Wenn Regierungen Journalisten als Multiplikatoren benutzen: über die Korrumpierung eines ganzen Berufsstandes

Quelle: By Alexrowe99 - David Poultney for the LLDC, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=32878315

WASHINGTON/LONDON/DEN HAAG – Gleich drei westliche Regierungen geraten aktuell in den Verdacht, den Journalismus korrumpiert zu haben, indem sie über ihre Geheimdienste Regierungs-Inhalte an korrumpierbare Journalisten zur Veröffentlichung weitergaben oder umgekehrt korrumpierte Journalisten ihre Beiträge bei den Geheimdiensten vor der Veröffentlichung zur Kontroll-Lektüre einreichten.

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Es mehren sich die Hinweise, daß es keine Einzelfälle mehr sind, daß sich so genannte „Haltungsjournalisten“ dazu hergeben, als Multiplikatoren für Regierungs-Narrative zu wirken und die sie von den Geheimdiensten der Regierungen zur Verbreitung erhalten. Der Buschbeschreibung eines am 19.9.2024 erscheinenden neuen Buchs ist dazu zu entnehmen

Die Bürger der westlichen Demokratien werden seit Jahrzehnten von den Medien gnadenlos mit Propaganda und Lügen bombardiert und mit Verzerrungen und Unwahrheiten gefüttert. Herausgeber Michael Walsh hat eine herausragende Sammlung kritischer Denker und Autoren zusammengebracht, um zu erklären, wie und warum dies geschieht, welche negativen Auswirkungen dies auf unsere Demokratien hat und was wir tun können, um es umzukehren.

Die 41 Autoren, die zu dem Buch,
beigetragen haben zeigen sich über dieses Zusammenwirken sichtlich besorgt:
Die Autoren führen in diesem Buch dem Leser vor Augen, daß dieser durch die 41 Essays einigermaßen aufgeklärt wird, was in den letzten Jahren hierzu geschehen ist und wie ein einstmals respektabler Beruf ins Zwielicht zwielichtig geriet und unehrlich wurde. Die Autoren fordern deswegen auch grundlegende Reformen.
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Wenn Journalisten mit Spionen und Regierungen kollaborieren

Aktuell sind gleich mehrere Beiträge erscheinen, die das Schlaglicht auf eine unheilige Verstrickung von Regierungen zu Journalisten werfen, wobei die Geheimdienste keine unwesentliche Rolle spielen:

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Die britische Regierung stimmt mit Hilfe ihrer Geheimdienste Artikel mit dem angesehenen Londoner Time Magazine ab

Im Londoner Büro des Time Magazine reichten sowohl der Bürochef, der früher für den militärischen Geheimdienst arbeitete, als auch der stellvertretende Bürochef Artikel vor deren Veröffentlichung bei den Geheimdienste in Großbritannien in Langley und anderen Organen des Nationalen Sicherheitsstaats ein.
erklärte eine der der beitragenden Autorinnen. Seit Viscount Northcliffeder Besitzer der Daily Mail, herausgefunden hatte, wie er die britische Arbeiterklasse in den Ersten Weltkrieg treiben konnte, ist die Regierung Großbritanniens mit den Medien verstrickt.
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Die US-Regierung stimmt mit Hilfe ihrer Geheimdienste Artikel mit der „Qualitätspresse“ ab

Man kann die Ironie kaum unterschätzen, wenn [Carl] Bernstein sich über die Zusammenarbeit von Journalisten mit Geheimdienstmitarbeitern beschwert, obwohl er selbst der unkritische Empfänger von Informationen vom ehemaligen Leiter der Spionageabwehr des FBI, Mark Felt, war, von wiederum durch eine bürokratischem Streit mit dem damals gewählten Präsidenten der Vereinigten Staaten motiviert wurde. Bernsteins Beziehung zu Felt kann man durchaus als „alternatives Modell der Zusammenarbeit“ zwischen Geheimdiensten und Journalisten ansehen, denn die Geheimdienste hatten ihre Augen nicht auf ausländische Feinde, sondern auf politische und bürokratische Gegner im Inland gerichtet gehabt.

US-Geheimdienste in der Hand der Linken

Obwohl Bernstein diese Beziehungen der CIA zu Journalisten selbst aufdeckte, war er wahrscheinlich noch ziemlich naiv, gemessen an den tatsächlichen Hintergründen. Wie der verstorbene Angelo Codevilla in seiner Zeit als Mitarbeiter des Geheimdienstausschusses des Senats feststellte, nutzte eine linke Fraktion innerhalb der Geheimdienste den Church-Ausschuss und andere Enthüllungen über Fehlverhalten nicht, um aufzuräumen, sondern um interne Gegner ins Visier zu nehmen – und um eine Dominanz über die Sicherheitsorgane zu etablieren, die seitdem nie mehr in Frage gestellt wurde.

Korrumpierte Journalisten

Anstatt dass Journalisten die Augen und Ohren der amerikanischen Spione sind, sind es jetzt die Spione, die die Journalisten beobachten und ihnen Berichte weiterleiten, nicht aber um Fakten weiterzugeben, sondern um Narrative zu verbreiten, die in erster Linie den undurchsichtigen Zwecken der Regierungschefs dienen. Journalisten, die in der Gunst der Geheimdienste bleiben wollen, haben sich revanchiert, indem sie ihre Berichterstattung präventiv auf die Bedürfnisse der Spione zugeschnitten haben.  The Intercept  hat berichtet, dass der CIA-Liebling Ken Dilanian, zunächst bei der  Los Angeles Times  und später bei Associated Press, einer von mehreren Journalisten war, die der CIA routinemäßig die Vorabfreigabe von Artikeln erteilten, um sicherzustellen, dass die Berichterstattung die CIA in einem positiven Licht darstellte.

Ein bekannter Reporter der Los Angeles Times zum Thema nationale Sicherheit  reichte vor der Veröffentlichung regelmäßig Entwürfe und detaillierte Zusammenfassungen seiner Artikel bei der Presseabteilung der CIA ein, wie aus Dokumenten hervorgeht, die The Intercept vorliegen .

E-Mail-Austausche zwischen CIA-Pressesprechern und Ken Dilanian, heute Geheimdienstreporter bei Associated Press, der zuvor für die Times über die CIA berichtete , zeigen, dass Dilanian eine enge Zusammenarbeit mit der Agentur pflegte, ausdrücklich positive Berichterstattung versprach und der Pressestelle manchmal ganze Artikelentwürfe zur Durchsicht vor der Veröffentlichung zuschickte. In mindestens einem Fall scheint die Reaktion der CIA zu erheblichen Änderungen des Artikels geführt zu haben, der schließlich in der Times veröffentlicht wurde.

Wie die US-Regierung mit Hilfe der Geheimdienste die ihr genehmen Narrative verbreitet

Die Vertrautheit zwischen Spionen und Journalisten hat sich jedoch offenbar exponentiell verschlechtert, je weiter die Gesellschaft ins digitale Zeitalter vorgedrungen ist. Medienunternehmen haben ihre Auslandsbüros geschlossen und erfahrene Auslandskorrespondenten in den Ruhestand geschickt. An ihre Stelle sind Scharen junger, eifriger Journalisten-Absolventen getreten, von denen einige bis zu einem halben Dutzend Artikel pro Tag schreiben müssen, ohne mehrere Quellen angeben zu müssen und ohne Faktenprüfung, und die auf Nachrichten-Websites veröffentlicht werden, wo die Möglichkeit, Fehler heimlich zu korrigieren, proaktive, hochqualifizierte und sachkundige Redakteure ersetzt hat. Irgendwann wurde sogar das Schreiben von Artikeln zu zeitaufwändig, und Journalisten überstürzen es nun, um sich gegenseitig in den sozialen Medien auszustechen, und schreiben 140-Zeichen-Artikel für ihre Twitter-Follower (jetzt X), die manchmal zahlreicher sind als die Gesamtzahl der offiziellen Abonnenten der Medien, bei denen sie beschäftigt sind.
Das sind die 27-Jährigen, die „buchstäblich nichts wissen“, wie der ehemalige stellvertretende nationale Sicherheitsberater Ben Rhodes einmal sagte. Rhodes beschrieb damit die Methode, mit der er als Beamter der Obama-Regierung eine außenpolitische „Echokammer“ aufbaute, die erfolgreich eine Geschichte spinnen konnte, um ein Atomabkommen mit dem Iran zu rechtfertigen. Rhodes‘ Partner bei diesem Komplott war ein CIA-Offizier, der zum Nationalen Sicherheitsrat abgeordnet war, Ned Price. Price und Rhodes erkannten, dass Reporter, die weder über Welterfahrung noch Zugang zu eigenen Auslandskorrespondenten verfügten, vollständig darauf angewiesen waren, dass Geheimdienstmitarbeiter in Washington ihnen sagten, was wirklich vor sich ging.
Die wenigen HUMINT-Fähigkeiten, über die die Geheimdienste verfügten, wurden in den 1970er Jahren dezimiert, was teilweise Bernstein und Co. zu verdanken ist. Heute kennen die Geheimdienst-Doyens von Washington D.C. die Geschehnisse der Welt also nicht besser als die ahnungslosen Journalisten, an die sie Informationen weitergeben. Was die Geheimdienste jedoch haben, ist eine umfassende elektronische Überwachung. Und auch dieses Instrument wurde nach innen gerichtet, um mehr wertvolle Informationen zu produzieren, die sie an die Journalisten weitergeben können, die ihnen nahestehen.

Diskreditierung durch das Outing des Privaten

Rhodes‘ Narrativgestaltung ging mit der Taktik einher, die Identitäten elektronisch überwachter Amerikaner zu enttarnen. Das begann mit den Gegnern des Atomabkommens mit dem Iran im Kongress, die überwacht wurden, während sie mit israelischen Beamten sprachen, die ebenfalls gegen das Abkommen waren. Wie Lee Smith, Autor von  The Plot Against the President,  darauf hingewiesen hat, war die Überwachung im Zusammenhang mit dem Iran-Abkommen ein Probelauf für die gegen Donald Trump angezettelte „russische Kollusion“. Das Komplott enthielt dieselben Elemente: das Abhören politischer Gegner bei Gesprächen mit Ausländern – ob diese Gespräche nun legitim waren oder das Ergebnis ausländischer Vermögenswerte, die von den Geheimdiensten eingeführt wurden, um die Überwachung zu rechtfertigen – und das gezielte Durchsickern von Informationen an bevorzugte Reporter, um ein falsches, aber weit verbreitetes Narrativ zu schaffen, das wiederum eine umfassendere Überwachung rechtfertigte.
Ironischerweise war der Einsatz des Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA)-Gerichtshofs, der nach der Reform des Church Committee als Versuch zur Zügelung der Geheimdienste ins Leben gerufen worden war, ein zentraler Bestandteil des Komplotts. Stattdessen haben die Spione, sofern sie ihre Story dem Gericht verkaufen können, freie Hand, sich mit juristisch reinem Gewissen Fehlverhalten zu erlauben. Genau das, wovor Codevilla wiederholt gewarnt hatte, würde passieren. Wie Bernstein und Felt fühlen sich Journalisten vollkommen wohl dabei, die Handlanger von Geheimdienst-Spionen zu sein, wenn es sich bei ihrem Ziel um einen Republikaner und nicht um einen ausländischen Feind handelt.
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Wie die niederländische Regierung mit Hilfe der Geheimdienste die ihr genehmen Narrative verbreitet

Anfang 2024 wurde bekannt, daß die niederländischen Geheimdienste AIVD und MIVD (der AIVD überwacht die zivile Sicherheit in den Niederlanden, während der MIVD die militärische Sicherheit überwacht. Beide arbeiten zum Schutz der nationalen Sicherheit zusammen.) in den Jahren 2019 bis 2022 mehrfach Journalisten als Agenten eingesetzt haben. Dies geht aus einem Bericht der Überwachungskommission der Nachrichten- und Sicherheitsdienste (CTIVD) vom 28.6.2024 hervor:

Der niederländische Journalistenverband (NVJ) bezeichnete den Bericht als sehr beunruhigend. Wenn es nach der NVJ ginge, würde der Einsatz von Journalisten für die Dienste so schnell wie möglich verboten werden.

„Ärgerlich ist, dass der Bericht keine Zahlen enthält. Wir wissen also nicht, wie oft das vorkommt.“

Der Abgeordnete Pepijn van Houwelingen versuchte dies durch parlamentarische Anfragen in Erfahrung zu bringen. Er wollte vom Verteidigungsminister wissen, wie viele Journalisten AIVD und MIVD durchschnittlich pro Jahr einstellen. Er wollte außerdem wissen, wie viele Journalisten derzeit (teilweise) für den AIVD arbeiten. Die Regierung weigerte sich jedoch, Zahlen zu nennen.

„Der Quellenschutz sei eine der obersten Prioritäten der Dienste und gelte auch für den Einsatz von Beamten. „Zur Sicherheit der Beamten geben wir keine Zahlen bekannt“,

antwortete der Verteidigungsminister. Es könne

„zum Schutz der nationalen Sicherheit notwendig sein, einen Journalisten als Agenten einzusetzen“,

so der Minister. Der Minister teilt auch nicht die Ansicht des Abgeordneten Van Houwelingen, dass es im öffentlichen Interesse liegt zu wissen, welche Journalisten für die Geheimdienste in den Niederlanden arbeiten.

„Der Verteidigungsminister weigert sich, die Zahl der niederländischen Journalisten zu nennen, die jedes Jahr von den Geheimdiensten angeworben und beschäftigt werden“,

stellt der Abgeordnete fest.

“Vielleicht arbeitet die Mehrheit der niederländischen Journalisten für den Geheimdienst und damit für den Staat.

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Und die deutsche Regierung?

Aus Deutschland sind noch keine vergleichbaren Verstrickungen öffentlich geworden. Doch gerade das Verhalten von viel zu vielen Journalisten während der Covid-Kampagne der Regierung hat bei weiten Teilen der Bevölkerung Skepsis hervorgerufen. Immerhin gibt es aus Deutschland eine Meldung, der gemäß innerhalb des Spiegel mindestens diskutiert wurde, Geheimdienst-Methoden in den eigenen Reihen einzusetzen und wir fragen uns: wenn eine stellvertretende Spiegel-Redakteurin derartige Gedanken hegt, wie handelt sie dann?