MÜNCHEN – In seiner Weihnachtsvorlesung holte Prof. Sinn zu einem wahren Rundumschlag aus und zeigte auf, daß die von der Politik derzeit gestellten Weichen den Industriestandort Deutschland direkt ins Verderben führen.
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Schon die von Prof. Sinn außerhalb des Manuskripts getätigten Aussagen zu seinen beiden Schwerpunktthemen Inflation und Energiewende sind vernichtend. Eine Auswahl:
- „Das ist nicht das, was wir uns beim Euro vorgestellt haben, das ist ein Scherbenhaufen. Das ist die italienische Rollstreppe, die wir da installiert haben. Daher wird es in Zukunft auch keine langfristigen Festzinskontrakte mehr geben“ (Min. 39).
- Statt der im Grundgesetz erlaubten 0,3% des BIP sind die aktuell geplanten „Sondervermögen“ als 1,25% zusätzliche Schulden anzusetzen, plus die 2,5 % der früheren „Sondervermögen„, was 3,75 % tatsächliches Defizit ergibt (Min. 44). Sinn gibt an, dies dem Bundesfinanzminister gegenüber als „Taschspielertrick“ bezeichnet zu haben. „Ich kann nur warnen, auch ehemals solide Länder können ihre Bonität verlieren… So wie der Kurs bisher gefahren wurde, geht es nicht…“ (Min 47)
- „Der grüne Strom aus Wind- und Solarenergie braucht zwingend regelbare Kraftwerke, wegen der Dunkelflauten. In Proportion um so viel mehr, wie mehr Strom produziert wird. Wegen des Doppelausstiegs Kohle und Atom liegt die Last alleine auf den Gaskraftwerken (Min. 58). Das fehlende Gas macht die grüne Energie nun zu einem Scherbenhaufen.“
Eingangs verweist Sinn darauf, daß am Tag nachdem die Nordstream-Leitungen, mit denen Deutschland mit Erdgas versorgt wurde, sabotiert wurden, eine Leitung in Betrieb genommen wurde, die Polen mit Erdgas aus Norwegen versorgt. Das Besondere: Diese Leitung zur Versorgung Polens zapft die „Starwanger“-Leitung an, die Erdgas von Norwegen nach Deutschland transportiert. Noch eine Besonderheit ist, daß der gesamte Verlauf der Leitung für Polen über Dänemark, an deutschen Hoheitsgewässern vorbei nach Polen führt. Mit der Sprengung der Leitungen zur Versorgung Deutschlands und der gleichzeitigen Inbetriebnahme der Leitung nach Polen wurde Deutschland strategisch geschwächt und Polen strategisch gestärkt: Sinn kommentiert diese Fakten mit den Worten:
„Hier geht es um die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland“ (Min. 3:00)
Wir meinen: Das dürfte auch der wirkliche Grund dafür sein, daß die Bundesregierung bei diesen Sprengungen keinen erkennbaren Aufklärungswillen besitzt.
Dies scheint bei der Bevölkerung auch anzukommen: Die Deutschen sind pessimistisch wie noch nie zuvor (Min. 4:45). Als Gründe möchte Sinn in dieser Weihnachtsvorlesung die Stagflation und die Energiekrise herauspicken:
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I: Stagflation
Bisher war die Wirtschaft keynsianisch gekennzeichnet. Dies ist dadurch gekennzeichnet, daß es an Kunden fehlt, die Firmen aber lieferfähig sind. Diese Zeiten sind gemäß Sinn aber nun vorbei. Nun ist es umgekehrt.
Die Kunden sind da, die Formen können aber nicht liefern (Min. 6)
Deutschland ist gemessen an der IWF-Wachstumsprognose für 2023 an das Ende gerutscht (Min. 7:00)
Hinzu kommt eine exorbitante Inflation (Min 8:00), die Deutschland bei 11,3%, die Schweiz wegen der eigene Währung bei 2,9% (Min. 9:00). Die Inflation der Erzeugerpreise ist mit einer Spitze von 46% hoch wie noch die in der Bundesrepublik und doppelt so hoch wie das bisherige Maximum (Min. 10:00). Diese kommt ca. 4-5 Monaten später zu einem Teil bei den Kunden an.
Ursache sind die Pandemie und Quarantäne und der Geldüberhang aus der Staatsverschuldung. Sinn erinnert an seine Vorhersage aus der Weihnachtsvorlesung 2020 (Min. 16:00).
Der Zunder der Inflation wird weiter brennen und das nach Überzeugung Sinns wohl ein Jahrzehnt lang und wohl auch noch darüber hinaus (Min. 21:00) weiter, z.B. wegen
- des Hortens von Gütern in den Firmen
- der Lohn-Preis-Spirale (Min. 18:00)
- das Angebot an Arbeitskräften aus demographischen Gründen bleibt begrenzt (Min. 19:00)
- die 2,5 Millionen Arbeitslosen werden durch stärkere Anreize (z.B. Bürgergeld) in der Arbeitslosigkeit gehalten (Min. 20)
- dauerhafte Energieknappheit z.B. wegen Ukraine-Krieg und auch wegen der Energiewende (s.u.) (Min. 20:30)
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Gründe der Inflation:
Die Inflation ist eben gerade keine Folge des Ukrainekriegs (Min. 21:30)
Am 26. September wurden die offiziellen Gaslieferung aus Russland durch Sprengung der Gaspipelines auf inzwischen Null reduziert. Tatsächlich ist es so, daß nun Russland sein Gas über die Türkei und über Italien liefert und von dort aus dann zusätzliche Geschäfte mit dem Weiterleiten in Richtung Deutschland gemacht werden (Min. 23:30)
Noch wichtiger für das Einleiten der Inflation war aber die Entwicklung des Ölpreises (Min. 24:20).
Mit dem Beginn der Corona-Maßnahmen im April 22 wurde die Ölproduktion in der OPEC erstmals seit 40 Jahren massiv reduziert. Die OPEC hat diesbezüglich – das weiß man heute – überreagiert.
Die Energiepreise waren „nur“ zu ca. 40% an der Inflation beteiligt (Min. 29)
Hauptverursacher der Inflation waren aber die Lockdowns und der Schuldenwahn der Regierungen (Min. 28:30).
Ein weiterer, ganz zentraler Einfluß auf die Inflation war der importierte Anteil der Inflation durch die Politik der Zentralbank (Min. 20). Diese führte zu einer Aufwertung des US-Dollar um ca., 25% (Min. 32), was für uns die Waren auf dem Weltmarkt um 32% verteuerte. Darunter natürlich auch die Rohstoffe, wie z.B. Öl und Gas. In der Schweiz ist dieser Anteil ausgeblieben, weil sich der Franken ebenfalls verteuerte. Deswegen hat die Schweiz eine Inflation von nicht einmal 4%, während Deutschland eine von 11% verkraften mußte.
Die EZB hat dies alles geleugnet gehabt (Min. 33), weil man die damit verbundenen Zinserhöhungen in der EU nicht haben wollte. Letztendlich ist jedoch die Prophezeihung Ottmar Issings von 1999 eingetreten, daß uns der Euro zu italienischen Verhältnissen führen wird (Min 34)
Die Folge ist, daß nun die Einnahmen des Staates aufgrund der Inflation steigen und das – wegen der kalten Progression – auch noch überproportional und daß gleichzeitig die Schuldenquoten sinken. Das wirkt wie eine Art Droge auf die Politik, denn es besteht daher kein Anreiz mehr die Zinsen auf das Niveau zu erhöhen, das notwendig wäre, die Inflation zu begrenzen (Min. 36). Die staatlichen Schuldenexzesse werden sich daher wohl noch steigen.
Die bei der EZB abgeladenen Staatspapiere werden schon aus politischen Gründen dort bleiben.
Das Asset-Kaufprogramm der EZB ist daher in Wirklichkeit eine Einbahnstraße (Min. 38)!
„Man könnte fast vermuten, da stünde ein Programm dahinter“ (Min 38:30)
Aus diesen Gründen wird die EZB keine Kontrolle über das Preisniveau zurückgewinnen wollen.
„Das ist nicht das, was wir uns beim Euro vorgestellt haben, das ist ein Scherbenhaufen. Das ist die italienische Rollstreppe, die wir da installiert haben. Daher wird es in Zukunft auch keine langfristigen Festzinskontrakte mehr geben“ (Min. 39).
Die Gaspreisbremse ist im Kern eine Gaspreissubvention, also eine politisch gewollte Abkoppelung des Konsumentenpreises vom Produzentenpreis über 200 Milliarden Zusatzschulden über eine Kreditermächtigung (Min. 41). Eigentlich wären gemäß Grundgesetz 0,35% Schulden relativ zum BIP erlaubt. Die „Gaspreisbremse“ bewirkt jedoch 3,75% tatsächliches Defizit. Das ist das Zehnfache dessen, was erlaubten ist.
Diese 3,75% errechnen sich wie folgt: Sinn führt an, daß dies nicht das erste „Sondervermögen“ ist. Der Trick ist, daß das eigentlich Schulden sind, die im Jahr eines „Notstands“ mit der Begründung eines „Notstands“ gemacht werden und rückwirkend im Rahmen eines angeblichen „Notstands“ verbucht werden und dann aber in den kommenden Jahre ausgegeben werden. In denen es aber womöglich gar keinen „Notstand“ mehr gibt (Min. 43).
Die alten Programme sind als 1,25% zusätzliche Schulden anzusetzen, plus die 2,5 %, was 3,75 % tatsächliches Defizit ergibt (Min. 44).
Sinn gibt an, dies dem Bundesfinanzminister gegenüber als „Taschenspielertrick“ bezeichnet zu haben.
Tatsache bleibt aber, daß dies inflationär wirken wird, weil die Leute diese 300 Milliarden ausgeben werden, sobald sie das Geld in den Händen haben. Das aber treibt die Inflation.
Insgesamt gab es in Deutschland bisher ein „Sondervermögen“ von 1,5 Billionen Euro plus zusätzlich den deutschen Anteil des Corona-Fonds. Das macht zusammen 1696 Milliarden Schulden, die als „Sondervermögen“ bezeichnet werden
Das ist gemäß Bundesrechnungshof ein Missbrauch dieser eigentlich für echte „Notfälle“ gedachten Regelung.
„Ich kann nur warnen, auch ehemals solide Länder können ihre Bonität verlieren… So wie der Kurs bisher gefahren wurde, geht es nicht…“ (Min 47)
Der Staat muß gemäß Sinn wieder sagen, daß wenn man jemandem Geld gibt, man es dem anderen wegnehmen muß. Das wird über den jetzt eingeschlagenen Weg vermieden. Aber es ist und bleibt eine Umverteilung, nur eben eine diffusere Umverteilung. Aber der nun eingeschlagene Weg ist für die Politik der bequemste, aber die Lasten werden über die Inflation auf alle verteilt werden.
Riesige Inflation
Die Entwertung aller nominalwertgesicherten Ansprüche seit Jahresbeginn 2021 bis Oktober 2022 beträgt 22%. Das betrifft auch die Targetforderungen der Bundesbank. Diese sind in diesem Zeitraum alleine um 148 Milliarden gesunken. Das ist aber ein Teil des deutschen Auslandsvermögens, das um diesen Betrag reduziert wurde.
Das ist ein Defekt unser Demokratie sich permanent zu verschulden (Min 50)
In der Inflation schmilzt das Geld wie das Eis in der Sonne. Es ist ein Nullsummenspiel, das in eine Demokratie nicht hineingehört (Min. 51).
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II Energiekrise (ab Min. 57)
Als ex-Linker – war nach eigenen Angaben bei der 68er Bewegung dabei – muß ich anerkennen Putin hat uns gelehrt, es ist nachlässig keine vernünftige Armee zu haben, denn die Welt ist doch nicht so friedlich, wie man so dachte“ (Min. 57) und Putin hat uns gezeigt, daß die „Grüne Energie“ Gaskraftwerke braucht.
„Der grüne Strom aus Wind- und Solarenergie braucht zwingend regelbare Kraftwerke, wegen der Dunkelflauten. In Proportion um so viel mehr, wie mehr Strom produziert wird. Wegen des Doppelausstiegs Kohle und Atom liegt die Last alleine auf den Gaskraftwerken (Min. 58). Das fehlende Gas macht die grüne Energie nun zu einem Scherbenhaufen.“
Bild der Einspeisung von Sonne und Wind in das Netz (1h:00). In den Dunkelflauten muss also 100% des Stroms durch die regelbaren Kraftwerke kommen. Es kann also durch die „Grüne Energiewende“ kein einziges Kraftwerk eingespart werden. Die Kraftstoffe sind teilweise einsparbar, nicht aber Kraftwerke und auch nicht das Personal der Kraftwerke (1h01:40 Hahn). Die Fixkosten der konventionellen Kraftwerke fallen daher weiterhin in vollem Umfang an. In der Summe ist daher gar nichts nichts ersetzbar.
Wenn dann noch die Heizung und die Mobilität und die Prozesswärme der Energie über Strom produziert werden soll, dann muß aber darüber hinaus noch das Vielfache an Strom zusätzlich produziert werden, der heute noch gar nicht produziert wird.
Alleine die Chemische Industrie würde, wenn sie all ihre Prozesse auf Strom umstellen wurde, so viel Strom benötigen, wie derzeit insgesamt in der Bundesrepublik Deutschland verbraucht und erzeugt wird (1h03).
Wenn also alles durch Strom ersetzt würde, dann bräuchte man bis zu 5 Mal so viel Strom, wie heute, dann würde man auch bis zu fünf mal so viele konventionelle Kraftwerke benötigen, wie man heute hat, da die Dunkelflauten ja bleiben.
Man muß also Doppelstrukturen aufbauen, von denen – politisch gewollt – derzeit nur das Gas bleibt.
Einspielung von Staatssekretär Homann dem ex-Chef der Bundesnetzagentur (1h05:30)
Hierzu wären jedoch massive Anstrengungen nötig.
Man bedenke: Deutschland ist das einzige Land der Erde, das aus der Kernkraft aussteigt (1h09)!
Stromspeicher?
Aus den obigen Zahlen ist der benötigte Speicherinhalt berechenbar, den man bräuchte. Man bräuchte derzeit mindestens 10 TWh bei 33% Erneuerbarerer Energie derzeit.
- Bei 100% grünem Strom derzeit bräuchte man 21 TWh Speicherkapazität.
- 21TWh wären aber unter keinen Umständen realisierbar:
- EU: Maximal 1,6TWh realisierbar über Pumpspeicher
- Autobatterien: physikalische Unmöglichkeit
- Großbatterien kosten 500€/KWh was Kosten von 10 Billionen Euro erzeugen würde
Es bleibt also nur der Wasserstoff (1h20). Bei der Umwandlung und Rückwandlung gehen jedoch drei Viertel der Energie verloren. Außerdem braucht man zur Elektrolyse wiederum kontinuierlichen Strom (1h22)
Das Kernproblem ist jedoch, daß der Wasserstoff dazu verwendet werden müsste, fossile Anteile erst einmal zurückzudrängen, bevor man Wasserstoff damit produziert.
Es ist für die Industrie aber wirtschaftlicher die Produktion vorher schon in diejenigen Länder zu verlegen, in denen Strom billig ist, statt den Wasserstoff von dort hierher zur Industrie zu bringen (1h26)
Angegangen wir dieses Thema durch Verbotspolitik, wie z.B. dem Verbrenner-Aus. Das Ungewünschte wird einfach verboten… Die Verbotspolitik ist bequem, aber unverantwortlich. Gesinnunsgethik genügt nicht (1h27f)!
Die Maxime muß vielmehr sein: Abschalten erst, wenn der Ersatz dasteht und auch funktioniert
So wie es bisher betrieben wird, ist es ein Programm zur Deindustrialisierung Deutschlands. Die Firmen werden schaarenweise in Länder gehen, die weniger grün getaktet sind, ja vielleicht sogar „ökologisch verantwortungslos“ agieren und so dann ihr Geschäft machen (1h30)
„Nie im Leben wird es auch nur annähernd möglich sein, dieses Programm zu realisieren, das ist offenkundig“ (1h33)
„Als Ökonom ist das Urteil mit dem Kohlenstoff-Budget das komischste Urteil, das ich vom Verfassungsgericht je gelesen habe“ (1h35)
„Gibt es überhaupt ein Kohlestoffbudget? Ich war am Anfang mal dafür, sage es aber jetzt in aller Deutlichkeit, das gibt es nicht… Das ist einfach Quark“ (1h35)
Problematischer Unilateralismus (1h35)
Im Pariser Abkommen haben nur 61 von 191 eine quantitative Beschränkung Beschränkung von eigenem CO2 akzeptiert. Dazu gehören die USA, die das aber noch nicht ratifiziert haben und auch Russland, von dem man nicht weiß, wie die damit umgehen.
Deutschland hat nur 1,8% Anteil am CO2-Außstoß
Diese „grünen Länder“ incl. USA und Russland emittieren nur ein Drittel des CO2-Außstoßes der Welt. China alleine emittiert genauso viel.
Ohne einen „KlimaClub“ funktioniert gar nichts (1h44), denn die handelbaren Brennstoffe werden dann einfach wo anders verbraucht!
Tatsache ist, daß während keiner Krise der Welt bisher weniger Öl gefördert wurde. Es wurde immer gleich viel Öl gefördert, ging dann aber eben nur in andere Gegenden. Die Tanker auf dem Meer bekamen einfach einen andern Zielhafen genannt. Das belegt: Der Unilateralismus funktioniert nicht. Das Öl bleibt eben nicht im Boden, sondern geht einfach wo anders hin, um dort dann eben verbraucht zu werden und gelangt an einem anderen Ort in die Atmosphäre (1h50).
Das Ziel ist nur nur erreichbar, wenn alle das Ziel anstreben. Daher: „Kein Alleingang in der Klimapolitik“!
„Es gibt keinen Umweltnutzen durch das deutsche Verbennerverbot, wohl aber massive Schäden für die deutsche Industrie“ (1h53)
NIEDERGANG
Seit 2018 erlebt die deutsche Automobilproduktion einen Niedergang von 30%. Da die Automobilindustrie das Herzstück der deutschen Industrie ist, kann man sagen; daß die deutsche Industrie herzkrank ist (1h55).