99. und fortfolgende Bundestagssitzungen ab 26. April 2023, die Beiträge der AfD-Abgeordneten

Sitzungswoche

Die Reden werden erst im Laufe der kommenden Woche voll umfänglich bearbeitet worden sein und werden dann hier nachträglich eingepflegt

.

26. April 2023 (99. Sitzung)

Quelle Bundestag: Die Tagesordnung entspricht auch dann der im Bundestag, wenn die Reihenfolge der Tagesordnungen „durcheinander“ gehen.

.

TOP 1 Befragung Bundesregierung (Justizministerium, Umweltministerium)

Wer die „breite Mitte der Gesellschaft“ gegen sich aufbringt, der schadet nach Aussage von Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann (FDP) dem Klimaschutz. Der Minister bezog sich in der Regierungsbefragung des Bundestages am Mittwoch, 26. April 2026, auf Strafrechtsverstöße, indem Eltern im Straßenverkehr von Klimaaktivisten daran gehindert würden, ihre Kinder zur Kita zu bringen, und indem Ladenlokale mit Dreck beschmiert würden.

Gegen Hetzparolen und Chatkontrolle

Buschmann verurteilte zudem antisemitische Hetzparolen, die auf den Straßen zu hören seien: Judenhass und Menschenfeindlichkeit hätten in Deutschland keinen Platz. Er dankte zudem der Bundeswehr und der Bundespolizei für die Rettungsflüge aus dem Sudan und bat um die nachträgliche Billigung dieser Kabinettsentscheidung durch das Parlament.

Wie der Minister weiter sagte, habe eine Chatkontrolle im Rechtsstaat nichts zu suchen. Er werde sich einzusetzen, dass aus Brüssel so etwas nicht kommt. Im Übrigen gelte es, Planungsbeschleunigung zu betreiben und zu entbürokratisieren. Dazu habe sein Ministerium einen Prozess in Gang gebracht und Anregungen gesammelt – „Wirtschaftsförderung und Beschleunigung, die nichts kostet“.

Lemke: Situation an der Oder besorgniserregend

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) während der Befragung der Bundesregierung im Plenum des Bundestages (DBT/Sebastian Rau/photothek)

Neben Buschmann stellte sich auch die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) den Fragen der Abgeordnetenb. Die Situation an der Oder sei nach dem Fischsterben immer noch besorgniserregend, es seien Salzeinleitungen zu finden, berichtete sie von einem Vor-Ort-Besuch.

Daraus folgt für die Ministerin, dass mehr Aufmerksamkeit auf die Ressource Wasser gelegt werden müsse. Grundwasser und Süßwasser-Ökosysteme, die massiv belastet sind, wirkten sich auf die Wasserversorgung der Bevölkerung aus. Vor Kurzem habe das Kabinett auf Vorschlag ihres Ministeriums eine Wasserstrategie beschlossen. Am wichtigsten sei in Ländern, Kommunen und in der Wasserwirtschaft, dies als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anzusehen: „Trinkwasser first!“

Stephan Brandner (AfD) sprach Pläne an, den Cannabiskonsum zu entkriminalisieren und Fahrerflucht bei Blechschäden zur Ordnungswidrigkeit herabzustufen. Buschmann sagte, es gebe eine sachliche Debatte darüber, ob eine rein repressive Drogenpolitik nicht gescheitert sei. Junge Menschen sollten von den Dealern ferngehalten werden. Zum Thema Fahrerflucht kündigte der Minister einen Vorschlag an. Das Ministerium habe die Verbände gebeten, sich dazu zu äußern.

Brandner thematisierte auch die freie Wahl des Geschlechts. Buschmann bat um Respekt vor den betroffenen Menschen. Das Bundesverfassungsgericht habe herausgefunden, dass Menschen für sich eine Identitätsentscheidung träfen.

Thomas Ehrhorn (AfD) berichtete von Schilderungen, dass Wölfe am helllichten Tag um die Herden herumstrichen. Lemke erklärte, sie sei für einen rationalen, faktenorientierten Diskurs. Wenn Stoppschilder für Wölfe gefordert würden, sei das nicht vernünftig, „weil der Wolf nicht lesen kann“. Es müssten sinnvolle Maßnahmen eruiert werden. Neben Zäunen und Vergrämungsmaßnahmen gehöre auch der Abschuss dazu.

Andreas Bleck (AfD) sprach von einem „politischen Offenbarungseid“, die Ministerin könne sich nicht hinter Wissenschaftlern verstecken. Für den Herdenschutz gebe es verschiedene Möglichkeiten. Wo es not tue, könnten Wölfe heute abgeschossen werden, erwiderte Lemke.

.

TOP 2 Fragestunde

m Anschluss an die Regierungsbefragung folgte am Mittwoch, 26April 2023, die Fragestunde. Getrennt nach Ressorts beantworteten Vertreter der Bundesregierung 45 Minuten lang Fragen (20/6494), die von den Abgeordneten vorab schriftlich eingereicht worden waren.

CDU/CSU-Abgeordnete mit den meisten Fragen

27 der insgesamt 49 Fragen und damit mehr als die Hälfte wurden von Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion gestellt. Abgeordnete der Fraktion Die Linke waren mit zwölf Fragen, Abgeordnete der AfD-Fraktion mit acht Fragen vertreten. Zwei Fragen stellte die Abgeordnete Canan Bayram (Bündnis 90/Die Grünen).

Allein 21 Fragen richteten sich an das Bundesministerium für Digitales und Verkehr, gefolgt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Auswärtigen Amt mit jeweils fünf Fragen. Je drei Fragen sollten das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, das Bundesministerium der Finanzen, das Bundesministerium der Justiz und das Bundesministerium für Gesundheit beantworten. Je zwei Fragen richteten sich an das Bundesministerium des Innern und für Heimat und an das Bundesministerium der Verteidigung. Je eine Frage ging an das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen und an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.

Was die Abgeordneten wissen wollen

Der Thüringer AfD-Abgeordnete Stephan Brandner fragte das Bundesministerium für Digitales und Verkehr, wie viel Prozent des Individualverkehrs mit dem Kfz nach Kenntnis des Bundesministers für Digitales und Verkehr aufgrund der Einführung des 9-Euro-Tickets eingespart werden konnten.

Abgeordnete können vorab bis zu zwei Fragen an die Bundesregierung einreichen. Nach der Beantwortung durch einen Parlamentarischen Staatssekretär oder einen Bundesminister können der Fragesteller oder andere Abgeordnete des Deutschen Bundestages Zusatzfragen stellen und so die Bundesregierung zu weiteren Stellungnahmen zwingen.

Reicht die Zeit nicht aus, werden noch nicht aufgerufene Fragen von der Regierung schriftlich beantwortet. Ebenso kann vorab bereits um schriftliche Beantwortung gebeten werden. (vom/26.04.2023)

.

ZP1 Umstrittene Personalpolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz

Der Bundestag hat am Mittwoch, 26. April 2023 in einer Aktuellen Stunde auf Verlangen der AfD-Fraktion unter dem Titel „Umstrittene Personalpolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz“ über familiäre Verflechtungen der beiden Staatssekretäre im Haus debattiert. Michael Kellner und Dr. Patrick Graichen (beide Bündnis 90/Die Grünen) sind verschwägert; Graichens Schwester Verena ist die Ehefrau von Kellner. Verena Graichen wiederum arbeitet beim Öko-Institut, das von der Bundesregierung Gutachteraufträge erhält. An diesen und weiteren Verbindungen, die sich aus den Beziehungen ergeben, übte die AfD-Fraktion Kritik.

AfD sieht „mafiöses Geflecht“ im Wirtschaftsministerium

Stephan Brandner (AfD) sagte, seine Fraktion habe es sich auf die Fahnen geschrieben, „Clankriminalität zu kämpfen“. „Kinderbuchautor und Wirtschaftsminister“ Dr. Robert Habeck habe sich in Sachen Stellenbesetzung bei der Clankriminalität etwas abgeschaut.

Im Bundewirtschaftsministerium gebe es ein „mafiöses Geflecht“, das es aufzubrechen gelte, so Brandner. „Eine Hand wäscht die andere, ich komme mir vor wie in Sizilien.“ Unter Habeck würden Leute in Posten gehoben, „die keinerlei Qualifikation haben“, sagte Brandner bei der Aktuellen Stunde im Plenum. Das sei eine Kakistokratie, eine Herrschaft der Schlechtesten.

.

ZP2 militärische Evakuierung aus Sudan

Die Abgeordneten des Bundestages haben am Mittwoch, 26. April 2023, nachträglich den Evakuierungseinsatz der Bundeswehr im Sudan genehmigt. Für einen entsprechenden Antrag der Bundesregierung zum „Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur militärischen Evakuierung aus Sudan“ (20/6528) votierten in namentlicher Abstimmung 661 Abgeordnete. Es gab keine Gegenstimme. Sieben Parlamentarier enthielten sich.

In den letzten Tagen habe sich die Sicherheits- und Bedrohungslage in dem ostafrikanischen Land dramatisch verschlechtert, heißt es in der Begründung. Der Machtkampf zwischen dem sudanesischen Armeechef und Staatsoberhaupt, Abdel Fattah al-Burhan, und seinem Stellvertreter, Mohamed Hamdan Dagalo, sei eskaliert. Es komme seither zu bewaffneten Kampfhandlungen zwischen den regulären sudanesischen Streitkräften und den Milizkräften der sogenannten Rapid Support Forces. „Unter dem Eindruck auch gewaltsamer Angriffe auf diplomatische Liegenschaften sowie gegen Angehörige internationaler Hilfsorganisationen muss die Bundesregierung eine militärische Evakuierung deutscher Staatsangehöriger und weiterer berechtigter Personen aus Sudan sicherstellen.“

Bitte um Zustimmung des Bundestages

Der Bundestag wurde um Zustimmung gebeten zu „der am 22. April 2023 getroffenen und durch Beschluss der Bundesregierung am 25. April 2023 bestätigten Entscheidung zur Entsendung erster Einsatzkräfte am 23. April 2023 und dem damit bereits begonnenen Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte“.

Der Einsatz erfolge auf Grundlage der Zustimmung der Regierung Sudans und des völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Rechts aller Staaten zur Evakuierung eigener Staatsangehöriger, heißt es im Antragstext weiter. Eingesetzt werden sollen bis zu 1.600 Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten, zu deren Aufgaben neben der Evakuierung deutscher Staatsangehöriger und weiterer berechtigter Personen auch Sicherung, Schutz sowie Evakuierung diplomatischer und konsularischer Vertretungen gehört, in denen deutsches Personal eingesetzt ist. Das Mandat ist befristet bis längstens 31. Mai 2023, die einsatzbedingten Zusatzkosten beziffert die Bundesregierung auf 22,4 Millionen Euro. (ahe/ste/26.04.2023)

.

TOP 3 Bundeswehreinsatz im Mittelmeer

Der Bundestag hat am Mittwoch, 26. April 2023, die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Mittelmehr beschlossen. Für einen entsprechenden Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der durch die Europäische Union geführte Operation Eunavor Med Irini (20/6117) votierten in namentlicher Abstimmung 553 Abgeordnete. 100 Parlamentarier waren gegen die Initiative, es gab eine Einhaltung. Dazu hatten der Auswärtige Ausschuss eine Beschlussempfehlung (20/6479) und der Haushaltsausschuss einen Bericht gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Finanzierbarkeit vorgelegt (20/6484).

Antrag der Bundesregierung

Vorgesehen ist, dass sich die Bundeswehr ein weiteres Jahr an der EU-Mission beteiligt. Die von der EU wieder vorgesehene Ausbildung der libyschen Küstenwache und Marine soll aber weiterhin nicht Teil des deutschen Mandats sein. Laut Regierung zielt die Operation darauf, das Waffenembargo der Vereinten Nationen gegen Libyen durchzusetzen und so dazu beizutragen, Menschenschmuggel und illegale Öl-Exporte zu unterbinden. Die Bundeswehr soll Aufgaben wie die Seeraumüberwachung und -aufklärung übernehmen und dafür wie bisher bis zu 300 Soldatinnen und Soldaten entsenden können. Die einsatzbedingten Zusatzausgaben werden auf 17 Millionen Euro beziffert.

Die Bundesregierung betont, dass Eunavor Med Irini der einzige Akteur sei, der das Waffenembargo der Vereinten Nationen gegen Libyen auf hoher See umsetze und somit einen wichtigen Beitrag zum von den Vereinten Nationen geführten Friedensprozess und der Stabilisierung des Landes leiste. Trotz des internationalen diplomatischen Engagements gebe es fortwährend Verstöße gegen das Waffenembargo gegen Libyen durch Zufuhr von Waffen, Material und Kämpfern an die ost- und westlibyschen Akteure.

„Entwaffnung libyscher Milizen steht noch aus“

Entgegen der 2020 geschlossenen Waffenstillstandsvereinbarung befänden sich weiterhin ausländische Kämpfer, Kräfte und Söldner auf beiden Seiten im Land, heißt es in dem Antrag. „Ihr vollständiger Abzug sowie ein geregelter Prozess zur Entwaffnung und Demobilisierung der libyschen Milizen, teilweise auch ihre Überführung in reguläre Sicherheitsstrukturen, stehen noch aus.“

Um eine langfristige politische Stabilisierung Libyens zu ermöglichen und die Friedensperspektive des Landes zu stärken, gelte es, den Friedensprozess unter Führung der Vereinten Nationen weiterhin diplomatisch, militärisch und entwicklungspolitisch zu unterstützen. (vom/ahe/26.04.2023)

.

Antrag AfD TOP 4 Wolfsbestandsmanagement

Der Bundestag hat am Mittwoch, 26. April 2023, zwei Oppositionsanträge zum Wolfsbestand abgelehnt. Eine Vorlage der Unionsfraktion (20/3690), zu der der Umweltausschuss eine Beschlussempfehlung (20/5629) eingebracht hatte, wies das Parlament zurück: 254 Abgeordnete votierten für den Antrag, 408 dagegen, es gab sieben Enthaltungen. Ein Antrag der AfD-Fraktion (20/515) wurden mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt. Der Landwirtschaftsausschuss hatte zur Abstimmung eine Empfehlung abgegeben (20/776).

Antrag der AfD

Die AfD-Fraktion forderte in ihrem Antrag mit dem Titel „Deutsche Weidetierhaltung erhalten – Unkontrollierten Anstieg des Wolfsbestandes regulieren“ (20/515), den Anstieg des Wolfsbestandes zu regulieren. Die vom Bund und den Ländern erhobenen Daten sollten künftig schneller, transparenter und nachvollziehbarer zusammengeführt und die Wolfsbestände in Deutschland realitätsgetreu beziffert werden.
Zudem sei eine bundeseinheitliche Regelung für eine zeitnahe und vollständige Entschädigung von Wolfsrissen sowie eine Beweislastumkehr bei der Rissbegutachtung zugunsten der Geschädigten zu erarbeiten, fordert die Fraktion. Nach ihren Ausführungen hat der Wolfsbestand in Deutschland zugenommen. Das starke Anwachsen des Wolfsbestands und die steigenden Schäden an Nutztieren seien mittlerweile eine ernste Bedrohung für den Fortbestand der artgerechten Weidetierhaltung.

Laut Angaben der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) habe es im Monitoringjahr 2020/21 in Deutschland 157 Wolfsrudel, 27 Wolfspaare und 19 sesshafte Einzeltiere gegeben, heißt es in dem Antrag weiter. Die Zahl der von Wölfen getöteten Nutztiere habe sich trotz zunehmender Herdenschutzmaßnahmen innerhalb von nur zwei Jahren fast verdoppelt. Im Jahr 2020 seien etwa 4.000 Wolfsrisse gezählt worden. (vom/nki/26.04.2023)

.

TOP 5 Migrationsmanagement

Der Bundestag hat am Mittwoch, 26. April 2023, erstmals einen Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „11-Punkte-Plan zum Schutz der Grenzen und vor unregulierter Massenmigration sofort umsetzen – Frühzeitige Unterrichtung des Parlaments bei kritischen Massenmigrationslagen sicherstellen“ (20/6485) beraten. Im Anschluss an die Aussprache überwiesen die Abgeordneten die Vorlage zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Inneres und Heimat.

Antrag der AfD

Die AfD-Fraktion fordert die Bundesregierung auf, zur Verhinderung illegaler Grenzübertritte nach Deutschland „sofortige temporäre stationäre Grenzkontrollen zur durchgehenden Sicherung der Landgrenzen“ einzuführen und „Gewahrsamszentren unmittelbar an den Grenzen zur Sicherung sofortiger aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Falle von unzulässigen Schutzanträgen einzurichten“. Ebenso soll die Bundesregierung der Vorlage zufolge die Einrichtung eines Programms prüfen, durch das in Deutschland ankommende Asylbewerber zur Prüfung ihrer Asylanträge in ein Drittland überstellt werden können. Ferner wird die Bundesregierung in dem Antrag aufgefordert, „mit EU-Mitgliedstaaten, durch die bekannte Flüchtlingsrouten führen, auf bilateraler Ebene umgehend weitere Vereinbarungen zur Unterstützung und Überwachung von Grenzen zu treffen und dafür finanzielle Mittel und bei Bedarf Personal für einen robusteren Grenzschutz bereitzustellen“.

Zudem soll die Bundesregierung nach dem Willen der Fraktion ein „strenges Sachleistungsprinzip für Asylbewerber“ umsetzen sowie die Rückführung von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern „in Verbindung mit der zeitnahen Prüfung der Förderungsmöglichkeit des Ausbaus von Abschiebehaftplätzen“ forcieren. Zugleich plädieren die Abgeordneten dafür, zeitnah den Personal- und Sachhaushalt der Bundespolizei um mindestens 4.000 zusätzliche Planstellen und zusätzliche 500 Millionen Euro zu erhöhen. Darüber hinaus fordert die Fraktion von der Bundesregierung, eine Erweiterung des Paragrafen 71 des Aufenthaltsgesetzes um eine Zuständigkeit für aufenthaltsbeendende Maßnahmen für aufgegriffene Personen im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei im Inland anzustrengen. Daneben soll die Bundesregierung dem Antrag zufolge „soweit noch nicht vorhanden, mit allen grenznahen Bundesländern Vereinbarungen im Sinne von Paragraf 2 Absatz 1 Bundespolizeigesetz“ treffen, damit diese Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften zur Lagebewältigung wahrnehmen können.

Des Weiteren macht sich die Fraktion dafür stark, die Bekämpfung illegaler Migration und den Schutz deutscher Grenzen „unter die Federführung des Bundeskanzleramtes zu stellen, um diese Angelegenheit dauerhaft als Chefsache zu behandeln“. Auch dringt sie darauf, dass der Innenausschuss des Bundestages von der Bundesregierung „zeitnah, dauerhaft, schriftlich und vor allem proaktiv“ über lagerelevante Ereignisse zum Migrationsgeschehen an deutschen Grenzen oder mit einem Bezug zu Deutschland informiert wird. (sto/26.04.2023)

.

27. April 2023 (100. Sitzung)

TOP 6 Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

Der Bundestag hat am Donnerstag, 27. April 2023, erstmals einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung (20/6500) beraten. Nach der Aussprache überwiesen die Abgeordneten die Vorlage zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Inneres und Heimat.

Faeser: Deutschland ist ein Einwanderungsland

„Deutschland ist ein Einwanderungsland“, betonte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu Beginn der Debatte. Dies lange Zeit zu negieren sei ein Fehler gewesen, dessen Folgen man nun an allen Ecken und Enden spüre. „Uns fehlen hunderttausende Fachkräfte in den verschiedenen Bereichen“, konstatierte Faeser. Deutschland sei aktuell für ausländische Fachkräfte nicht das Top-Ziel, weil die Gesetzgebung hohe Hürden für qualifizierte Fachkräfte aufbaue. „Das wollen wir ändern“, sagte die Ministerin.

Klassische Einwanderungsländer wie etwa Kanada böten eine Perspektive für die Einbürgerung, was für Fachkräfte attraktiv sei. Zudem müssten sich Fachkräfte in Deutschland wohlfühlen und willkommen fühlen. Dazu gehöre auch das entsprechende gesellschaftliche Klima. Den nötigen Kurswechsel leite die Bundesregierung nun ein. „Damit schaffen wir eines der modernsten Einwanderungsrechte in der Welt“, sagte Faeser.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Der Regierungsentwurf sieht unter anderem vor, die für die Fachkräfteeinwanderung bestehenden Gehaltsschwellen für Regel- und Engpassberufe spürbar abzusenken. Zudem werde eine niedrige Mindestgehaltsschwelle für Berufsanfänger mit akademischem Abschluss geschaffen. Künftig soll auch international Schutzberechtigten, die ihren Schutzstatus in der EU erhalten haben, eine Blaue Karte EU ausgestellt werden können. Die Blaue Karte EU ist ein Aufenthaltstitel für Hochschulabsolventen, mit dem die dauerhafte Zuwanderung von Hochqualifizierten aus dem Nicht-EU-Ausland nach Deutschland erleichtert und gefördert werden soll.

Für Inhaber einer Blauen Karte EU sollen Arbeitgeberwechsel vereinfacht und Regelungen zur Mobilität innerhalb der EU geschaffen werden, wenn die Balue Karte EU in einem anderen EU-Staat ausgestellt wurde. Den Familiennachzug zu Inhabern einer Blauen Karte EU will die Regierung ebenso erleichtern wie die Erlaubnis zum Daueraufenthalt in der EU. IT-Spezialisten sollen künftig eine Blaue Karte EU erhalten können, wenn sie zwar keinen Hochschulabschluss haben, aber bestimmte nicht formale Qualifikationen nachweisen können.

Erleichterungen für Studierende

Darüber hinaus will die Regierung die Aufnahme eines Studiums in Deutschland attraktiver machen. Die Sicherung des Lebensunterhalts soll durch erweiterte Möglichkeiten zur Nebenbeschäftigung bei Studienaufhalten erleichtert werden, um Studierende aus dem Ausland zu gewinnen, die ein erhebliches Potenzial als künftige akademische Fachkräfte mitbringen. Die Regierung will ferner einige Verbote von Nebentätigkeiten, vor allem beim Sprachkursbesuch, aufheben.

Durch die Einführung einer neuen Aufenthaltserlaubnis für eine Anerkennungspartnerschaft soll es für vorqualifizierte Nicht-EU-Angehörige attraktiver werden, einen in Deutschland anerkannten Abschluss zu erlangen. Das Anerkennungsverfahren soll erst im Inland begonnen und zügig durchgeführt werden können. Im Gegenzug soll eine Fachkraft bereits vom ersten Tag an in Deutschland eine existenzsichernde Beschäftigung aufnehmen können.

Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems

Für Personen mit ausländischem, mindestens zweijährigem Berufsabschluss oder einem Hochschulabschluss will die Regierung zur Arbeitssuche eine Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems eingeführen. Auswahlkriterien sollen Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug sein. Die Chancenkarte biete Möglichkeiten zur Probearbeit oder Nebenbeschäftigung, heißt es im Gesetzentwurf.

Der Wechsel in Aufenthaltstitel zu Erwerbs- oder Bildungszwecken werde gewährleistet, um neue Potenziale geeigneter Arbeitnehmer für den deutschen Arbeitsmarkt zu erschließen, denen bislang die Arbeitsplatzsuche nicht möglich war. Deutlich abgesenkt werden sollen die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel zur Suche eines Ausbildungsplatzes. Ausländische Auszubildende und Studierende sollen ihren Aufenthalt fortsetzen können, wenn sie die Voraussetzungen für eine qualifzierte Beschäftigung schon vor Abschluss der Ausbildung oder des Studiums in Deutschland erfüllen. Die Möglichkeit, schneller eine Niederlassungserlaubnis zu erhalten, soll die Attraktiviträt für einwandernde Fachkräfte weiter erhöhen. (hau/vom/27.04.2023)

AfD: Woanders lebt es sich inzwischen besser

Nach Einschätzung von Gerrit Huy (AfD) wird das Gesetz dazu führen, dass angesichts abgesenkter Hürden „eher gering qualifizierte Migranten zu uns kommen“. Huy sah andere Gründe als ihre Vorrednerin dafür, dass Fachkräfte lieber in andere Länder gehen. „Sie können woanders viel mehr Nettoeinkommen erzielen“, sagte sie. Deutschland hingegen sei laut OECD bei Steuern und Sozialabgaben Vizeweltmeister.

Die schlechter werdende Sicherheitslage in den Städten, das mangelhafte Schulsystem, der Wohnraummangel und hohe Mieten täten ein Übriges. „Woanders lebt es sich inzwischen einfach besser“, sagte die AfD-Abgeordnete. Das merkten auch immer mehr Deutsche, die das Land „in Scharen“ verlassen würden. „Im letzten Jahr allein 185.000.“ Die zu erwartenden minderqualifizierten Einwanderer würden sich langfristig wohl eher im deutschen Sozialsystem zu Hause fühlen, prognostizierte sie.

FDP: Müssen den Standort Deutschland verbessern

Rein aus wirtschaftlicher Perspektive sei Deutschland gezwungen, ein Einwanderungsland zu sein, betonte Dr. Lukas Köhler (FDP). „Wir müssen den Standort Deutschland verbessern“, forderte er. Die Union, so kritisierte der FDP-Abgeordnete, versuche aber immer noch den Anschein zu erwecken, dass allein durch Zuwanderung aus der EU sich das durch den demografischen Wandel ergebende Problem lösen lasse. „Das ist Wahnsinn. Das wird nicht funktionieren“, befand Köhler. Benötigt würden auch Menschen aus dem außereuropäischen Ausland.

Schon längst gebe es keinen reinen Fachkräftemangel, sondern einen Arbeitskräftemangel. „Wir haben überall zu wenig Menschen, die in gut bezahlten Jobs arbeiten können“. Köhler kündigte an, den Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren „noch besser“ zu machen. „Die Attraktivität dieses Landes entscheidet darüber, ob Menschen wirklich zu uns kommen wollen.“

Linke: Gute Arbeitsbedingungen und Löhne als Fundament

Für Susanne Ferschl (Die Linke) müssen gute Arbeitsbedingungen und anständige Löhne für In- und Ausländer gleichermaßen das Fundament der Fachkräfteeinwanderung sein. Es stimme, dass Fachkräfte benötigt würden und der Arbeitsmarkt geöffnet werden müsse.

„Für das Geschrei der Arbeitgeberverbände habe ich aber nur bedingt Verständnis“, sagte Ferschl. Die Situation sei nicht so dramatisch, wie sie gerne dargestellt werde. Lediglich in 26 von 144 Berufsgruppen gebe es tatsächlich einen Mangel. Ansonsten fehlten die Arbeitskräfte vorrangig dort, „wo die Löhne gering und die Arbeitsbedingungen mies sind“. Dieses Gesetz dürfe nun nicht auch noch für Lohn-Dumping missbraucht werden, wie es mit der West-Balkan-Regelung der Fall sei.

Heil warnt vor Fachkräftemangel als Wachstumsbremse

Wenn ab 2025 die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen, so sagte Bundearbeitsminister Hubertus Heil (SPD), müssten alle Register zur Arbeits- und Fachkräftesicherung gezogen werden.

„Wenn wir das nicht tun, fehlen uns bis 2035 sieben Millionen Arbeits- und Fachkräfte“, sagte er. Dann werde der Mangel zur Wachstumsbremse. „Das werden wir nicht zulassen“, sagte Heil.

SPD: Union ist eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort

Dirk Wiese (SDP) kritisierte die Union. „Sie versuchen alles möglich zu machen, um die Zuwanderung in dieses Land zu verhindern.“ Damit sei die Union eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Als Gründe dafür, dass Fachkräfte einen Bogen um Deutschland machten, benannte Wiese die fehlende Willkommenskultur. Laut Studien fehle es ausländischen Fachkräften an sozialer Integration.

Zwei Drittel hätten zudem im Alltag auch Diskriminierungserfahrungen gemacht. Dazu, dass Fachkräfte einen Bogen um Deutschland machten, würden aber auch die Debatten von ganz Rechts, aber auch aus der Unionsfraktion beitragen, sagte Wiese.

.

ZP3 Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz – PUEG

Die von der Bundesregierung vorgelegte Pflegereform hat im Bundestag zu einer kontroversen Grundsatzdebatte über die langfristige Organisation und Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung geführt. Redner der Opposition bemängelten in der ersten Beratung des Gesetzentwurfs am Donnerstag, 27. April 2023, die Finanzierung der Pflegeversicherung sei nicht nachhaltig. Angesichts der demografischen Entwicklung und der immer höheren Kosten müsse die Pflege neu aufgestellt werden.

Die Bundesregierung und Redner der Ampelkoalition räumten ein, dass über eine grundsätzliche Weichenstellung in der Pflege beraten werden müsse und der vorliegende Entwurf ein Kompromiss sei, der in den Beratungen noch verändert werden sollte. Nach der Debatte überwiesen die Abgeordneten die Initiative „zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz – PUEG)“ (20/6544) gemeinsam mit einem Antrag der Linken mit dem Titel „Gute Pflege stabil finanzieren“ (20/6546) in den Gesundheitsausschuss.

Gesetzentwurf der Koalition

Die Ampelkoalition will mit der Pflegereform die Pflegebedürftigen entlasten und die Einnahmen der sozialen Pflegeversicherung stabilisieren. Der Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sieht  zum 1. Juli 2023 eine Anhebung des Pflegebeitrags um 0,35 Punkte auf 3,4 Prozent vor. Das soll Mehreinnahmen in Höhe von rund 6,6 Milliarden Euro pro Jahr bringen. Der Arbeitgeberanteil liegt paritätisch bei 1,7 Prozent. Die Bundesregierung soll außerdem dazu ermächtigt werden, den Beitragssatz künftig durch Rechtsverordnung festzusetzen, falls auf einen kurzfristigen Finanzierungsbedarf reagiert werden muss.

Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugunsten einer besseren Berücksichtigung der Kinderzahl bei den Pflegebeiträgen wird der Beitragssatz nach der Zahl der Kinder weiter ausdifferenziert. Der Beitragszuschlag für Kinderlose soll von derzeit 0,35 auf 0,6 Beitragssatzpunkte steigen.

Pflegegeld und Sachleistungen

In der häuslichen und stationären Pflege werden die finanziellen Belastungen begrenzt. So werden das Pflegegeld und die ambulanten Sachleistungen zum 1. Januar 2024 um fünf Prozent angehoben.

Zum Jahresbeginn2025 und 2028 werden die Geld- und Sachleistungen regelhaft und in Anlehnung an die Preisentwicklung automatisch dynamisiert. Das Pflegeunterstützungsgeld können Angehörige künftig pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je Pflegefall in Anspruch nehmen und nicht nur einmalig.

Zuschläge der Pflegekassen

Gestaffelt angehoben werden mit Jahresbeginn 2024 auch die Zuschläge der Pflegekassen an die Pflegebedürftigen in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Je länger die Verweildauer im Heim, umso höher der Zuschlag. Neu strukturiert und systematisiert werden sollen die Regelungen beim Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach Paragraf 18 SGB XI.

Schließlich soll die Reform auch zu besseren Arbeitsbedingungen beitragen. So soll in der stationären Pflege die Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens durch die Vorgabe weiterer Ausbaustufen beschleunigt werden. Vorgesehen ist ferner ein Kompetenzzentrum Digitalisierung und Pflege. Das Förderprogramm für digitale und technische Anschaffungen in Pflegeeinrichtungen im Volumen von insgesamt rund 300 Millionen Euro soll ausgeweitet und bis Ende des Jahrzehnts verlängert werden.

Lauterbach: Wir sind an einem Wendepunkt

Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) sagte, die Langzeitpflege stehe vor wichtigen Herausforderungen. Immer mehr Menschen benötigen immer länger pflegende Unterstützung. Die Pflegekräfte würden besser bezahlt, die Ausgaben in der Pflege stiegen. Das seien alles im Grunde gute Nachrichten, die es zu würdigen gelte, denn sie stünden für mehr Lebensqualität. Lauterbach betonte, in der Pflegeversicherung werde ausgesprochen effizient gearbeitet, die Qualität sei hoch, das System brauche aber einfach mehr Geld.

Lauterbach ging auf die kontinuierlich steigenden Ausgaben in der sozialen Pflegeversicherung ein, die sich zwischen 2017 und 2023 fast verdoppelt hätten. Die Pflege sei der am stärksten wachsende soziale Bereich und latent unterfinanziert. Daher müsse der paritätisch getragene Beitrag maßvoll angehoben werden. Der Minister sagte, er wolle nichts beschönigen oder verschweigen und fügte hinzu: „Wir sind, was die langfristige Finanzierung der Pflege angeht, an einem Wendepunkt.“ Das System könne nicht dauerhaft so ausgebaut werden. Er kündigte einen Vorschlag dazu im kommenden Jahr an. Dabei werde es etwa um die Frage der Steuerfinanzierung gehen, eine mögliche Vollkaskoversicherung oder auch die Bürgerversicherung. Er versprach eine Reform aus einem Guss.

Grüne: Pflege braucht Rückhalt des Finanzministers

Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen) sprach von einer mehr als überfälligen Reform, in der jedoch nicht alles enthalten sei, was ihre Partei sich vorgestellt habe. Sie sehe noch Verbesserungsbedarf, sagte sie und ging insbesondere auf die häusliche Pflege ein, die es zu stärken gelte, denn 80 Prozent der Pflegebedürftigen würden zu Hause betreut. Wenn die Politik nicht dafür sorge, dass Angehörige die Betreuung stemmen könnten, „stehen wir vor einem riesigen Problem“.

Die Pflege brauche nicht nur Rückhalt im Parlament, sondern auch des Finanzministers. Sie warnte davor, die Herausforderungen der Zukunft durch die höhere Zahl an Pflegebedürftigen und den Fachkräftemangel auszusitzen und forderte moderne und zeitgemäße Formen der Betreuung. „Das ist eine essenzielle Zukunftsaufgabe.“

FDP will „die Pflege auf sichere Füße stellen“

Nach Ansicht von Nicole Westig (FDP) werden mit der jetzt vorliegenden Reform die pflegenden Angehörigen bereits in einigen Punkten unterstützt. Die moderate Beitragssatzerhöhung sei ihrer Partei schwergefallen wegen der dadurch weiter steigenden Sozialabgabenquote.

Westig wies zugleich Forderungen nach einer Bürgerversicherung zurück. Sie sehe die in immer kürzeren Zeiträumen auftretenden Finanzprobleme der Pflegeversicherung mit großer Sorge. Benötigt werde eine nachhaltige und generationengerechte Finanzierung mit mehr Kapitaldeckung und einer verpflichtenden Zusatzvorsorge. Sie warb für eine offene Diskussion darüber, um „die Pflege auf sichere Füße zu stellen“.

SPD: Pflege muss einfacher werden

Verbesserungen im laufenden Verfahren kann sich auch Claudia Moll (SPD) vorstellen, die aus ihrer Erfahrung die teils dramatische Lage im häuslichen Pflegealltag schilderte. Die Menschen in der häuslichen Pflege hätten bislang zu wenig Entlastung erfahren, sagte sie und fügte hinzu: „Sie verdienen unsere volle Solidarität.“ Sie warnte, wenn die häusliche Pflege wegen Überlastung wegbräche, kämen auf die Gesellschaft sehr hohe Kosten zu.

Moll würdigte die geplanten Verbesserungen bei den Leistungen, kritisierte aber die Finanzierung nur über Beitragserhöhungen statt über Steuergelder. Das sei fragwürdig. Es sei sinnvoll, Steuermittel für die Pflege freizugeben. Außerdem müssten die Leistungen individueller, flexibler und niedrigschwellig angeboten werden. „Pflege muss einfacher werden.“ Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sei „das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht.“ Pflege müsse ganz neu gedacht werden. Die Pflegebedürftigen und ihrer Betreuer hätten „Respekt und einen Steuer-Doppel-Wumms verdient“.

Union für Strukturreform in der Pflege

Aus der Opposition kam teils heftige Kritik am Vorgehen der Regierung und Forderungen nach einer stabilen langfristigen Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung. Erich Irlstorfer (CDU/CSU) kritisierte, der vorgelegte Entwurf könne nicht als Reformgesetz bezeichnet werden, allenfalls als Diskussionspapier.

Es sei immerhin gut, dass Lauterbach Klartext rede, denn über die Pflege müsse grundsätzlich neu diskutiert werden. Die Menschen lebten länger und wollten so lange wie möglich in der eigenen Häuslichkeit bleiben. Es sei daher sinnvoll, auch über Pflegeprävention zu sprechen. Nötig sei eine Strukturreform in der Pflege. Was die Finanzierung angehe, müssten dabei andere Prioritäten gesetzt werden.

AfD kritisiert Entwurf als „Pflegebelastungsgesetz“

Heftige Kritik an der Regierung kam von der AfD-Fraktion. Martin Sichert (AfD) sprach angesichts der geplanten Beitragserhöhung von einem „Pflegebelastungsgesetz“. Er kritisierte auch, dass sich die Bundesregierung dazu ermächtigen lassen wolle, „jederzeit willkürlich die Beiträge erhöhen zu können“. Damit werde die demokratische Gewaltenteilung mit Füßen getreten.

„Ihre Ermächtigungsfantasien lehnen wir genauso ab wie weitere Belastungen für die Bürger.“ Die Menschen müssten in dieser Zeit nicht belastet, sondern entlastet werden. Es würden Milliarden für Entwicklungshilfe, Waffen für die Ukraine oder für Zuwanderer ausgegeben, die besser in die Pflege und für niedrigere Beiträge investiert würden.

Linke: System der Langzeitpflege in schwerer Krise

Nach Einschätzung von Ates Gürpinar (Die Linke) befindet sich das System der Langzeitpflege in einer schweren Krise. Es gehe um alte, arme und schwache Menschen. Die Altenpflege sei im Vergleich zur Krankenpflege schlecht bezahlt und mit hoher Arbeitsbelastung verbunden. Pflegekräfte bräuchten keinen Dank mehr, sondern mehr Lohn.

Oft blieben die wirklichen Probleme versteckt, weil für die Pfleger ihr Beruf zugleich Berufung sei. Sie arbeiteten immer mehr. Das Versicherungssystem sei ungerecht und werde nicht angegangen. Die geplante Anhebung der ambulanten Leistungen sei angesichts der hohen Inflation völlig unzureichend. Gürpinar sagte mit Blick auf den Gesetzentwurf: „Der Vorschlag ist schlecht, und das war erwartbar.“

Antrag der Linken

Die Linksfraktion fordert eine „nachhaltige und gerechte Finanzierung“ der sozialen Pflegeversicherung. Die Bundesregierung lege einen Gesetzentwurf vor, der auf Kosten der Beitragszahler die Pflegeversicherung kurzfristig zu stabilisieren versuche, heißt es in ihrem Antrag. Neben der finanziellen Sanierung der Pflegeversicherung brauche es auch bessere Leistungen für die Versicherten und bessere Löhne für die Beschäftigten in der Pflege.

Die Abgeordneten fordern in ihrem Antrag unter anderem, zur Gegenfinanzierung von sofortigen Leistungsverbesserungen übergangsweise Steuermittel des Bundes einzusetzen. Die Beitragsbemessungsgrenze und die Versicherungspflichtgrenze sollten abgeschafft werden. Die Beiträge der Pflichtversicherten müssten auf alle Einkommensarten, also auch auf Kapitaleinkommen, ausgeweitet werden. Privat Pflegeversicherte sollen vollständig in das System der sozialen Pflegeversicherung einbezogen werden.

Das Pflegegeld, ambulante Sachleistungen, Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege sowie Zuschläge für langfristige stationäre Leistungen sollten um 20 Prozent angehoben werden. Alle Leistungen müssten zudem künftig jährlich entlang der aktuellen Teuerungsrate dynamisiert werden, heißt es in dem Antrag. (pk/27.04.2023)

.

TOP 9 Betriebliche Mitbestimmung

Über Betriebsräte und die Möglichkeiten der Betrieblichen Mitbestimmung hat der Bundestag am Donnerstag, den 27. April 2023, debattiert. Grundlage hierfür waren drei Anträge der Fraktion Die Linke. Nach der Aussprache überwiesen die Abgeordneten die Vorlagen mit den Titeln „Zukunft, mitbestimmt – Betriebliche Mitbestimmung braucht Betriebsräte“ (20/5587), „Zukunft mitbestimmt – Transformation braucht starke betriebliche Mitbestimmung“ (20/5406) und „Zukunft, mitbestimmt – Demokratie braucht starke betriebliche Mitbestimmung“ (20/5405) zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales.

AfD: Klimaziele interessieren die Arbeitnehmer nicht

Betriebsräte sollten die Interessen ihrer Kollegen vertreten und keine Klimaziele, forderte der AfD-Abgeordnete Jürgen Pohl. Er behauptete, dass für Arbeitnehmer der Erhalt des Betriebes und die Zukunftsfähigkeit eines Standortes entscheidend seien, nicht aber Klimaziele.

Mit Blick auf die Betriebsratsarbeit forderte Pohl, dass überall dort, wo keine Tarifbindung bestehe, Betriebsräte über „verbindliche Tarifvereinbarungen“ entscheiden sollten.

.

TOP 21 Wärmewende

Der Bundestag hat am Donnerstag, 27. April 2023, einen CDU/CSU-Antrag mit dem Titel „Wärmewende versorgungssicher, nachhaltig und sozial gestalten“ (20/4675) gegen die Stimmen der Unionsfraktion zurückgewiesen. Zur Abstimmung im Parlament hatte der Ausschuss für Klimaschutz und Energie eine Beschlussempfehlung (20/6521) vorgelegt.

Ausbau von Fern- und Nahwärme

Weitere Vorschläge zielten unter anderem auf den Ausbau von Fern- und Nahwärme sowie die Förderung von regionalen, quartiersbezogenen Wärmenetzen, „H2 ready Gas-Heizkesseln“ und der nachhaltigen Holzenergie im Gebäudesektor. Ferner sollten die Potenziale der oberflächennahen wie tiefen Geothermie genutzt werden – auch im Zusammenhang mit dem Markthochlauf von Erdwärmepumpen.

Es brauche eine Weiterentwicklung der Wärmeversorgung, um Klimaneutralität zu erreichen, erklärte die Unionsfraktion. Rund die Hälfte der Heizungen in Deutschland sei mit einem durchschnittlichen Alter von rund 17 Jahren nicht auf dem neuesten Stand. Zahlreiche Heizungssysteme müssten zeitnah modernisiert werden, obwohl sie noch betriebsfähig seien. Die Wärmewende bringe große Herausforderungen mit sich – aber auch ein „enormes nationales Beschäftigungs- und Wertschöpfungspotenzial“, heißt es im Antrag. Um dieses zu heben, müsse die Bundesregierung jetzt Maßnahmen ergreifen. (vom/mis/27.04.2023)

AfD fürchtet Milliardenkosten

Marc Bernhard (AfD) stellte fest, der „grüne Heizungshammer“ verunsichere seit Wochen die Menschen. Millionen wüssten nicht, wie sie die nächsten Jahre heizen sollen. Die im Gesetzentwurf theoretisch erlaubten Alternativen funktionierten in der Praxis nicht, weil die Anforderungen zu hoch seien. Dafür werde es sehr teuer, warnte Bernhard.

Im nächsten Jahr seien sieben Millionen Heizungen in Deutschland älter als 30 Jahre. Wenn für den Tausch der Heizung und die Sanierung eines Gebäudes Kosten von rund 100.000 Euro zu veranschlagen seien, könne man sich ausrechnen, dass die komplette Wärmewende am Ende 2000 Milliarden Euro kosten werde.

FDP macht sich Forderung nach Technologieoffenheit zu eigen

Tatsächlich werde klimaneutrales Heizen nicht gelingen, wenn die Wärmewende die Betroffenen, also Eigentümer, Mieter, Hersteller, Handwerker und Dienstleister überfordere, sagte Konrad Stockmeier (FDP). Auch dürfe man sich nicht von einzelnen Technologien und Herstellern abhängig machen. Sollte heißen: Es dürfe nicht nur um Wärmepumpen gehen, sondern auch um Nah- und Fernwärme, Biogas, Geothermie.

Technologieoffen zu sein, heiße für die FDP zudem auch, nicht nur offen für die bereits vorhandenen Technologien der Gegenwart zu sein, sondern auch für solche, die künftig erst entwickelt würden. In Richtung der Partner in der Ampelkoalition sagte Stockmeier noch, ein Rückbau des deutschen Gasnetzes sei mit den Liberalen nicht zu machen.

.

Antrag AfD TOP 11 Höhere Strafen für Straßenblockierer und Museumsrandalierer

Der Bundestag hat am Donnerstag, 27. April 2023, einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Straßenblockierer und Museumsrandalierer härter bestrafen – Menschen und Kulturgüter vor radikalem Protest schützen“ (20/4310) mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen zurückgewiesen. Zur Abstimmung hatte der federführende Rechtsausschuss eine Beschlussempfehlung vorgelegt (20/6481).

Abgelehnter Antrag der CDU/CSU

Mit Verschärfungen im Strafrecht wollte die Unionsfraktion auf die Klima-Proteste der „Letzten Generation“ reagieren. Die Aktivistinnen und Aktivisten hatten in jüngster Zeit unter anderem Straßen blockiert und in Museen Kunstwerke attackiert. Die Fraktion forderte die Bundesregierung unter anderem dazu auf, den Strafrahmen des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (Paragraf 315 des Strafgesetzbuches) von drei Monaten bis zu fünf Jahren anzuheben, „um die besondere Gefährlichkeit der Straßenblockaden angemessen zu ahnden“. Derzeit sei auch eine Geldstrafe möglich.

Zudem sollte nach Willen der Abgeordneten der Tatbestand so ausgestaltet werden, „dass die Täter bereits dann bestraft werden, wenn die Blockade dazu geeignet ist, Leib und Leben eines Menschen zu gefährden, und die Täter nur billigend in Kauf nehmen, dass Rettungsdienste nicht zu Unfallopfern durchkommen“. Weiter verlangte die Fraktion, das Strafmaß für die Behinderung von hilfeleistenden Personen im Paragrafen 323c Absatz 2 des Strafgesetzbuches auf bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe anzuheben. Derzeit sei eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vorgesehen.

Nötigung und gemeinschädliche Sachbeschädigung

Der Straftatbestand des besonders schweren Falls der Nötigung im Paragrafen 240 Absatz 4 des Strafgesetzbuches sollte ferner um weitere Regelbeispiele ergänzt werden: „Täter, die eine öffentliche Straße blockieren und billigend in Kauf nehmen, dass Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben behindert werden, sollen zukünftig mit Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren bestraft werden. Ebenso sollen Täter bestraft werden, die eine große Zahl von Menschen durch ihre Blockaden nötigen – etwa dann, wenn es durch die Blockaden im Berufsverkehr zu langen Staus kommt“, führte die Fraktion aus.

Um Kunstwerke und Kulturgüter „als Teil unseres kulturellen Erbes“ sowie die weiteren im Paragrafen 304 des Strafgesetzbuches genannten Gegenstände besser vor mutwilligen Beschädigungen durch Straftäter zu schützen, sollte nach Auffassung der Union der Straftatbestand der gemeinschädlichen Sachbeschädigung angepasst werden. „Hierzu soll die Beschädigung oder Zerstörung solcher Gegenstände von bedeutendem finanziellen und/oder kunsthistorischen Wert als besonders schwerer Fall definiert und ein erhöhtes Strafmaß mit einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten vorgesehen werden“, heißt es in dem Antrag.

Darüber hinaus forderte die Unionsfraktion, Kettenbewährungsstrafen grundsätzlich zu unterbinden. Dazu sollte laut Antrag Paragraf 56 des Strafgesetzbuches so ausgestaltet werden, dass „Straftäter, gegen die wegen einer Straftat innerhalb laufender Bewährungszeit erneut eine Freiheitsstrafe aufgrund einer vorsätzlichen Straftat verhängt wird, künftig grundsätzlich keine erneute Bewährungsstrafe bekommen können“. (vom/scr/27.04.2023)

.

Antrag AfD TOP 19 Deutsche Rüstungssouveränität erhalten

Der Bundestag hat am Donnerstag, 27. April 2027, erstmals einen Antrag zu Rüstungsunternehmen und zur Exportindustrie beraten, den die AfD-Fraktion vorgelegt hatte. Im Anschluss an die Aussprache wurde der Antrag mit dem Titel „Verpflichtende Einführung von Offset-Geschäften bei Rüstungsbeschaffungen im Ausland“ (20/6536) zur weiteren Beratung in den federführenden Wirtschaftsausschuss überwiesen.

Weitere Anträge mit den Titeln „Die Exportindustrie nicht politischer Willkür ausliefern – Kein ,German Free’“ und „Deutsche Rüstungsunternehmen am höheren Rüstungsetat beteiligen – Deutsche Rüstungsunternehmen wieder wettbewerbsfähig machen“ wurden zuvor von der Tagesordnung abgesetzt.

Antrag der AfD

Die AfD-Fraktion fordert bei Rüstungsbeschaffungsvorhaben im Ausland künftig von ausländischen Lieferanten eine Kompensation durch sogenannte Offset-Vereinbarungen von mindestens 60 Prozent des Kaufpreises in Deutschland zu verlangen. Um dies umzusetzen, soll die Bundesregierung laut Antrag bis zum Ende der Sommerpause 2023 eine entsprechende Gesetzesvorlage vorlegen, die die Verpflichtung zu Offset-Kompensationsgeschäften enthält.

Die Fraktion hält die Einführung von Offset-Vereinbarungen für notwendig, da es sich beim 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr nicht um ein „Vermögen“ handele, sondern um Schulden, „durch die künftige Generationen deutscher Steuerzahler belastet werden“. Eine Kompensation durch Offset-Vereinbarungen könne dazu beitragen, Wohlstand und Arbeitsplätze zu schaffen. (emu/vom /27.04.2023).

.

28. April 2023 (101. Sitzung)

TOP 7 Kommunalgipfel, Asyl- und Migrationspolitik

Die CDU/CSU-Fraktion und die Fraktion Die Linke sind im Bundestag mit gegensätzlichen Anträgen zur Asylpolitik in Deutschland gescheitert. In namentlicher Abstimmung lehnten am Freitag, 28. April 2023, 410 Abgeordnete einen Antrag der Unionsfraktion „für Humanität und Ordnung in der Asyl- und Flüchtlingspolitik“ (20/6540) bei 169 Ja-Stimmen und 66 Enthaltungen ab. Auch ein Antrag der Linksfraktion für einen „Paradigmenwechsel in der Asylpolitik“ (20/6547) fand keine Mehrheit im Parlament.

Abgelehnte Anträge von Union und Linken

Die CDU/CSU forderte in ihrer Vorlage eine Reduzierung der irregulären Migration nach Deutschland. Zu den dazu erforderlichen Maßnahmen zählte sie, die europäische Grenzschutzagentur Frontex zu einem „effektiven Schutz der EU-Außengrenzen“ zu befähigen und weitere Staaten wie Algerien, Marokko und Tunesien sowie Georgien als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Auch sollten Entscheidungen über Asylanträge dem Antrag zufolge an der EU-Außengrenze getroffen werden müssen. Des Weiteren sprach sich die CDU/CSU-Fraktion unter anderem dafür aus, bis zu einem hinreichenden Schutz der EU-Außengrenzen „lageangepasst und als letztes Mittel“ die an der deutsch-österreichischen Grenze stattfindenden Kontrollen auf die Binnengrenzen zu Tschechien und zur Schweiz auszuweiten.

Den Antrag der Linksfraktion lehnte das Parlament mit den Stimmen der übrigen Fraktionen ab. Darin plädierte Die Linke unter Verweis auf die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge dafür, allen Geflüchteten zu erlauben, in einer privat angemieteten Wohnung oder bei Verwandten oder Bekannten unterzukommen, wenn ihnen dies möglich ist. Ferner sprach sich die Fraktion dafür aus, Arbeitsverbote für alle Geflüchteten „zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens“ abzuschaffen und ihnen einen Zugang zu regulären Sozialleistungen nach den Sozialgesetzbüchern sowie einer uneingeschränkten Gesundheitsversorgung zu eröffnen.

Union wirft Ampel „Realitätsverweigerung“ vor

In der Debatte warf Andrea Lindholz (CDU/CSU) der Regierungskoalition „Realitätsverweigerung und Respektlosigkeit“ vor. In den vergangenen Monaten seien fast 200.000 Asylbewerber nach Deutschland gekommen, das zudem seit dem Beginn des Ukraine-Krieges rund eine Million Flüchtlinge aufgenommen habe. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) habe jedoch die „Migrationskrise“ bestritten und wiegele wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Forderung der Kommunen nach mehr Geld ab.

Notwendig sei eine stärkere Unterstützung der Kommunen bei den Finanzen und der Unterbringung, fügte Lindholz hinzu. Zugleich forderte sie den sofortigen Stopp freiwilliger Aufnahmeprogramme wie dem Aufnahmeprogramm Afghanistan.

SPD: Faeser dringt auf gemeinsames EU-Asylsystem

Gülistan Yüksel (SPD) entgegnete, die Regierungskoalition habe bereits Maßnahmen umgesetzt, um die Fluchtmigration zu ordnen. Dazu zähle neben vorübergehenden Grenzkontrollen die Einsetzung eines Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen, der dafür sorgen werde, „dass Herkunftsländer ihre Landsleute ohne Asylanspruch wieder aufnehmen“.

Auch beschleunige die Regierungskoalition die Asylverfahren, und Faeser dringe in der EU auf ein „Gemeinsames Europäisches Asylsystem mit einheitlichen Standards und solidarischer Verteilung“. Zudem habe der Bund im vergangenen Jahr 4,4 Milliarden Euro für die Kommunen bereitgestellt und weitere 2,75 Milliarden Euro für dieses Jahr.

AfD: Kommunen halten Migrationspolitik für katastrophal

Dr. Bernd Baumann (AfD) sagte, Kommunalpolitiker hielten die derzeitige Migrationspolitik für katastrophal. Spitzenvertreter der Kommunen forderten eine „effektive Sicherung der EU-Außengrenzen gegen den illegalen Ansturm aus Orient und Afrika“ und gegebenenfalls Kontrollen an den deutschen Landesgrenzen.

Auch der Großteil der Bevölkerung wisse mittlerweile, dass Migranten „allzu oft keine Bereicherung und auch oft keine Fachkräfte“ seien, „sondern oft eine schwere Belastung für die gesamte Gesellschaft“.

Grüne: Sichere Fluchtrouten und Aufnahmeprogramme

Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen) betonte dagegen, dass „Abschottung und Abschreckung“ nichts mit den Herausforderungen bei der Aufnahme Schutzsuchender zu tun hätten. Die Koalition setze sich vielmehr für sichere Fluchtrouten und humanitäre Aufnahmeprogramme ein.

Zugleich warb sie für ein „erneutes Signal“ des Kanzlers vor der anstehenden Ministerpräsidentenkonferenz zur angemessenen Unterstützung der Kommunen. Polat sprach sich zudem für eine Streichung der Wohnsitzauflage für Asylbewerber aus. Auch werde man die Arbeitsverbote im Aufenthaltsrecht abschaffen.

Linke: Investitionen in kommunale Infrastruktur

Clara Bünger (Die Linke) wandte sich gegen Kritik, dass viele Menschen ohne Schutzanspruch nach Deutschland kämen. Tatsächlich habe die bereinigte Schutzquote des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) vergangenes Jahr bei mehr als 70 Prozent gelegen. Auch müssten alle Asylsuchenden irregulär einreisen, weil es keine legalen Fluchtwege gebe.

Bund, Länder und Kommunen müssten sich darauf einstellen, dass dauerhaft Asylsuchende nach Deutschland kommen. Dabei verlasse niemand freiwillig sein Zuhause. Daher müsse langfristig in kommunale Infrastruktur und Integration investiert werden und der Bund die Kosten dafür übernehmen.

FDP beklagt „polarisierende“ Debatte in Deutschland

Stephan Thomae (FDP) verwies darauf, dass in diesem Jahr mehr als 26 Milliarden Euro aus dem Bundesetat für Flüchtlingspolitik ausgegeben werde. Dies reiche von der Bekämpfung der Fluchtursachen bis zu Integrationsmaßnahmen.

Thomae beklagte zugleich, dass die Migrationsdebatte in Deutschland oft polarisierend geführt werde. Dabei müssten aber drei sich widersprechende Aspekte in Einklang gebracht werden, nämlich die humanitären und rechtlichen Verpflichtungen, die volkswirtschaftlichen Erfordernisse und die gesellschaftliche Akzeptanz. Darüber werde auch bei der Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bundeskanzler am 10. Mai diskutiert. (sto/28.04.2023)

.

TOP 24 Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz

Der Bundestag hat am Freitag, 28. April 2023, erstmals über das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz beraten. Eine entsprechende von der Bundesregierung vorgelegte Unterrichtung (20/6344) wurde im Anschluss an die Aussprache zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz überwiesen.

Aktionsprogramm der Bundesregierung

In den Schutz und die Renaturierung von Mooren, Auen und anderen Ökosystemen will die Bundesregierung verstärkt investieren, um gleichzeitig Biodiversitätsverlust und Klimawandel zu bremsen. Das geht aus ihrem Aktionsprogramm hervor, das das Kabinett am 29. März 2023 beschlossen hatte. Ziel sei es danach, den allgemeinen Zustand der Ökosysteme in Deutschland zu verbessern und so ihre Widerstandsfähigkeit und ihre Klimaschutzleistung zu stärken. Als Klimaschutzleistungen definiert die Bundesregierung die Minderung, Anpassung sowie die Entnahme von klimaschädlichen Treibhausgasemissionen aus der Atmosphäre.

Die Natur an Land und im Meer solle besser geschützt und resilienter werden, um dauerhaft zu den nationalen Klimaschutzzielen beizutragen – und gleichzeitig als Lebensraum für bedrohte Tier- und Pflanzenarten zu dienen. Im Zuge dessen ist im Programm auch vorgesehen, Land- und Forstwirtschaft nachhaltig zu gestalten und Maßnahmen des natürlichen Klimaschutzes besser in Einklang mit dem Ausbau erneuerbarer Energien zu bringen. Im Zentrum steht das Bemühen um intakte Moore und Böden, Wälder, Auen und Gewässer, da sie in der Lage seien, Kohlenstoff besonders effektiv zu speichern.

Fast 70 Fördermaßnahmen in zehn Handlungsfeldern

Vier Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds will die Bundesregierung bis 2026 ausgeben, um zum Beispiel Moore wiederzuvernässen, Auen und Seegraswiesen an den Küsten zu renaturieren oder Städte zu begrünen und Flächen zu entsiegeln. Im laufenden Jahr seien Programmausgaben in Höhe von 590 Millionen Euro geplant, heißt es in der Unterrichtung. Fast 70 Fördermaßnahmen sieht das Programm in zehn Handlungsfeldern vor – vom Schutz von Meeren und Küsten über Wälder, Wildnis- und Schutzgebiete bis hin zur Forschung und der europäischen und internationalen Zusammenarbeit.

Die Maßnahmen seien geeignet, um zur Erreichung der Ziele des 2021 novellierten Klimaschutzgesetzes beizutragen, schreibt die Bundesregierung. Darin wurde erstmalig der Klimaschutzbeitrag der Landökosysteme festgelegt. Das Ziel: Die Verbesserung der Emissionsbilanz des Sektors Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft – mindestens minus 25 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr bis 2030 sind vorgesehen.

Es sollen also jährlich 25 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente mehr aus der Atmosphäre entnommen und dauerhaft gespeichert werden als Treibhausgase in diesem Sektor emittiert werden. Für die Jahre 2037 bis 2040 ist als Ziel eine Emissionsbilanz von minus 35 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr vorgesehen, für die Jahre 2042 bis 2045 beträgt das jährliche Ziel minus 40 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, heißt es im Aktionsprogramm. (vom/sas/28.04.2023)

.

TOP 25 Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands

Der Bundestag hat am Freitag, 28. April 2023, erstmals über einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Stillstand überwinden – Nachhaltiges Wachstum für mehr Wohlstand und Arbeitsplätze stärken“ (20/6542) beraten. Des Weiteren wurde erstmals ein Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Die drohende Rezession stoppen und ökonomisches Wachstum für deutsche Unternehmen und Bürger generieren“ (20/6419) behandelt. Im Anschluss der Aussprache wurden die Vorlagen zur weiteren Beratung an den federführenden Wirtschaftsausschuss überwiesen.

Antrag der CDU/CSU

Die CDU/CSU-Fraktion will mit ihrem Antrag (20/6542) nachhaltiges Wachstum in der deutschen Wirtschaft stärken. Um dies zu erreichen fordern die Abgeordneten die Bundesregierung auf, Vollzeitbeschäftigung zu fördern und dafür zu sorgen, dass „sozialversicherungspflichtige Beschäftigung attraktiver bleibt als der Bezug von Sozialleistungen“.

Weiterhin wird gefordert, die technologische Souveränität Deutschlands in Schlüsseltechnologien zu stärken und die Forschungs- und Innovationsförderung „technologieoffen und gründerfreundlich“ weiterzuentwickeln. Die Abgeordneten wollen auch, dass eine „Bürokratie-Notbremse“ gezogen wird, um den gestiegenen bürokratischen Erfüllungsaufwand zu reduzieren. Eine gezielte Förderung soll Gründungen und private Betriebsweiterführungen besonders im ländlichen Raum ermöglichen; hierfür sollen digitale Angebote ausgebaut werden.

Mit dem zeitnahen Abschluss weiterer Handelsabkommen soll Deutschlands Position im internationalen Wettbewerb erhalten und gestärkt werden, heißt es im Antrag. Gefordert wird auch, den Finanzplatz Deutschland zu stärken, indem unter anderem der Regulierungsrahmen nicht weiter ausgebaut wird.

CDU/CSU fragt nach Wettbewerbsfähigkeit

Gegenstand der Debatte ist auch eine Große Anfrage der Unionsfraktion zur Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im internationalen Steuerwettbewerb (20/5910). Die Abgeordneten wollen von der Bundesregierung unter anderem wissen, wie hoch die tatsächliche Steuerbelastung für Unternehmen und Einzelpersonen in Deutschland im Vergleich zu allen anderen Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist.

Außerdem soll die Bundesregierung die Frage beantworten, ob der Staat die bei einer im internationalen Vergleich relativ hohen Steuerbelastung eingenommenen Steuergelder besser und effizienter investiert als die Unternehmen und Bürger es tun würden. Weitere Fragen betreffen die Wirkungen von Steuersenkungen zum Beispiel auf die Kaufkraft und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen.

Die Bundesregierung soll auch die Frage beantworten, ob Deutschland das aktuelle Wirtschaftswachstum und den aktuellen Wohlstand mit der derzeitigen Steuerbelastung aufrecht erhalten kann und ob sie die Befürchtungen verschiedener Wirtschaftsforschungsinstitute für realistisch hält, die davon ausgehen würden, dass das Wirtschaftswachstum langfristig rückläufig sein werde.

„Deutschland verliert an Wettbewerbsfähigkeit“

In der Vorbemerkung zur Großen Anfrage verweist die CDU/CSU-Fraktion auf eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), wonach Deutschland im Wettbewerb mit 20 anderen führenden Wirtschaftsnationen weiter an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Entgegen den Ankündigung im Koalitionsvertrag habe die Bundesregierung weder ein schlüssiges Konzept zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit vorgelegt noch geeignete Maßnahmen dazu umgesetzt.

Daher sei es nicht verwunderlich, dass laut ZEW-Studie Deutschland der große Verlierer im Standortwettbewerb sei, argumentiert die CDU/CSU-Fraktion. Die Gründe dafür seien zu viel Bürokratie, die hohe Steuerlast, das Sinken der Innovationsbereitschaft, hohe Energiekosten und der Arbeitskräftemangel.

Antrag der AfD

Die AfD-Fraktion fordert in einem Antrag (20/6419), dass die Bundesregierung bis zum 30. Juni 2023 ein Bürokratieentlastungsgesetz vorlegt. Damit sollen kleine und mittelständische Unternehmen von Berichts- und Auditierungspflichten nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz freistellt werden.

Indem Anreize für Unternehmen geschaffen werden, weiter in Deutschland zu produzieren, soll der „bereits stattfindenden Deindustrialisierung“ hierzulande Einhalt geboten werden, fordern die Abgeordneten. Gefordert wird außerdem, die Abwanderung hochqualifizierter deutscher Ingenieure, Wissenschaftler und Facharbeiter ins Ausland zu stoppen, indem „Rahmenbedingungen für attraktive Arbeitsbedingungen und wertschöpfende Arbeitsplätze“ geschaffen werden. (vom/emu/hle/28.04.2023)