PSPP-Anleiheprogramm: Bundesverfassungsgericht stoppt Bundesverfassungsgericht

Quelle: Von Bundesarchiv, B 145 Bild-F080597-0004 / Reineke, Engelbert / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5472829

KARSRUHE / BERLIN – Im PSPP-Urteil hatte das Verfassungsgericht juristische Ohrfeigen an den Bundestag und Bundesrat dafür verpasst, daß diese beiden Verfassungsorgane wegschauen, wenn die Bundesregierung über die EU erhebliche Summen des Bundeshaushalts an die EU-Länder des „Club-Med“ verteilt.

 

Mit Urteil vom 5. Mai 2020 hatte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mehreren Verfassungsbeschwerden gegen das Staatsanleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (Public Sector Purchase Programme, PSPP) stattgegeben (2 BvR 859/15). Das Bundesverfassungsgericht kommt darin unter anderem
zu dem Ergebnis:

Zu berücksichtigen sind auch die Auswirkungen des PSPP auf den Bankensektor. Das Programm greift in die Bilanzstrukturen der Geschäftsbanken ein, indem es auch risikobehaftete Staatsanleihen in großem Umfang in die Bilanzen des Eurosystems übernimmt und dadurch die wirtschaftliche Situation der Banken erheblich verbessert und ihre Bonität erhöht. Zugleich werden die Banken zu vermehrter Kreditvergabe trotz eines abgesenkten Zinsniveaus angehalten(RN 172).

Wir haben dieses Urteil hier analysiert und eingeordnet. Dieses Urteil des Bundeverfassungsgerichts hatte in supranationalen Zirkeln erhebliche Widerstände ausgelöst. So druckte die Augsburger Allgemeine Zeitung Einschätzung die Einschätzung des Herrn George Soros ab

„Dieses Urteil ist eine politische Bombe, die die ganze EU zerfetzen könne – zumindest als eine Union, die das Recht ernst nimmt… Wenn diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes die EU daran hindert, auf so etwas angemessen zu reagieren, ist bald von der Idee eines demokratischen und rechtsstaatlichen Europa nichts mehr übrig.“?

Christine Lagarde kündigt ebenfalls an, dass ihr das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Kompetenzüberschreitungen der EZB und die damit verbundenen Eingriffe in das Vermögen der Deutschen gleichgültig ist und sie es ignorieren wird:

„Wir werden weiterhin tun, was immer nötig ist, um dieses Mandat zu erfüllen… Unbeirrt werden wir das weiterhin machen.“

Christine Lagarde, gab ein weiteres Mal klar zu erkennen, daß sie dieses Urteil nicht beachten wird:

„laut EU-Vertrag müssten alle nationalen Zentralbanken in vollem Umfang an den Entscheidungen und der Durchführung der Geldpolitik teilnehmen.“?

Um der EZB weiterhin zu ermöglichen, Geld aus Deutschland z.B. nach Frankreich zu transferieren, setzt die Französin auf dem IWF-Chefsessel die unbelegte Behauptung in die Welt:

„Wir bleiben unserem Mandat gänzlich verbunden – das steht außerfrage“. Die von der EZB ergriffenen Maßnahmen gegen die Krise seien „vorübergehend, zielgerichtet und verhältnismäßig“.

Die AfD hat dazu eine ganz andere Auffassung:

Damit ergibt sich für die Staatsregierung die Konstellation, dass ihr vom BVerfG wegen der Unverhältnismäßigkeit der PSPP-Käufe verboten ist, dazu beizutragen, dass die EZB über das PSPP-Programm oder vergleichbare Programme weiter Staatsanleihen kauft, während die IWF-Chefin einfach ins Blaue hinein behauptet, das PSPP-Programm sei „verhältnismäßig“ und damit die deutschen Verfassungsorgane zum Verfassungsbruch auffordert.

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Anfragen der AfD enthüllen die Untätigkeit der bayerischen Staatsregierung auch im Bundesrat

Grundsätzlich sind die Verfassungsorgane dazu aufgerufen, darauf zu achten, daß die Verfassung eingehalten wird. Dieser Pflicht kommen die Regierungen und Bund und Ländern mit unterschiedlichem Nachdruck nach. Manchmal hat man den Eindruck, daß wenn in einem Flüchtlingsheim der Schokopudding ausgeht, von manchen Vertretern aus dem linksgrünen Lager hierin bereits ein Anschlag auf die Menschenwürde vermutet wird. Wenn hingegen der mit einer Ewigkeitsgarantie versehene Artikel 20GG mit seinen Souveränitätsgebot des deutschen Staates verletzt wird, weil die Bundesregierung über die EZB z.B. mehr als die Hälfte des deutschen Staatshaushalts an die Club-Med-Staaten verteilt, verletzt wird, dann drehen sich die Verfassungsorgane weg und tun so, als ob nichts geschehen wäre.

So enthüllte die AfD durch eine Anfrage bei der bayerischen Staatsregierung, wie das Verfassungsorgan mit Hilfe einer real praktizierten Verantwortungsdiffusion untätig blieb: man beauftragte einfach einen Dritten mit einer Bewertung und folgt dann dieser Bewertung und glaubt, sich so die Finger nicht schmutzig zu machen:

Von den Ausschüssen des Bundesrates befasste sich der Rechtsausschuss in seiner Sitzung am 20.10.2016 mit den im BVerfG-Urteil vom 05.05.2020 entschiedenen verfassungsgerichtlichen Verfahren (Az. 2 BvR 859/15, 2 BvR 1651/15, 2 BvR 2006/15 und 2 BvR 980/16). Er empfahl dem Bundesrat, von einer Äußerung und einem Beitritt zu den verfassungsgerichtlichen Verfahren abzusehen. Eine Stellungnahme des Bundesrates erschien dem Rechtsausschuss nicht geboten (BR-Drs. 576/16). Der Bundesrat folgte in seiner 950. Sitzung vom 04.11.2016 dieser Empfehlung und beschloss mit den Stimmen des Freistaates Bayern, von einer Äußerung und einem Beitritt abzusehen (BR-Drs. 576/16 [Beschluss]).

Erwartungsgemäß interessierte dies nur die AfD. Alle anderen Parteien thematisierten dieses Wegschauen im Rahmen ihrer Oppositionsarbeit nicht! Bei strengen Nachfragen zu diesem Thema taucht die Staatsregierung ab. So fragte die AfD:

4.2 Aus welchen Gründen haben die in 4.1 abgefragten Sicherungen bei dem im PSPP-Urteil behandelten Gegenstand versagt?

Aus Sicht der Staatsregierung liegt kein Versagen von Sicherungen vor.

4.3 Hat das in § 83b der Geschäftsordnung des Landtages verankerte Subsidiaritätsfrühwarnsystem den durch das BVerfG als verfassungswidrig gerügten Eingriff in die Grundrechte der Bürger Bayerns erkannt (bitte unter Angabe der Daten der Behandlung ausführlich begründen)?

Die Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags obliegt nicht der Beurteilung der Staatsregierung.

Anspruch der „Wahlberechtigten gegenüber dem Bundesrat und den darin vertretenen Länderregierungen, dass diese die EU-Institutionen beim Überschreiten der Grenzen des Integrationsprogramms nicht nur nicht mitwirken, sondern sogar aktiv auf die Befolgung und die Beachtung seiner Grenzen
hinwirken
5.1 Bei welchen Initiativen des Vertragsgeflechts EU hat die Staatsregierung bisher den Anspruch der Bürger Bayerns wahrgenommen und eine Mitwirkung an diesen Initiativen wegen Eingriffs in die Souveränität der Nationalstaaten/ Bayerns durch Überschreiten der Kompetenzen von Institutionen des Vertragsgeflechts EU nicht die eigene Mitwirkung unterlassen?
5.2 Bei welchen Initiativen des Vertragsgeflechts EU hat die Staatsregierung bisher den Anspruch der Bürger Bayerns wahrgenommen und eine Mitwirkung an diesen Initiativen wegen Eingriffs in die Souveränität der Nationalstaaten/ Bayerns durch Überschreiten der Kompetenzen von Institutionen des Vertragsgeflechts EU aktiv auf die Einhaltung von deren Grenzen hingewirkt?

Hinsichtlich der Mitwirkungsrechte der Länder in EU-Angelegenheiten wird auf die Antwort zu Frage 4.1 verwiesen. Die Staatsregierung bezieht den Landtag seit 01.01.2009 in die Subsidiaritätskontrolle von EU-Gesetzgebungsakten ein. Sie hat in allen Angelegenheiten, in denen sie in diesem Zusammenhang dem Landtag Subsidiaritätsbedenken gemeldet hat, diese auch im Bundesrat geltend gemacht.

Befolgung des Urteils des BVerfG
8.1 Welche Kenntnisse hat die Staatsregierung darüber, ob die Bundesbank das Urteil des BVerfG befolgt und ihre Beteiligung am PSPP-Programm derart beendet hat, dass sie keine Handlungen mehr vornimmt, die als Handlungen im Rahmen des PSPP wahrnehmbar sind (bitte chronologisch und lückenlos aufschlüsseln)?

Der Staatsregierung liegen hierzu keine eigenen Erkenntnisse vor.

8.2 Welche Kenntnisse hat die Staatsregierung darüber, ob die Bundesregierung das Urteil des BVerfG befolgt und ihre Beteiligung am PSPP-Programm derart beendet hat, dass sie keine Handlungen mehr vornimmt, die als Handlungen im Rahmen des PSPP wahrnehmbar sind (bitte chronologisch und lückenlos aufschlüsseln)?

Der Staatsregierung liegen hierzu keine eigenen Erkenntnisse vor.

8.3 Welche Initiativen hat die Staatsregierung z.B. im Bundesrat gestartet, um sicherzustellen, dass die Organe des Bundes das Urteil des BVerfG nicht missachten (bitte chronologisch und lückenlos aufschlüsseln)?

Aus Sicht der Staatsregierung sind entsprechende Initiativen bislang nicht veranlasst.

Ausweislich einer weiteren Anfrage duckt sich die Staatsregierung zu diesem Thema maximalmöglich weg:

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Bundesverfassungsgericht verteilt Ohrfeigen an die Verfassungsorgane Bundestag und Bundesrat

Das Verfassungsgericht kam nach der Anhörung zu einem Urteil, in welchem es an alle Verantwortlichen in den Verfassungsorganen heftige Ohrfeigen verteilte. Im Kern argumentierte das BVrfG, daß die Verfassungsorgane der Bundesrepublik durch eine von ihnen betriebenen Politik des Wegschauens, es der EZB erlauben, Kompetenzen zu leben, die ihr gar nicht zustehen, sondern unveräußerliche Kompetenzen des Nationalstaats Bundesrepublik sind:

Der in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 und Art. 79 Abs. 3 GG verankerte Anspruch auf demokratische Selbstbestimmung gilt ausweislich von Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 GG grundsätzlich auch in Ansehung der europäischen Integration. Die demokratische Legitimation der in Deutschland ausgeübten öffentlichen Gewalt durch das Staatsvolk gehört als wesentlicher Inhalt des Grundsatzes der Volkssouveränität zu der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten und nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG auch integrationsfesten Verfassungsidentität des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 89, 155 <182>; 123, 267 <330>; 129, 124 <169>; 142, 123 <191 Rn. 127>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 119). Das Grundgesetz ermächtigt die deutschen Staatsorgane daher nicht, Hoheitsrechte auf die Europäische Union derart zu übertragen, dass aus ihrer Ausübung heraus eigenständig weitere Zuständigkeiten für die Europäische Union begründet werden können (a). Art und Umfang der Übertragung von Hoheitsrechten müssen demokratischen Grundsätzen entsprechen. Die substantielle Gestaltungsmacht des Bundestages – insbesondere auch in Gestalt seines Budgetrechts – darf nicht verloren gehen (b)… Dem Deutschen Bundestag müssen auch bei einer Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 23 Abs. 1 GG eigene Aufgaben und Befugnisse von substantiellem politischem Gewicht verbleiben… Daher liegt eine das Demokratieprinzip verletzende Übertragung von Hoheitsrechten jedenfalls dann vor, wenn die Festlegung von Abgaben in Art und Höhe in wesentlichem Umfang supranationalisiert und damit der Dispositionsbefugnis des Bundestages entzogen würde (vgl. BVerfGE 129, 124 <179>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 123). vgl. RdNr. 101f

Mit anderen Worten: Das Verfassungsgericht hat erkannt, daß die deutschen Verfassungsorgane es allesamt zulassen, daß die EZB Aufgaben wahrnimmt, die Kernaufgaben des Nationalstaats Bundesrepublik und der durch die Bevölkerung dazu bestellten und demokratisch legitimierten Regierungsorgane sind. Oder noch knapper ausgedrückt: die deutschen Verfassungsorgane haben es allesamt zugelassen, daß die Bevölkerung der Bundesrepublik in diesen Punkten durch eine fremde, demokratisch nicht legitimierte Macht regiert wurden.

Doch das war noch lange nicht alles:

Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG gewährt den Wahlberechtigten vor diesem Hintergrund gegenüber Bundesregierung, Bundestag und gegebenenfalls dem Bundesrat einen Anspruch darauf, dass diese über die Einhaltung des Integrationsprogramms durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union wachen, am Zustandekommen und der Umsetzung von Maßnahmen, die die Grenzen des Integrationsprogramms überschreiten, nicht mitwirken und bei offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen aktiv auf seine Befolgung und die Beachtung seiner Grenzen hinwirken (a). Dies prüft das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle (b). vgl. RdNr. 106

Mit anderen Worten: Das Bundesverfassungsgericht kündigt mit diesen Worten an, die anderen Verfassungsorgane Bundesregierung, Bundestag und gegebenenfalls den Bundesrat daraufhin zu kontrollieren, daß diese derartige Kompetenzüberschreitungen der EZB und die damit verbundenen Eingriffe einer demokratisch nicht legitimierten fremden Kraft in die Grundrechte der Bürger in Zukunft aktiv bekämpfen, was sie bisher offensichtlich nicht getan haben.

Bei offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union haben Bundestag und Bundesregierung im Rahmen ihrer Befugnisse aktiv auf die Befolgung und Beachtung der Grenzen des Integrationsprogramms hinzuwirken (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 –, Rn. 142). Diese Verpflichtung kann auch den Bundesrat (vgl. Art. 23 Abs. 4 bis Abs. 6 GG sowie Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union) oder den Bundespräsidenten treffen.“ (RdNr. 107)

Im Falle eines solchen Übergriffs haben die Verfassungsorgane Bundesregierung, Bundestag und gegebenenfalls der Bundesrat die Aufgabe die Grundrechte der Bürger aktiv zu beschützen:

Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit der Integrationsverantwortung der Verfassungsorgane schützt die Wahlberechtigten nicht nur davor, dass der Europäischen Union Hoheitsrechte entgegen Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG jenseits des für eine Übertragung offenstehenden Bereichs eingeräumt werden, sondern auch davor, dass Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union umgesetzt werden, die eine entsprechende Wirkung entfalten und jedenfalls faktisch einer mit dem Grundgesetz unvereinbaren Kompetenzübertragung gleichkämen (vgl. BVerfGE 142, 123 <195 f. Rn. 139>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 154). Die Integrationsverantwortung verpflichtet die Verfassungsorgane auch insoweit, sich schützend und fördernd vor die durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechtspositionen des Einzelnen zu stellen (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 154). vgl. RdNr. 114f

Diese, im Urteil des BVerfG ab Randnummer 101 nachlesbare Bankrotterklärung aller Verfassungsorgane dieser Republik durch d Bundesverfassungsgericht wurde – aus welchen Gründen auch immer- bisher durch keines der „Qualitätsmedien“ auch nur ansatzweise thematisiert.

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Der schriftliche Dienst des Bundestags faßt das Urteil wie folgt zusammen:

Wie man einem Beitrag des Bundestags entnehmen kann, meint die Bundesregierung damit ihren Pflichten nachgekommen zu sein. Das nun durch Angela Merkels Anwalt an der Spitze des Bundesverfassungsgericht geleitete Gericht teilt diese Auffassung nun.

Bundesregierung und Bundestag sind aufgrund ihrer Integrationsverantwortung verpflichtet, auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die Europäische Zentralbank (EZB) hinzuwirken. Sie müssen ihre Rechtsauffassung gegenüber der EZB deutlich machen oder auf sonstige Weise für die Wiederherstellung vertragskonformer Zustände sorgen. So lautet der neunte Leitsatz im Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom Dienstag, 5. Mai 2020, zu mehreren Verfassungsbeschwerden gegen das Staatsanleihekaufprogramm der EZB (Public Sector Purchase Programme, PSPP; Aktenzeichen: 2 BvR 859 / 15, 2 BvR 980 / 16, 2 BvR 2006 / 15, 2 BvR 1651 / 15).

„Verhältnismäßigkeit weder geprüft noch dargelegt“

Die Karlsruher Richter stellen in dem Urteil fest, dass Bundesregierung und Deutscher Bundestag die Beschwerdeführer in ihrem Recht aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 1 und Absatz 2 sowie Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes verletzt haben. Sie hätten es unterlassen, geeignete Schritte dagegen zu unternehmen, dass die EZB mit dem PSPP und mit den Ankäufen von Wertpapieren auf der Basis des PSPP ihre währungspolitische Kompetenz überschreitet und in die wirtschaftspolitische Kompetenz der Mitgliedstaaten übergreift. Die EZB habe in den für die Einführung und Durchführung des PSPP erlassenen Beschlüssen weder geprüft noch dargelegt, dass die hierbei getroffenen Maßnahmen verhältnismäßig sind.

Nach Ansicht des Senats setzt ein Programm zum Ankauf von Staatsanleihen wie das PSPP voraus, dass das währungspolitische Ziel und die wirtschaftspolitischen Auswirkungen jeweils benannt, gewichtet und gegeneinander abgewogen werden. Die unbedingte Verfolgung des mit dem PSPP angestrebten währungspolitischen Ziels, eine Inflationsrate von unter, aber nahe zwei Prozent zu erreichen, unter Ausblendung der mit dem Programm verbundenen Auswirkungen missachte daher offensichtlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

„Negative Auswirkungen des PSPP nehmen zu“

Es sei nicht ersichtlich, dass der EZB-Rat die im PSPP angelegten und mit ihm unmittelbar verbundenen Folgen erfasst und abgewogen hätte, die dieses aufgrund seines Volumens von über zwei Billionen Euro und einer Laufzeit von mittlerweile mehr als drei Jahren zwangsläufig verursacht habe. Die negativen Auswirkungen des PSPP nähmen mit wachsendem Umfang und fortschreitender Dauer zu, sodass sich mit der Dauer auch die Anforderungen an eine solche Abwägung erhöhten. Der Zweite Senat kommt damit auch zu einem anderen Ergebnis als der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom 11. Dezember 2018. Darin hatte der EuGH entschieden, dass das PSPP nicht über das Mandat der EZB hinausgehe und auch nicht gegen das Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung verstoße.

Ob Bundesregierung und Bundestag ihre Integrationsverantwortung auch dadurch verletzt haben, dass sie nicht auf eine Beendigung des PSPP gedrungen haben, kann laut Zweitem Senat nicht abschließend beurteilt werden, weil sich erst nach einer „nachvollziehbar dargelegten Verhältnismäßigkeitsprüfung“ durch den EZB-Rat endgültig feststellen lasse, ob das PSPP in der Sache mit dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union vereinbar ist.

„Der bisherigen Handhabung des PSPP entgegentreten“

Nicht ersichtlich ist für die Richter eine Verletzung der Verfassungsidentität des Grundgesetzes im Allgemeinen und der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages im Besonderen. Zwar würde eine (nachträgliche) Änderung der Risikoverteilung zwischen der EZB und den nationalen Zentralbanken mit Blick auf den Umfang des PSPP von mehr als zwei Billionen Euro die vom Senat entwickelten Grenzen der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages berühren und wäre mit Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes unvereinbar. Für die von nationalen Zentralbanken erworbenen Staatsanleihen ihrer Mitgliedstaaten sehe das PSPP eine solche – „primärrechtlich ohnehin verbotene“ – Risikoteilung jedoch nicht vor.

Bundesregierung und Bundestag seien „aufgrund der ihnen obliegenden Integrationsverantwortung“ verpflichtet, der bisherigen Handhabung des PSPP entgegenzutreten, betont der Zweite Senat. Konkret bedeute dies, dass sie auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die EZB hinwirken müssten. Sie müssten darüber hinaus die weitere Durchführung des PSPP beobachten, um Risiken für die Einhaltung des Integrationsprogramms und/oder die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages frühzeitig entgegentreten zu können. (vom/05.05.2020)

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Bundesregierung reagiert verschnupft auf das Urteil

Berlin: (hib/HLE) Die Bundesregierung macht sich die Inhalte und Schlussfolgerungen einer Studie des Zentrums für europäische Wirtschaftspolitik zum Anleihekaufprogramm PSPP (Public Sector Purchase Programme) der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht zu Eigen. Dies teilt sie in ihrer Antwort (19/22021) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/21571) mit. Nach deren Angaben hatte das Institut das PSPP-Programm der Europäischen Zentralbank wegen der Aufhebung verschiedener Sicherungsmaßnahmen kritisiert.

Nach dem Urteil ließ sie sich von einem international ausgebildeten Prof. Meyer ein offenbar in ihrem Sinn sich äußerndes Gutachten verfassen.

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AfD begrüßt das Urteil

Nach fast fünf Jahren Prozessdauer hat das Bundesverfassungsgericht heute geurteilt, dass die EZB-Anleihekaufprogramme weitgehend nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Peter Boehringer, Euro-Kritiker der ersten Stunde und Haushaltspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, erklärt hierzu:

„Dies ist ein wichtiges Urteil. Das Bundesverfassungsgericht bestätigt damit die Rechtsauffassung der AfD-Fraktion, wonach die EZB seit Jahren kompetenzüberschreitend, verfassungswidrig und unvereinbar mit EU-Vertragsrecht handelt. Gleichzeitig rügt das Gericht die Bundesregierung und den Bundestag, dass sie ihrem verfassungsrechtlichen Auftrag, die Beschlüsse des EZB-Rats auf ihre Rechtstreue hin zu überprüfen, nicht nachgekommen sind. Damit ist höchstrichterlich bestätigt, was die AfD seit jeher in Bezug auf die Eurorettung argumentiert – und dass die Bundesregierung längst dagegen hätte angehen müssen.“

Laut Bundesverfassungsgericht ist es der Bundesbank fortan untersagt, sich weiter an den Anleihekaufprogrammen der EZB zu beteiligen. Sie muss diese sogar rückabwickeln, wenn der EZB-Rat nicht binnen drei Monaten nachvollziehbar darlegt, dass seine Programme verhältnismäßig sind.

Dazu stellt Peter Boehringer fest:

„Mit der Forderung nach Darlegung von Verhältnismäßigkeit stellt das Verfassungsgericht den EZB-Rat vor eine unlösbare Aufgabe. Der Ankauf von Staatsanleihen dient offensichtlich wirtschafts- und fiskalpolitischen Zielen. Das Mandat der EZB ist aber auf reine Geldpolitik beschränkt. Jeder Versuch, hier noch eine Begründung für die Anleihekäufe nachzuliefern, ist zum Scheitern verurteilt.“

Mit Blick auf die Reichweite des Urteils sagt Boehringer:

Das Bundesverfassungsgericht hat heute klargestellt, dass es eine fortlaufende Rechtsbeugung auch durch den Europäischen Gerichtshof nicht hinnimmt. Damit stärkt das Gericht auf begrüßenswerte Weise die Nationalstaaten in ihrem Verhältnis zur EU. Dennoch haben es die Richter vermieden, den offensichtlichen Verstoß der Anleihekäufe gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung auch explizit festzustellen und zu rügen. Die AfD-Fraktion fordert auf Basis dieses Urteils nunmehr:

  1. Die Beendigung und Rückabwicklung der Anleihekäufe aus dem PSPP-Programm (2015 bis 2020), zu denen keinesfalls eine Begründung der damaligen Verhältnismäßigkeit nachgeliefert werden kann.
  2. Die Beendigung auch des neuen Anleihekaufprogramms der EZB (PEPP) aus demselben Grund.
  3. Eine eindeutigere Formulierung des Artikels 123 AEUV zum Verbot der monetären Staatsfinanzierung, um hier die Auslegungsspielräume zu begrenzen.“

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Mit Hilfe einer (Schein?)Debatte im Bundestag Bedenken des BVerfG ausräumen?

Nachdem das BVerfG gerügt hatte, haben die Altpartien das Thema PSPP auf die Tagesordnung des Bundestags gesetzt und über einen gemeinsam eingebrachten Antrag abstimmen lassen. Nicht thematisiert wurde hierbei jedoch, ob es dem Bundestag möglich ist, mit Hilfe einer einzigen Debatte die in Art. 79 Abs. 4 GG mit einer Ewigkeitsgarantie versehenen und in Art. 20 Abs. 1 GG festgelegte Souveränität Deutschlands in Frage zu stellen, indem der Bundestag einen so großen Teil des eigene Staatshaushalts ins Feuer legt, daß im Zweifel der ganze Staat handlungsunfähig wäre.

Nach Überzeugung der AfD ist das jedenfalls nicht möglich.

Tagesordnungspunkt ZP 17 im Bundestag am 2.7.2020 zum Anleihekaufprogramm PSPP

Der Bundestag hat am Donnerstag, 2. Juli 2020, einen gemeinsamen Antrag der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Anleihekaufprogramm PSPP der Europäischen Zentralbank“ (19/20621). PSPP steht für „Public Sector Purchase Programme“ angenommen. Die AfD stimmte dagegen, die Linksfraktion enthielt sich. Das Bundesverfassungsgericht hatte mit Urteil vom 5. Mai 2020 Bundestag und Bundesregierung verpflichtet, auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die Europäische Zentralbank (EZB) hinzuwirken (Aktenzeichen: 2 BvR 859 /_15, 2 BvR 980 /_16, 2 BvR 2006 /_15, 2 BvR 1651 /_15).

Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen

Die vier den Antrag (19/20621) einbringenden Fraktionen schlugen dem Bundestag folgende Schlussfolgerung vor: Den im Urteil des Bundesverfassungsgerichts enthaltenen Anforderungen an das Durchführen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Zusammenhang mit dem PSPP wird entsprochen. Die EZB habe zu ihren Entscheidungen zum PSPP eine Prüfung der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Angemessenheit der geldpolitischen Maßnahmen vorgenommen. Es seien dabei die wirtschaftspolitischen Auswirkungen des PSPP identifiziert und gewichtet und diese sodann mit den prognostizierten Vorteilen für die Erreichung des definierten währungspolitischen Ziels in Beziehung gesetzt und nach Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten abgewogen worden.

Der Deutsche Bundestag solle daher die Darlegung der EZB zur Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung für nachvollziehbar und die Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts somit für erfüllt halten. Unabhängig davon komme der Deutsche Bundestag dauerhaft seiner Integrationsverantwortung hinsichtlich geldpolitischer Entscheidungen des EZB-Rats nach.

Drei Oppositionsanträge abgelehnt

Abgelehnt wurden Anträge der AfD mit dem Titel „Kritische und effektive Ausübung der sogenannten Integrationsverantwortung des Deutschen Bundestages im Zusammenhang mit Entscheidungen des Rates der Europäischen Zentralbank“ (19/20616), der FDP mit dem Titel „Verhältnismäßigkeitsprüfung fristgerecht dargelegt – Kontrolle der Grenzen der Geldpolitik als Daueraufgabe ernst nehmen“ (19/20553) und der Linken mit dem Titel „Den Konflikt um die Geldpolitik der EZB politisch lösen – EU-Verträge ändern und geldpolitischen Dialog mit der Bundesbank verankern“ (19/20552).

Die Anträge der AfD und der Linken lehnten alle übrigen Fraktionen ab, dem Antrag der FDP stimmte auch die AfD zu.

Abgelehnter Antrag der AfD

Mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts forderte die AfD in ihrem Antrag (19/20616) die Einrichtung einer Berichtsstelle bei der Deutschen Bundesbank, welche dem Bundestag quartalsweise Zusammenfassungen über bankenunionsrechtliche Maßnahmen zuleitet. Insbesondere seien verfassungsrechtliche Erwägungen unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit und etwaiger Ultra-vires-Handlungen zu beleuchten. Bei eilbedürftigen Sachverhalten sei ein Zwischenbericht so abzufassen, dass eine der Integrationsverantwortung angemessene Behandlung im Deutschen Bundestag gewährleistet sei.

Ähnliches sollte auch für die Europäische Zentralbank (EZB) angedacht werden. In diesem Fall sollte eine eingerichtete Berichtsstelle dem Parlament halbjährlich Zusammenfassungen über geld- und währungspolitische Maßnahmen zuleiten, heißt es in der Vorlage.

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Bundesregierung nach Persilschein-Debatte zufrieden:

Wie man einem Beitrag des Bundestags entnehmen kann, meint die Bundesregierung damit ihren Pflichten nachgekommen zu sein. Das nun durch Angela Merkels Anwalt an der Spitze des Bundesverfassungsgericht geleitete Gericht teilt diese Auffassung nun.

 

Das Urteil:

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat mit dem am 18. Mai 2021 veröffentlichten Beschluss vom 29. April 2021 (2 BvR 1651/15, 2 BvR 2006/15) Anträge auf Erlass einer Vollstreckungsanordnung gemäß § 35 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) verworfen.

Die Anträge waren auf das sog. PSPP-Urteil des BVerfG vom 5. Mai 2020 bezogen, in dem das Gericht mehreren Verfassungsbeschwerden gegen das Anleihekaufprogramm Public Sector Asset Purchase Programme (PSPP) der Europäischen Zentralbank (EZB) stattgegeben hatte.

Die Anträge richteten sich zunächst auf die Einsichtnahme in als vertraulich eingestufte Dokumente der EZB, die Bundesregierung und Bundestag im Juni 2020 übermittelt wurden. Zudem wurde u. a. geltend gemacht, dass die EZB den Anforderungen des BVerfG bezüglich einer substantiierten und nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht entsprochen habe. Bundestag und Bundesregierung seien ihren Handlungspflichten nicht nachgekommen, so dass die vom Gericht festgestellte Rechtsverletzung der Beschwerdeführer fortbestehe. Zudem wurde ein Befangenheitsantrag gegen die Bundesverfassungsrichterin Wallrabenstein gestellt, der mit Beschluss vom 12. Januar 2021 für begründet erklärt wurde.

Hintergrund: Das PSPP-Verfahren insgesamt knüpft an die BVerfG-Entscheidung zum EZB-Beschluss vom 6. September 2012 über das Outright Monetary Transactions-Programm (OMT) an. Nachdem der Europäischen Gerichtshof (EuGH) auf Vorlage des BVerfG die Unionsrechtskonformität des OMT-Programms festgestellt hatte (Rs. C-62/14 – Gauweiler), entschied das BVerfG, dass sich der EZB-Beschluss in der vom EuGH vorgenommenen Auslegung nicht „offensichtlich“ außerhalb ihrer Kompetenzen bewege.

Nach der Einführung des PSPP-Programms 2015 wurden gegen das Handeln der EZB erneut Verfassungsbeschwerden erhoben. Auch in diesen Verfahren legte das BVerfG dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vor. Nach Ansicht des EuGH (Rs. C-493/17 – Weiss) sei das PSPP vom Mandat der EZB gedeckt, achte den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und verstoße nicht gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung.

In seinem anschließenden PSPP-Urteil stellte das BVerfG fest, dass die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf demokratische Selbstbestimmung verletzt sind. Bundesregierung und Deutscher Bundestag seien nicht dagegen vorgegangen, dass die EZB keine Prüfung der Verhältnismäßigkeit des PSPP vorgenommen habe. Sie seien aufgrund ihrer Integrationsverantwortung verpflichtet, auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die EZB hinzuwirken, ihre Rechtsauffassung gegenüber der EZB deutlich zu machen oder auf sonstige Weise für die Wiederherstellung vertragskonformer Zustände zu sorgen. Das EuGH-Urteil stehe dem nicht entgegen, da es als sog. Ultra-vires-Akt in Deutschland keine Wirkung entfalten könne. Nach einer Übergangsfrist von höchstens drei Monaten sei es der Bundesbank untersagt, an Umsetzung und Vollzug des PSPP mitzuwirken, sofern der EZB-Rat nicht vorher eine den Vorgaben des Urteils genügende Verhältnismäßigkeitsprüfung vornimmt.

Reaktionen auf das PSPP-Urteil: Nach dem PSPP-Urteil hat der Bundestag seine Integrationsverantwortung unter Wahrung der Unabhängigkeit der EZB und der Bundesbank mit einer Vielzahl parlamentarischer Aktivitäten wahrgenommen. Neben öffentlichen Anhörungen und nicht öffentlichen Fachgesprächen wurde insbesondere fraktionsübergreifend ein Geldpolitischer Dialog der zuständigen Fachausschüsse des Bundestages initiiert, um die die geldpolitischen Aktivitäten der Europäischen Zentralbank kontinuierlich parlamentarisch zu begleiten.

Der EZB-Rat hat das PSPP-Programm am 3. und 4. Juni 2020 erneut umfassend beraten und abgewogen. Am 24. Juni 2020 fasste er Beschluss, sieben Dokumente, die die fortlaufende Abwägung und Bewertung des PSPP-Programms in seinen regelmäßigen Beratungen dokumentieren, unter Wahrung der Vertraulichkeit offenzulegen.

Zudem erläuterte EZB-Präsidentin Christine Lagarde in Reaktion auf eine parlamentarische Anfrage im Europäischen Parlament das Handeln der EZB.

Der Bundestag kam auf Grundlage seiner Beratungen und der übermittelten Dokumente zu dem Ergebnis, dass die EZB die Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen des PSPP nachvollziehbar dargelegt habe und somit die Anforderungen des BVerfG-Urteils erfüllt wurden.

Diese Bewertung hat der Bundestag auf Antrag der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Beschluss vom 2. Juli 2020 (BT-Drs. 19/20621) dokumentiert.

Auch nach Ansicht der Bundesregierung und der Deutschen Bundesbank wurden die Auflagen des BVerfG erfüllt.

Entscheidung des BVerfG: Im Rahmen der Zulässigkeit bekräftigt der Beschluss den begrenzten Anwendungsbereich von § 35 BVerfGG, den vom BVerfG geforderten Zustand herbeizuführen oder abzusichern.

Die Vollstreckungsanordnung ist zu der Sachentscheidung strikt akzessorisch und ausschließlich auf deren Durchsetzung ausgerichtet und begrenzt. Die Überprüfung von Maßnahmen, die nach Erlass der Sachentscheidung ergehen, kann nicht auf § 35 BVerfGG gestützt werden, sondern muss ggf. im Rahmen eines neuen Verfahrens vor dem BVerfG erfolgen.

Nach diesen Maßstäben ergänzen bzw. erweitern die vorliegenden Anträge den ursprünglichen Streitgegenstand in unzulässiger Weise, indem sie auf die (inzidente) Feststellung abzielen, dass die von Bundesregierung und Bundestag nach dem 5. Mai 2020 in Vollzug des Urteils getroffenen Maßnahmen nicht verfassungsgemäß seien.

Dies gilt auch für die beantragten Darlegungspflichten und Einsichtnahme in vertrauliche EZB-Dokumente.

Hilfsweise geht der Senat auf die Unbegründetheit der Anträge ein und betont dabei den weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum der Verfassungsorgane bei der Wahrnehmung ihrer Integrationsverantwortung bzw. ihrer Pflicht, rechtlich und politisch auf die Wahrung des Integrationsprogramms hinzuwirken.

Bei vom BVerfG festgestellten Ultravires-Handlungen bekräftigt der Senat einerseits, dass der Bundestag in einer Plenardebatte über Wege zur Wiederherstellung der Kompetenzordnung beraten muss. Andererseits wird die Integrationsverantwortung erst dann verletzt, wenn es an jeglichen Schutzvorkehrungen fehlt, die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzureichend sind oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben.

Vor diesem Hintergrund ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass die umfangreichen Maßnahmen, die Bundestag und Bundesregierung zur Erfüllung ihrer Pflichten aus dem PSPP-Urteil ergriffen haben, der Sache nach gegen das Untermaßverbot verstoßen: Ihr Handeln hat dazu geführt, dass der EZB-Rat die vom Senat vermisste Verhältnismäßigkeitsprüfung thematisiert hat.

Ausweislich seiner umfangreichen, dokumentierten Aktivitäten hat sich der Bundestag inhaltlich ernsthaft mit den Beschlüssen des EZB-Rates und der Verhältnismäßigkeit des PSPP befasst und ist seinen Verpflichtungen aus dem PSPP-Urteil in einer Weise nachgekommen, die deutlich über ein Untätigbleiben hinausgeht.