag wird ein Verbot bzw. Einschränkungen aller Verwendungen umfassen, die für die Gesellschaft entbehrlich sind oder für die Alternativen verfügbar sind.,,

Ein Verbund von internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, den auch UBA-Mitarbeitende unterstützen, fordert im sogenannten Madrid und Zürich Statement weltweite Herstellungs- und Verwendungsverbote und die Entwicklung umweltfreundlicher Alternativen…

Offenkundig das Kommende antizipierend gab der Mutterkonzern bekannt komplett aus der PFOS-Produktion auszusteigen:

3M gab bekannt, dass das Unternehmen die Herstellung von Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) aufgeben und daran arbeiten wird, die Verwendung von PFAS in seinem gesamten Produktportfolio bis Ende 2025 einzustellen. Die Entscheidung von 3M basiert auf einer sorgfältigen Abwägung und einer gründlichen Bewertung der sich entwickelnden externen Landschaft, einschließlich zahlreicher Faktoren, wie z.B. sich beschleunigende regulatorische Trends, die sich auf die Verringerung oder Beseitigung des Vorhandenseins von PFAS in der Umwelt konzentrieren, und sich ändernde Erwartungen der Interessengruppen. 3M wird: Die Herstellung von PFAS bis Ende 2025 vollständig einstellen: 3M wird die Herstellung aller Fluorpolymere, fluorierten Flüssigkeiten und PFAS-basierten Additivprodukte einstellen.

Die Attacke des Bundesumweltamts gegen PFAS wird bei der EU eingereicht

Einige Wochen später präsentierten dann die „fünf Länder“ ihren Rundumschlag, die gesamte Stoffgruppe der PFAS verbieten zu wollen:

Lediglich drei Tage später traf die bayerische Politprominenz mit Ministerpräsident Markus Söder und Wirtschaftsminister Aiwanger in Gendorf ein, um dies zu kommentieren. Den Beitrag der Bundesregierung zur Schließung erwähnten sie hierbei mit keinem Wort. Auch die Presse fragte nicht danach (hier, auch hier).

In keiner Stellungnahme fand das Ziel der EU, chemische Stoffe zu reduzieren und die Rolle der Bundesregierung, die dies vorantreibt (vgl. hier; hier; hier; hier) auch nur eine Erwähnung.

Ein kleines, vielsagendes Detail

Und noch ein interessantes Detail: Während die AfD sich aus Sorge um den Standort AÖ engagierte, beschäftigte sich einer der Vertreter der Grünen viel zu lange lieber mit seinem Handy.

Quelle: Eigenes Werk

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Die Argumente der geladenen Experten

Bekannt sind diese Substanzen auch als so genannte „Ewigkeitschemikalien“, weil sie sich in der Umwelt extrem langsam abbauen und auf der ganzen Welt zu finden sind. Die Abgeordneten im Ausschuss für Wirtschaft, Landesentwicklung, Energie, Medien und Digitalisierung diskutierten am Mittwoch, den 15.6. mit Sachverständigen die Risiken der PFAS und besprachen die Hoffnungen, die in die Kreislaufwirtschaft gesetzt werden. Die Argumente bewegten sich dabei zwischen der Notwendigkeit von Verboten und der Zukunftsfähigkeit der chemischen Industrie im Freistaat.

In Folge werden die Positionen der einzelnen Experten dargelegt (diese wurden von der Webseite des Landtags übernommen und stammen nicht von uns) und mit eigenen Notizen aus der Mitschrift ergänzt. Da noch kein Protokoll existiert, ist es nicht möglich die Mitschrift auf Fehler zu prüfen.

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Christine Völzow  (vbw)

Auch Christine Völzow von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, vbw, schloss sich dem an und nannte die Fluorpolymere „elementar“. Die Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik verwies auf die hohe Abhängigkeit vieler Branchen von den Zulieferungen aus der Chemieindustrie und warnte vor Engpässen durch die EU-Chemikalienstrategie und daraus resultierenden Kaskadeneffekten. Verbiete die EU diese Substanzen, dann sei auch ein Import nicht möglich, es drohten Wertschöpfungsverluste. Besser ist es nach Völzows Ansicht, bei einer Risikoabwägung zu bleiben und je nach Anwendung zielgerichtet zu regulieren.

Aus eigener Mitschrift (10h25)

  • Chemieindustrie ist elementar für die Industrie in Bayern.
  • In einem Umsatz durch 125 Milliarden Autoindustrie stecken „nur“ 60 Millionen aus Chemieindustrie. Fehlen diese aber, wird die gesamte Produktion gefährdet.
  • Die EU-Chemikalien-Strategie wird zu Engpässen führen.
  • Es drohen bisher nicht ahnbare Kaskadeneffekte, für die keine Vorsorge getroffen werden kann.
  • Risikoabwägung ist wichtig und eine darauf aufbauende zielgerichtete Regulierung
  • Etwas vom Markt zu nehmen, von dem ich nicht weiß, daß es schädlich ist, geht zu weit.
  • Es müssen die akzeptablen Risiken definiert werden, mit denen dann eine faire Risikoabwägung vorgenommen werden kann

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Dr. Markus Born

Dr. Markus Born unterstrich die besondere Bedeutung der Chemieindustrie in der industriellen Wertschöpfung. Nach den Worten des Geschäftsführers der Bayerischen Chemieverbände stehen die rund 430 Unternehmen aus der Chemie- und Pharmaindustrie in Bayern mit ihren rund 90.000 Mitarbeitenden für rund 23,5 Milliarden Euro Umsatz jährlich. Die Chemie spiele eine besondere Rolle in der industriellen Wertschöpfung. Keine Branche komme ohne Chemie aus, sagte Born.

„Was zur Zeit vorangetrieben wird, stellt eine massive Bedrohung des Wirtschaftsstandortes dar, so massiv, dass es genau richtig ist, dass sich die Politik damit befasst.“

Der Hinweis auf die Bedrohung zielte auf die EU-Chemikalienstrategie, die ein umfassendes Verbot der Herstellung, Verwendung und des Verkaufs von mehr als 10.000 PFAS vorsieht. Nach Borns Einschätzung ein Paradigmenwechsel im Chemikalienrecht, der mögliche Mangelsituationen potenzieren wird.

„Statt der Bewertung eines Risikos aus einer Exposition und einer Stoffeigenschaft soll zukünftig allein die Stoffeigenschaft Basis der Bewertung sein.“

Damit werde die Möglichkeit einer sicheren Verwendung der Stoffe außer Betracht gelassen. Der Chemiker sieht das Problem nicht in der Beschränkung der PFAS, sondern darin, dass mehr als 10.000 industriell erzeugten Substanzen als Gruppe über einen Kamm geschoren würden.

PFAS stecken nicht nur in wasserabweisenden Outdoorjacken, beschichteten Pizzakartons oder Teflonpfannen, sie werden auch eingesetzt bei der Beschichtung von Solarmodulen, von Rotoren für Windanlagen, in Kältemitteln in Wärmepumpen oder in Batteriezellen. In dieser Gruppe enthalten sind auch 38 Fluorpolymere, deren Eigenschaften wie Temperatur- und Chemikalienbeständigkeit nach Ansicht zahlreicher Fachleute unverzichtbar für die Industrie sind.

Aus eigner Mitschrift (10h51)

  • EU-Behörden ohne demokratisches Mandat treiben das voran.
  • Statt Bewertung des Risiko sollzukünftig die Stoffeigenschaft Gegenstand einer Regulierung werden. Es sind Verwendungsverbote für gesamte Stoffgruppen, die teilweise total verboten werden sollen, auch dann, wenn deren Verwendung ausgeschlossen werden kann uns sie nur in Chemischen Anlagen vorliegen.
  • Es ist ein Kernelement der Chemikalienstrategie der EU, die ganze Gruppen pauschal vom Markt nehmen will, darunter auch ein Produktionsverbot, Verkaufsverbot, verwendungsverbot Ein STAMP eines Herzinfarktpatienten müsste dann ausgebaut werden.
  • Dieser Prozess wirkt schon jetzt, indem sich Firmen aus dem Markt herausziehen
  • Ein Weg könnte sein, den durch die EU geplanten Rundumschlag aufzulösen und spezifische Bewertungen vorzunehmen
  • Da die Persistenz des Stoffs ja wichtig ist, wird ein wirkidentischer Ersatzstoff das selbe Problem mit sich bringen und stellt daher keine Lösung dar.
  • Die eigentliche Schmerzgrenze bei den Energiepreisen ist abhängig vom herzustellenden Produkt und kann nicht pauschal angegeben werden.
  • Der Gaspreis war vorher ok, jetzt ist er aber doppelt so hoch und das ist schwierig.
  • Der Strompreis ist um ein Vielfaches höher, als in anderen Ländern. Das ist das Problem. Unser Problem ist dabei diese Wettebewerbsverzerrung.
  • Der VCI will 4 ct/KWh da wäre ein fairer Wettbewerb gewährleistet
  • Grüner Wasserstoff ist nach jetzigem Stand viel zu teuer
  • Ich China kostet die Kilowattstunde 0,5ct oder 1 ct. Mit 4ct wäre die Chemie gerade noch wettbewerbsfähig.
  • Außerdem verdreifachen sich die CO2.-Emmissionen etwa, wenn man in China Chemikalien produziert
  • Stromprduktionsüberschuss könnte durchaus zur Wasserstoffproduktion genutzt werden.

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Dr. Langhammer, ChemDelta Bavaria

Geschlossene Kreisläufe waren Dr. Bernhard Langhammer, Sprecher ChemDelta Bavaria, ebenfalls ein Anliegen. Schaffe man ein Regularium, so Langhammer, damit Fluorpolymere nicht in der Umwelt landen, dann sei das Restproblem überschaubar.

Eigene Mitschrift (10:09) und aus dem Schlusswort

  • Für Beschränkungen der Stoffklasse PFAS aber auch für einen sicheren Umgang der nicht ersetzbaren Fluorpolymere. Es gibt da einige, die unverzichtbar sind.
  • Problem: Zu den REACH—Verfahren gab es einen Call for Evidence der Industrie an die Politik, was im Beschränkungsverfahren federführend eingebracht wurde
  • Es gibt auch Richtungswandel im Umgang. Früher gab es Risikobetrachtung jetzt nach Gefährlichkeit. Umgang ist inzwischen irrelevant, sondern nur noch ein  Potential relevant.
  • Fluorpolymere emulgatorfrei waren nur in Gendorf herstellbar. Geschossene Wasserkreisläufe mit Gedorf als Pilotkreislauf hat die Dyneon selbst gesagt, sie würde noch 200 Mio investieren, wodurch dann im geschlossenen Kreislauf produzierbar gewesen wäre. Wenige Wochen später beschloss Dyneon den Komplettausstieg.
  • Wenn es zu dieser Schießung kommt, werden die Standortkosten sich auf diese Firmen überwälzen, was 4000 Arbeitsplätze oder im weiteren Sinn 10.000 betrifft
  • Er plädiert dafür, ein Beschränkungsverfahren durchzuführen und Fluorpolymere herausnehmen um sie dann den klassischen Risikoabwägungen zu unterwerfen und nicht der durch das Umweltbundesamt durchgeführten Sippenhaft.
  • Fluorpolymere machen lediglich 0,1% der Kunststoffe aus, die außerdem auch teuer sind, weswegen sie niemand freiwillig einsetzt.
  • Fluorpolymere, ermöglichen jedoch länger laufende Anlagen
  • Technisch notwendig sind davon unter 40 Stoffe.
  • Bei diesen unter 40 Stoffen kann man individuelle Kosten/Nutzen-Strategien aufstellen.
  • Die Prozesse wie das Zeug in die Umwelt gelangen könnte, gehören reguliert und aus dem Markt genommen, dann ist das Restproblem überschaubar.
  • Irgend wann einmal könnte es „Wundersubstanzen“ geben, die dann diese letzten im Markt befindlichen Polymere aus dem Markt drängen könnten.

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Dr. Michael Schlipf (Höchst, Dyneon, hat Fluorpolymere hergestellt)

Dieser Einschätzung folgte auch Dr. Michael Schlipf, Geschäftsführer der FPS GmbH. Er kritisierte ein Verbot der PFAS inklusive der 38 Fluorpolymere als unwissenschaftlich. Toxische Produkte gehörten zwar nicht in die Umwelt und müssten substituiert werden, die Fluorpolymere seien aber irrtümlich in der Gruppe der PFAS gelandet und sollten dringend herausgenommen werden.

Aus eigener Mitschrift (10h17)

  • Unterstützt die bisherigen Argumente und will zusätzliche einbringen, fokussiert nicht auf PFAS, sondern 38 Fluoprpolymere auf denen viel Technologe aufgebaut ist.
  • Diese sind „irrtümlich“ aus Strukturgründen beiden PFAS eingeordnet, und damit in das Beschränkungsverfahren unterworfen. Das ist überzogen.
  • Zwei Hersteller ziehen sich zurück Dyneon/3M und Solvay. Damit fehlen 51% der Fluorpolymere im europäischen Markt. Die Ankündigungen betreffen 51% des Markts.
  • 2027 werden die Schäden riesig sein. Jetzt muß gehandelt werden.
  • Mit Hilfe von Fluorpolymeren könnte eine lineare Wirtschaft in eine Kreislaufwirtschaft umgebaut werden.
  • Alternativwerkstoffe gibt es nicht für Anwendungen wo die Flurpolymer-Eigenschaften gefordert werden.
  • Diese 38 Fluoroplymere müssen daher aus den PFAS-Paketen herausgenommen werden.

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Dr. Uwe Hellstern, Chemiker

„Es ist völlig irre, die vom Markt nehmen zu wollen“

erklärte beispielsweise Dr. Uwe Hellstern. Sie seien die Basis für Hochtechnologie. Ersetzen ließen sich die Substanzen nicht, denn sie hätten den Vorteil, dass sie resistent gegen aggressive Chemikalien seien. Ihr Nachteil liege in ihrer Robustheit.

Aus eigener Mitschrift (9h44):

  • Uwe Hellstern betrieb als Chemiker selbst Anlagen die ohne fluorierte Chemikalien gar nicht betreibbar sind.
  • Seit 2/2023 ist die Idee in Umlauf, daß diese teilfluorierten Stoffe völlig ersetzbar sind.
  • Bei vielen Prozessen halten aber nur Fluorpolymere den dort bestehenden Anforderungen stand. Sie sind eben von Natur aus resistent gegen Chemikalien.
  • Ihr Vorteil ist eben auch ihr Nachteil.
  • Es ist völlig falsch das als Verbot zu lösen. Ziel muß vielmehr sein, bisher Produziertes weiterzuverwenden.
  • Ohne sie wird auch keine Wasserstoff-Elektrolyse in großem Umfang möglich sein.
  • Fluor ist eben durch andere chemische Stoffe nicht angreifbar, das liegt in der Natur dieses Stoffs.
  • Es gibt auch nicht für alles Substitute, das sind wissenschaftliche Grundtatsachen.
  • Bei den Erneuerbaren wird es umso mehr gebracht werden.
  • Die Kältemittel der Wärmepumpen werden beispielsweise mit fluorierten Stoffen hergestellt.  Woher soll denn dann das Kältemittel kommen?
  • Wir brauchen diese Hochleistungswerkstoffe. Entweder wir produzieren sie selbst, sondern wir machen uns vom Ausland abhängig.
  • Man könnte darüber spekulieren, ob 3M das Geschäft in Europa geopfert hat, um Schadensersatzklagemöglichkeiten in den USA zu reduzieren.
  • Die Regulierung der PFAS ist erst der Anfang. Durch die EU soll die gesamte Chemikalienstrategie umgebaut werden.
  • Die Flurpoliere müssen aus dem Paket herausverhandelt werden

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Herr Lang, Gewerkschafter

Um die Verwendung von PFAS komme man nicht herum, erklärte Jonas Lang, Gewerkschaftssekretär, ICBCE Bayern und rief zu einer sachlichen Debatte auf. Ziel müsse es sein, die Chemieindustrie in Deutschland zu erhalten und einer De-industrialisierung entgegenzuwirken. Lang mahnte einen Industriestrompreis von vier Cent pro Kilowattstunde an und mehr Planungssicherheit für die Unternehmen.

Aus eigener Mitschrift (10h07)

  • Kabel, Medizintechnik, Halbleiter, Elektronikindustrie, Chipherstellung.
  • Auch in der Textilindustrie sind diese Stoffe ganz zentral.
  • Sie sind also auch in Konsumprodukten vorhanden.
  • Es geht in der Chemieindustrie zwischen 60.000 Beschäftigten und 190.000 Beschäftigten im weiteren Sinn.
  • Es sind Arbeitsplätze, die ein hohes Steueraufkommen bewirken.
  • Ein Induszriestromreis von 4ct/KWh ist notwendig
  • 3M könnte die Anlage auch verkaufen, sodaß diese dann von jemand anderem gekauft wird, und dann durch Dritte betrieben wird, was geopolitisch und wirtschaftspolitisch wichtig wäre.

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Herr Lang, Gewerkschafter

Die hohe Bedeutung von Stoffkreisläufen erklärte Professor Dr.-Ing. Thorsten Gerdes von der Universität Bayreuth. Der Leiter der Keylab Glastechnologie hat an der Entwicklung der Upcycling-Anlage von Dyneon, einer Tochter des US-Konzerns 3M, mitgearbeitet. Es ist die erste und einzige Anlage, die ein chemisches Recycling von Fluorpolymeren ermöglicht. Allerdings hat der amerikanische Mutterkonzern entschieden, das Dyneon-Werk in Gendorf mit seinen derzeit 680 Arbeitsplätzen bis Ende 2025 zu schließen. Ein „Rückschritt für die Schließung der Stoffkreisläufe der Fluorpolymere“ und deren nachhaltiger Zukunft, sagt Gerdes. Denn dort wurde ein großer Teil aller in Europa insgesamt hergestellten PFAS produziert, die in vielen verschiedenen Sektoren von der Automobilindustrie bis hin zur Medizintechnik noch gebraucht werden. Ein zukunftsfähiger Werkstoff solle sich über seine Gebrauchseigenschaften hinaus durch besondere Merkmale wie Kreislauffähigkeit, emissionsfreie Herstellung und Vermeidung von Emissionen auszeichnen. Der Professor rief dazu auf, den Ausstieg von 3M zu nutzen, als „Einstieg in eine green factory zur Herstellung von Fluorpolymeren am Standort Gendorf“.

Aus eigener Mitschrift (9h38)

  • Kommt selbst aus Tätigkeiten mit Schwerpunkt Glasindustrie.
  • 3M Schließung hat Gründe und Auswirkungen auf gesamteuropäischen Markt. ist aber auch Rückschritt auf die Schließung des Kreislaufs.
  • Aegumentiert, daß man aus Schrott und Abfällen neue Polymere mit „verbesserten Eigenschaften herzustellen“ um einige substituieren zu können.
  • Recycling der bisherigen Stoffe ist „alternativlos“.
  • Transformation Gendorf in einen Recycling-Standort was unter allen „Steakholdern“ zu erfolgen hätte, wäre denkbar

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Die Argumentation der beiden Vertrerinnen von der Umweltseite Frau Jost und Frau Kulmann wirkte teilweise konfus und schwer nachvollziehbar. Sie drehte sich um altbekannte Positionen des Umweltschutzes und die bekannte Tatsache, daß PFOS gesundheitsgefährdend sind und sich im Menschen anreichern können. Die BUND-Vertreterin argumentierte z.B. mit dem Rückgang der ORCA-Population.

Eigene  Mitschrift zu Frau Jost (9:49)

  • Anteil der EU in den Weltmärkten ist in diesem Markt rückgängig, Chinesische und US-Unternehmen übernehmen diese Marktteile. Die Wertschöpfungsketten innerhalb der EU werden hierdurch geschwächt. Der einzige Weg dies zu unterbrechen sind Neugründungen.
  • Neugründungen finden jedoch in den USA mehr Investitionsmöglichkeiten.
  • Fluorpolymere werden breit benötigt, Erneuerungen braucht es.
  • Es darf keinen Weg zurück geben. „Nachhaltigkeit ist ein Megatrend, der sich nicht aufhalte läßt“

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Notizen aus der Diskussion

  • Bei Fluorpolymeren besteht noch Hoffnung. Aber Energiekosten mit Lockangeboten aus den USA und China sind noch gefährlicher, denn diese saugen das Geschäft aus der EU ab.
  • Würde BMW in China Batterien herstellen, dürfte der Konzern seine damit betriebenen Fahrzeuge nicht in die EU importieren, da gemäß EU-Verordnung nicht nur die Herstellung, sondern auch der Import verboten werden soll.
  • China hat einen 5-Jahresplan für Fluorpolymere für die aufgestellt und produziert diese verstärkt für die Elektromobilität. Frankreich hat dies kopiert und versucht nun die Produktion von Fluorpolymeren nach Frankreich zu holen und insbesondere für Brennstoffzellen einzusetzen etc.
  • Fluorpolymere sind aber auch bei der Elektrolyse des „grünen“ Wasserstoff notwendig, denn alle Leitungen, um diesen zu gewinnen sind aus Fluorpolymeren.
  • Die Verwendung der 38 technisch notwendigen Fluorpolymere gilt als sicher und bedarf keiner weiteren Regulierung. Die Hersteller können dann zur Herstellung auf Kreisläufe umstellen. Viele davon können gefahrlos produziert werden. Bei anderen wird noch geforscht.
  • Alle Kabel in einem Flugzeug haben eine zusätzliche PTFE-Isolierung. Bei einem Verbot könnte ein Airbus, dessen Kabel nicht noch mit Fluorpolymeren ummantelt ist, wohl keine Landgenehmigung in den USA oder sonstwo mehr bekommen.
  • Implantate, STANTS, oder künstliche Venen sind alle aus Fluorpolymeren, da der Körper diese nicht abweist, sondern integriert. Auch Computertomographie wäre ohne Fluorpolymere nicht mehr möglich.
  • Baustoffe: Das Dach der Allianz-Arena ist aus PTFE-Material und hat nur 10% des Gewicht eines Glasdachs und altert nicht. Alternativen wie Polyethylen würde bei einem Brand „wie Napalm auf die Zuschauer regnen“.
  • Frankreich wird dem Verbot wegen seiner Industrie nicht folgen. GB auch nicht, Die USA haben Giftigkeitsansatz. Der Konzern CHEMOURS wird seine Produktion an Fluorpolymeren verdoppeln.
  • Japan folgt auch nicht
  • AÖ war der einzige Standort an dem die PFOA hochkonzentriert erlaubt emittiert wurde. Zum Glück sinken diese Werte nun in der Bevölkerung wieder. Auch die zu sorglose Verwendung in Oberflächen beim Consumeranwendungen wie z.B. in Fastfood-Verpackungen ist völlig unnötig.
  • Derzeit fließen riesige Investitionen der Industrie wo anders hin. Es ist ein schleichender Prozess, der vielen wohl erst in 10 bis 20 Jahren auffallen wird.
  • Wasserstoff: Es wird eine Veränderung der Wertschöpfungskette geben, weil wir Öl und Gas aus Gegenden bekommen, die das billig zur Verfügung haben. Diese haben aber auch die Sonne. Doch die Leitungen dazu fehlen.
  • Wir werden in den nächsten 15 Jahren keine Wasserstoffwirtschaft haben. Die Anoden zur Elektrolyse von Wasserstoff müssen mit Materialien beschichtet werden die so knapp sind, daß man damit nicht einmal alle Anoden Deutschlands damit beschichten könnte.
  • Gasleitungen zu Wasserstoffleitungen umzubauen ist nur mit Fluorpolymeren möglich
  • Kreislaufwirtschaft ist gut, aber sie muß weltmarktfähige Preise produzieren. Diese Industrie ist interessant aber derzeit nicht machbar. Nicht dauernd Geld in Träume stecken (Eibl, CSU klopft Beifall)
  • Gendorf war/ist Vorzeigestrandort.
  • Aus dem Konsumerbereich ist vieles schon herausgenommen worden. Goretex-Jacken enthalten hat diesen Stoff schon nicht mehr.
  • Die großen Investitionen werden schon lange nicht mehr n Europa getätigt. Wir sehen seit dem Jahr 2000 daß mehr abgeschrieben wird, als neu investiert wird.
  • Ein weiteres Problem liegt in den Regierungen selbst diese setzen Vorgaben aus der EU viel zu oft strenger um, als es eigentlich notwendig wäre und sind strenger als in anderen Ländern in der EU.