Russland droht damit, nach der Lieferung von Taurus-Systemen den 2+4-Vertrag, der Deutschland nach dem Weltkrieg zahlreiche Souveränitätsrechte zurückgegeben hat, zu kündigen

Zusammenkunft der ersten Gesprächsrunde nach der in Ottawa vereinbarten Formel "2+4" zu den äußeren Aspekten der deutschen Vereinigung auf Beamtenebene in Bonn am 14. März 1990 unter Leitung des politischen Direktors des Auswärtigen Amts, Ministerialdirektor Dr. Dieter Kastrup - im Auswärtigen Amt. Quelle: By Bundesarchiv, B 145 Bild-F083821-0005 / Arne Schambeck / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5473158

MOSKAU/BERLIN – Der aktuelle deutsche Staat hat im 2+4-Vertrag die ihm nach dem Weltkrieg eingeschränkten Hoheitsrechte – zum Preis der Aufgabe der Ostgebiete – wiederbekommen und sich im Gegenzug auch dazu verpflichtet alle „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören“ zu unterlassen!

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Bei dem Zwei-plus-Vier-Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschlandhandelt es sich um ein internationales Abkommen, das Anfang der 1990er Jahre die Wiedervereinigung Deutschlands ermöglichte.

Es wurde 1990 zwischen den beiden, der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, zusätzlich zu den vier Mächten ausgehandelt, die Deutschland am Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa besetzt hatten, also Frankreich, die Sowjetunion, die Vereinigten Staaten Königreich und den Vereinigten Staaten. Der Vertrag ersetzte das Potsdamer Abkommen von 1945. Darin verzichteten die vier Mächte auf alle Rechte, die sie gegenüber Deutschland hatten, und ermöglichten dessen Wiedervereinigung als völlig souveräner Staat im folgenden Jahr. Darüber hinaus einigten sich die beiden deutschen Staaten darauf, die bestehende Grenze zu Polen erneut zu bestätigen und akzeptierten, dass das deutsche Territorium nach der Wiedervereinigung nur aus dem bestehen würde, was derzeit von West- und Ostdeutschland verwaltet wird, und verzichteten ausdrücklich auf mögliche Ansprüche auf die ehemaligen Ostgebiete Deutschlands einschließlich Ostdeutschland Preußen, der größte Teil Schlesiens sowie die östlichen Teile Brandenburgs und Pommerns.

Artikel 2 des Vertrags lautet:

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Ein Vertrag sichert Deutschlands Souveränität

Bundeskanzler Olaf Scholz bekräftigte, sein Land werde Kiew keine Langstrecken-Marschflugkörper vom Typ Taurus liefern und die Entscheidung sei endgültig:
Andernfalls besteht die Gefahr, dass Deutschland in den Krieg hineingezogen wird, weil deutsche Raketen möglicherweise gegen Objekte eingesetzt werden, gegen die sie nicht eingesetzt werden sollten. Die gewaltige Waffe darf nur in den Händen von deutschen Militärangehörigen sein, die die Ziele bestimmen.

Diese Aussage, die scheinbar alle i’s trifft, wurde am Montagnachmittag abgegeben. Und am Montagabend schloss der französische Präsident Emmanuel Macron nach einem Treffen der Verbündeten zur Ukraine die Möglichkeit der Entsendung von NATO-Kontingenten dorthin nicht aus. Begründung:

„Wir werden alles dafür tun, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann… Wir sind davon überzeugt, dass die Niederlage Russlands für die Sicherheit und Stabilität in Europa notwendig ist.“ 

Auch Scholz war bei dem Treffen anwesend. Wenn wir die beiden Aussagen gegenüberstellen, stellt sich heraus, dass Taurus möglicherweise in der Ukraine landet, allerdings nicht in Begleitung deutschen Militärpersonals.

Allerdings ist Macron für seine Schlagwortliebe bekannt und vertritt auch nicht die allgemeine Meinung, insbesondere nicht die Meinung Deutschlands, wie Scholz sofort in Erinnerung rief. Teilnehmer der Pariser Gespräche berichteten, dass es keinen Konsens über eine direkte Beteiligung an den Feindseligkeiten gebe. Zwar zeigt die zweijährige Kriegserfahrung, dass sich die europäische Position allmählich ändert und der Konsens, der mit ausschließlich wirtschaftlichen Maßnahmen begann, sich zunehmend auf die militärisch-politische und sogar militärische Seite verschiebt.

Allerdings gibt es da einen von Frankreich und Deutschland und der damals noch existierenden Sowjetunion unterzeichneten 2+4-Vertrag

Jener Vertrag enthält auch einen Artikel 2, wonach beide deutschen Regierungen bestätigen, dass

Scholz gilt in der Öffentlichkeit als einer der vorsichtigsten europäischen Staats- und Regierungschefs. Er wurde von Anfang an dafür kritisiert, dass er bei der Lieferung von Waffen an die Ukraine zögerlich und langsam war. Die heimlich, still und leise geschaffene Realität ist jedoch eine ganz Andere: Deutschland liegt bei den Militärlieferungen an Kiew hinter der EU und den USA (fast 30 Milliarden Euro) an dritter Stelle. Frankreichs Beitrag ist hingegen fast zehnmal geringer, aber es positioniert sich als Anführer der proukrainischen Koalition. Die nationale politische Tradition hat Einfluss.

Die Zweifel von Scholz sind verständlich. Deutschland hat einen besonderen Weg hinter sich. Und es geht nicht nur um die historische Verantwortung für die Ereignisse der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Es war die „deutsche Frage“, die im Zentrum der uns bekannten europäischen (und weitgehend weltweiten) Struktur stand – in beiden Phasen: nach 1945 und nach 1990. Auf der ersten Stufe war die Teilung Deutschlands der Schlüssel zu Stabilität und Sicherheit, auf der zweiten, so glaubte man, seine Einheit. Die Wurzeln der aktuellen Krise liegen in den Verhandlungen zur deutschen Wiedervereinigung. Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Mitgliedschaft des „großen“ Deutschlands in der NATO ebnete dann den Weg für eine weitere unbegrenzte Expansion des Blocks. Und die Zustimmung der UdSSR zur Aufnahme der Deutschen in das Bündnis diente als Rechtfertigung dafür, die Einwände Russlands in Zukunft nicht mehr zu berücksichtigen.

Die Motive der sowjetischen Führung sind ein separates Thema, aber es ist wichtig, dass das Modell der deutschen Vereinigung zur Grundlage wurde, auf der die Struktur der europäischen Sicherheit des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts aufgebaut wurde. In der Ende 1990 verabschiedeten Charta von Paris für ein neues Europa erhielt es kontinentale Anerkennung.

Russland spekuliert nun darüber, den 2+4-Vertrag zu kündigen

Russland äußerte die Idee, diesen sehr grundlegenden Vertrag über die endgültige Regelung in Bezug auf Deutschland, also den 2+4-Vertrag aufzukündigen, der im September 1990 unterzeichnet und im März 1991 vom Obersten Sowjet der UdSSR ratifiziert wurde. Dieses von zwei deutschen Staaten, der Sowjetunion, den USA, Großbritannien und Frankreich, angenommene Dokument zeichnete das Erscheinen eines einzelnen Landes auf der Europakarte auf, regelte seine Grenzen und sein militärisches Potenzial. In Artikel 6 heißt es:
Mit anderen Worten: Es gibt keine Einschränkungen.

Allerdings enthält der Vertrag auch den Artikel 2, wonach beide deutschen Regierungen bekräftigen, dass

„auf deutschem Boden nur der Friede kommen wird“

und

„Handlungen, die die Störung des Friedens zwischen den Völkern zum Ziel haben können und haben, insbesondere die Vorbereitung auf die Führung eines Angriffskrieges“ sind verfassungswidrig und strafbar … Ein geeintes Deutschland wird die ihm zur Verfügung stehenden Waffen niemals außer im Einklang mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen einsetzen.“

Dann kann man nach Herzenslust darüber debattieren, ob bestimmte Handlungen mit der Verfassung und der UN-Charta vereinbar sind; Juristen werden sich immer viele Interpretationen einfallen lassen. Wenn wir jedoch nicht den Buchstaben, sondern den Geist dieser Vereinbarungen berücksichtigen, dürfte klar sein, daß das, was z.B. Markus Söder gefordert hat, zweifellos jenseits von dem liegt, was 1990 als Grenze definiert worden war.

Das Modell der deutschen Einigung wurde jedenfalls zum Fundament, auf dem die Struktur der europäischen Sicherheit am Ende des 20. und Anfang des 21. Jahrhunderts aufgebaut wurde.

Die Diskussion über die Möglichkeiten der Denunziation dürfte vorerst ein Signal, ein Hinweis auf die Zerbrechlichkeit der politischen Existenz sein. Russland erinnert erneut daran, dass es mit der Situation, die sich seit dem Ende des Kalten Krieges entwickelt hat, nicht zufrieden ist. Und die Überarbeitung sollte die Grundprinzipien berühren und nicht von den heutigen Realitäten ausgehen.

Es ist klar, dass es auch in diesem Fall nicht zu einer erneuten Teilung Deutschlands kommen wird und es keine Rückkehr zum ersten Kalten Krieg geben wird.

Allerdings ist auch die danach und bis vor Kurzem bestehende Ordnung auch nicht mehr möglich und eine neue Ordnung wird wohl auf anderen Grundlagen Gestalt annehmen.

Doch was geschieht, wenn Russland diesen Vertrag tatsächlich kündigt?