28. Februar 2022 (Sondersitzung)
Quelle Bundestag:
Der Deutsche Bundestag hat aus Anlass des von Russland völkerrechtswidrig begonnenen Krieges gegen die Ukraine am Sonntag, 27. Februar 2022, in einer Sondersitzung erklärt, dass die „Bundesrepublik Deutschland fest und unverbrüchlich an der Seite unserer ukrainischen Freundinnen und Freunde“ steht. Im Anschluss einer Aussprache an die Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zur aktuellen Lage stimmten die Abgeordneten über eine Reihe von Vorlagen ab, in denen die Fraktionen unter anderem den russischen Überfall auf die Ukraine verurteilten. Beschlossen wurde ein gemeinsamer Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP und der größten Oppositionsfraktion von CDU/CSU (20/846), die Fraktionen Die Linke und AfD votierten dagegen, es gab zwei Enthaltungen. Keine Mehrheiten fanden hingegen die Entschließungsanträge von AfD (20/843, 20/844) und Die Linke (20/845).
Kanzler: Nationale Kraftanstrengung nötig
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den russischen Angriff auf die Ukraine scharf verurteilt und als Zäsur für Deutschland bezeichnet. „Wir erleben eine Zeitenwende“, sagte der SPD-Politiker in der Sondersitzung des Bundestages. „Das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor.“ Im Kern gehe es um die Frage, ob Macht das Recht brechen dürfe und ob es dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gestattet werden könne, die Uhren in die Zeit der Großmächte des 19. Jahrhunderts zurückzudrehen. „Oder ob wir die Kraft aufbringen, Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen“, betonte Scholz. Der Kanzler bekräftigte, mit dem Überfall auf die Ukraine habe Putin kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen. Dies geschehe aus einem einzigen Grund: „Die Freiheit der Ukrainerinnen und Ukrainer stellt sein eigenes Unterdrückungsregime in Frage. Das ist menschenverachtend. Das ist völkerrechtswidrig. Das ist durch nichts und niemanden zu rechtfertigen.“
Scholz begründete die Sanktionen gegen Russland und rechtfertigt die Entscheidung der Bundesregierung, der Ukraine jetzt doch Waffen zu liefern. „Auf Putins Aggression konnte es keine andere Antwort geben.“ Der Bundeskanzler kündigte zudem deutliche Mehrausgaben für das Militär an und sprach von einer „nationale Kraftanstrengung“. So solle die Bundeswehr zusätzlich mit 100 Milliarden Euro im Rahmen eines Sondervermögens ausgestattet werden. „Wir werden deutlich mehr investieren müssen in die Sicherheit unseres Landes, um auf diese Weise unsere Freiheit und unsere Demokratie zu schützen“, sagte Scholz. „Das Ziel ist eine leistungsfähige, hochmoderne, fortschrittliche Bundeswehr, die uns zuverlässig schützt.“
AfD sieht Mitverantwortung des Westens
Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel sprach von einer Mitverantwortung des Westens für den Angriff Russlands auf die Ukraine. Hardliner hätten starr an der Nato-Beitrittsperspektive für das Land festgehalten und dabei Russland überheblich den Großmachtstatus abgesprochen. „Das ist das historische Versagen des Westens: die Kränkung Russlands“, sagte Weidel und fügte hinzu, dass dies nichts an der „Verwerflichkeit des russischen Einmarsches“ ändere.
Die Herausforderung, eine europäische Sicherheitsarchitektur zu schaffen, die das Ost-West-Blockdenken überwinde, sei schwieriger geworden, aber nicht vom Tisch. „Deutschland kann und sollte hier eine wichtige Rolle als ehrlicher Makler spielen“, es dürfe sich aber „nicht unreflektiert in einen Krieg hineinziehen lassen“, warnte die AfD-Politikerin.
Finanzminister: Sanktionen gegen Russland auf Dauer angelegt
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) unterstrich, dass die Sanktionen gegen Russland auf Dauer angelegt seien. „Wir brauchen einen langen Atem, wir haben diesen langen Atem.“ Deutschland sei bereit, die negativen Auswirkungen der Sanktionen auch hierzulande zu tragen, „denn sie sind der Preis der Freiheit“.
Das Thema Energiesicherheit bekomme in nun Deutschland eine neue Priorität. „Erneuerbare Energien lösen uns von Abhängigkeiten.“ Sie seien deshalb „Freiheitsenergien“, betonte Lindner. Zur geplanten Milliarden-Unterstützung für die Bundeswehr sagte er: Der laufende Betrieb müsse aus den normalen Haushalten unter Achtung der Schuldenbremse finanziert werden. Die jahrelange Vernachlässigung der Bundeswehr aber könne man so nicht korrigieren. Deshalb solle es ein Sondervermögen – und damit auch neue Schulden – geben. Die Kredite seien in der aktuellen Weltlage eine Investition in die Freiheit, sagte Lindner – der in diesem Punkt auch um Unterstützung der Unionsfraktion warb.
Entschließungsanträge der AfD
Auch die AfD-Fraktion hat zu der Regierungserklärung zwei Entschließungsanträge vorgelegt. In dem ersten Antrag (20/843) fordert die Fraktion den Bundestag dazu auf, den „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine“ zu verurteilen. Die Bundesregierung solle sich zudem für „einen sofortigen Waffenstillstand und die Entsendung einer Friedenstruppe der Vereinten Nationen oder der OSZE in die Ukraine“ einsetzen. Zudem soll sich die Bundesregierung mit europäischen und amerikanischen Partnern „für strategische Gespräche auf Augenhöhe zur gesamten europäischen Sicherheitsarchitektur mit Russland unter Berücksichtigung der Rüstungskontrolle, Militärbasen und Militärübungen insbesondere im Osten Europas an der Grenze Russlands“ einsetzen. Nach Willen der Fraktion soll zudem „Deutschlands Veto einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine von 2008“ erneuert werden.
In dem zweiten Antrag (20/844) fordert die AfD-Fraktion die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht. Zur Begründung führt die Fraktion an, dass die Bundesrepublik grundsätzlich militärisch in der Lage sein müsse, „die Verteidigung des eigenen Hoheitsgebiets sicherzustellen und den vertraglich und tatsächlich notwendigen Beitrag zur Verteidigung des Bündnisgebiets zu garantieren“. Dies könne nur durch die Reaktivierung der bisher ausgesetzten Wehrpflicht geschehen, schreibt die Fraktion (ahe/eis/scr/27.02.2022).
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