Antwort auf Anfrage: Bayern übergibt 2021 40% sanierungsbedürftige Brücken an die „Autobahn GmbH des Bundes“

Oliver Abels [CC BY-SA 4.0 https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9c/Wiesbaden_-_Br%C3%BCckensch%C3%A4den_Schiersteiner_Br%C3%BCcke_%2805_06.2015%29.jpg

MÜNCHEN – 2021 wird der Freistaat seine Autobahnen an die „Die Autobahn GmbH des Bundes“ übergeben und mit dieser auch das damit verbundene Auftragspotential. In Folge wird es dann möglich sein, daß diese „Autobahn GmbH des Bundes“ für private Investoren geöffnet wird. Hiernach wäre dann ein Teil des Volksvermögens der Bayern / Deutschen an private Konzerne übertragen worden.

Bund und Länder haben Artikel 90 Grundgesetz, welcher festlegte, daß ausschließlich die öffentliche Hand Eigentümer des Fernstraßennetzes ist, in Absatz 2 bei der letzten Änderung wie folgt aufgeweicht:

Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

In der Presse wurde die Einführung dieser Passage u.a. wie folgt begleitet:

Von der wundersamen Verwandlung von Autobahnen zu Finanzprodukten… Das Volk hat in Fragen des Volkseigentums nichts zu sagen… Das neue Gesetzeswerk ist nichts als ein ebenso großangelegter wie skrupelloser Taschenspielertrick… Wenn es nicht durch die Vordertür geht, dann eben durch die Hintertüre. Die Konstruktionspläne der Infrastrukturgesellschaft basieren auf nichtöffentlichen Gutachten der Wirtschaftskanzlei Graf von Westphalen. Nun sollen sich Private grundgesetzlich am Eigenkapital von Tochtergesellschaften beteiligen dürfen. Statt von vorn nun also von hinten. Diese Verwaltungsgesellschaft soll privatrechtlich als GmbH organisiert werden und wird also “formell” privatisiert. Nach vier Jahren soll dann die Bundesregierung diese Rechtsform “evaluieren”. Danach kann die Verwaltungsgesellschaft auch in eine Aktiengesellschaft umwandelt werden. Völlig frei steht es der Bundesregierung, die dritte Form der Privatisierung umzusetzen, also die “funktionale Privatisierung” als Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) oder “Public-Private Partnerships (PPP). Private Unternehmen sollen sich so am Bau und Betrieb von Autobahnen beteiligen können. Zudem soll Fremdkapital zum Einsatz kommen, für das der Bundeshaushalt haftet, etwa wenn eine beteiligte Gesellschaft Konkurs anmeldet .”   

Diese geplante Fernstraßengesellschaft des Bundes soll ab 2021 für Autobahnen und große Bundesstraßen zuständig sein. Bis dahin sind die Zuständigkeiten föderativ organisiert: Der Bund gibt das Geld und setzt Prioritäten, die Länder kümmern sich ums Planen und Bauen.

Dies legt den Gedanken nahe: Je weniger die Länder sich damit ums Planen und Bauen kümmern und je weniger Engagement sie daher bei der Instandhaltung dieses Verkehrswegenetzes engagieren, desto größer erscheint das Volumen schadhafter Straßen und damit der Umfang des Auftragspotentials, das im Rahmen einer “funktionalen Privatisierung” als Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) oder “Public-Private Partnerships (PPP) dann auch an Privatunternehmen vergeben werden kann.

Vor diesem Hintergrund hat der Abgeordnete Bergmüller den Zustand der Brücken in Bayern abgefragt:

Hierzu schickt das Ministerium in seiner Antwort zum Verständnis voraus:

„Bei der Beantwortung der Anfrage beziehen wir uns ausschließlich auf die in Bayern befindlichen Bundesautobahnen, da die Auftragsverwaltung für die Bundesstraßen nach dem 1. Januar 2021 weiter beim Freistaat Bayern verbleiben wird. Bau, Unterhalt und die Verwaltung der Bundesautobahnen in Bayern werden durch die beiden Autobahndirektionen ausgeübt, die in ihrer Organisation und Leistungsfähigkeit beispielhaft für das Bundesgebiet sind. Dies spiegelt sich auch in der künftigen Organisation der „Autobahn GmbH des Bundes“ wieder.“

Die von Bayern an den Bund übergebenen Infrastrukturwerke haben ein gigantisches Ausmaß mit einem ebenso gigantischen Sanierungspotential:

„Im Bereich der Bundesautobahnen befinden sich aktuell 3.774 Brückenbauwerke bestehend aus 5.487 Teilbauwerken… Folgt man der Definition der „Richtlinie zur einheitlichen Erfassung, Bewertung, Aufzeichnung und Auswertung von Ergebnissen der Bauwerksprüfungen nach DIN 1076 (RI-EBW-PRÜF)“ so ist für Bauwerke ab einer Zustandsnote größer 2,5 ein kurz- bis mittelfristiger Instandsetzungsbedarf gegeben. Dies würde 2.194 der oben genannten 5.487 Teilbauwerke, also rund 40 Prozent, betreffen.“

Der Zustand dieser Bauwerke in Bayern untergliedert sich in Zustandsnoten für 2019 wie folgt:

1.0 – 1.4: Summe von Fläche: 96921 in 395 Teilbauwerken
1.5 – 1.9: Summe von Fläche: 204496 in 676 Teilbauwerken
2.0 – 2.4: Summe von Fläche: 1223220 in 2222 Teilbauwerken
2.5 – 2.9: Summe von Fläche: 1616238 in 1887 Teilbauwerken
3.0 – 3.4: Summe von Fläche: 457253 in 285 Teilbauwerken
3.5 – 4.0: Summe von Fläche: 49799 in 22 Teilbauwerken
Summe: Summe von Fläche: 3647927 in 5487 Teilbauwerken

Diese Art der bisher bewährten Einordnung wird derzeit jedoch überarbeitet, wie sie nach Aussage des Ministeriums „für den Instandsetzungsbedarf in seiner Pauschalität zu einer Überbewertung der Problematik führen kann„, oder anderen Worten: Die neuen Zahlen sollen nach der Übergabe an die GmbH einen geringeren Instandhaltungsbedarf und damit einen geringeren Investitionsbedarf ausweisen.

Die hierbei zur Anwendung kommenden Kriterien definiert das Ministerium wie folgt:

Dabei werden neben dem Zustand der Bauwerke und deren Tragfähigkeit auch Überlegungen zur Verfügbarkeit des Straßennetzes sowie Aspekte der Wirtschaftlichkeit und Umsetzbarkeit in die Betrachtung eingebracht. Akuter Handlungsbedarf ergibt sich bei den 307 Teilbauwerken mit einer Zustandsnote größer 3,0 sowie bei einer Reihe von Bauwerken mit konstruktiven Schwachstellen.

Ab dem Zeitpunkt der Übergabe dieses Volksvermögens an die „Autobahn GmbH des Bundes“ kann das Ministerium mangels Zuständigkeit dann keine „bauwerksbezogenen Aussagen über diesen Zeitraum hinaus getroffen werden“.

Unabhängig vom Einzelbauwerk haben Vergleichsrechnungen zum langfristigen Mittelbedarf ergeben, dass für die Bundesautobahnen in Bayern, inflationsbereinigt, ein jährlicher Bedarf von ca. 200 Millionen Euro für die Brückenerhaltung erforderlich ist.