44. und fortfolgende Bundestagssitzungen ab 22. Juni 2022, die Beiträge der AfD-Abgeordneten

Sitzungswoche

22. Juni 2022 (44. Sitzung)

Quelle Bundestag: Die Tagesordnung entspricht auch dann der im Bundestag, wenn die Reihenfolge der Tagesordnungen „durcheinander“ gehen.

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TOP 1 Befragung der Bundesregierung: Verteidigungsministerium

Aus Beständen der Bundeswehr sind inzwischen sieben Panzerhaubitzen 2000 in der Ukraine angekommen. Auch die entsprechende Ausbildung der ukrainischen Soldaten sei abgeschlossen, teilte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) am Mittwoch, 22. Juni 2022, dem Bundestag mit. In der Regierungsbefragung berichtete sie, dass darüber hinaus fünf weitere Panzerhaubitzen 2000 aus niederländischen Beständen geliefert worden seien. Außerdem werde künftig auf der Internetseite des Bundespresseamtes über tatsächliche und vorbereitete Waffenlieferungen informiert, nachdem die ukrainische Regierung sich damit einverstanden erklärt habe.

Weitere Waffenlieferungen, Ringtausch, schnellere Beschaffung

Die Ministerin kündigte weitere Waffenlieferungen an. Die Bundeswehr werde drei Mehrfach-Raketenwerfer des Mittleren Artillerie-Raketen-Systems (Mars II) liefern, die Industrie Gepard-Flugabwehrkanonen und Iris-T-Luft-Luft-Lenkflugkörper. Noch im Juni werde die Ausbildung ukrainischer Soldaten an Mars II beginnen.

Darüber hinaus befinde man sich in Verhandlungen mit Polen, Griechenland, der Slowakei und Slowenien über den sogenannten Ringtausch. Dieser sieht vor, dass diese Länder Waffen  an die Ukraine abgeben, etwa Panzer sowjetischer Bauart, und ihrerseits ihre Bestände aus deutschen Waffenlieferungen auffüllen können. Die Partnerländer wollten sicherstellen, dass ihre Bestände aufgefüllt werden, ehe sie selbst Waffen an die Ukraine abgeben.

Die Ministerin warb auch dafür, dem Entwurf der Ampelfraktionen für ein Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz (20/2353), das am 24. Juni erstmals im Bundestag beraten wird, noch vor der Sommerpause zuzustimmen.

Ausbildung ukrainischer Soldaten

Nach der Ausbildung an den gelieferten Panzerhaubitzen erkundigte sich der SPD-Abgeordnete Stefan Schwartze. Dabei handele es sich um hoch modernes, computergestütztes Gerät, sagte die Ministerin, das man handhaben können müsse. Das mache deutlich, wie umfangreich die Ausbildung sein müsse.

Die Regierung habe darauf bestanden, dass die ukrainischen Soldaten in Deutschland daran ausgebildet werden. Vorschläge wie die, dass ein Youtube-Video auch gereicht hätte, bezeichnete die Ministerin als „zynisch“. Auch am Gepard und am Mars-System müsse ausgebildet werden.

Leopard I, Marder, Gepard

Die Frage des CSU-Abgeordneten Florian Hahn, ob seitens der Rüstungsindustrie Exportanträge für die Lieferung von Leopard-I- und Marder-Panzern vorlägen, bejahte Lambrecht. Die westlichen Alliierten hätten jedoch entschieden, in dieser Frage abgestimmt vorzugehen. Bisher gebe es noch keine Lieferung von Panzern westlicher Bauart durch ein anderes Land. Es werde hier keinen deutschen Alleingang geben.

Auf eine Nachfrage Hahns stellte sie klar, dass es sich beim Gepard nicht um einen Panzer handele. Dem CSU-Abgeordneten Dr. Reinhard Brandl erläuterte die Ministerin, dass der Gepard dafür da sei, kritische Infrastruktur zu schützen. Der Gepard sei kein Rüstungsexport, sondern eine „Länderabgabe“, erklärte sie dem AfD-Abgeordneten Rüdiger Lucassen. Er werde aus vorhandenen Bundeswehr-Beständen abgegeben, auch die Ausbildung der ukrainischen Soldaten werde vom Verteidigungsministerium unterstützt. Im Gegensatz dazu müssten Waffenlieferungen der Industrie vom Bundessicherheitsrat genehmigt werden.

Auf die Frage Lucassens, ob die Regierung der Ukraine weitere schwere Waffen liefern wolle, machte die Ministerin deutlich, dass es Nato-Verpflichtungen gebe, dass Waffen in der Instandsetzung seien und weitere für die Ausbildung benötigt würden. Ob es Spielraum für weitere Lieferungen gibt, werde jeweils aktuell entschieden. Auf Nachfrage des fraktionslosen Abgeordneten Johannes Huber entgegnete sie, es würden nur dann Waffen abgegeben, wenn die Landesverteidigung und die Ausbildung der Soldaten gewährleistet bleibt: „Es entsteht keine Lücke.“

„Meilensteine“ im Beschaffungswesen

Sara Nanni (Bündnis 90/Die Grünen) erkundigte sich nach weiteren Maßnahmen. Dazu die Ministerin: „Was wir auf den Weg gebracht haben in wenigen Wochen, ist ein Quantensprung.“ 20 Prozent aller Auftragsvergaben der Bundeswehr seien freihändig möglich und es gebe die Möglichkeit, vom europäischen Vergaberecht abzuweichen. Mit dem geplanten Beschleunigungsgesetz würden Strukturen verändert, was zu einer weiteren Beschleunigung führen werde. Dabei werde auf die Marktverfügbarkeit geschaut. Dies seien „Meilensteine“ im Vergleich zur vorherigen Beschaffung.

Lambrecht fügte hinzu, künftig mehr auf europäische Beschaffungen setzen zu wollen, abgestimmt und zu vielleicht niedrigeren Kosten, auch sollten die beschafften Systeme interoperabel sein. Wenn überall investiert werde, sollte es nicht zu Kostenexplosionen kommen, so die Ministerin, weshalb sich die Staaten zusammentun sollten.

„Nukleare Teilhabe bleibt gewährleistet“

Der CDU-Abgeordneten Serap Güler bestätigte sie, die Regierung habe sich im Koalitionsvertrag verpflichtet, die „nukleare Teilhabe“ zu gewährleisten. Daher werde es auch zur Beschaffung von F-35-Mehrzweckkampfflugzeugen kommen, da der „Tornado“ nach 2030 nicht mehr fliegen werde.

Die Digitalisierung der Bundeswehr lag dem FDP-Abgeordneten Alexander Müller am Herzen. Auf seine Frage, wann die Soldaten digital funken könnten, konnte Lambrecht keine Datumszusage machen. Sie richtete die Erwartung an die Abgeordneten, den Haushalt ihres Ministeriums auch dann verantwortungsgerecht auszustatten, wenn das beschlossene Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr aufgebraucht sein wird.

Persönliche Schutzausrüstung in der Bundeswehr

Nach der persönlichen Schutzausrüstung der Soldatinnen und Soldaten erkundigte sich Ali Al-Dailami (Die Linke). Ausgaben von 2,4 Milliarden Euro für die persönliche Schutzausrüstung habe sie vom Jahr 2031 vorgezogen, sagte die Ministerin.

Sie erinnerte daran, dass der Verteidigungsetat vor 2014 „heruntergefahren“ worden sei. Die Defizite könnten mit dem heutigen Etat von rund 50 Milliarden Euro nicht aufgefangen werden, da 20 Milliarden Euro für das Personal, weitere 20 Milliarden Euro für den Betrieb der Bundeswehr und zehn Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung stünden. Damit könne nicht sichergestellt werden, dass die F 35 für die nukleare Teilhabe bereitgestellt werden könnten.

Kriegsziele der Ukraine

Nach den legitimen Kriegszielen der Ukraine fragte Dr. Johann David Wadephul (CDU/CSU). Lambrecht sagte, die Regierung unterstütze die Ukraine auch bei einem längeren Krieg, ihre territoriale Integrität zu verteidigen, und sei ein „verlässlicher Partner der Ukraine“. Die Ukraine entscheide jedoch, wann sie in Verhandlungen eintreten wolle.

Wadephuls Fraktionskollege Paul Ziemiak konfrontierte die Ministerin mit einer Aussage von Außenministerin Baerbock, die Ukraine müsse diesen Krieg gewinnen. Lambrecht blieb jedoch dabei, dass die Ukraine bei ihrem „mutigen Kampf“, die territoriale Integrität zu verteidigen, unterstützt werde „mit allem, was wir können“. (vom/22.06.2022)

 

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TOP 2 Fragestunde

Der Bundestag hat am Mittwoch, 18. Mai 2022, in einer sehr sachlichen Generalaussprache über Möglichkeiten zur Reform der Sterbehilfe beraten. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte im Februar 2020 das 2015 vom Bundestag beschlossene Verbot der organisierten Sterbehilfe gekippt und klargestellt, dass Menschen ein Recht haben, selbstbestimmt zu sterben, auch mit Unterstützung Dritter.

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TOP 3 Regierungserklärung

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich für einen „Marshall-Plan“ für den Wiederaufbau der kriegszerstörten Ukraine ausgesprochen. In seiner Regierungserklärung am Mittwoch, 22. Juni 2022, zu den anstehenden Gipfeltreffen der EU in Brüssel, der Nato in Madrid und der G7-Staaten im bayerischen Elmau betonte Scholz, Europa stehe angesichts des russischen Angriffskriegs geschlossen an der Seite des ukrainischen Volkes. „Wir werden die Ukraine auch weiterhin massiv unterstützen – finanziell, wirtschaftlich, humanitär, politisch und nicht zuletzt mit der Lieferung von Waffen. Und zwar so lange, wie die Ukraine unsere Unterstützung braucht.“

Kanzler: Internationale Expertenkonferenz einberufen

Um langfristige Hilfe zu organisieren kündigte Scholz unter anderem an, im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft eine internationale Expertenkonferenz einberufen. Man müsse sich darüber verständigen, welche Investitionen die Ukraine am schnellsten voranbringen auf ihrem europäischen Weg, sagte der SPD-Politiker. Scholz kündigte zudem an, sich beim EU-Gipfel „mit allem Nachdruck“ dafür einzusetzen, dass sich die gesamte EU geschlossen für die EU-Perspektive für die Ukraine ausspricht: „27 mal Ja zum Kandidatenstatus“.

Auch mit Blick auf den Nato-Gipfel in Madrid sprach Scholz von einem Signal des Zusammenhalts und der Entschlossenheit. „Eine Partnerschaft mit Russland, wie sie noch das Strategische Konzept von 2010 als Ziel ausgegeben hat, ist mit Putins aggressivem, imperialistischen Russland auf absehbare Zeit unvorstellbar.“ Zugleich warnte der Kanzler davor, falsche Schlüsse zu ziehen. So wäre die Aufkündigung der Nato-Russland-Grundakte „unklug“, weil sie dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dessen Propaganda nur in die Hände spielen würde.

Entschließungsantrag der Union

Die Unionsfraktion hatte zur Regierungserklärung zwei Entschließungsanträge vorgelegt. Den ersten (20/2347) überwiesen die Abgeordneten zur federführenden Beratung in den Wirtschaftsausschuss. Darin forderte sie auf der Grundlage des Bundestagsbeschlusses vom 28. April 2022 unter anderem, die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine in Quantität und Qualität „unverzüglich und spürbar“ zu intensivieren sowie die Versprechungen im Rahmen der Ringtausch-Vereinbarungen, etwa mit Polen und Griechenland, „umgehend und vollumfänglich“ zu erfüllen. Hinsichtlich der Abgabe von sensitivem militärischem Material an die Ukraine sollte zudem Transparenz geschaffen werden, damit eine Einsichtnahme in der Geheimschutzstelle des Bundestages nicht nur einzelnen Abgeordneten gestattet ist.

Darüber hinaus sollen aus verfügbaren Beständen der Bundeswehr in größtmöglichem Umfang Rüstungsgüter direkt für die Ukraine bereitgestellt und unverzüglich dorthin geliefert werden, inklusive „schwerer Waffen“ wie gepanzerte Waffensysteme und Artilleriesysteme, weitreichende Aufklärungsmittel, Führungsausstattungen, Schutzausrüstungen, Mittel zur elektronischen Kampfführung, Gewehre, Munition, Flugabwehrraketen, Panzerabwehrwaffen sowie aller weiterer erforderlichen Mittel zur Bekämpfung der russischen Invasionstruppen.

Abgelehnter Entschließungsantrag der Union

Den zweiten Entschließungsantrag der Unionsfraktion wiesen die Abgeordneten gegen die Stimmen der Antragsteller und bei Enthaltung der AfD zurück. Darin hatte die Union gefordert, dass die Bundesregierung sich innerhalb der EU dafür einsetzen sollte, dass der Ukraine und der Republik Moldau eine Beitrittsperspektive zur Europäischen Union eröffnet und diesen Ländern auf dem Europäischen Rat am 23. / 24. Juni 2022 der Kandidatenstatus zugesprochen wird. Außerdem sollte sie sich im Rahmen der Verhandlungs- und Beitrittsprozesse dieser Länder dafür einsetzen, dass unterhalb der Vollmitgliedschaft ein neues Modell Möglichkeiten der Teilnahme an gemeinsamen Programmen wie zum Beispiel in der Gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie in den Bereichen Forschung, Energie, Verkehr oder Klimaschutz eröffnet.

Zudem sollte von den Kandidatenländern weiterhin konsequent die Erfüllung der Kriterien zu Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit und dabei insbesondere eine verstärkte Korruptionsbekämpfung eingefordert werden. (hau/eis/irs/22.06.2022)

AfD kritisiert Russland-Sanktionen

Tino Chrupalla (AfD) stellte sich gegen die Sanktionen gegen Russland. Die Bundesregierung glaube, auf eine Kooperation mit einem der rohstoffreichsten Länder der Welt verzichten zu können. „Auch wir verurteilen den russischen Angriff auf die Ukraine“, betonte der AfD-Partei- und Fraktionschef. Aber nur Dialog und Zusammenarbeit könnten den Frieden wiederherstellen.

„Wir brauchen gute Beziehungen zu möglichst allen internationalen Partnern.“ Mit einem  EU-Beitrittsversprechen an die Ukraine werde der Bevölkerung dort zudem eine Sicherheit versprochen, die niemals einzuhalten sei.

 

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TOP 4 EU-Perspektive für die Staaten des westlichen Balkans

Der Bundestag hat am Mittwoch, 22. Juni 2022, einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Mit einer engagierten Politik die EU-Perspektive für die Staaten des westlichen Balkans erneuern“ (20/2339) beraten. Nach der Debatte haben die Abgeordneten die Vorlage zur weiteren Beratung an den federführenden Auswärtigen Ausschuss überwiesen.

Antrag der CDU/CSU

Die Unionsfraktion setzt sich für die EU-Perspektive für die Staaten des westlichen Balkans ein. Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung dazu auf, auf EU-Ebene zu erreichen, dass die EU-Beitrittsperspektive für Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien „alsbald unzweideutig, glaubhaft und mit greifbaren Fortschritten untermauert wird“. Außerdem schlägt die Unionsfraktion vor, auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft mit den Kandidatenländern Zwischenschritte der engeren Anbindung an die EU zu vereinbaren, beispielsweise eine assoziierte Mitgliedschaft in der Gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik ohne Stimmrecht und einen Weg zum Beitritt in den EU-Binnenmarkt im Gegenzug für Reformen und der Umsetzung der Kopenhagener Kriterien und Fortschritten bei der Rechtsstaatlichkeit. Weitere Forderungen zielen auf eine dezidierte Absage an Grenzverschiebungen in den Ländern des westlichen Balkans, die Perspektive ihrer Nato-Mitgliedschaft, auf verstärkte Korruptionsbekämpfung, die Fortsetzung „Berlin Prozesses“ für regionale Zusammenarbeit und Entwicklung sowie auf Reformen innerhalb der EU zur Sicherstellung ihrer künftigen Aufnahmefähigkeit.

„Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Verletzlichkeit von Grenzen im Herzen Europas ebenso deutlich vor Augen geführt, wie die Tatsache, dass gefrorene oder vermeintlich räumlich begrenzte Konflikte schnell eskalieren und sich ausbreiten können“, schreiben die Abgeordneten. Solche Konflikte gefährdeten die Stabilitäts- und Friedensinteressen der EU. Der westliche Balkan sei trotz großer Fortschritte in den letzten Jahrzehnten weiterhin eine Region latenter Instabilität, in der organisierte Kriminalität, Korruption und eine schwache Justiz weit verbreitet seien. Zudem bestünden ethnische und religiöse Fragen fort. „Es liegt im ureigenen Interesse der EU, dass die sechs Staaten des westlichen Balkans – Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien -, die noch nicht Mitglied der EU, aber nur von EU-Mitgliedstaaten direkt umgeben sind, langfristig und nachhaltig zu Stabilität, Rechtsstaatlichkeit, friedlicher Streitbeilegung, gefestigten demokratischen Strukturen und wirtschaftlichem Wohlstand gelangen.“ Über diesen Weg müsse es das Ziel bleiben, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien perspektivisch in die EU aufzunehmen. (ahe/22.06.2022)

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Antrag AfD TOP europaweites Zulassungsverbot für Pkw kippen

Der Bundestag hat sich am Mittwoch, 22. Juni 2022, mit einem Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Keine deutsche Zustimmung für ein europaweites Zulassungsverbot für Pkw und Nutzfahrzeuge mit Benzin- und Dieselmotoren“ (20/2350) befasst. Im Anschluss überwiesen die Abgeordneten den Antrag gegen die Stimmen der AfD zur weiteren Beratung in die Ausschüsse, die Federführung übernimmt der Umweltausschuss.

Antrag der AfD

Die AfD-Fraktion fordert die Bundesregierung auf, dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verschärfung der CO2-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge im EU-Ministerrat abzulehnen. Die Verschärfung der Emissionsformen würde auf ein faktisches Verbot der Neuzulassung von PKWs und leichten Nutzfahrzeugen mit Benzin- und Dieselmotoren ab 2035 in der EU hinauslaufen.

Die Produktion extrem effizienter Verbrennungsmotoren sei „ein entscheidender Wettbewerbsvorteile der deutschen Automobilindustrie“, argumentiert die AfD. Mit einem Stopp für Neuzulassungen ab 2035 würde der gesamte europäische Markt dafür wegfallen. Da einige Hersteller bereits die weitgehende Einstellung der Verbrennungsmotoren-Produktion in Europa und deren Verlagerung nach Asien angekündigt hätten, werden tausende Stellen in den Automobilwerken und in der Zulieferindustrie schneller als erwartet wegfallen. Eine derart schnelle Transformation der Arbeitsplätze in andere Branchen und andere Regionen erscheine „unmöglich“. (aw/22.06.2022)

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23. Juni 2022 (45. Sitzung)

TOP 26 Bundesausbildungsförderungsgesetz

Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Linksfraktion hat der Bundestag am Donnerstag, 23. Juni 2022, die von der Bundesregierung vorgelegte 27. BAföG-Novelle in der Ausschussfassung angenommen. Zur Abstimmung über den Entwurf eines „Siebenundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes“ (27. BAföGÄndG; 20/163120/2244) hatte der Bildungsausschuss eine Beschlussempfehlung (20/2399) sowie der Haushaltsausschuss einen Bericht gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Finanzierbarkeit (20/2401) vorgelegt. Mit der Novelle würden erste Schritte gegangen, um den kontinuierlich gesunkenen BAföG-Empfängerzahlen entgegenzuwirken. Das geht aus einer Entschließung hervor, die der Bundestag ebenfalls auf Grundlage einer Empfehlung des Bildungsausschusses (20/2399) mit den Stimmen aller Fraktionen außer der CDU/CSU annahm. Darin verlangen die Abgeordneten zudem weitere Reformschritte, etwa eine Studienstarthilfe für Studierende aus Bedarfsgemeinschaften als neue Leistung im BAföG zu etablieren.

Keine Mehrheit fand hingegen ein Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „BAföG existenzsichernd und krisenfest gestalten“ (20/1734), der mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen zurückgewiesen wurde. Auch dazu lag eine Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses (20/2399) vor. Erstmals berieten die Abgeordneten außerdem die von der Bundesregierung vorgelegte 28. BAföG-Novelle (20/2298) und den Berufsbildungsbericht 2022 der Bundesregierung (20/1930). Die Vorlagen wurden im Anschluss gemeinsam mit einem Antrag der AfD, der „BAföG zu einer bürokratiearmen und gerechten Sozialleistung für Schüler und Studenten aus einkommensschwachen Familien weiterentwickeln“ (20/2368) will, zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Bildungsausschuss überwiesen.

27. BAföG-Novelle der Bundesregierung

Mit dem Gesetz soll die Förderung nach dem BAföG „nunmehr wieder für deutlich breitere Schichten der Bevölkerung geöffnet werden“, schreibt die Bundesregierung in ihrem Entwurf. In der vom Bildungsausschuss geänderten Fassung sieht dieser vor, dass die Bedarfssätze aufgrund der steigenden Lebenshaltungskosten um 5,75 Prozent steigen sollen – ursprünglich war eine Steigerung um fünf Prozent vorgesehen. Auch die Freibeträge von BAföG-Empfängern sollen nun um 20,75 Prozent statt um 20 Prozent steigen. Geplant ist, dass die neuen Regelungen mit Beginn des Wintersemesters beziehungsweise zum neuen Schuljahr in Kraft treten.

Der Wohnzuschlag für auswärts Wohnende soll bei 360 Euro liegen und der Vermögensfreibetrag von Geförderten bis zum 30. Lebensjahr 15.000 Euro betragen sowie für Auszubildende, die das 30. Lebensjahr vollendet haben, 45.000 Euro. Außerdem plant die Bundesregierung, dass die Altersgrenze zu Beginn des zu fördernden Ausbildungsabschnittes vereinheitlicht und auf 45 Jahre angehoben wird. Die Erlassmöglichkeit der Darlehensrestschulden nach 20 Jahren für Altfälle solle mit dem 27. BAföGÄndG auch für die Rückzahlungsverpflichteten gelten, die es versäumt hatten, innerhalb der gesetzten Frist des 26. BAföGÄndGs den Erlass der Darlehensrestschulden zu beantragen.

28. BAföG-Novelle der Bundesregierung

Mit der 28. BAföG-Novelle will sich die Bundesregierung ermächtigen lassen, durch Rechtsverordnung „ohne Zustimmung des Bundesrats“ im Falle einer bundesweiten Notlage, die den Arbeitsmarkt für ausbildungsbegleitende Nebentätigkeiten in erheblichem Ausmaß beeinträchtigt, das BAföG vorübergehend für einen Personenkreis zu öffnen, der normalerweise vom BAföG-Bezug ausgeschlossen ist.

Die Novelle ist eine Reaktion auf die infolge der Corona-Einschränkungen massiv zurückgegangenen ausbildungsbegleitenden Nebenerwerbjobs, was viele Auszubildende vor erhebliche finanzielle Probleme gestellt hat.

Berufsbildungsbericht 2022

Die Pandemie beeinflusst auch im zweiten Jahr in Folge das Ausbildungsgeschehen, heißt es im Berufsbildungsbericht 2022. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge sei 2021 nach einem deutlichen Rückgang im Vorjahr nur leicht um 1,2 Prozent auf 473.100 gestiegen. Die Zahl der neu abgeschlossenen Verträge sei damit noch deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau (-9,9 Prozent im Vergleich zu 2019) geblieben, heißt es im Bericht. Die Zahl der Ausbildungsanfängerinnen und -anfänger habe sich entsprechend ebenfalls nur leicht erhöht, schreibt die Regierung: Sie sei im Bereich der dualen Ausbildung um 1,3 Prozent auf insgesamt 677.500 gestiegen. Rückgänge zeigten dagegen unter anderem die schulischen Ausbildungsgänge in Berufen des Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesens.

Das Ausbildungsangebot ist laut Bericht im Vorjahresvergleich um 1,7 Prozent auf 536.200 Ausbildungsstellen gewachsen. Die Nachfrage nach Stellen blieb nahezu unverändert: Sie stieg um 0,2 Prozent. Insgesamt 497.700 Personen suchten einen Ausbildungsplatz. Sowohl Angebot als auch Nachfragen lagen unter dem Niveau vor der Pandemie. Herausforderungen sieht die Bundesregierung weiterhin bei der Zusammenführung von Angebot und Nachfrage: Ende September 2021 standen den 63.200 unbesetzten Ausbildungsstellen (+5,4 Prozent) noch 24.600 gänzlich unversorgte Bewerberinnen und Bewerber gegenüber. Das waren allerdings 16,1 Prozent beziehungsweise 4.700 Personen weniger als 2020.

Im Jahr 2020 ist dem Bericht zufolge die Zahl der ausbildenden Betriebe um 1,4 Prozent auf 419.700 gesunken. Am stärksten ausgefallen sind die Rückgänge laut Bundesregierung bei den Kleinstbetrieben. Die Ausbildungsquote sei allerdings mit 19,4 Prozent im Vorjahresvergleich fast gleich geblieben. (2019: 19,6 Prozent).

AfD: Studieren ist kein staatlich garantiertes Recht

Dr. Götz Frömming (AfD) kritisierte, dass durch die neue BAföG-Reform der Personenkreis der BAföG-Empfänger erweitert werde. Die Förderung sei als „Sozialleistung“ für Menschen gedacht, die sich ein Studium sonst nicht leisten könnten, nicht als Zuschuss für alle: „Studieren ist eine Chance, aber kein staatlich garantiertes Recht für jedermann.“

Auch der geplante Notfallmechanismus, der mit der 28. BAföG-Novelle in Kraft treten soll, stößt auf Kritik. Es brauche in Deutschland keine „Notstandsgesetzgebung“, sagte der AfD-Abgeordnete im Plenum.

Antrag der AfD

Der Entwurf der Bundesregierung zum 27.BAföG-Änderungsgesetz widerspricht aus Sicht der AfD den Grundsätzen des BAföG. Daher fordert die Fraktion in ihrem Antrag die Überarbeitung des Gesetzentwurfes. Dieser würde den „Kreis der Förderberechtigten“ auch auf Personen ausweiten, die ein Studium auch aus eigener Kraft finanzieren könnten oder deren Eltern über ein entsprechendes Einkommen verfügen. Die Antragsteller fordern daher unter anderem, dass der Vermögensfreibetrag sich lediglich von bisher 8.200 Euro auf 8.500 Euro erhöhen soll und die Altersgrenze von 30 Jahren bestehen bleibt. (des/sas/hau/22.06.2022)

 

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ZP 2 Teuerspirale beenden – Bürgerinnen und Bürger schnell und wirksam entlasten

Die CDU/CSU-Fraktion hat die Ampel-Koalition aufgefordert, sofort massive Maßnahmen gegen die Folgen der Inflation zu ergreifen. Die Lage müsse Alarm genug für die Bundesregierung sein. Doch sie beschreibe nur mit großer Betroffenheit die Lage – und dann passiere lange nichts, meinte Julia Klöckner (CDU/CSU) am Donnerstag, 23. Juni 2022. Grundlage der Debatte war ein Antrag der Unionsfraktion mit dem Titel „Teuerspirale beenden – Bürgerinnen und Bürger schnell und wirksam entlasten“ (20/2349). Der Antrag fand keine Mehrheit. Für ihn stimmte nur die CDU/CSU. Die Linke enthielt sich. Alle übrigen Fraktionen votierten dagegen.

Union sieht im Staat einen „Inflationsgewinner“

Nach Klöckners Darstellung ist der Staat Inflationsgewinner. So zahlten die Bürger durch die kalte Progression in diesem Jahre 13,5 Milliarden Euro zu viel an Lohnsteuer. Doch der Finanzminister wolle auf die heimliche Steuererhöhung erst im nächsten Jahr reagieren. Die Union fordere, die Steuervorgaben anzupassen, um die Bürger jetzt zu entlasten.

Wenn es bei einer Inflation von acht Prozent bleibe, gehe in knapp zehn Jahren 50 Prozent der Kaufkraft verloren. „Zaudern Sie nicht, sondern handeln sie jetzt“, forderte die Abgeordnete die Koalition auf.

Nach dem Willen der CDU/CSU-Fraktion sollten verschiedene Maßnahmen die Bürger von den Folgen der hohen Inflationsrate entlasten. In ihrem Antrag forderte sie, die Energiepreispauschale auch Rentnern, Versorgungsempfängern, Studenten sowie Beziehern von Lohnersatzleistungen zukommen zu lassen. Außerdem sollte die sogenannte kalte Progression kurzfristig und rückwirkend ausgeglichen werden. Der gesamte Einkommensteuertarif sollte über den Grundfreibetrag hinaus an die hohe Inflation angepasst werden. Die Stromsteuer sollte gesenkt und ein Industriestrompreis von vier Cent pro Kilowattstunde gewährleistet werden. Beim Verkauf von Kraftstoffen an Tankstellen müsse Preistransparenz hergestellt werden, forderte die Unionsfraktion.

In der Begründung des Antrages hieß es, die Inflation sei auf dem höchsten Stand seit fast 50 Jahren. Im Mai hätten die Preise fast 8 Prozent über dem Niveau des Vorjahres gelegen. Die Preissteigerung hätten sich zum wichtigsten Alltagsproblem für die Bürger entwickelt. Die Inflation entwerte Einkommen und Renten und verringere das Sparvermögen in Deutschland. Die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung würden dem Ernst der Lage nicht gerecht und seien nur Stückwerk. Gebraucht werde eine wirksame Initiative gegen die Inflation, um einen dauerhaften Vermögens- und Wohlstandsverlust zu verhindern und eine Verschärfung der Inflations- und Schuldenkrise abzuwenden. Dazu gehöre aber auch, dass die Bundesregierung ihre ausufernde Verschuldungspolitik beende.(aw/hle/23.06.2022)

AfD kritisiert „verfehlte Energiepolitik“

Kay Gottschalk (AfD) befand, die galoppierende Inflation sei seit mehr als fünf Jahren ein Thema. Er machte dafür insbesondere die Europäische Zentralbank verantwortlich, der es mit ihrer Geldpolitik um die Rettung der Defizitstaaten im Süden der EU gegangen sei. Die hätten über ihre Lebensverhältnisse gelebt. In sie seien Billionen von Euro an Steuergeldern auch aus Deutschland geflossen, ohne die sie längst pleite wären.

Er sprach von einer „Teuro-Spirale“, für die auch die die Union mitverantwortlich sei. Wer den Ukraine-Krieg für die Inflation im Energiesektor verantwortlich mache, erzähle Lügengeschichten. Tatsächlich gehe es um verfehlte Energiepolitik.

 

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ZP4 Versorgungssicherheit im Winter

Auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU hat sich der Bundestag am Donnerstag, 23. Juni 2022, in einer Aktuellen Stunde mit dem Thema „Kälte-Winter verhindern – Jetzt entschlossen und pragmatisch vorsorgen“ befasst.

Union kritisiert Regierungshandeln als zu spät

Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Dr. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) hatte am Morgen die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Jens Spahn (CDU/CSU) nannte das in seinem Eingangsstatement „grundsätzlich richtig“, denn die Lage sei jetzt schon ernst und sie könne noch ernster werden – stellte aber im Namen der Union in Richtung des Ministers fest, dass man doch einige Fragen an ihn habe.

Wenn die Regierung, wie behauptet, „alles vorbereitet“ habe, warum, dann nun die plötzliche Wende mit dem Ausrufen der Alarmstufe, fragte Spahn. Außerdem wollte er wissen, warum Habeck erst jetzt die Entscheidung getroffen habe, Kohlekraftwerke länger am Netz zu lassen als geplant, um weniger Gas zu verstromen und mehr Gas einspeichern zu können. Die Union habe das schon im März gefordert. Und warum habe, so Spahn weiter, die Regierung nicht früher zum Sparen aufgerufen und Anreize für Verbraucher und Industrie geschaffen, statt das Motto „Frieren für den Frieden“ in die Welt zu setzen? Und wenn die Lage so ernst sei, dann sei es doch nötig, alle Optionen in den Blick zu nehmen – dazu gehörten dann auch die Kernkraftwerke: „Warum schließen Sie das kategorisch aus?“

AfD nennt Debatte „Symbolpolitik“

Sebastian Münzenmaier (AfD) kritisierte die Aktuelle Stunde als Symbolpolitik. Die Union, rief er Jens Spahn zu, habe zu verantworten, „dass in fast allen Politikbereichen abgebaut worden sei: Mit Beginn des Ukrainekrieges sei aufgefallen, dass die Bundeswehr schlecht ausgerüstet ist; mit Ausbruch der Coronakrise sei offenbar geworden, dass das Gesundheitssystem zuvor kaputtgespart worden sei – und jetzt falle auf, wie groß die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen sei.

Der drohende Kältewinter und die Preisexplosion fielen nicht vom Himmel – so Münzenmaiers Folgerung, sondern sei “das Ergebnis Ihrer Politik„. Schließlich sei es die Union gewesen, die den Atomausstieg vollzogen habe.

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Antrag AfD: TOP 24 EZB-Vorhaben für digitales Zentralbankgeld

Der Bundestag hat sich am Donnerstag, 23. Juni 2022, eine halbe Stunde lang mit zwei Anträgen der AfD-Fraktion zur Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) befasst. Die beiden Vorlagen mit den Titeln „Misstrauen gegen die Politik der Europäischen Zentralbank – Keinen zentralen Digitaleuro“ (20/2357) und „Bargeld ist gedruckte Freiheit – Vorhaben der Europäischen Zentralbank für digitales Zentralbankgeld in der jetzigen Form stoppen“ (20/2359) wurden im Anschluss an die Aussprache in den federführenden Finanzausschuss überwiesen.

Erster Antrag der AfD: Die AfD lehnt die Schaffung eines zentralen digitalen Euros wegen der damit verbundenen Probleme für Sparkassen und Banken ab. Durch einen digitalen Euro könnte die Europäische Zentralbank (EZB) in Konkurrenz zu den Geschäftsbanken treten, warnt die Fraktion in ihrem Antrag. Digitales Zentralbankgeld würde keinem Ausfallrisiko unterliegen, weshalb Bankkunden ihre Sichteinlagen bei den Geschäftsbanken vermehrt in Zentralbankgeld umtauschen würden, heißt es in dem Antrag, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, sich für das Weiterbestehen der Möglichkeit der Bargeldzahlung einzusetzen und sicherzustellen, dass das Vorhaben der EZB nicht zu einem Erodieren des Geschäftsmodells von regionalen Kreditinstituten führt.

Sichergestellt werden müsse auch, dass die EZB nicht als Konkurrenz zu den Geschäftsbanken in den Markt eintrete. Die Einführung des digitalen Euro hätte das Potenzial, eine reihenweise Pleite von Geschäftsbanken auszulösen, was einen deflationären Schock zur Folge hätte, schreibt die AfD-Fraktion. Die Notwendigkeit des Erhalts des Bargelds wird damit begründet, dass Zahlungen in bar einfach, endgültig, robust, unabhängig und anonym seien.

Zweiter Antrag der AfD: In ihrem zweiten Antrag fordert die AfD-Fraktion, die Einführung von digitalem Zentralbankgeld in Europa solle gestoppt werden. Es müsse sichergestellt werden, dass Bargeld als das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel gemäß Bundesbankgesetz erhalten bleibe und als solches auch akzeptiert werden müsse. In der Begründung des Antrags verweist die AfD-Fraktion auf die erheblichen Risiken eines digitalen Zentralbankgeldes der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Zunahme von digitalen Zahlungsweisen führe zu einem veränderten Konsumverhalten, wodurch immer mehr junge Menschen überschuldet seien oder weniger Geld sparen würden als die ältere Generation. Im Falle eines flächendeckenden Stromausfalls sei der digitale Zahlungsverkehr nicht möglich. Analoge Infrastruktur wie das Bargeld seien dann wichtiger denn je.

Außerdem würden digitale Bezahlmethoden Risiken bei der Wahrung der Privatsphäre in sich bergen. Nicht nur die Europäische Zentralbank hätte im Falle eines digitalen Euro die Möglichkeiten zur nahezu grenzenlosen Überwachung der Bürger. Allein Bargeld sei eine Zahlmethode, die die Privatsphäre und damit auch die Freiheiten von Bürgern gewährleisten können. (ste/hle/23.06.2022)

 

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24. Juni 2022 (46. Sitzung)

Quelle Bundestag: Die Tagesordnung

Antrag AfD: TOP 7 Verbot der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch

Ärzte können künftig über Möglichkeiten zum Abbruch einer Schwangerschaft ausführlich informieren, ohne mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen zu müssen. Der Bundestag hat am Freitag, 24. Juni 2022, mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Linksfraktion die Streichung des sogenannten Werbeverbotes für Schwangerschaftsabbrüche im Strafgesetzbuch (219a StGB) gebilligt. Die Fraktionen von CDU/CSU und AfD votierten dagegen. Dem Gesetzentwurf (20/163520/198020/2137 Nr. 8) zufolge wird Paragraf 219a StGB (Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft) ersatzlos gestrichen. Urteile, die aufgrund dieser Norm erlassen worden sind, sollen aufgehoben werden.

Zudem werden in den Regelungen des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) sowohl medizinisch indizierte als auch medizinisch nicht indizierte Schwangerschaftsabbrüche erfasst. Vorgesehen ist außerdem eine Ergänzung im Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG). In Paragraf 13a wird ein Absatz 3 ergänzt. Demnach soll es „Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen, Krankenhäusern sowie Ärztinnen und Ärzten“ gestattet sein, „sachlich und berufsbezogen über die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs, der unter den Voraussetzungen des Paragrafen 218a Absatz 1 bis 3 des Strafgesetzbuches vorgenommen werden soll, zu informieren“. Der Abstimmung lag eine Empfehlung des Rechtsausschusses (20/2404) zugrunde.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Ärztinnen und Ärzte sollen in Zukunft die Möglichkeit erhalten, auf ihrer Website sachlich darüber zu informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen und welche Methoden sie dafür anwenden. Bisher müssen sie mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen, wenn sie solche Informationen öffentlich im Netz bereitstellen. Die strengen Vorgaben des Heilmittelwerbegesetzes stellen laut Bundesregierung auch künftig sicher, dass es keine anstößige Werbung im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen gibt.

Außerdem sollen Ärztinnen und Ärzte, die bereits auf Grundlage von Paragraf 219a StGB verurteilt wurden, rehabilitiert werden. Durch eine neue Regelung im Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch werden alle strafgerichtlichen Urteile wegen Paragraf 219a StGB, die nach dem 3. Oktober 1990 ergangen sind, aufgehoben und die laufenden Verfahren eingestellt.

Änderungen im Rechtsausschuss

Der Rechtsausschuss beschloss auf Antrag der Koalition am Mittwoch, 22. Juni 2022, Änderungen an dem Gesetzentwurf. Vorgesehen ist neben einer redaktionellen Änderung nunmehr auch eine Ergänzung im Schwangerschaftskonfliktgesetz. In Paragraf 13a soll ein neuer Absatz 3 ergänzt werden. Nach diesem soll es „Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen, Krankenhäusern sowie Ärztinnen und Ärzten“ gestattet sein, „sachlich und berufsbezogen über die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs, der unter den Voraussetzungen des Paragrafen 218a Absatz 1 bis 3 des Strafgesetzbuches vorgenommen werden soll, zu informieren“.

Zudem soll durch eine weitere Änderung – ohne direkten Bezug zum Werbeverbot – das „Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen“ angepasst werden. Die Frist zur Anmeldung von Ansprüchen auf Entschädigung soll um fünf Jahre bis zum 21. Juli 2027 verlängert werden.

Keine Mehrheit für Oppositionsanträge

Zurückgewiesen wurden hingegen mehrere Anträge der drei Oppositionsfraktionen. Mit der Mehrheit von SPD, Grünen, FDP und Linke lehnte der Bundestag einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Interessen der Frauen stärken, Schutz des ungeborenen Kindes beibehalten“ (20/1017) ab. Dafür hatten die Antragsteller gestimmt, die AfD hatte sich enthalten. Gegen den Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Paragraf 219a StGB aufheben – Selbstbestimmung, Entscheidungsfreiheit und ausreichende Versorgung sicherstellen“ (20/1736) votierten SPD, Grüne, FDP, CDU/CSU und AfD.

Mit der breiten Mehrheit der übrigen Fraktionen wurden außerdem zwei Anträge der AfD-Fraktion mit den Titeln „Paragraf 219a StGB erhalten und Schutzauftrag des ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewusstsein beleben“ (20/1505) und „Staatliche Schutzpflicht des ungeborenen Lebens – Keine Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch nach Paragraf 219a des Strafgesetzbuches“ (20/1866) abgelehnt. Auch diesen Abstimmungen lag eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (20/2404) zugrunde .

Justizminister: Zeit für mehr Informationsfreiheit

In der sehr kontroversen und emotionalen Schlussdebatte hob Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann (FDP) die gesellschaftliche Bedeutung der Reform hervor. In der digitalen Moderne informierten sich betroffene Frauen aus naheliegenden Gründen zuerst im Internet, dort könne aber auch jeder Troll oder Verschwörungstheoretiker alle möglichen Informationen verbreiten. Dass ausgerechnet hochqualifizierten Ärzten bislang untersagt werde, sachliche Informationen für die ungewollt schwangeren Frauen bereitzustellen, sei absurd, aus der Zeit gefallen und ungerecht, daher werde diese Praxis nun beendet.

Buschmann betonte, es sei „höchste Zeit“ für das Gesetzgebungsverfahren, denn jede weitere Verurteilung von Ärzten wäre eine zu viel. Kritikern der Neuregelung wolle er die Sorgen nehmen. Der Schutz des ungeborenen Lebens werde durch die Reform nicht berührt. Er versprach zudem: „Es wird keine kommerzialisierende und banalisierende Werbung geben.“ Der FDP-Abgeordnete fügte hinzu: „Es ist Zeit für mehr Vertrauen in Ärzte, und es ist Zeit für mehr Informationsfreiheit.“

AfD: Es gibt kein Informationsdefizit

Die AfD sieht in der Neuregelung den Schutz des ungeborenen Lebens infrage gestellt. Thomas Seitz (AfD) mutmaßte, es gehe nur vordergründig um das Werbeverbot. Tatsächlich solle das Verbot der Abtreibung infrage gestellt werden. Die Koalition plane offenbar eine grundsätzliche Straflosigkeit für Abtreibungen. Seitz rügte: „Ohne Not zerstört die Koalition einen für viele Menschen ohnehin nur schwer erträglichen Kompromiss.“ Er erinnerte daran, dass pro Jahr und 100.000 Schwangerschaftsabbrüche gemeldet würden. Angesichts dieser Zahl müsse die Frage gestellt werden, wie das Lebensschutzkonzept verbessert werden könne und nicht, wie man es zerschlägt.

Rechtssicherheit, Informations- oder Beratungsdefizite oder eine eingeschränkte Versorgung seien nur ein Vorwand, sagte Seitz. Experten hätten bestätigt, dass es gar kein Informationsdefizit gebe. Es gebe auch keinen verfassungsrechtlichen Handlungsbedarf. Denkbar wäre, den Anwendungsbereich des Paragrafen einzuschränken, dann müsste die Vorschrift nicht gleich aufgelöst werden. Er warnte: „Das auf das Leben gerichtete Beratungskonzept wird durch den Wegfall des Werbeverbots  unterminiert.“ Zur sexuellen Selbstbestimmung gehöre im Übrigen auch, dass Frauen eigenverantwortlich dafür sorgen müssen, nicht schwanger zu werden, wenn sie dies nicht wollten. Seitz sagte: „Niemals hat Deutschland eine Willkommenskultur für ungeborene Kinder dringender gebraucht als unter dieser Regierung.“

Erster abgelehnter Antrag der AfD

Die AfD-Fraktion lehnt die Streichung des Werbeverbotes für Schwangerschaftsabbrüche in Paragraf 219a des Strafgesetzbuches ab. Die Streichung des Paragrafen würde dem „verfassungsrechtlichen Auftrag, ‚den rechtlichen Schutzanspruch des ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewusstsein zu erhalten und zu beleben’“ diametral widersprechen, schreibt die Fraktion in ihrem ersten Antrag (20/1505) unter Zitierung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts. „Der rechtliche Schutzanspruch des ungeborenen Lebens wird negiert, wenn Schwangerschaftsabbrüche ohne Rücksicht auf das eigenständige Lebensrecht ungeborener Kinder beworben oder als vermeintlich normale medizinische Dienstleistung banalisiert oder wenn über sie scheinbar neutral ‚informiert‘ wird“, heißt es weiter.

Die AfD-Fraktion fordert zudem, die in der vergangenen Wahlperiode vorgenommene Änderung an dem Paragrafen zu evaluieren. Zu klären sei, „inwiefern die 2020 erfolgten Änderungen des Paragrafen 219a dem verfassungsrechtlichen Auftrag gerecht werden, den ‚Schutzanspruch des ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewusstsein zu erhalten und zu beleben‘. Dies gilt insbesondere im Blick auf die seitdem möglichen ‚Veröffentlichungen‘ in ärztlichen oder pharmazeutischen Fachblättern“, schreibt die Fraktion.

Zweiter abgelehnter Antrag der AfD

In ihrer zweiten Vorlage (20/1866) argumentieren die Abgeordneten unter anderem, dass die Aufhebung des Paragrafen 219a die bisherige Konzeption der Beratungspraxis konterkarieren würde. Durch die Streichung würde nicht dem Schutz des ungeborenen Lebens oberste Priorität eingeräumt, „sondern ausschließlich einem Recht der Frau auf ‚reproduktive Selbstbestimmung’“.

Der Verfassungsauftrag zum Schutz des ungeborenen Lebens werde auf diese Weise versagt, heißt es in dem Antrag, in dem die Fraktion auch auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu Schwangerschaftsabbrüchen verweist. Nach den von den Karlsruher Richtern aufgestellten Grundsätzen sei die Strafvorschrift des Paragrafen 219a „zwingender Bestandteil des Konzeptes für Schutz des ungeborenen Lebens“, heißt es weiter. (pk/scr/hau/24.06.2022)

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TOP 28 Suizidhilfe

Der Bundestag hat am Freitag, 24. Juni 2022, über die Reform der Sterbehilfe beraten. Grundlage der Debatte waren mehrere Initiativen fraktionsübergreifender Gruppen. Dazu gehört ein von 85 Abgeordneten aller Fraktionen mit Ausnahme der AfD gezeichneter Gesetzentwurf „zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Hilfe zur Selbsttötung und zur Sicherstellung der Freiverantwortlichkeit der Entscheidung zur Selbsttötung“ (20/904). Ein zweiter Entwurf fordert den „Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben“ (20/2293), ein dritter formuliert „Regelung der Suizidhilfe“ (20/2332).

Alle drei Initiativen wurden im Anschluss an die Debatte gemeinsam mit einem fraktionsübergreifenden Gruppenantrag mit dem Titel „Suizidprävention stärken und selbstbestimmtes Leben ermöglichen“ (20/1121) in den federführenden Rechtsausschuss überwiesen. Zur Sterbe- und Suizidhilfe fand im Bundestag bereits am 21. April 2022 eine sogenannte Orientierungsdebatte statt.

Gesetzentwurf von 85 Abgeordneten

Der erste Entwurf (20/904) sieht vor, dass die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ grundsätzlich strafbar sein soll. Als Strafandrohung ist eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vorgesehen. Unter bestimmten Voraussetzungen soll die geschäftsmäßige Unterstützung allerdings nicht rechtswidrig sein. Zudem soll ein Werbeverbot für die Hilfe zur Selbsttötung neu eingeführt werden.

Zur Begründung führen die Abgeordneten an, dass nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes die geschäftsmäßige Suizidhilfe, „eine auf wiederholte Hilfe zur Selbsttötung angelegte Tätigkeit von Organisationen, Vereinen und Einzelpersonen“, im Grundsatz wieder straffrei und „ohne Regelung zum Schutz der Freiverantwortlichkeit“ möglich sei. Nach Auffassung der Abgeordneten ist es indes „die Pflicht des Staates, die Autonomie Suizidwilliger und darüber auch das hohe Rechtsgut Leben zu schützen“. Daher dürfe und müsse der Gesetzgeber „gesellschaftlichen Entwicklungen wirksam entgegentreten, die als Pressionen wirken können und das Ausschlagen von Suizidangeboten rechtfertigungsbedürftig von Seiten Dritter erscheinen lassen“, führen die Abgeordneten aus.

„Angepasstes, umfassendes und ergebnisoffenes Beratungsgespräch“

Nicht rechtswidrig soll laut Entwurf die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe dann sein, wenn die suizidwillige Person „volljährig und einsichtsfähig“ ist, sich mindestens zweimal von einer Fachärztin beziehungsweise einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie hat untersuchen lassen und mindestens ein „individuell angepasstes, umfassendes und ergebnisoffenes Beratungsgespräch“ absolviert hat.

Der Entwurf sieht zudem einen neuen Paragraf 217a („Werbung für die Hilfe zur Selbsttötung“) vor. Demnach soll mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden, wer „seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise“ für eine eigene oder fremde Unterstützung oder entsprechende Mittel, Gegenstände oder Verfahren zur Suizidhilfe wirbt. Ausgenommen davon sind unter anderem Ärzte und Ärztinnen beziehungsweise bestimmte Beratungsstellen, die auf Personen oder Einrichtungen hinweisen, die Hilfe zur Selbsttötung leisten sowie diese Einrichtungen und Personen selbst, wenn sie auf „die Tatsache hinweisen, dass sie Hilfe zur Selbsttötung“ leisten. Eine weitere Änderung ist in Paragraf 13 des Betäubungsmittelgesetzes vorgesehen. Damit werde „die Möglichkeit geschaffen, die Anwendung eines Betäubungsmittels zum Zwecke der Lebensbeendigung, im Falle einer nachgewiesenen freiverantwortlichen Selbsttötungsentscheidung, als betäubungsmittelrechtlich begründet anzuerkennen“, führen die Abgeordneten aus.

Abgeordnete wollen selbstbestimmtes Sterben ermöglichen

Sterbewillige sollen unter bestimmten Voraussetzungen Zugang zu tödlich wirkenden Betäubungsmitteln erhalten. Das sieht der „Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben zur Änderung weiterer Gesetze“ (20/2293) vor, den eine fraktionsübergreifende Gruppe von 45 Abgeordneten um Renate Künast (B90/Die Grünen) aus den Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und SPD vorgelegt hat.

Die Abgeordneten führen zur Begründung das vom Bundesverfassungsgericht festgestellte „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“ an. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 das 2015 beschlossene und im Paragraf 217 des Strafgesetzbuches geregelte „Verbot des geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ deswegen für nichtig erklärt (2 BvR 2347/15). „Über eine Beschränkung bestimmter – gefährlicher oder als anstößig bewerteter – Formen der Suizidhilfe kann angesichts der durch die Verfassung gesicherten Freiheit überhaupt nur und erst dann diskutiert werden, wenn die deutsche Rechtsordnung den Zugang zu angemessenen Hilfsmitteln für einen selbstbestimmten Tod im Übrigen klar gewährleistet“, schreiben die Abgeordneten weiter.

Zugang zu Betäubungsmitteln für Strebewillige

Mit dem vorgelegten Entwurf sollen zum einen die „Voraussetzungen für den Zugang zu Betäubungsmitteln für Strebewillige in medizinischen Notlagen“ (Paragraf 3) und zum anderen die „Allgemeinen Voraussetzungen für den Zugang zu Betäubungsmitteln für Sterbewillige“ (Paragraf 4) geregelt werden. Im Falle einer medizinischen Notlage soll demnach ein Arzt beziehungsweise eine Ärztin ein entsprechendes Betäubungsmittel verschreiben können. Voraussetzung dafür ist untere anderem die schriftliche Fixierung des Sterbewunsches. Zudem muss gelten, dass die Sterbewilligen „von ärztlicher Seite auf alle infrage kommenden medizinischen Mittel hingewiesen worden sind, die das Leid, das die Notlage begründet, auch nur geringfügig lindern könnten, wobei sich der Arzt oder die Ärztin vergewissern muss, dass es keine anerkannten medizinischen Mittel gibt, die den beschriebenen Leidensdruck verringern könnten“. Zudem wird eine schriftliche Bestätigung durch einen zweiten Arzt beziehungsweise zweite Ärztin benötigt, dass die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt worden sind. Grundsätzlich sollen zwischen Erst- und Zweitbestätigung mindestens zwei Wochen liegen.

Außerhalb einer „ärztlichen Behandlung in einer gegenwärtigen medizinischen Notlage“ ist laut dem Entwurf vorgesehen, dass Sterbewillige ihren Sterbewunsch glaubhaft darlegen sowie eine zweimalige Beratung von einer „zugelassenen unabhängigen Beratungsstelle“ nachweisen müssen. „Das Beratungsgespräch hat vom Grundwert jedes Menschenlebens auszugehen und verfolgt im Übrigen das Ziel, dass den Sterbewilligen alle Umstände und Hilfsangebote bekannt werden, die ihre Entscheidung ändern könnten“, heißt es in dem Entwurf. Zwischen den beiden Gesprächen ist demnach eine Wartezeit von mindestens zwei und maximal zwölf Monaten vorgesehen.

Sterbewunsch muss eigenhändig vollzogen werden

Laut dem Entwurf muss der Sterbewunsch „von Sterbewilligen in Ausübung ihres freien Willens eigenhändig vollzogen werden“. Das verschriebene Betäubungsmittel kann demnach an den Sterbewilligen selbst oder, wenn die Sterbewilligen es wünschen, an eine Ärztinnen beziehungsweise einen Arzt oder an einen „zugelassenen Hilfsanbieter“ abgegeben werden, die die Sterbewilligen begleiten und unterstützen. Die Sterbebegleitung durch Dritte, die nicht Ärztinnen und Ärzte sind, soll laut Entwurf möglich sein. Wenn es sich dabei um ein geschäftsmäßiges Angebot handelt, ist eine Zulassung erforderlich. Die Zulassung soll einerseits zuverlässiges Personal voraussetzen sowie davon abhängen, dass geschäftsmäßige Hilfsanbieter Sterbewillige „selbstlos“ im Sinne des Paragrafen 55 der Abgabeordnung, „nicht gewerblich und nicht zu Erwerbszwecken unterstützen“.

Der Entwurf sieht zudem strafrechtliche Regelungen vor. Danach soll mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden, wer unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für andere oder zum Missbrauch für Straftaten eine Bescheinigung für die Abgabe des Betäubungsmittels zu erhalten. Als Ordnungswidrigkeit soll unter anderem die „grob anstößige“ Werbung geahndet werden können. Anpassungen sind zudem im Betäubungsmittelgesetz vorgesehen. Darin soll die Abgabe der entsprechenden Betäubungsmittel ermöglicht werden. Zudem sieht der Entwurf eine Verordnungsermächtigung vor, mit der weitere Mittel neben dem Entwurf schon festgeschriebenen Natrium-Pentobarbital als tauglich eingestuft werden können.

Gesetzentwurf für ein Recht auf einen selbstbestimmten Tod

Eine Gruppe von 68 Abgeordneten um Katrin Helling-Plahr (FDP) aus den Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grüne, FDP und Die Linke hat einen weiteren Gesetzentwurf zur Regelung der Suizidhilfe (20/2332) vorgelegt. Der Entwurf soll „das Recht auf einen selbstbestimmten Tod legislativ absichern und klarstellen, dass die Hilfe zur Selbsttötung straffrei möglich ist“, heißt es in der Begründung. Dazu solle der vom Bundesverfassungsgericht dargebotene Normierungsspielraum genutzt werden, „um Menschen, die ernstlich sterben möchten und diesen Wunsch frei und eigenverantwortlich im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte gebildet haben, ebenso wie Personen, die zur Hilfe bereit sind, einen klaren Rechtsrahmen bieten“.

Vorgeschlagen wird ein „Gesetz zur Wahrung und Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts am Lebensende (Suizidhilfegesetz)“. Es sieht in Paragraf 1 vor, dass „jeder, der aus autonom gebildetem, freiem Willen sein Leben beenden möchte“, das Recht hat, „hierbei Hilfe in Anspruch zu nehmen“. Nach Paragraf 2 darf jeder dem Sterbewilligen „Hilfe leisten und ihn bis zum Eintritt des Todes begleiten“. Eine Verpflichtung zur Hilfeleistung soll ausgeschlossen werden.

„Arzneimittel zum Zweck der Selbsttötung“

Sterbewillige sollen sich nach dem Gesetzentwurf von einem Arzt ein „Arzneimittel zum Zweck der Selbsttötung“ nach Aufklärung über Ablauf und mögliche Nebenwirkungen – und gegebenenfalls palliativmedizinische Alternativen – verschreiben lassen können. Voraussetzung dafür ist unter anderem eine Beratung durch eine entsprechende Beratungsstelle, deren Ausgestaltung ebenfalls in dem Entwurf geregelt wird. Die Verschreibung soll grundsätzlich frühestens zehn Tage nach der Beratung und spätestens acht Wochen danach erfolgen.

Die Beratung durch die Beratungsstellen ist demnach „ergebnisoffenen zu führen und darf nicht bevormunden“. Sie solle „die Informationen vermitteln, die dazu befähigen, auf einer hinreichenden Beurteilungsgrundlage realitätsgerecht das Für und Wider einer Suizidentscheidung abzuwägen“. Als Beratungsgegenstände werden unter anderem die „Bedeutung und Tragweite der Selbsttötung“ angeführt. Auch auf Handlungsalternativen bei Erkrankungen, etwa palliativmedizinische Möglichkeiten, soll hingewiesen werden können.

Der Entwurf enthält zudem eine Verordnungsermächtigung. Demnach soll das Bundesgesundheitsministeriums mit Zustimmung des Bundesrates näheres zur Suizidhilfe regeln können, „insbesondere zu den Anforderungen an die fachliche Qualifikation der Ärzte, Meldepflichten, der Vergütung der Hilfe zur Selbsttötung und der Prävention gegen die Etablierung rein auf Gewinnstreben ausgerichteter, insbesondere institutionalisierter, Angebote“. Eine Änderung ist zudem im Betäubungsmittelgesetz vorgesehen. Hier soll die Abgabe der tödlich wirkenden Mittel ermöglicht werden.

Fraktionsübergreifender Antrag

In dem fraktionsübergreifenden Gruppenantrag (20/1121) setzen sich zahlreiche Abgeordnete für eine Stärkung der Suizidprävention ein. Die Abgeordneten fordern eine Enttabuisierung und Entstigmatisierung von Suizidgedanken durch mehr Information und Aufklärung. Durch verbesserte Lebensbedingungen müsse der Suizidalität vorgebeugt werden. Genannt werden die Armutsbekämpfung und Konzepte gegen Vereinsamung.

Menschen mit Suizidgedanken bräuchten leicht erreichbare Angebote zur Beratung, Behandlung und Unterstützung am Lebensende. Zudem sollte der Zugang zu Suizidmitteln und -orten reduziert werden. Die Abgeordneten schlagen unter anderem einen bundesweiten Suizidpräventionsdienst vor, der Menschen mit Suizidgedanken und Angehörigen rund um die Uhr online sofortigen Kontakt mit geschultem Personal ermöglicht. (pk/scr/hau/24.06.2022)

AfD: Gerichte miteinbeziehen

Für die AfD-Fraktion kritisierte Thomas Seitz, dass die Abgeordneten seiner Fraktion von der Mitwirkung an den Gesetzentwürfen faktisch ausgeschlossen worden seien. Das sei kein „Sternstunde des Parlaments“.

Seitz kritisierte alle drei Gesetzentwürfe aus unterschiedliche Perspektive. Der Castellucci-Entwurf verkenne das „Wesen der Autonomie“, die anderen beiden Entwürfe „krankten am Schutzkonzept“. Er warb dafür, Gerichte in die Entscheidung miteinzubeziehen.

 

 

 

 

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