Warum praktizieren Gesundheitsämter per Quarantäneanordnung seit 1 1/2 Jahren einen Freiheitsentzug, den eigentlich nur Richter anordnen dürfen?

Quelle: Von I, Dontworry, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3161261

BERLIN / MÜNCHEN – Hunderttausende Quarantäne-Bescheide rechtwidrig? Art. 104 Abs. 2 GG erlaubt es eigentlich nur Richtern und nicht Gesundheitsämtern freiheitsentziehende Maßnahmen durchzuführen: „Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen.„!

 

Quarantänebescheid ohne Richter, eine staatliche Freiheitsberaubung?

Eine Quarantäneanordnung eines Landratsamts beschränkt zweifellos die Freiheit. Die Freiheit darf einem Bürger gemäß GG aber nur ein Richter entziehen.

Seit ein im chinesischen Wuhan erstmals aufgetretener Virus um die Welt geht, nutzen Regierungen des Westens uns insbesondere Regierungen unter dem Einfluß der EU dieses Virus, um die Bürgerrechte und die Freiheit einzuschränken. Bei diesen Freiheitseinschränkungen spielen sich Regierungen und Gerichte bisher die Argumente zu. Richter, die abweichen werden mit Hausdurchsuchungen beglückt.

Viele Juristen schweigen und lassen der praktizierten Verwaltungspraxis, Bürger wegen eines infektionsschutzgesetzlichen Ansteckungsverdachts auf Basis eines PCR-Tests einfach durch einen behördlichen Verwaltungsakt in Quarantäne schicken. Natürlich ist die Quarantäne eine freiheitsentziehende Maßnahme. Gemäß  Grundgesetz stehen freiheitsentziehende Maßnahmen jedoch unter einem Richtervorbehalt! Dies wird bisher aber von den staatlichen Gesundheitsämtern vollkommen ignoriert. Die Folge ist:

Dem Betroffenen wird – ggf. auf Basis eines schlampigen PCR-Tests – bis zu zwei Wochen die Freiheit entzogen. Zu beachten ist hier auch, daß § 239 StGB Freiheitsberaubungen von über einer Woche als Verbrechen wertet:

Zieht man die Vorschriften des Grundgesetzes zu Rate, sowie einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dann stößt man auf das Gebot, daß ausschließlich Richter, und nicht etwa Gesundheitsämter die Freiheit entziehen können und daß dies unverzüglich, also im Fall einer Quarantäneanordnung, spätestens bis zum Ende des Tages nach Anordnung der Quarantäne zu erfolgen hat.

Aufgabe des Richters ist es dann, den Betroffenen zur Sache zu hören und auf Basis dieses Vortrags und des Vortrags der freiheitsentziehenden Behörde in eigener Verantwortung darüber zu entscheiden, diese Maßnahme zu Recht durch diese Behörde angeordnet wurde oder nicht.

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Bundesverfassungsgericht: enge Maßstäbe beim Freiheitsentzug

Am 15. Mai 2002 hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Senatsbeschluss 2 BvR 2292/00 (BVerfGE 105, 239 [247ff.] noch einmal hevorgehoben, daß es keinen Freiheitsentzug ohne Beschluss durch einen Richter geben kann:

„Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG bezeichnet die Freiheit der Person als „unverletzlich“. Diese verfassungsrechtliche Grundentscheidung kennzeichnet das Freiheitsrecht als ein besonders hohes Rechtsgut, in das nur aus wichtigen Gründen eingegriffen werden darf. Geschützt wird die im Rahmen der geltenden allgemeinen Rechtsordnung gegebene tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit vor staatlichen Eingriffen, also vor Verhaftung, Festnahme und ähnlichen Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs.

Nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG darf die in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit der Person nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Die formellen Gewährleistungen des Art. 104 GG stehen mit der materiellen Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in unlösbarem Zusammenhang. Art. 104 Abs. 1 GG nimmt den schon in Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG enthaltenen Gesetzesvorbehalt auf und verstärkt ihn für alle Freiheitsbeschränkungen, indem er neben der Forderung nach einem förmlichen Gesetz die Pflicht, die sich aus diesem Gesetz ergebenden Formvorschriften zu beachten, zum Verfassungsgebot erhebt. Freiheitsbeschränkungen, also Eingriffe in die körperliche Bewegungsfreiheit, bedürfen einer materiell-gesetzlichen Grundlage, wobei ein Bundes- oder Landesgesetz in Betracht kommt. Inhalt und Reichweite der Formvorschriften eines freiheitsbeschränkenden Gesetzes sind von den Gerichten so auszulegen, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfalten.

Freiheitsbeschränkung (Art. 104 Abs. 1 GG) und Freiheitsentziehung (Art. 104 Abs. 2 GG) grenzt das Bundesverfassungsgericht nach der Intensität des Eingriffs ab. Freiheitsentziehung ist die schwerste Form der Freiheitsbeschränkung. Eine Freiheitsbeschränkung liegt vor, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen daran gehindert wird, einen Ort aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der ihm an sich (tatsächlich und rechtlich) zugänglich ist. Der Tatbestand der Freiheitsentziehung kommt nur in Betracht, wenn die — tatsächlich und rechtlich an sich gegebene — körperliche Bewegungsfreiheit nach jeder Richtung hin aufgehoben wird.

Für den schwersten Eingriff in das Recht auf Freiheit der Person, die Freiheitsentziehung, fügt Art. 104 Abs. 2 GG dem Vorbehalt des (förmlichen) Gesetzes den weiteren, verfahrensrechtlichen Vorbehalt einer richterlichen Entscheidung hinzu, der nicht zur Disposition des Gesetzgebers steht. Der Richtervorbehalt dient der verstärkten Sicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Alle staatlichen Organe sind verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Richtervorbehalt als Grundrechtssicherung praktisch wirksam wird. Für den Staat folgt daraus die verfassungsrechtliche Verpflichtung, die Erreichbarkeit eines zuständigen Richters — jedenfalls zur Tageszeit — zu gewährleisten und ihm auch insoweit eine sachangemessene Wahrnehmung seiner richterlichen Aufgaben zu ermöglichen.

Gemäß Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG hat über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung nur der Richter zu entscheiden. Die Freiheitsentziehung setzt danach grundsätzlich eine vorherige richterliche Anordnung voraus.

Eine nachträgliche richterliche Entscheidung, deren Zulässigkeit in Ausnahmefällen Art. 104 Abs. 2 GG voraussetzt, genügt nur, wenn der mit der Freiheitsentziehung verfolgte verfassungsrechtlich zulässige Zweck nicht erreichbar wäre, sofern der Festnahme die richterliche Entscheidung vorausgehen müsste. Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG fordert dann, die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. „Unverzüglich“ ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss. Nicht vermeidbar sind z.B. die Verzögerungen, die durch die Länge des Weges, Schwierigkeiten beim Transport, die notwendige Registrierung und Protokollierung, ein renitentes Verhalten des Festgenommenen oder vergleichbare Umstände bedingt sind. Die fehlende Möglichkeit, einen Richter zu erreichen, kann angesichts der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Staates, der Bedeutung des Richtervorbehalts durch geeignete organisatorische Maßnahmen Rechnung zu tragen, nicht ohne Weiteres als unvermeidbares Hindernis für die unverzügliche Nachholung der richterlichen Entscheidung gelten.

Die Nachholung der richterlichen Entscheidung ist auch dann nicht entbehrlich, wenn der Freiheitsentzug vor Ablauf der Frist des Art. 104 Abs. 2 Satz 3 GG endet. Diese Vorschrift setzt dem Festhalten einer Person ohne richterliche Entscheidung mit dem Ende des auf das Ergreifen folgenden Tages eine äußerste Grenze, befreit aber nicht von der Verpflichtung, eine solche Entscheidung unverzüglich herbeizuführen.“

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Artikel 2 GG und 104GG sind eindeutig:

Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 unseres Grundgesetzes legt fest:

Die Freiheit der Person ist unverletzlich... In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Artikel 104 ergänzt in Absatz 1:

Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beobachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden.

Artikel 104 Absatz 2 regelt die „Freiheitsentziehung“, also das „Mehr“ gegenüber einer „Freiheitsbeschränkung“ aus Absatz 1. dies ist die Unmöglichmachung, einen bestimmten Ort ohne weiteres verlassen zu können. Das aber genau ist bei der Quarantäne der Fall, weswegen die „Quarantäne“ unter Art. 104 Abs. 2 zu subsumieren sein dürfte:

Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten.

Damit steht fest: Eine Einschränkung der Freiheit eines Bürgers kann nur durch ein „förmliches Gesetz“ möglich gemacht werden. Das ist z.B. bei Mord, Diebstahl etc. der Fall. Das ist auch bei dem Infektionsschutzgesetz der Fall, da dieses ein förmliches Parlamentsgesetz ist. Klar ist damit, daß eine Quarantäne zum Zweck der Gefahrenabwehr durch eine Behörde auf der Basis dieses Gesetzes verhängt werden kann.

Es wäre jedoch falsch zu glauben, daß damit die Pflichten des Staats zu Ende wären, denn Art. 104 erlegt den Behörden weitere Pflichten auf, nämlich:

Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen.

Es sollte damit einem Richter obliegen, über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung durch Quarantäne zu entscheiden und nicht ein Landratsamt, denn:

Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden

„nur“ bedeutet eben, „nur der Richter“ und nicht das Landratsamt mitsamt dem ihm eingegliederten Gesundheitsamt.

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Das Landratsamt / Gesundheitsamt ist kein Gericht

Es bedarf also definitiv einer richterlichen Anhörung und Entscheidung. Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 14. Oktober 2020 (Az. XII ZB 235/20, Rn 29) darüber hinaus klargestellt:

c) Zu keinem anderen Ergebnis führt der pauschale Hinweis des Landgerichts auf die Corona-Pandemie, der ein Absehen von der persönlichen Anhörung ebenfalls nicht rechtfertigen kann.

aa) Allerdings ist streitig, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf die in § 278 Abs. 1 FamFG normierte Pflicht des Gerichts hat, den Betroffenen persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen.

Teilweise wird vertreten, die Pflicht zur Anhörung des Betroffenen entfalle bei einer Risikobewertung des für den Infektionsschutz zuständigen Robert-Koch-Instituts, mit der die Gefährdung durch das Corona-Virus für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland als hoch eingeschätzt werde, um die Gesundheit von Betroffenen, Richtern und weiteren gegebenenfalls zur Anhörung hinzuzuziehenden Personen zu schützen (vgl. AG Brandenburg FamRZ 2020, 862 ff.; AG Dresden FamRZ 2020, 790, 791; Götsche FamRZ 2020, 820 ff.; Grotkopp FamRZ 2020, 659 ff.; Poller in Kroiß COVID-19 Teil 1 § 2 Rn. 23 f. und Teil 2 § 2 Rn. 8 f.).

Demgegenüber kommt nach überwiegender Auffassung ein pauschaler Verzicht auf die Anhörung nicht in Betracht. Das Unterbleiben der Anhörung könne aber aus Gründen des Gesundheitsschutzes im Einzelfall gerechtfertigt sein, insbesondere wenn der Betroffene nachweislich mit dem Corona-Virus infiziert und ausreichender Infektionsschutz nicht möglich sei (vgl. LG Darmstadt FamRZ 2020, 946, 947; LG Dresden NJW 2020, 1980 f.; LG Freiburg NJW 2020, 2122, 2123; LG Mühlhausen Beschluss vom 15. April 2020 – 1 T 50/20 – juris Rn. 22 ff.; LG Wuppertal Rpfleger 2020, 404, 405; BeckOK FamFG/Günter [Stand: 1. Juli 2020] § 278 Rn. 13a f.; Beckmann FamRZ 2020, 735 ff.; Braun FamRZ 2020, 737 ff.; Dodegge BtPrax 2020, 79, 82 f.; Schwedler/Glaab MedR 2020, 457, 458).

In Folge wurde in diesem Fall eine Video-Anhörung für zumutbar erachtet. Dies bedeutet, daß der Bundesgerichtshof nicht einmal gesundheitliche Risiken für den vernehmenden Richter als Argument akzeptiert, von diesem Grundsatz abzuweichen.