MÜNCHEN – In München ist ein bizarrer Kampf entbrannt. Markus Söder von der CSU will den Grünen den „Titel“ als Ökopionier abspenstig machen.
Fast täglich legt derzeit Markus Söder einen neuen Vorschlag auf den Tisch:
- am 22.6. propagierte Markus Söder den Kohleausstieg bereits 2030 und stieß dabei der wahlkämpfenden CDU in Sachsen vor den Kopf
- am 22.7. will Markus Söder den Klimaschutz im Grundgesetz etablieren
- am 28.7. will Markus Söder die Steuern auf Bahntickets senken
- am 30.7.2019 will Markus Söder Plastiktüten verbieten
- am 16.9.2019 will Markus Söder Ölheizungen zukünftig verbieten
Natürlich ist jeder Vorschlag medienwirksam platziert. Auch der Zeitpunkt ist kein Zufall. In der zweiten Septemberhälfte wird aus Berlin die „Klimaschutzoffensive“ erwartet. Da besetzt Markus Söder das Thema offenbar lieber bereits im Vorfeld. Aus dem langjährigen Grünen-Basher ist über Nacht ein Freund jener grüner Ideen geworden, die er zuvor oftmals leidenschaftlich bekämpft hat.
Es ist die altbekannte CSU-Politik. Erst wegen einer Obergrenze die Koalition platzen lassen wollen und Mitte September 2019 gibt dann der selbe Bundesinnenminister Horst Seehofer dann jedem vierten in Italien Anlandenden die Garantie nach Deutschland kommen zu dürfen.
Vor der Landtagswahl will Markus Söder dann „Flüchtlinge“ an der bayerischen Grenze zurückweisen und den „Asyltourismus“ beenden und kaum ist er gewählt, ist das Thema verschwunden.
Erst gegen das „Bienen-Volksbegehren“ wettern und es dann auf Kosten der Bauern zu 100% übernehmen.
Nach Bienen-Volksbegehren läßt Söder die Bauern fallen und wendet sich dem grünen Stimmenpotential der Stadtbevölkerung zu
So kennen die Bayern die CSU. Kaum baut sich ein Thema neu auf und wird populär, springt die CSU auch schon drauf, um es zu besetzen. War das Themenspektrum, bei welchem diese Methode angewandt wurde bisher eher begrenzt, so wurden diese Grenzen durch die Söder-CSU nun eingerissen. Offenbar hat die CSU bei dem durch sie in ihrem Umfang elementar unterschätzen „Bienen-Volksbegehren“ erkannt, welche Stimmenpotentiale sie bisher liegen läßt. Markus Söder hat beim „Bienen-Volksbegehren“ offenbar erkannt, bei welch großem Stimmenpotential er bisher nicht anschlußfähig ist.
Dabei läßt sich Söder offenbar von einem eiskalten Kalkül leiten und läßt die Bauern zugunsten der grünen Stadtgesellschaft – zumindest ein bisschen – fallen.
„Rechts“ von der CSU steht nun die AfD und hat diejenigen Positionen besetzt, die die CSU – aus welchen Gründen auch immer – die letzten Jahre geräumt hat. Die SPD verfügt in Bayern praktisch über kein hinreichendes Stimmenpotential mehr, das von der CSU gekapert werden könnte. Die Freien Wähler besetzten wiederum die Lokalthemen. Damit bleibt für die CSU letztendlich nur noch das Stimmenpotantial der Grünen übrig, wenn sie selbst wieder zulegen möchte.
Darüber hinaus beinhaltet dieser Kaperungsversuch auch noch den Versuch Anschluss zu finden an die Stimmpotentiale in den wachsenden Metropolregionen und er ist im gleichen Zug bereit, die Interessen der ländlichen Bevölkerung unterzugewichten, denn eines ist klar: Naturschutz bedeutet immer, daß die Landbevölkerung (zusätzlich) arbeitet, damit die ideologischen Vorstellungen der Stadtbevölkerung vom Land befriedigt werden können.
Söders Fake-News „Wir haben den Umweltschutz erfunden“
In seiner Jagd nach diesen Stimmpotentialen ist sich Markus Söder nicht zu schade kräftig Fake-News zu produzieren und mit Hilfe der ihm ergebenen Medien ungefiltert und rumkritisiert in die Welt zu setzen.
So behauptet Markus Söder in einem Interviewe mit der Bild-Zeitung doch glatt:
Ein Vorwurf gegen den sich – und auch das ist bemerkenswert – die Vorsitzende der Grünen in Bayern Katharina Schulze in einem, Interview der Zeitung „die Zeit“ nicht einmal wehrt. Schon dies läßt sich wohl als Vorbote für eine zukünftige Schwarz-Grüne Koalition in Bayern deuten.
Dies ist umso erstaunlicher, als doch das Gegenteil der Wahrheit entspricht. Fakt ist nämlich:
Erstmalig wurde der Gedanke, daß die heimischen Naturschöpfungen den selben Schutz beanspruchen können, wie „die Denkmäler von Menschenhand„, wohl am 30. März 1898 im preußischen Landtag durch den durch den dem Abgeordneten Wetekamp (1859-1945) geäußert. Die seiner Ansicht nach zu schützenden Gebiete sollten nach dem Vorbild der US-amerikanischen Nationalparks dazu dienen,
„…gewisse Boden- und Landschaftsformen zu erhalten, andererseits der Flora und Fauna Zufluchtsorte zu gewähren, in denen sie sich halten“
Wetekamp war Reformpädagoge und Mitglied der wirtschaftsliberalen „Freisinnigen Volkspartei“.
Naturschutz und der sich auf Naturdenkmäler erstreckende Denkmalschutz fanden dann ab 1919 Eingang in die Weimarer Reichsverfassung (WRV). Art. 150 Abs. 1 Weimarer Reichsverfassung (WRV) bestimmte:
Es ist daher schon angesichts dieses Faktums blanker Unfug, wenn Markus Söder für die CSU behauptet, sie habe den „Umweltschutz erfunden“ Fakt ist, daß der Schutz der Natur bereits in der Weimarer Reichsverfassung kodifiziert war.
In Folge hatte dann auch Preußen sein „Feld- und Forstpolizeigesetz“ durch Gesetz vom 8. Juli 1920 in §34 (später als §30 bezeichnet), mit folgender Ergänzung versehen:
„Die zuständigen Minister und die nachgeordneten Polizeibehörden können Anordnungen zum Schutze von Tierarten, von Pflanzen und von Naturschutzgebieten sowie zur Vernichtung schädlicher Tiere und Pflanzen erlassen, und zwar auch für den Meeresstrand und das Küstenmeer. – Die Übertretung dieser Anordnung wird mit Geldstrafe bis zu 150 Mk. oder mit Haft bestraft.“(Vergl. Wolf In Beiträge zur Naturdenkmalpflege IX. Heft 1. [1921] 85)
Unter Rückgriff auf Vorarbeiten aus der Weimarer Republik wurden dann diverse Gesetze für die Tierwelt und die Natur herausgegeben, in welchen diese Schutz erfahren. Hierunter sind zu zählen das:
- Gesetz über den Neuaufbau des Reiches vom 30. Januar 1934 (RGBI. I. S. 75) mit erster VO v. 2. Februar 1934 (RGBI. I. S. 81). 35
- Tierschutzgesetz vom 24. November 1933 (RGBI. I S. 987) mit ErgänzungsVO v. 23. Mai 1938 (RGBI. I. S. 598). Vgl. A. Lorz, Naturschutz-, Tierschutz- und Jagdrecht, 1961.
- Reichsjagdgesetz vom 3. Juli 1934 (RGBI. I. S. 549). 37
- Gesetz gegen Waldverwüstung vom 18. Januar 1934 (RGBI. I. S. 37).
- Forstliches Artgesetz. Vom 13. Dezember 1934 (RGBI. I. S. 1236)
Zuletzt hat der als Kriegsverbrecher verurteilte Hermann Göhring ein eigenes Reichs-Naturschutzgesetz verabschiedet. Darin regelt § 4 die Naturschutzgebiete:
„§ 4 Naturschutzgebiete
(1) Naturschutzgebiete im Sinne dieses Gesetzes sind bestimmt abgegrenzte Bezirke, in denen ein besonderer Schutz der Natur in ihrer Ganzheit (erdgeschichtlich bedeutsame Formen der Landschaft, natürliche Pflanzenvereine, natürliche Lebensgemeinschaften der Tierwelt) oder in einzelnen ihrer Teile (Vögelfreistätten, Vogelschutzgehölze, Pflanzenschonbezirke u. dgl.) aus wissenschaftlichen, geschichtlichen, heimat- und volkskundlichen Gründen oder wegen ihrer landschaftlichen Schönheit oder Eigenart im öffentlichen Interesse liegt.
(2) Reichs- oder staatseigene Bezirke von überragender Größe und Bedeutung (Reichsnaturschutzgebiete – § 18) können ganz oder teilweise ausschließlich für Zwecke des Naturschutzes in Anspruch genommen werden.“
Vor diesem Hintergrund die Behauptung in die Welt zu setzen „Wir haben den Umweltschutz erfunden“ ist Zweierlei: erstens Unfug und zweitens ideologische Propaganda.
Überspitzt kann man beides wie folgt zusammefassen:
Markus Söder wechselt mit seiner „grünen Wende“ vom Lager der vernunftgeleiteten Umweltpolitik in das Lager der umweltpolitischen Ideologen und liefert sich hierbei einen bizarren Streit darüber, wer denn als wahrer Erbe des Reichs-Naturschutzgesetzes gelten darf, die CSU oder die Grünen?
Er wechselt zur ideologisierten Umweltpolitik der Grünen, die ihre Thesen auf wissenschaftlich nicht belegten Voraussetzungen aufbaut, sondern bestenfalls auf „Modellen“ die eben von den Variablen abhängen, die man den Modellen zugrunde legt.
Damit hat die CSU eine weitere ihrer klassischen Positionen geräumt, in die die AfD mit Freude einziehen wird!