Haushaltswoche
6. September 2022 (49. Sitzung)
Quelle Bundestag:
Top1: Einbringung Haushaltsgesetz 2023
Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2022 (Haushaltsgesetz 2022)
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Top 1 Epl 20, 32, 60: Finanzen, Bundesrechnungshof 1 Epl 20, 32, 60
Im Anschluss an die Einbringungsrede des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister der Finanzen, Dr. Florian Toncar (FDP), haben am Dienstag, 6. September 2022, in der Allgemeinen Finanzdebatte zum Bundeshaushalt 2023 (20/3100) Vertreterinnen und Vertreter der Koalitions- und Oppositionsfraktion ihre Leitmotive für die anstehenden Haushaltsberatungen zur Schau gestellt. Im Einzelnen geht es dabei um die erste Lesung des Einzelplans 20 des Bundesrechnungshofes, des Einzelplans 32 der Bundesschuld und des Einzelplans 60 der Allgemeinen Finanzverwaltung. Die Beratung des Einzelplans 08 des Bundesministeriums der Finanzen, die ursprünglich auch für die Debatte vorgesehen war, wird gesondert am Donnerstag, 8. September, aufgerufen.
Bundesrechnungshof und Bundesschuld
Der Bundesrechnungshof kann mit 186,96 Millionen Euro rechnen (2022: 172,91 Millionen Euro). Die Einnahmen sollen allerdings von 2,22 Millionen Euro auf 360.000 Euro zurückgehen.
Die Ausgaben des Einzelplans der Bundesschuld umfassen laut Regierungsentwurf 31,89 Milliarden Euro gegenüber 18,46 Milliarden Euro in diesem Jahr. Dem stehen Einnahmen von 18,73 Milliarden Euro gegenüber (2022: 140,63 Milliarden Euro). Kernbereich des Einzelplans ist einerseits die Kreditaufnahme und andererseits der Schuldendienst des Bundes. Deutlich sinken sollen die Einnahmen aus Krediten, die am Kreditmarkt aufgenommen werden. Statt 138,94 Milliarden Euro in diesem Jahr sind für 2023 nur 17,25 Milliarden Euro veranschlagt. Für den Schuldendienst sind hingegen 29,64 Milliarden Euro vorgesehen gegenüber 16,33 Milliarden Euro in diesem Jahr. Die Ausgaben für Bürgschaften, Garantien und sonstige Gewährleistungen summieren sich im Entwurf auf 2,25 Milliarden Euro (2022: 2,13 Milliarden Euro).
Allgemeine Finanzverwaltung
Stark rückläufig sind die Ausgaben im Einzelplan der Allgemeinen Finanzverwaltung. Statt 57,29 Milliarden Euro wie 2022 sind im nächsten Jahr nur noch 35,82 Milliarden Euro eingestellt. Dagegen sollen die Einnahmen von 339,39 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 409,86 Milliarden Euro steigen. Davon sollen 362,27 Milliarden Euro auf Steuern und steuerähnliche Abgaben entfallen (2022: 328,44 Milliarden Euro).
Etwa gleich hoch sind die Einnahmen, die aus der Lohnsteuer und aus der Umsatzsteuer erwartet werden: bei der Lohnsteuer sind es 107,16 Milliarden Euro (2022: 100,34 Milliarden Euro), bei der Umsatzsteuer 107,34 Milliarden Euro (2022: 99,66 Milliarden Euro). Die Eigenmittel der EU werden im Einzelplan mit 40,32 Milliarden Euro ausgewiesen (2022: 40,16 Milliarden Euro). (scr/vom/06.09.2022)
AfD kritisiert verfehlte Energiepolitik
Für die AfD-Fraktion forderte Peter Boehringer (AfD) die Bundesregierung zum Rücktritt auf. Insbesondere die Energiepolitik führe zu „Masseninsolvenzen und Verarmung“. Daran trage auch die Union Mitschuld, führte Boehringer aus.
Der Abgeordnete bezweifelte, dass es der Regierung gelingen werde, tatsächlich die Schuldenbremse einzuhalten. Für die mögliche Begründung einer Ausnahme von der Schuldenregel, ein Energienotstand, trage die Regierung durch eine „irre Energie- und Geopolitik“ selbst Verantwortung.
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Top 1 EPL 17: Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Der leicht steigende Etat des Bundesfamilienministeriums konnte die Oppositionsfraktionen nicht besänftigen: In der Debatte über den Haushalt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für 2023 übten die CDU/CSU-Fraktion, die AfD-Fraktion und die Fraktion Die Linke am Dienstag, 6. September 2022, deutliche Kritik an den Plänen der Ampel-Koalition für das nächste Jahr.
So warf die Union der Regierung vor, die frühkindliche Bildung durch ein Auslaufen des Sprachkita-Programms zu vernachlässigen, die AfD kritisierte eine falsche Schwerpunktsetzung zugunsten von Minderheiten und Die Linke nannte die hohe Zahl an armen Kindern eine „Schande“. Die Koalition verwies im Gegenzug auf das geplante Kita-Qualitätsgesetz, in dem das bisherige Sprachkita-Programm aufgehen könne und auf die Maßnahmen des dritten Entlastungspaketes, mit dem insbesondere auch Familien geholfen werde.
Familienetat soll geringfügig steigen
Der Etat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend soll im kommenden Jahr geringfügig steigen. Der Einzelplan 17 des Regierungsentwurfs für den Bundeshaushalt 2023 (20/3100) sieht Ausgaben von 12,88 Milliarden Euro vor gegenüber 12,39 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Für gesetzliche Leistungen für Familien sind 11,45 Milliarden Euro eingeplant (2022: 10,76 Milliarden Euro).
Größter Einzelposten ist das Elterngeld, das mit 8,28 Milliarden Euro zu Buche schlägt (2022: 7,73 Milliarden Euro). Auf das Kindergeld und den Kinderzuschlag entfallen 1,8 Milliarden Euro (2022: 1,7 Milliarden Euro), davon 1,47 Milliarden Euro auf den Kinderzuschlag für geringverdienende Familien und 195 Millionen Euro auf das Kindergeld.
Einsparungen bei der Kinder- und Jugendpolitik
Eingespart werden soll bei der Kinder- und Jugendpolitik, für die noch 616,5 Millionen Euro bereitstehen (2022: 1,02 Milliarden Euro). Deutlich geringer in dem Kapitel soll der Ansatz für Maßnahmen zur Umsetzung der Qualifizierungsoffensive ausfallen. Dafür sind 2023 31,05 Millionen Euro eingeplant nach 388,92 Millionen Euro in diesem Jahr. Aufgestockt werden sollen allerdings die Ausgaben zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie, und zwar von 183,5 Millionen Euro auf 200 Millionen Euro. Die Zuschüsse und Leistungen für laufende Zwecke an Länder, Träger und Aufgaben der freien Jugendhilfe summieren sich auf 224,35 Millionen Euro (2022: 296,01 Millionen Euro).
511,84 Millionen Euro soll die Ministerin für die Stärkung der Zivilgesellschaft, für Familien-, Gleichstellungs- und Seniorenpolitik ausgeben können (2022: 578,95 Millionen Euro). Davon entfallen 346,27 Millionen Euro auf die Stärkung der Zivilgesellschaft (2022: 356,1 Millionen Euro) und 207,2 Millionen Euro auf den Bundesfreiwilligendienst (wie 2022).
Bundesregierung: Regelfinanzierung für Sprachförderung
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) verwahrte sich gegen den Vorwurf, Sprachkitas, also Kitas mit dem Schwerpunkt Sprachförderung, abschaffen zu wollen. Die Regierung nehme in den nächsten zwei Jahren jeweils zwei Milliarden Euro in die Hand, um die Qualität in den Kitas zu verbessern.
Teil des dafür geplanten Kita-Qualitätsgesetzes sei selbstverständlich auch die Sprachförderung, die nun eine Regelfinanzierung bekomme und nicht weiter über Projekte finanziert werde, verteidigte sich die Ministerin.
AfD: Angriff auf die traditionelle Familie
Mariana Iris Harder-Kühnel (AfD) warf der Koalition vor, die traditionelle Familie anzugreifen und sich stattdessen auf Minderheiten- und Gleichstellungspolitik zu konzentrieren. „Lassen Sie doch endlich Frauen Frauen und Männer Männer sein“, sagte sie und kritisierte unter anderem das geplante Selbstbestimmungsgesetz, mit dem die Änderung des Geschlechtseintrags in Dokumenten einfacher werden soll.
Die vordringliche Aufgabe der Regierung wäre es, die demographische Katastrophe abzuwenden, hier tue sich aber gar nichts, so Harder-Kühnel.
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Top 1 EPL 25: Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung
Der Bundestag hat sich am Dienstag, 6. September 2022, in erster Lesung eineinhalb Stunden lang mit dem Etatentwurf des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen beschäftigt. Der Einzelplan 25 des Bundeshaushalts 2023 (20/3100) enthält Ausgaben von 5,01 Milliarden Euro (2022: 4,96 Milliarden Euro). Bundesministerin Klara Geywitz (SPD) rechnet mit Einnahmen von 245,35 Millionen Euro (2022: 265,73 Millionen Euro). Größter Einzelposten ist das Budget für den Sozialen Wohnungsbau; es soll deutlich auf 1,28 Milliarden Euro ansteigen (2022: 750 Millionen Euro). Im Gegenzug sollen die Ausgaben für das Baukindergeld von 994,58 Millionen Euro auf 859,07 Millionen Euro sinken, die für das Wohngeld von 895 Millionen Euro auf 690 Millionen Euro.
Ministerin: Wohnen muss besser und bezahlbar werden
Geywitz verwies in der Debatte jedoch auf das gerade von der Bundesregierung beschlossene Entlastungspaket, das neben einem weiteren, einmaligen Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger ab Januar 2023 auch eine umfassende Reform des Wohngeldes vorsieht. Der Empfängerkreis solle ausgeweitet und eine dauerhafte Klima- und Heizkostenkomponente implementiert werden. Das werde dazu beitragen, dass angesichts steigender Nebenkosten wesentlich mehr Menschen Unterstützung bekommen, betonte die Ministerin.
Das Wohnen müsse besser und bezahlbarer werde, sagte Geywitz. Sie verwies unter anderem auf das von ihr ins Leben gerufene Bündnis für bezahlbares Wohnen, das seine Ergebnisse bereits am 12. Oktober vorstellen werde. Um den Bau von klimafreundlichen Wohnhäusern zu unterstützen, kündigte sie darüber hinaus eine Neubauförderung an. Dafür seien im Wirtschaftsplan des Klima- und Transformationsfonds (KTF) Haushaltsmittel in Höhe von einer Milliarde Euro veranschlagt. „Wir müssen den Klimaschutz im Neubau immer mitdenken“, betonte Geywitz.
SPD kündigt Konzept zur Wohneigentumsförderung an
Mit der Bildung eines eigenständigen Ministeriums hätten die Themen Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung „endlich den Stellenwert erhalten, den es verdient“, ergänzte Uwe Schmidt (SPD). Die Bundesregierung werde ein Konzept zur Wohneigentumsförderung „in all seinen Facetten“ zum Schutz vor Altersarmut vorlegen und außerdem finanzielle Anreize für den Neubau und die Sanierung des Bestands setzen, kündigte er an.
Planungs- und Genehmigungsverfahren sollten erheblich beschleunigt werden, außerdem stehe ein KfW-Förderprogramm zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen für selbstgenutztem Wohnraum in den Startlöchern.
Grüne für Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit
Markus Kurth (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, die Bundesregierung ziehe bei der sozial-ökologischen Transformation an einem Strang. So setze der vorliegende Haushalt Schwerpunkte unter anderem bei der Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel, der Stärkung des sozialen Wohnungsbaus und der energieeffizienten Sanierung kommunaler Einrichtungen.
Kurth sprach sich darüber hinaus für die Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit und eine Stärkung des Holzbaus aus. Der „Klimakiller Beton“ sei nicht nur ein „Landschafts- und Artenkiller“, sondern wegen seiner energieaufwändigen Erzeugung auch ein Kostentreiber beim Bauen.
FDP: Bauen nicht weiter durch neue Standards verteuern
Für die FDP mahnte Torsten Herbst, das Bauen nicht weiter durch immer neue Standards zu verteuern. Auch sollte kein Gegensatz zwischen sozialem Wohnungsbau und privatem Wohneigentum aufgebaut werden, denn „wir brauchen beides“.
Zwei Drittel aller Wohnungen seien im Besitz kleiner Vermieter mit nur ein oder zwei Wohnungen. „Ohne deren Engagement und Investitionen sähe es am privaten Wohnungsmarkt viel düsterer aus“, erklärte Herbst. Er kündigte an, die FDP werde in den Haushaltsberatungen „eigene Akzente“ setzen und „wenn notwendig auch nachschärfen“.
CDU/CSU: Bewährte Programme werden zusammengestrichen
Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) warf der Bundesregierung „Realitätsverweigerung“ vor. Obwohl die Aufträge in der Bauindustrie zuletzt um 18 Prozent eingebrochen seien, halte die Bundesregierung an ihrem Ziel, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, fest. Zugleich würden bewährte Programme wie die Städtebauförderung, zum altersgerechten Umbau und zur Neubauförderung „zusammengestrichen oder auf Druck der Unionsfraktion nur aufs Nötigste aufgestockt“. Offenbar sei das neue Ministerium neun Monate nach der Regierungsbildung noch immer in der Orientierungsphase.
Anders als im Koalitionsvertrag aufgeführt, stünde beim Bauen und Sanieren jetzt außerdem die Klimaneutralität an erster Stelle und erst an zweiter die Bezahlbarkeit des Wohnens, kritisierte Luczak mit Blick auf die vorgesehenen Finanzmittel. „Das ist ein Zielkonflikt, ja. Aber so aufgelöst zugunsten des Klimaschutzes wird das Ministerium seiner Aufgabe nicht gerecht“, urteilte der CDU-Politiker.
AfD: Regierung verschärft Krise auf dem Wohnungsmarkt
Nach Ansicht von Marc Bernard (AfD) verschärft die Bundesregierung die aktuelle Krise auf dem Wohnungsmarkt immer weiter. Sie habe die Explosion der Energiepreise wegen des gleichzeitigen Ausstiegs aus Kohle und Kernkraft selbst verursacht und sich abhängig gemacht von russischen Energielieferungen.
„Dämmwahn und Klimahysterie“ hätten außerdem zu einer weiteren Verschärfung von Bauvorschriften geführt. Im Ergebnis seien die Nebenkosten für die Mieter teilweise so hoch wie die Kaltmiete. Bereits 80 Prozent könnte sich die Miete von neuen Wohnungen gar nicht mehr leisten. Er forderte die Bundesregierung auf, „alle ideologischen Luxusprogramme im Haushalt zu stoppen“ und darauf hinzuwirken, dass die Energiekosten wieder für alle bezahlbar sind.
Linke will Mietenstopp als Mittel gegen Inflation
Caren Lay (Die Linke) befand den vorliegenden Haushaltsentwurf für nicht ausreichend, um die Probleme durch Inflation und steigende Energiepreise zu entschärfen. Sie forderte die Bundesregierung auf, schnellstmöglich den angekündigten Gesetzentwurf zur Reform des Wohngeldes vorzulegen.
Lay sprach sich außerdem für ein Verbot von Indexmietverträgen sowie von Zwangsräumungen und Gassperrungen angesichts der steigenden Energiekosten aus und forderte Investitionen in Höhe von 15 Milliarden Euro für den sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbau. Zudem sei ein Mietenstopp „das beste Mittel gegen Inflation“, empfahl sie.
Sozialer Wohnungsbau, Baukindergeld, Wohngeld
Gut drei Viertel der geplanten Ausgaben, nämlich 3,87 Milliarden Euro, sind Investitionen (2022: 3,63 Milliarden Euro), 964,24 Millionen Euro Zuweisungen und Zuschüsse (2022: 1,17 Milliarden Euro). Für das Bau- und Wohnungswesen sind 3,3 Milliarden Euro eingestellt gegenüber 3,17 Milliarden Euro in diesem Jahr.
Größter Einzelposten ist der soziale Wohnungsbau mit 1,28 Milliarden Euro, was nach 750 Millionen Euro in diesem Jahr einen deutlichen Aufwuchs darstellt. Das Baukindergeld rangiert mit 859,07 Millionen Euro (2022: 994,58 Millionen Euro) nur noch auf Rang zwei vor dem Wohngeld mit 690 Millionen Euro (2022: 895 Millionen Euro).
Stadtentwicklung und Raumordnung
Für Stadtentwicklung und Raumordnung sieht der Etat 1,51 Milliarden Euro vor (2022: 1,53 Milliarden Euro). Dazu zählen 228,36 Millionen Euro für die Sanierung kommunaler Einrichtungen für Sport, Jugend und Kultur (2022: 252,5 Millionen Euro).
Die Mittel für die Städtebauförderung summieren sich auf 1,06 Milliarden Euro (2022: 1,13 Milliarden Euro), von denen wie in diesem Jahr 790 Millionen Euro als Zuweisungen an die Länder gehen sollen. Für Hochbau- und Förderungsmaßnahmen in Berlin und Bonn sind 68,94 Millionen Euro in den Etat eingestellt (2022: 137,47 Millionen Euro). Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung soll mit 136,75 Millionen Euro bedacht werden (2022: 116,75 Millionen Euro). (joh/vom/06.09.2022)
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Top 1 EPL 12: Digitales und Verkehr
Der Bundestag hat sich am Dienstag, 6. September 2022, in erster Lesung eineinhalb Stunden lang mit dem Etatentwurf 2023 beschäftigt. Obwohl die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland unter großen Problemen leidet, muss Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) im kommenden Jahr mit einem geringeren Etat des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr auskommen als im laufenden Jahr. So sollen die Ausgaben 2023 im Einzelplan 12 des Bundeshaushaltes (20/3100) mit 35,04 Milliarden Euro um rund eine Milliarde Euro niedriger ausfallen als in diesem Jahr. Als Einnahmen sind 8,65 Milliarden Euro anvisiert gegenüber 7,98 Milliarden Euro 2022. Davon sollen 8,02 Milliarden Euro auf die Lkw-Maut entfallen (2022: 7,36 Milliarden Euro).
Minister kündigt Nachfolgemodell fürs Neun-Euro-Ticket an
Minister Volker Wissing sieht in seinem Haushaltsentwurf trotzdem ein Zeichen für eine „verantwortliche, vernünftige und zuverlässige“ Politik. So würden die Investitionen in die Schiene um 500 Millionen Euro erhöht, führte er während der ersten Lesung des Haushaltsentwurfs an. Die Verkehrsinfrastruktur leiste einen wichtigen Beitrag für die Sicherheit Deutschlands, dies hätten auch die Belastungen durch den Ukraine-Krieg gezeigt. Vor allem aber müssten die Planungsverfahren beschleunigt werden. 18 Jahre für die Realisierung einer Schienentrasse seien zu lang.
Wissing kündigte zum Jahresbeginn 2023 die Einführung eines Nachfolgemodells für das Neun-Euro-Ticket an. Dafür wolle der Bund 1,5 Milliarden Euro bereitstellen, aber die Bundesländer müssten sich auch an den Kosten beteiligen, führte Wissing aus.
AfD: Erhaltung der Substanz höchste Priorität einräumen
Die Oppositionsfraktionen zeigten sich allerdings nicht überzeugt von den Ausführungen Wissings und seinem Etatentwurf. Markus Bühl (AfD) warf der alten und der neuen Bundesregierung vor, durch eine „ideologische Verkehrswende“ für die Probleme bei der Verkehrsinfrastruktur verantwortlich zu sein. Die Erhaltung der Substanz müsse im Verkehrsetat die höchste Priorität eingeräumt werden. 80 Prozent des gesamten Verkehrs würden über die Straße abgewickelt, dies müsse sich auch im Haushalt spiegeln, argumentierte Bühl.
Die größte Belastung für die Bürger in Deutschland seien die hohen Kraftstoffpreise, diese seien „unerträglich“. Der im Sommer für drei Monate eingeführte Tankrabatt sei ein „kurzfristiges Strohfeuer“ gewesen, von dem in erster Linie die Mineralölkonzerne profitiert hätten. In Polen seien hingegen die Benzinpreise deutlich niedriger, da dort die die Besteuerung geringer ausfalle. Die Koalition hingegen wolle Benzin immer stärker besteuern, monierte Bühl.
Linke: Gelegenheit für Nachfolge des Neun-Euro-Tickets verpasst
Bernd Rixinger (Die Linke) warf der Regierungskoalition vor, sie habe die Gelegenheit verpasst, rechtzeitig ein Nachfolgemodell für das Neun-Euro-Ticket auf den Weg zu bringen. Alle entsprechenden Anträge und Vorschläge seiner Fraktion seien von der Koalition vor der Sommerpause abgelehnt worden. Jetzt plötzlich würden sich die Grünen für ähnliche Vorschläge einsetzen. Die gemachten Vorschläge für ein bundesweit gültiges ÖPNV-Ticket zwischen 49 und 69 Euro pro Monat seien jedoch viel zu teuer.
„Sie lassen den Elfmeter liegen und schießen lieber ein Eigentor“, sagte Rixinger in Richtung der Koalitionsfraktionen. Er verwies auf das Beispiel Spanien: Dort sei der öffentliche Personennahverkehr kostenfrei gestellt worden, finanziert werde dies durch eine Übergewinnsteuer.
CDU/CSU: Digitalstrategie der Bundesregierung ist enttäuschend
Die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Nadine Schön (CDU/CSU) hielt der Regierungskoalition vor, sie habe ihre Versprechungen in der Digitalpolitik nicht eingehalten. Wissing habe zwar im Namen seines Ministeriums das Digitale vor den Verkehr gezogen, allerdings „steht dies für nichts“. Die von der Bundesregierung präsentierte Digitalstrategie sei enttäuschend ausgefallen und zeichne sich vor allem durch „überschaubare Ambitionen“ aus. „Selbst die Grünen halten sie nicht für gut“, sagte Schön.
Laut Umfragen seien 71 Prozent der Bundesbürger unzufrieden mit der Digitalpolitik der Regierung. Das angekündigte Digitalbudget sei erneut verschoben worden und komme nun frühestens 2023 – drei Jahre nach dem Regierungswechsel.
FDP: Prestigeprojekte auf ihre Realisierbarkeit prüfen
Vertreter der Regierungskoalition verteidigten den Etatentwurf und Minister Wissing. Dieser habe ein „schweres Erbe angetreten“, bescheinigten Metin Hakvedi (SPD), Dr. Paula Piechotta (Bündnis 90/Die Grünen) und Frank Schäffler (FDP). Die neue Regierung könne nicht in kurzer Zeit den Investitionsstau im Verkehrssektor von 16 Jahren Kanzlerschaft Dr. Angela Merkel (CDU) ausgleichen.
Die Koalition habe deshalb erst einmal geprüft, wie der Bedarfsplan im Verkehrssektor aussieht, führte Schäffler aus. Dieser falle um 65 Milliarden Euro höher aus: 20 Milliarden Euro entfielen auf die Schiene, fünf Milliarden Euro auf die Wasserstraßen und 40 Milliarden Euro für das Straßennetz. Deshalb müssten große Verkehrsprojekte und vor allem Prestigeprojekte auf ihre Realisierbarkeit geprüft werden.
SPD: Im Schienennetz fehlen rund 70.000 Weichen
Metin Hakvedi monierte, dass allein im deutschen Schienennetz rund 70.000 Weichen fehlten. Diese seien in der Vergangenheit „den Privatisierungsfantasien“ aus Kostengründen abgebaut worden.
In der Folge könnten Züge im Personen- und im Güterverkehr nicht umgeleitet werden. „Ohne Weichen stehen die Züge“, sagte Hakvedi. Die Einführung „Digitaler automatischer Kopplungen“ (DAK) werde weitere erhebliche finanzielle Mittel erfordern.
Grüne verweisen auf Bedeutung der Wasserstraßen
Paula Piechotta verwies auf die Bedeutung der Wasserstraßen für die Verkehrsinfrastruktur. Angesichts historischer Pegel-Tiefstände am Rhein und anderen wichtigen Wasserstraßen werde das Problem bei der Logistik weiter verschärft, dies sei nicht resilient.
Angesichts steigender Baukosten müssten in allen Bereichen der Verkehrsinfrastruktur priorisiert werden, die Mobilität müsse wieder krisenfest werden.
Leichter Ausgabenanstieg bei Bundesfernstraßen
Die Investitionen sollen 21,45 Milliarden Euro betragen gegenüber 21,89 Milliarden Euro in diesem Jahr. Die geplanten Zuweisungen und Zuschüsse sinken von 10,71 Milliarden Euro auf 10,1 Milliarden Euro, die Personalausgaben steigen von 1,92 auf 1,95 Milliarden Euro und die sächlichen Verwaltungsausgaben verharren bei zwei Milliarden Euro.
Auf die Bundesfernstraßen entfallen Ausgaben von 12,7 Milliarden Euro (2022: 12,51 Milliarden Euro), davon 1,19 Milliarden Euro auf Ausgaben im Zusammenhang mit der Lkw-Maut (2022: 1,03 Milliarden Euro).
Weniger Geld für Bundesschienenwege
Für die Bundesschienenwege sind 8,96 Milliarden Euro vorgesehen (2022: 9,59 Milliarden Euro). Darin enthalten sind Baukostenzuschüsse für Investitionen in Höhe von zwei Milliarden Euro (2022: 1,9 Milliarden Euro) und der Infrastrukturbeitrag des Bundes für die Erhaltung der Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes mit 4,67 Milliarden Euro (2022: 5,29 Milliarden Euro).
Das Eigenkapital der Deutschen Bahn AG soll wie in diesem Jahr wieder mit 1,13 Milliarden Euro aufgestockt werden. Deutliche Kürzungen sind hingegen bei der Förderung des Schienenverkehrs geplant: der Etatansatz sinkt von 1,09 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 494,78 Millionen Euro.
Eine Milliarde für den Verkehr in den Gemeinden
Eine Milliarde Euro soll wie in diesem Jahr bereitgestellt werden, um die Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden zu verbessern. Die Bundeswasserstraßen sollen mit 1,35 Milliarden Euro bedacht werden im Vergleich zu 1,7 Milliarden Euro 2022.
Für den Ausbau der digitalen Infrastruktur sind 1,2 Milliarden Euro vorgesehen, nahezu eine Verdreifachung gegenüber den Ausgaben 2022 (456,16 Millionen Euro). Aufgestockt werden soll bei den Ausgaben für Luft- und Raumfahrt, und zwar von 438,42 Millionen Euro auf 626,24 Millionen Euro. (aw/vom/06.09.2022)
https://www.youtube.com/watch?v=tHNZ0v6tX1A
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Top 1 EPL 16: Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz
Scharfe Kritik trotz steigendem Etat – die musste sich Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) am Dienstag, 6. September 2022, bei der Einbringung des Etatentwurfs des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz gefallen lassen. Die Opposition monierte falsche Schwerpunkte und hielt der Ministerin vor, insbesondere in der Verbraucherschutzpolitik zu wenig sichtbar zu sein. Auch für Umwelt- und Naturschutz werde nicht genügend Geld eingeplant.
Investitionen sollen steigen
Dabei kann das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz den Planungen für den Bundeshaushalt 2023 (20/3100) zufolge mit einem leicht erhöhten Budget rechnen. Der Einzelplan 16 enthält geplante Ausgaben von 2,44 Milliarden Euro im Vergleich zu 2,17 Milliarden Euro in 2022. Insbesondere die Investitionen sollen im kommenden Jahr von 1,18 Milliarden Euro auf 1,41 Milliarden Euro steigen.
Für den Umweltschutz sollen 347,57 Millionen Euro ausgegeben werden können. 22 Millionen Euro sind hiervon für den nationalen Meeresschutz eingeplant, 5,74 Millionen Euro für Hochwasserschutz und eine „klimawandelgerechte Wasserversorgung“. Zwei Millionen sollen für das neue Förderprogramm „Reparieren statt Wegwerfen“ bereitgestellt werden.
Mehr als die Hälfte des Budgets für Lagerung radioaktiver Abfälle
Für die Zwischen- und Endlagerung radioaktiver Abfälle sind im kommenden Jahr 1,16 Milliarden Euro (2022: 991,44 Millionen Euro) vorgesehen. Für den Naturschutz soll das Ministerium im nächsten Jahr 153,58 Millionen Euro (2022: 127,07 Millionen) ausgeben dürfen. Der Schwerpunkt ist der Bundesnaturschutzfonds, für den allein rund 118,45 Millionen Euro (2022: 91,85Millionen Euro) bereitgestellt werden sollen. Für die Verbraucherpolitik schließlich sind 40,78 Millionen Euro (2022: 40,9 Millionen Euro) vorgesehen.
Der größte Posten umfasst die Zuschüsse für die Vertretung der Verbraucher mit 25,91 Millionen Euro, wobei allerdings der Zuschuss für die Stiftung Warentest von 970.000 Euro im laufenden Jahr auf 490.000 Euro im nächsten Jahr sinken soll.
Lemke: Regierung schützt Verbraucher in der Krise
Lemke hatte in ihrer Rede zu Beginn der Debatte zunächst das gerade von der Ampel beschlossene Hilfspaket mit seiner Kombination aus Strompreisbremse, Kündigungsschutz für Mieter und finanziellen Entlastungen als „wirklich gut“ bezeichnet. Auch die aus Sicht des Verbraucherschutzes so essentielle Versorgungssicherheit sei in der gegenwärtigen Situation gewährleistet.
Gleichzeitig stellte sich die Ministerin gegen Forderungen, die Laufzeiten der verbliebenen Atomkraftwerke zu verlängern. Das sei „unverantwortlich“. Die Atomkraft bleibe eine Hochrisikotechnologie, so Lemke und verwies auf die gefährliche Lage im umkämpften ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja sowie auf die aktuellen Probleme der Kernkraftnutzung in Frankreich.
Vier Milliarden für natürlichen Klimaschutz
Angesichts der jüngsten Umweltkatastrophe am deutsch-polnischen Grenzfluss Oder mahnte die Ministerin ein „Umdenken“ im Umgang mit Flüssen und Gewässern an: Durch den Klimawandel änderten sich diese rapide, die Gefahren durch chemische Einleitungen und den Ausbau wüchsen.
Der Dürresommer habe gezeigt, wie wichtig es sei, „Wasser in der Landschaft zu halten und in Städten zu speichern“. Hier setze das von ihrem Ministerium erarbeitet Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz an, so Lemke. Vier Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds stünden für den Schutz und die Renaturierung unter anderem von Wäldern, Auen und Mooren bereit.
Union vermisst „Stimme der Verbraucherschutzministerin“
Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU) hielt der Ministerin eine „enttäuschende Bilanz“ als Umwelt- und vor allem Verbraucherschutzministerin vor. In der Diskussion um die Gasumlage habe sie gerade die „Stimme der Verbraucherschutzministerin“ vermisst: „Werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht! Die Gasumlage, so wie sie konzipiert ist, muss zurückgezogen werden!“, forderte Weisgerber und pochte auf mehr Entlastungen für kleine und mittlere Unternehmen.
Auch für befristete Laufzeitverlängerungen für die drei verbliebenen Kernkraftwerke in Deutschland machte sich die Unionsabgeordnete stark: Nur so komme man sicher und zu bezahlbaren Strompreisen durch den Winter.
AfD kritisiert Windkraftausbau, plädiert für Kernkraft
Wolfgang Wiehle (AfD) warf der Bundesregierung ebenfalls eine ideologiegeleitete Energiepolitik vor. So schaffe es die Ampel, gleichzeitig Versorgungssicherheit und „viele schöne deutsche Landschaften“ zu zerstören. Zwei Prozent der Landesfläche wolle sie mit Windrädern und Solarkraftwerken „zupflastern“.
Gegen diese Pläne hätte das Umweltministerium eigentlich Widerspruch einlegen müssen, rügte der AfD-Abgeordnete. Eine bessere Alternative sei die Atomkraft. Moderne Reaktortypen könnten sogar nukleare Reststoffe älterer Kraftwerke als Brennstoff verwenden, meinte Wiehle. Da erübrige sich auch die Endlagerung „weitgehend“.
Linke fordert mehr Geld für Umwelt
Kritik kam auch von Victor Perli (Die Linke): 0,5 Prozent des gesamten Haushalts mache das Budget des Ministeriums nur aus, mehr als die Hälfte davon seien für die Lagerung von Atommüll eingeplant. Umwelt- und Naturschutz blieben auf der Strecke.
„Wir finden es völlig falsch, dass die Ampel die Umweltpolitik so runterfährt“, sagte Perli und forderte mehr Geld für den Umweltschutz – dieser komme bei der Ampel ebenso unter die Räder wie das Soziale.
SPD lobt steigende Ausgaben für Meeresschutz
Redner der Koalitionsfraktionen verteidigten den Haushaltsentwurf: Michael Thews (SPD) zeigte sich froh darüber, dass das Budget für 2023 um knapp 264 Millionen Euro größer ausfalle als im Vorjahr. Besonders hervor hob er die in Höhe von 22 Millionen Euro geplanten Ausgaben für den nationalen Meeresschutz.
Gleichzeitig kündigte er für die Haushaltsberatungen an, seine Fraktion werde sich für zusätzliche Mittel einsetzen. Insbesondere für die Bergung und Vernichtung von Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee brauche es noch mehr Geld.
FDP verteidigt Entlastungspaket als „Verbraucherschutz in Krisenzeiten“
Judith Skudelny (FDP) verwies als Antwort auf die Kritik der Unionsfraktion an zu geringem Verbraucherschutz und mangelnde Entlastungen für die Mittelschicht auf den geplanten Abbau der kalten Progression: Diese sei nicht erst seit der Inflation „überfällig“ – die CDU habe das nie hinbekommen, so die Liberale.
Entlastungen für Rentner, Studierende, Auszubildende und Geringverdiener, zudem ein Verbot von Gas- oder Stromsperren – das sei „Verbraucherschutz in Krisenzeiten“, sagte Skudelny.
Grüne: Höheres Budget ist „wichtiges Signal“
Dr. Sebastian Schäfer (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete den Mittelaufwuchs für das Umweltressort als „wichtiges Signal in schwierigen Zeiten“. Leider seien aber tatsächlich mehr als die Hälfte der Gelder für die Endlagerung von Atommüll gebunden – die Gelder für Umwelt- und Naturschutz müssten daher „möglichst effektiv und effizient“ genutzt, Ausgaben priorisiert werden, sagte der Abgeordnete mit Blick auf die folgenden Haushaltsberatungen.
Als Schwerpunkte nannte Schäfer Maßnahmen zur Wiederherstellung und Renaturierung der Oder nach dem Fischsterben und die Beseitigung von Munitionsaltlasten aus Nord- und Ostsee. (sas/07.09:2022)
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7. September 2022 (50. Sitzung)
Top 1 EPL 4: Bundeskanzler, Bundeskanzleramt
Friedrich Merz (CDU/CSU), Fraktionschef der größten Oppositionspartei im Deutschen Bundestag, und Kanzler Olaf Scholz (SPD) haben sich bei den ersten Beratungen des Bundeshaushaltsplans 2023 (20/3100) am Mittwoch, 7. September 2022, im Parlament einen Schlagabtausch geliefert. Anlass der dreieinhalbstündigen Generaldebatte zur Politik der Ampelkoalition war die Aussprache über den Einzelplan 04 des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes.
Union: Stoppen Sie diesen Irrsinn!
Merz warf der Regierung Versagen in der Ukraine- wie in der Energiekrise vor. In der Sicherheits- wie in der Versorgungspolitik fehle den Ampelparteien der Kompass und „jede Fähigkeit zum politisch-strategischen Denken“, sagte der CDU-Politiker in Richtung Regierungsbank. Scholz hätte einen „Energiesicherheitsrat, noch besser einen Nationalen Sicherheitsrat“ ins Leben rufen müssen, um das Thema ins Kanzleramt zu ziehen. Das zielte offenbar vor allem auf Wirtschafts- und Klimaschutzminister Dr. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen). Die „hochkomplexen Fragen der Energiepolitik und der Versorgungssicherheit“ könne Scholz „in einer solchen existenziellen Krise doch nicht allen Ernstes einem Bundeswirtschaftsminister überlassen, der zwar, wie wir immer wieder sehen, gefällig formulieren kann, dem wir immer wieder beim Denken zuschauen dürfen, der aber umgeben ist ganz offensichtlich in seiner Partei und seinem Apparat von Lobbyisten der Umweltpolitik, die alles zur Strecke bringen, was auch nur einigermaßen Aussicht auf Erfolg hat, diese Krise in den Griff zu bekommen“.
Wenn man wolle dass die Energiepreise runtergehen, dann müsse man auf der Angebotsseite alles tun, damit genug Energie zur Verfügung stehe. Richtig wäre es, die gesamte Palette der Energieträger in den Blick zu nehmen und zu schauen, wo lasse sich das Angebot erhöhen. Das nenne sich Marktwirtschaft. Mit Blick auf die Abschaltung der letzten am Netz befindlichen Atomkraftwerke rief er dem Kanzler deshalb zu: „Stoppen Sie diesen Irrsinn in Ihrer Regierung, solange wir die Zeit dazu haben“.
Merz kritisiert Zögerlichkeit bei der Hilfe für die Ukraine
Auch Scholz selbst ging er hart an. Der Kanzler halte sein Versprechen nicht ein, der Bundeswehr ab sofort jedes Jahr mehr als zwei Prozent des BIP für Investitionen zur Verfügung zu stellen. Der Bundeswehretat hätte Jahr für Jahr ansteigen müssen, stattdessen schrumpfe der Etat um 300 Millionen Euro. „Herr Bundeskanzler, wir müssen es leider feststellen: Wir können den von Ihnen gegebenen Zusagen nicht vertrauen.“
Zudem komme die Bundesregierung „der eindeutigen Aufforderung des Deutschen Bundestages vom 28. April nicht nach, die Ukraine in ausreichendem Maße mit schweren Waffen zu versorgen“. Zustimmend zitierte Merz den Politologen Herfried Münkler, der gesagt hatte, Russland müsse durch militärische Misserfolge zu Verhandlungen gezwungen werden. Diese Worte hätte er sich von Scholz gewünscht, sagte Merz. Damit hätte der Kanzler in Deutschland und Europa „ein bisschen Führung übernommen“. Seine Zögerlichkeit bei der Hilfe für die Ukraine vor allem auch mit schweren Waffen hingegen führe dazu, dass der Krieg sich verlängere, mehr Opfer fordere und die Krise in Deutschland verschärfe.
„Größtes Problem ist die Geldentwertung“
Als größtes Problem dieser Monate identifizierte Merz die Geldentwertung. Darüber gehe die Regierung „mit einer bemerkenswerten Ignoranz hinweg. Auch das jüngste Entlastungspaket versuche manches zu reparieren, löse aber keine Probleme. Nur einzelne Punkte der Regierungspolitik hob Merz lobend hervor, etwa, dass bei den geplanten Entlastungen nun auch Rentnerinnen und Rentner berücksichtigt würden – hier habe die Ampel einen Fehler korrigiert. Insgesamt stellte er die Koalitionsbeschlüsse vom Sonntag jedoch als völlig verfehlt dar: “Jetzt mal im Ernst, Herr Bundeskanzler, 300 Euro für jeden Haushalt. Sie und ich bekommen das in diesen Tagen auch überwiesen. Brauchen Sie das? Brauchen wir das? Oder gibt es vielleicht in diesem Land Haushalte mit einem Durchschnittseinkommen von vielleicht 1500, 1600 Euro netto, die eher 1000 Euro gebraucht hätten, statt alle 300?„
Erneut forderte Merz, die Gasumlage aufzuheben, die Union habe einen entsprechenden Antrag gestellt (20/3304), weil die sogenannte saldierte Preisanpassung die Inflation noch weiter in die Höhe treibe und private Haushalte sowie Unternehmen belaste. Stattdessen sollten die Gasimporteure unter einen staatlichen Schutzschirm gestellt werden, “so wie wir das in der Finanzkrise und mit einigen Unternehmen während der Corona-Krise einmal gemacht haben„.
Kanzler: Wir haben eine gute Tradition, uns unterzuhaken
Der Kanzler reagierte mit Gegenangriffen. “Wer Spaltung herbeiredet, der gefährdet den Zusammenhalt in diesem Land. Und das ist jetzt das Falsche„, hielt Scholz Merz vor der Generaldebatte des Bundestages über den künftigen Bundeshaushalt entgegen. An Merz gewandt sagte der Kanzler: “Unterschätzen Sie unser Land nicht. Unterschätzen Sie nicht die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.„ Scholz ergänzte: “In schweren Zeiten wächst unser Land über sich selbst hinaus. Wir haben eine gute Tradition, uns unterzuhaken, wenn es schwierig wird.„ Scholz hielt der Union mehrfach schwere Versäumnisse in der Regierungszeit der damaligen Kanzlerin Dr. Angela Merkel vor. Er warf der Union vor, in ihrer Regierungszeit in der Energiepolitik versagt zu haben.
Dagegen habe sich die jetzige Ampelregierung frühzeitig dafür gesorgt, dass die Gasspeicher, anders als im vergangenen Jahr gefüllt seien, dass Deutschland an der Küste eigene Gasterminals baue, sehr schnell baue, mit europäischen Partnern verhandle, um die Abhängigkeit von russischen Importen zu verringern. Man habe das alles vorbedacht und sich vorbereitet: Die meisten Probleme habe man bereits gelöst, “bevor Sie mitbekommen haben, dass da überhaupt eins war.„ Bei der Energieversorgung zeigte sich der Kanzler trotz des Stopps der russischen Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 erneut optimistisch. “Wir können sagen: Wir kommen wohl durch„. Das niemand vor 3, 4, 5 Monaten für möglich gehalten.
Entlastung von Bürgern und Unternehmen
Zur weiteren Entlastung von Bürgern und Unternehmen habe man sich in der Regierung nach zwei vorangegangenen Maßnahmepaketen in einem Umfang von zusammen rund 30 Milliarden Euro nun auf ein drittes, diesmal 65 Milliarden schweres Paket verständigt. Das sei “eine ziemlich große Summe„, betonte der Kanzler und sagte voraus: “Unser Land wird über sich hinauswachsen, weil wir niemanden allein lassen mit all seinen Problemen „You’ll never walk alone.“
Zusammenhalt war auch das Wort, das er benutzte, um einen Unterschied zu Merz‘ Vorstellungen zum Ukraine-Krieg hervorzuheben: Wir werden keine deutschen Alleingänge machen – das wäre ein schwerer Fehler„, sagte der Kanzler – “was wir tun, ist eingebunden„, abgestimmt mit den europäischen Partnern und US-Präsident Joe Biden: Wir handeln als Verbündete.“
AfD sieht Deutschland in schwierigem Gewässer
Die AfD-Fraktionsvorsitzende Dr. Alice Weidel kritisierte den voraufgegangenen Schlagabtausch zwischen Merz und Scholz als „Nabelschau“.
Deutschland steuere durch den schwersten Sturm seit Gründung der Bundesrepublik, und während den Bürgern die Verarmung und den Unternehmen die Insolvenz drohe, habe der Staatschef nur beschwichtigende Worte. Mit dieser Besatzung könne das Schiff nur sinken.
Grüne geißeln Atomkraftdebatte als „faktenfrei“
Britta Haßelmann, Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Grüne, stellte fest, kaum eine Debatte werde so faktenfrei geführt wie die über die Atomkraft. „Niemand von uns will zurück zur alten Kernenergie, die wir 2011 in Deutschland beendet haben“, hatte Merz gesagt.
Haßelmann stellte dazu fest: Wer die Laufzeiten der Akw um drei oder vier Jahre verlängern wolle, der betreibe den Ausstieg aus dem Ausstieg, schon weil Brennstäbe gar nicht so lange hielten, also neue gekauft werden müssten. Auch bleibe die Union nach wie vor eine Antwort auf die Atommüll-Endlagerfrage schuldig. Außer „in Bayern jedenfalls nicht“ höre man dazu aus CDU und CSU nichts.
Linke: Niemand bleibt allein? Wirklich?
Amira Mohamed Ali (Die Linke) sagte: Niemand bleibt allein. You never walk alone. Die Linkenfraktionsvorsitzende nahm den Kanzler beim Wort und fragte immer wieder: Wirklich, Herr Scholz? Millionen Menschen in Deutschland hätten Angst vor der Strom-, oder Gas- oder Ölrechnung, vorm Arbeitsplatzverlust, vorm Verlust des Ersparten – und sehr viele hätten gar kein Erspartes.
Was sage er denen, fragte sie: „You never walk alone“? 18 Euro mehr Kindergeld – was sagen Sie den Eltern, die das Geld für das Material zur Einschulung ihrer Kinder bei sich selbst einsparen müssten: You never walk alone? Was sagen Sie den Millionen, die inzwischen bei den Tafeln für Essen anstehen: You never walk alone?.
Liberale wollen alles tun, um Energiepreise zu senken
Christian Dürr (FDP) räumte ein, dass er die Liberalen über den einen und anderen ordnungspolitischen Schatten haben springen müssen, dass aber richtig sei: Oberste Prämisse des Regierungshandelns müsse es sein, nach Wegen zu suchen, um die Energiepreise zu senken.
Und wenn es nötig sei, und das sei es offenbar, dann brauche es Veränderungen am Markt. Und für diese Änderungen werde die Ampelkoalition sorgen. Richtig bleibe aber auch: Der Staat könne nicht alles an etwaigen Mehrbelastungen ausgleichen.
Knapp zwei Milliarden Euro für Kultur und Medien
Der Etat des Kanzleramtes sieht 2023 Ausgaben von 3,67 Milliarden Euro vor gegenüber 3,86 Milliarden Euro in diesem Jahr. Die Einnahmen sollen 166,5 Millionen Euro betragen (2022: 103,5 Millionen Euro).
Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen), soll im nächsten Jahr 1,96 Milliarden Euro ausgeben können (2,08 Milliarden Euro).
Integrationsbeauftragte und Ostbeauftragter
Der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Reem Alabali-Radovan (SPD), stehen laut Entwurf 41,5 Millionen Euro zur Verfügung (2022: 43,48 Millionen Euro).
Der Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland, Staatsminister Carsten Schneider (SPD), soll 15,4 Millionen Euro erhalten, etwa doppelt so viel wie in diesem Jahr (7,65 Millionen Euro).
Der Zuschuss an den Bundesnachrichtendienst beläuft sich dem Entwurf zufolge auf 1,03 Milliarden Euro (wie 2022). (mis/vom/07.09.2022)
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TOP 1 EPL 5 Auswärtiges Amt
Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) hat angesichts geplanter Kürzungen der Mittel für Friedenssicherung oder bei der humanitären Hilfe im nächsten Bundeshaushalt davor gewarnt, die Menschen in der Ukraine und anderen Teilen der Welt zu vernachlässigen. In einer der größten außenpolitischen Krisen dürfe nicht im Außenbereich und bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gekürzt werden, sagte sie am Mittwoch, 7. September 2022, in der ersten Beratung über den Haushalt 2023 des Auswärtigen Amtes.
Vielmehr müsse man konstruktiv überlegen, wie man in diesen Zeiten klare Prioritäten setzen könne „bei der humanitären Hilfe, aber eben auch weiter bei der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik“.
Weniger Geld für die Friedenssicherung
Der Etat des Auswärtigen Amts soll im kommenden Jahr geringer ausfallen als in diesem Jahr. Laut Regierungsentwurf (20/3100) sind im Einzelplan 05 Ausgaben von 6,4 Milliarden Euro vorgesehen, was gegenüber 2022 (7,11 Milliarden Euro) einen Rückgang bedeutet. Für die Sicherung von Frieden und Stabilität soll Baerbock 3,43 Milliarden Euro ausgeben können. In diesem Jahr standen dafür noch 4,07 Milliarden Euro zur Verfügung. Kürzungen sind auch bei der humanitären Hilfe und der Krisenprävention geplant, der Ansatz soll von drei Milliarden Euro auf 2,52 Milliarden Euro schrumpfen.
Für die bilaterale Zusammenarbeit und die Pflege der Auslandsbeziehungen sieht der Etat 147,62 Millionen Euro vor (2022: 164,96 Millionen Euro). 972,6 Millionen Euro sollen für die Pflege der kulturellen Beziehungen zum Ausland bereitgestellt werden (2022: 1,03 Milliarden Euro).
Ministerin: Unsere größte Stärke ist Zusammenhalt
Angesichts der Debatte über Unterstützung für die Bürgerinnen und Bürger wegen der hohen Energiepreise warnte Baerbock zudem davor, die Lage in Deutschland gegen die Hilfe für die Menschen in der Ukraine oder in Afrika auszuspielen.
Die Solidarität mit den aus der Ukraine Geflüchteten sei „unsere gemeinsame Stärke“, sagte sie. „Lassen Sie uns es dem russischen Regime nicht so einfach machen, in diesen Momenten unsere größte Stärke anzugreifen. Und das ist unser Zusammenhalt.“
Union: Die Ukraine kämpft unseren Kampf
Auch Jürgen Hardt (CDU/CSU) ging auf die Sorgen angesichts steigender Energiepreise und wachsender Inflation ein. Es sei ein Trugschluss zu glauben, man hätte „Ruhe und Frieden und billiges Gas“, wenn man auf den russischen Präsidenten zugehen würde. „Putin würde sich dadurch ermutigt fühlen, fortzuschreiten“ und weitere Nachbarn anzugreifen. Es sei nicht nur moralisch gerechtfertigt, die Ukraine massiv zu unterstützen, sondern auch eine pragmatische Entscheidung, weil die Ukrainer „tatsächlich eben auch unseren Kampf kämpfen“.
Hardt übte in diesem Zusammenhang Kritik an „widersprüchlichen Aussagen“ der Bundesregierung in Bezug auf ausbleibende Waffenlieferungen. Mit Blick auf eine mögliche Aufstockung der Mittel für die humanitäre Hilfe signalisierte er der Koalition Verhandlungsbereitschaft.
SPD: Putin ist null an Verhandlungen interessiert
Gabriela Heinrich (SPD) zeigte sich „nicht so glücklich“ mit einigen Ansätzen im Etat, insbesondere bei der humanitären Hilfe. Die deutsche Außenpolitik müsse in vielen Regionen die blanke Not lindern. Die Mittel dafür seien in den vergangenen Jahren zwar massiv erhöht worden, „und das war richtig“. Das Geld habe aber trotzdem nicht gereicht.
Im Sinne einer Stärkung der Zivilgesellschaft in den Partnerländern werde man außerdem darauf drängen, die Mittel für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik wieder auf die sogenannte „Kulturmilliarde“ zu erhöhen. Mit Blick auf den russischen Überfall auf die Ukraine betonte Heinrich, dass für ihre Fraktion Diplomatie immer Vorrang habe. Putin sei aber aktuell „null an Verhandlungen interessiert“ und sei es auch nie gewesen.
AfD: Regierung hat sich verzockt
Dr. Michael Espendiller (AfD) warf der Bundesregierung vor, sich mit ihrer Sanktionspolitik gegenüber Russland „verzockt“ zu haben: Man mache „auf dicke Hose“ und rede einem Öl- und Gasembargo das Wort, „und dann ist das Geschrei groß, wenn tatsächlich kein russisches Gas mehr kommt“.
Die Sanktionen führten hierzulande zu steigenden Preisen an den Tankstellen, beim Einkaufen, bei Strom- und Gasabschlägen der Versorger, und sie bescherten Russland durch die Rohstoff-Verknappung auch noch höhere Einnahmen als zuvor.
FDP: Wir dürfen uns dem Protektionismus nicht ergeben
Alexander Graf Lambsdorff (FDP) erinnerte indes daran, dass die Wirtschaft bereits vor dem Krieg in der Ukraine durch eine „borniert-harte Zero-Covid-Politik Chinas, durch die Disruption in den Lieferketten schwer gestört“ gewesen sei, hinzu käme Protektionismus als eine Ursache.
„Wir dürfen uns dem Protektionismus nicht ergeben.“ Man müsse Handelsabkommen wie Ceta mit Kanada und Mercosur mit Südamerika voranbringen und weitere solche Abkommen schließen, „denn die Globalisierung ist die Grundlage des Wohlstands unseres Landes“.
Linke moniert „Flickschusterei“ der Bundesregierung
Dr. Gregor Gysi (Die Linke) monierte, dass im Krieg zwischen Russland und der Ukraine ausgerechnet die Türkei als Vermittler auftrete, die völkerrechtswidrige Kriege in Syrien und im Irak führe und Griechenland bedrohe. „Wäre die Vermittlungsrolle nicht eigentlich eine Aufgabe des Bundeskanzlers Scholz und des französischen Präsidenten Macron?“
Gysi kritisierte zudem die Hilfen der Bundesregierung angesichts steigender Preise bei Lebensmittel und Energie als „unzureichend und Flickschusterei“. Es wäre wichtig, über bestimmte Sanktionen neu nachzudenken und andererseits die Energieversorgung der Bevölkerung in vollem Umfang zu sichern.
Grüne gegen Kürzungen bei humanitärer Hilfe
Jamila Schäfer (Bündnis 90/Die Grünen) wandte sich gegen die vorgesehenen Kürzungen bei humanitärer Hilfe und auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik.
Diese Mittel seien „nicht einfach nur Geschenke an andere Länder. Diese Gelder sorgen für ein Mindestmaß an Menschlichkeit“ – nach Naturkatastrophen wie derzeit in Pakistan, bei Hungerkrisen wie derzeit in Somalia, durch Unterstützung der Zivilbevölkerung in der Ukraine. (ahe/vom/07.09.2022)
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TOP 1 EPL 6 Verteidigung
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) wird im kommenden Jahr voraussichtlich der größte Wehretat in der Geschichte der Bundesrepublik zur Verfügung stehen. Auch wenn der Einzelplan 14 des Bundeshaushaltes 2023 (20/3100) mit 50,1 Milliarden Euro gegenüber diesem Jahr um 300 Millionen Euro niedriger veranschlagt ist, so steigen die Verteidigungsausgaben durch das über Kredite finanzierte Sondervermögen Bundeswehr auf ein Rekordhoch.
Aus diesem sollen insgesamt zusätzlich 8,5 Milliarden fließen, 8,19 Milliarden Euro für militärische Beschaffungen und 310 Millionen Euro in Zinszahlungen.
Ministerin: Zeit des Zögerns ist vorbei
Nach den Worten Lambrechts sind diese Ausgaben nötig, „um die Landes- und Bündnisverteidigung zu gewährleisten“ und um die Soldaten der Bundeswehr für diese Aufgabe so auszustatten, wie sie es verdienen. Die Bundesregierung beende damit den Kurs des Zusammensparens der vergangenen Jahre.
Um die zusätzlichen Mittel zeitnah auch ausgeben zu können, habe ihr Ministerium 65 Rüstungsvorhaben identifiziert, bei 41 könnten die Verträge in Kürze unterzeichnet werden. Als Beispiele benannte Lambrecht die Beschaffung des neuen schweren Transporthubschraubers vom Typ CH-74 F Chinook und des Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeugs F-35, das die Tornado-Kampfflugzeuge ersetzen soll. Beide marktverfügbaren Systeme werden in den USA gekauft und sollen der Bundeswehr ab 2026 zulaufen. Zudem sei die Entscheidung über Bewaffnung von Drohnen gefallen. Dies zeige, dass die Zeit des Zögerns vorbei sei, sagte Lambrecht.
Union: Regierung kommt Nato-Verpflichtung nicht nach
Obwohl die CDU/CSU die Verabschiedung des Sondervermögens Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro mitgetragen hatte, übte deren Verteidigungsexpertin Kerstin Vieregge trotzdem massive Kritik am vorgelegten Regierungsentwurf für den Wehretat.
Angesichts der hohen Inflation sei es unverständlich und unverantwortlich, dass der reguläre Etat im kommenden Jahr um 300 Millionen sinken soll. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe eine dauerhafte Erhöhung des Wehretats gemäß der Nato-Verabredung auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes und die Auflage des Sondervermögens zugesagt. An dieser Zusage müsse gezweifelt werden. Vieregge warf der Regierung vor, sie komme ihren Verpflichtungen innerhalb der Nato nicht nach. So würden beispielsweise die Anforderungen der baltischen Staaten angesichts der Bedrohung durch Russland nicht erfüllt. Der Ukraine-Krieg habe die Bedeutung der Landstreitkräfte gezeigt. Deutschland habe in der Nato zwar eine kriegsstarke Division zugesagt, dies werde aber nur zu Lasten einer zweiten Division gelingen, führte Vieregge aus.
AfD: Bundeswehr ist nicht kriegstauglich
Der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Rüdiger Lucassen, begrüßte zwar ebenfalls die Erhöhung der Verteidigungsausgaben, bemängelte jedoch zugleich, dass die Bundeswehr trotzdem nicht „kriegstauglich“ sei. Die dramatischen Erhöhungen des Wehretats und das Sondervermögen seien nur deswegen nötig geworden, weil die Bundeswehr in den vergangenen 20 Jahren kaputtgespart worden sei. Der Wehretat sei ein „Dokument des Versagens“.
Auch die neue Bundesregierung verfüge nicht über das geeignete Personal, um die Probleme bei den Streitkräften in den Griff zu bekommen. So beschaffe Ministerin Lambrecht weitere Korvetten 130, allerdings seien diese für die Landes- und Bündnisverteidigung nicht geeignet. Vom regulären Wehretat flössen lediglich 19 Prozent in die Beschaffung neuen Materials und in Innovationen. Der Rest des Etats werde für den Grundbetrieb einer nicht funktionierenden Armee ausgegeben, kritisierte Lucassen. Das Sondervermögen würde zugleich durch die hohe Inflation Jahr für Jahr entwertet. Dies sei eine „tickende Zeitbombe“.
Koalition: Zwei-Prozent-Ziel der Nato wird erreicht
Die Koalitions-Haushaltspolitiker Dr. Sebastian Schäfer (Bündnis 90/Die Grünen), Karsten Klein (FDP) und Andreas Schwarz (SPD) wiesen die Kritik aus den Reihen der Union und der AfD zurück. Der Bund werde im kommenden Jahr mit dem Wehretat und den Mitteln aus dem Sondervermögen 58,6 Milliarden Euro für die Verteidigung aufbringen. Damit seien die Grundlagen für eine verteidigungsfähige Bundeswehr gelegt, sagte Klein.
Schäfer betonte, es sei richtig, die Gelder aus dem Sondervermögen über mehrere Jahre zu strecken und nicht auf einen Schlag auszugeben. Auf diesem Weg erfülle Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel der Nato im mehrjährigen Mittel. Schäfer räumte allerdings ein, dass die Mittel für die militärischen Beschaffungen im regulären Etat unter anderem wegen steigender Personalkosten rückläufig seien. Dies könne langfristig in der Tat zu Problemen führen. Karsten Klein und Andreas Schwarz begrüßten ausdrücklich, dass Ministerin Lambrecht die Vollausstattung der Soldaten mit persönlicher Ausrüstung von Anfang an priorisiert habe. Zudem sei mit dem Beschaffungsbeschleunigungsgesetz ein erster richtiger Schritt gemacht worden, um die Beschaffung von Material und Ausrüstung für die Bundeswehr zügiger zu gewährleisten. Der Etat sei vom Mut und vom Willen zur Veränderung geprägt, sagte Schwarz. Das Geld sei gut investiert. Schwarz rechtfertigte zudem den Kauf der MV-Werft in Rostock für die Marine als richtigen Schritt. Dadurch könnte die Instandhaltung von Schiffen deutlich besser gewährleistet werden.
Linke: Es muss in den Frieden investiert werden
Auf prinzipielle Ablehnung stößt die Erhöhung der Verteidigungsausgaben bei der Linksfraktion. Noch nie sei der Wehretat so hoch ausgefallen und noch nie habe es so wenig Sicherheit gegeben, führte deren Haushaltspolitikerin Dr. Gesine Lötzsch an. Nach Nato-Kriterien beliefen sich die deutschen Verteidigungsausgaben sogar auf rund 64 Milliarden Euro. Es müsse die Frage gestellt werden, wohin das ganze Geld fließe.
In erster Linie profitiere die deutsche Rüstungsindustrie befand Lötzsch. So habe sich der Wert der Aktie der Firma Rheinmetall seit der Verkündung des Sondervermögens durch Bundeskanzler Scholz verdreifacht. „Da haben die Sektkorken geknallt bei den Aktienbesitzern.“ Es müsse endlich in den Frieden investiert werden, forderte Lötzsch.
20 Milliarden Euro für das Personal
Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) rechnet mit Einnahmen von 31 Millionen Euro (2022: 710,8 Millionen Euro). Die Verpflichtungsermächtigungen für künftige Haushaltsjahre summieren sich auf 50,1 Milliarden Euro.
Die Ausgaben für militärische Beschaffungen, Anlagen und Ähnliches belaufen sich dem Entwurf zufolge insgesamt auf 18,67 Milliarden Euro (2022: 20,42 Milliarden Euro), die Personalausgaben auf 20,63 Milliarden Euro (2022: 19,88 Milliarden Euro), die sächlichen Verwaltungsausgaben auf 8,61 Milliarden Euro (2022: 8,39 Milliarden Euro), die Zuweisungen und Zuschüsse auf 2,35 Milliarden Euro (2022: 2,1 Milliarden Euro) und die Investitionen auf 433,68 Millionen Euro (2022: 357,77 Millionen Euro).
Acht Milliarden Euro für militärische Beschaffungen
Die Ausgaben für militärische Beschaffungen schlagen mit acht Milliarden Euro zu Buche (2022: 9,81 Milliarden Euro). Für das Waffensystem Eurofighter sind 1,45 Milliarden Euro eingestellt (2022: 1,23 Milliarden Euro), für eine Milliarde Euro soll Munition beschafft werden (2022: 763 Millionen Euro).
Für Schiffe und sonstiges Marinegerät sind 653,58 Millionen Euro eingeplant (2022: 571,31 Millionen Euro), für Flugzeuge und sonstiges flugtechnisches Gerät 684,53 Millionen Euro (2022: 500 Millionen Euro), für die Beschaffung von Kampffahrzeugen 600,09 Millionen Euro (2022: 792,92 Millionen Euro). Für die Materialerhaltung sieht der Entwurf 4,88 Milliarden Euro vor (2022: 4,62 Milliarden Euro), davon 2,7 Milliarden Euro für die Erhaltung von Flugzeugen und flugtechnischem Gerät (2022: 2,69 Milliarden Euro).
Sechs Milliarden Euro für Unterkünfte
Für die Unterbringung der Soldatinnen und Soldaten sind Ausgaben von 6,26 Milliarden Euro eingeplant (2022: 5,99 Milliarden Euro), davon 2,7 Milliarden Euro für Mieten und Pachten (2022: 2,73 Milliarden Euro). Der sonstige Betrieb der Bundeswehr schlägt mit 2,84 Milliarden Euro zu Buche (2022: 2,65 Milliarden Euro). Aus der Nato-Mitgliedschaft resultierende Verpflichtungen belaufen sich auf 1,29 Milliarden Euro (2022: 1,44 Milliarden Euro). Der Bereich „Kommandobehörden und Truppe, Sozialversicherungsbeiträge, Fürsorgemaßnahmen und Versorgung für Soldatinnen und Soldaten“ umfasst Ausgaben von insgesamt 16,73 Milliarden Euro (2021: 15,94 Milliarden Euro).
Von den neu aufgenommenen Krediten des Sondervermögens Bundeswehr sollen 8,19 Milliarden Euro in die militärische Beschaffung fließen, 0,31 Milliarden Euro sind für Zinszahlungen veranschlagt. Schwergewicht ist dabei die Titelgruppe 06 „Dimension Luft“, für die rund fünf Milliarden Euro etatisiert sind. Davon entfallen 3,4 Milliarden Euro auf den Titel „Beschaffung Dimension Luft“, zu dem als Vorhaben unter anderem, die Entwicklung der Kauf von Eurofighter ECR, die Beschaffung des F-35 als Nachfolge für den Tornado sowie die Bewaffnung der Drohne Heron zählen.
In der Titelgruppe 02 „Bekleidung und persönliche Ausrüstung“ sind Ausgaben in Höhe von 892 Millionen Euro vorgesehen. In der Titelgruppe 03 „Führungsfähigkeit/Digitalisierung“ sind es 658 Millionen Euro. 304 Millionen Euro sollen in der Titelgruppe 04 „Dimension Land“ (447 Mio. Euro) für den Schützenpanzer PUMA verausgabt werden. In der Titelgruppe 05 „Dimension See“, die Ausgaben in Höhe von 1,22 Milliarden Euro umfasst, sind unter anderem 415 Millionen Euro für die Fregatte 126 und 380 Millionen Euro für die Korvette Klasse 130 veranschlagt. Ausgaben des Sondervermögens werden nicht direkt dem Haushalt zugerechnet, die aufgenommenen Kredite fallen nicht unter die Schuldenobergrenze des Grundgesetzes. Insgesamt kann das Sondervermögen Kredite in einer Höhe von 100 Milliarden Euro aufnehmen. (aw/vom/07.09.2022)