Sitzungswoche
Sitzung vom 14. Mai 2025 (3. Sitzung) Quelle Bundestag: Die Tagesordnung entspricht auch dann der im Bundestag, wenn die Reihenfolge der Tagesordnungen „durcheinander“ gehen
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14. Mai 2025 (3. Sitzung)
Quelle Bundestag: Die Tagesordnung entspricht auch dann der im Bundestag, wenn die Reihenfolge der Tagesordnungen „durcheinander“ gehen. Teilweise dauert es Wochen bis die Videos zur Verfügung stehen. Sie werden eingefügt, sobald sie vorhanden sind.
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TOP 1 Befragung der Bundesregierung
Bundesfinanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) will Deutschland wieder auf Wachstumskurs bringen. In der ersten Befragung der Bundesregierung der neuen Wahlperiode am Mittwoch, 14. Mai 2025, betonte Klingbeil, die Regierung wolle Deutschland „schneller, einfacher und gerechter machen“. Im Finanzministerium will der Minister nach eigenen Worten drei Schwerpunkte setzen: massiv investieren, Bürger und Unternehmen entlasten und das Ministerium zu einem Investitionsministerium machen. Für die Modernisierung des Landes stünden 500 Millionen Euro in einem Sondervermögen zur Verfügung.
Investiert werde auch in die Sicherheit Deutschlands und Europas. Klingbeil bekräftigte, dass man an der Seite der Ukraine stehe im Kampf gegen die russische Aggression. Noch vor der Sommerpause werde die Regierung einen Haushalt für das laufende Jahr vorlegen, der Kabinettsbeschluss sei für den 25. Juni geplant. Dieser Haushalt werde Raum schaffen für zusätzliche Investitionen. Trotz dieser Spielräume werde man auch die Haushaltskonsolidierung vorantreiben müssen, sagte Klingbeil. Alle Vorhaben stünden erst mal unter Finanzierungsvorbehalt.
Frei: Heraus aus Rezession und Stagnation
In der Wirtschaftspolitik gehe es darum, die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu verbessern. Auch in der Migrationspolitik wolle man neue Ansatzpunkte wählen. Migration nach Deutschland müsse nicht nur geordnet und gesteuert, sondern auch begrenzt werden, sagte Frei. Die Aufnahmefähigkeit von Städten und Gemeinden müsse „bewältigbar belassen werden“.
Wettbewerbsfähigkeit und Investitionen
An den Kanzleramtschef richtete der CSU-Abgeordnete Dr. Andreas Lenz seine Frage zur Wettbewerbsfähigkeit und die Pläne der Regierung, Energiekosten wieder bezahlbar zu machen. Frei verwies auf die Aufstellung der Bundeshaushalte für 2025 und 2026 in diesem Jahr mit der „klaren Prämisse“, dass die Strompreise sinken müssten. Die Stromsteuer solle auf das EU-rechtliche Minimum reduziert werden. Dem AfD-Abgeordneten Dr. Rainer Kraft entgegnete der Finanzminister, es gebe eine klare Verabredung, die Netzentgelte zu senken, sodass es schnell zu einer Absenkung der Energiekosten kommen werde.
Nach den inhaltlichen Schwerpunkten von Klingbeils „Investitionsministerium“ fragte der SPD-Abgeordnete Dr. Thorsten Rudolph. Schwerpunkt der Regierung sei, dafür zu sorgen, dass das Land modernisiert wird und „besser funktioniert“, antwortete der Finanzminister. „Die Menschen sollen merken: In diesem Land geht es voran.“ Mit den Länderfinanzministern habe es eine Einigung gegeben über den Verteilungsschlüssel des für die Länder vorgesehenen Anteils am Sondervermögen für Investitionen.
Stelleneinsparungen und Bürgergeld
Einsparpotenziale in den Haushalten 2025 und 2026 interessierten den AfD-Abgeordneten Stephan Brandner. Klingbeil verwies auf geplante Stelleneinsparungen in der Bundesverwaltung, woraufhin Brandner Einsparungen beim Bürgergeld ansprach und insbesondere ukrainische Bürgergeldbezieher in den Blick nahm. Die Regierung erhöhe den Druck auf jene, die sich verweigern und die „mit Schwarzarbeit erwischt werden“, erwiderte Klingbeil. Solange der Krieg stattfinde, sei man jedoch eine „unterstützende Kraft“ für die Menschen aus der Ukraine.
Dies wiederholte der Minister auch in seiner Antwort auf die Frage des AfD-Abgeordneten Kay Gottschalk. Es sei richtig, den Menschen aus der Ukraine Schutz zu geben. Es sei aber verabredet, dass sie nicht mehr im Bürgergeldbezug sein werden und dass der Druck bei Verweigerern erhöht werde.
Wirtschaftsleistung und Entlastung von Unternehmen
An den Kanzleramtsminister richtete der CDU-Abgeordnete Dr. Klaus Wiener seine Frage, wie der Trend zur schrumpfenden Wirtschaftsleistung gestoppt werden kann. Thorsten Frei sprach von einer „großen Vielfalt an Maßnahmen“, die künftig gar kein Geld kosten müssten. Konkret nannte er die Flexibilisierung im Bereich der Arbeitszeiten, etwa im Hinblick auf Höchstgrenzen bei Wochenarbeitszeiten statt bei Tagesarbeitszeiten. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wolle die Regierung abschaffen, eine entsprechende EU-Regelung müsse „bürokratiearm“ sein. Wichtig sei, dass die Menschen „Vertrauen in die Arbeitsweise dieser Regierung“ haben.
Schnelle Entscheidungen im Hinblick auf die steuerliche Entlastung von Unternehmen mahnte der CDU-Abgeordnete Fritz Güntzler an. Klingbeil sagte, man wolle Investitionen bei Unternehmen anregen und die degressive Abschreibung (AfA) von 30 Prozent auf den Weg bringen.
Migrationspolitik und Zurückweisungen an der Grenze
Ein weiterer Fragenkomplex betraf die Migrationspolitik und die Zurückweisungen an der Grenze. Marcel Emmerich und Chantal Kopf (Bündnis 90/Die Grünen) fragten nach der Rechtsgrundlage. Thorsten Frei sagte, die nationalen Grenzen müssten besser geschützt werden, ohne dass der „kleine Grenzverkehr“ negativ berührt wird. Es gebe keine Grenzschließungen und keine Grenzkontrollen. Klingbeil erwiderte auf Emmerichs Frage, es gebe keine nationale Notlage. Die erhöhten Kontrollen verletzten nicht das EU-Recht.
Der Abgeordneten Clara Bünger (Die Linke) sagte Frei, man dürfe nicht nur auf die Zugangszahlen schauen: „Es sind Menschen, die zu uns kommen.“ Ein Integrationsprozess dauere länger. Es reiche nicht, Schulen und Einrichtungen zu bauen, sondern es würden auch Lehrerinnen und Lehrer gebraucht, die ausgebildet werden müssten.
Bundespolizei und Arbeitsmarkt
Hohe Frustration und Kündigungsraten bei der Bundespolizei thematisierte Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen). Frei sagte, die Zahl der Bundespolizisten sei in den vergangenen Jahren stark ausgeweitet worden. Die Grenzkontrollen führten zu enormen Belastungen, man könne sie nicht „in alle Ewigkeit“ fortsetzen. Insgesamt werde ein anderes Migrationsrecht in Europa gebraucht. Dem Grünen-Abgeordneten Leon Eckert teilte Frei mit, bei den Kontrollen handele es sich um intelligente Stichprobenkontrollen, die nicht zu Staus oder Behinderungen von Menschen an den Grenzen führten.
Die SPD-Abgeordnete Dr. Tanja Machalet nahm den Arbeitsmarkt in den Blick. Frei betonte, man wolle das Arbeitskräftepotenzial ausweiten. Man wolle nicht akzeptieren, dass 50.000 junge Menschen jedes Jahr die Schule ohne Abschluss verlassen. Die Attraktivität des Landes müsse gesteigert werden. Das gelte auch für die „Flaschenhälse“ Visa-Erteilung und Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen. Für Letzteres seien die Landesverwaltungen zuständig, antwortete Frei dem Abgeordneten Helge Limburg (Bündnis 90/Die Grünen).
Mindestlohn, Cum/Cum-Skandal, Altersvorsorge
Pascal Meiser (Die Linke) wollte wissen, was passiert, wenn die Mindestlohn-Kommission entscheidet, den Mindestlohn nicht auf 15 Euro pro Stunde anzuheben. „Wir wollen einen Lohn, der am Arbeitsmarkt durchsetzbar ist“, sagte der Kanzleramtschef.
Die Verjährungsfrist für Akten im Zusammenhang mit dem Cum/Cum-Steuerskandal sprachen Christian Görke (Die Linke), Iris Nieland und Kay Gottschalk (beide AfD) an. Görke sagte, Unterlagen könnten ab dem 1. Januar 2026 geschreddert werden. Dem Steuerzahler entgingen 28,5 Milliarden Euro, erst 200 Millionen Euro hätten eingezogen werden können. Klingbeil versicherte, er nehme das Thema ernst und werde es im Ministerium aufarbeiten lassen. Es müsse zu politischen Entscheidungen kommen.
Dr. Carsten Brodesser (CDU/CSU) thematisierte die Altersvorsorge. Der Finanzminister sprach sich dafür aus, neben der gesetzlichen auch die betriebliche und private Altersvorsorge zu stärken. Über die Ergebnisse wolle er der geplanten Kommission aber nicht vorgreifen. (vom/14.05.2025)
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TOP 2 Regierungserklärung
Mit der ersten Regierungserklärung des neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU) ist der Bundestag am Mittwoch, 14. Mai 2025, in seine dreitägige Aussprache über das Regierungsprogramm der schwarz-roten Koalition gestartet. Die neue Bundesregierung stelle sich in den Dienst des Landes und aller seiner 84 Millionen Bürger, versicherte Merz zu Beginn seiner Regierungserklärung. Sie wolle „neue Sicherheit“ geben und die Freiheit verteidigen, das „Versprechen vom Wohlstand für alle“ erneuern und Zusammenhalt in der Gesellschaft stiften.
Dazu brauche es in vielerlei Hinsicht einen Politikwechsel. Deutschland stehe international wie national vor enormen Herausforderungen, doch sei das Land stark, sagte der Kanzler. Er sei überzeugt, dass Deutschland die Herausforderungen der Zeit „aus eigener Kraft heraus bestehen und daraus etwas Gutes machen kann“. Dabei wolle die Koalition die Probleme „aus der demokratischen Mitte unseres Landes heraus“ lösen. „Dass wir das können, haben wir in den letzten Wochen bereits gezeigt.“
Merz dankte zugleich seinem Amtsvorgänger Olaf Scholz (SPD), der „Deutschland durch Zeiten außergewöhnlicher Krisen geführt“ habe. Scholz‘ Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sei wegweisend und historisch gewesen. Dafür gelte Scholz „unser Dank“ und, wie er hoffe, die Anerkennung des ganzen Hauses und des Landes.
Merz: Deutschland bleibt an der Seite der Ukraine
Der Regierungschef bekräftigte den Wunsch nach einem „gerechten, dauerhaften, tragfähigen Frieden in der Ukraine – lieber heute als morgen“. Auf dem Weg dorthin werde man die Ukraine weiter kraftvoll unterstützen. Dabei sei Deutschland nicht Kriegspartei und werde dies auch nicht werden, stehe aber „ohne Wenn und Aber an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer und damit an der Seite der Menschen in Europa, die sich zu Demokratie und Rechtstaatlichkeit bekennen, die in Freiheit und in offenen Gesellschaften leben wollen“.
Dabei bleibe die Hilfe für die Ukraine eine gemeinsame Anstrengung der Europäer und Amerikaner und anderer Verbündeter „in unserem ureigensten Interesse“, betonte Merz. Wer glaube, Russland gäbe sich mit einem Sieg über die Ukraine oder der Annexion von Teilen des Landes zufrieden, der irre. Der Kanzler zeigte sich zugleich dankbar für die Unterstützung von US-Präsident Donald Trump für die Initiative zu einer 30-tägigen bedingungslosen Waffenruhe, die ein Fenster für Friedensverhandlungen öffnen könne. Es sei „von überragender Bedeutung, dass der politische Westen sich nicht spalten lässt“. Deshalb wolle er alle Anstrengungen unternehmen, um weiterhin „größtmögliche Einigkeit zwischen den europäischen und den amerikanischen Partnern herzustellen“.
Stärkung der Bundeswehr
Für Deutschland gelte zugleich, dass es die eigene Verteidigungsfähigkeit und -bereitschaft beständig ausbauen müsse und werde. „Wir wollen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen“, sagte der Bundeskanzler. Stärke schrecke Aggression ab, Schwäche hingegen lade zu Aggression ein. Ziel sei daher ein so starkes Deutschland und Europa, „dass wir unsere Waffen niemals einsetzen müssen“. Die Bundesregierung werde der Bundeswehr alle finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, die sie brauche, „um konventionell zur stärksten Armee Europas zu werden“.
Der Regierungschef kündigte zugleich an, alles daran zu setzen, um Deutschland wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Dabei werde die Regierung die Wettbewerbsfähigkeit zum Maßstab ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik machen. Auch werde sie die Widerstandsfähigkeit der Infrastruktur stärken. Merz mahnte zugleich, mit der möglichen Aufnahme neuer Schulden „äußerst behutsam“ umzugehen. Sie ließen sich nur rechtfertigen, wenn damit der Wert der Infrastruktur dauerhaft gesteigert und das Leistungsvermögen des Landes verbessert würde.
Rückbau „der überbordenden Bürokratie“
Zu den erforderlichen Reformen gehört dem Kanzler zufolge zudem vor allem ein „beherzter Rückbau der überbordenden Bürokratie“. An den deutschen, europäischen und internationalen Klimazielen werde seine Regierung festhalten, aber zu ihrer Erreichung auch neue Wege gehen, fügte Merz hinzu.
Er verteidigte zugleich die Verschärfung der deutschen Migrationspolitik. „Wir ordnen Migration: mit mehr Begrenzung, mehr Zurückweisungen, mehr Steuerung, mehr Rückführungen“, sagte er. Dabei mache die Bundesregierung keinen nationalen Alleingang, sondern verhalte sich im Einklang mit europäischem Recht. Deutschland sei und bleibe ein Einwanderungsland, doch habe man in den vergangenen zehn Jahren zu viel ungesteuerte Einwanderung zugelassen.
AfD: Regierung für Kriegstreiberei
Die AfD-Fraktionsvorsitzende Dr. Alice Weidel nannte Merz mit Blick auf dessen Wahl erst im zweiten Wahlgang einen „Kanzler der zweiten Wahl“. Die Signale, die von diesem „Fehlstart“ ausgingen, seien Schwäche und Instabilität. Merz sei ein „Kanzler der Linken“, dessen Weg ins Kanzleramt von gebrochenen Wahlversprechen und „Kapitulation vor Linken und Grünen“ gesäumt sei. So habe er die Schuldenbremse in einem „finanzpolitischen Staatsstreich“ mit Hilfe der Grünen abgeräumt.
Weidel forderte zugleich ein Ende der Energiewende und den Wiedereinstieg in die Atomkraft sowie in Kohle und „günstigem Erdgas aus Russland“. Auch müssten Zurückweisungen illegaler Migranten aus sicheren Drittstaaten zwingend sein, Grenzkontrollen lückenlos und dauerhaft erfolgen und illegale Einreisen auf Null reduziert werden, fügte Weidel hinzu. Der neuen Regierung warf sie zudem vor, eine „Regierung für Kriegstreiberei“ zu sein.
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TOP 2.1. Außen, Europa, Menschenrechte
Der neue Bundesaußenminister Dr. Johann Wadephul (CDU) hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin aufgefordert, an den geplanten Verhandlungen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs teilzunehmen. „Die Ukraine hat jede Bereitschaft gezeigt, jetzt bedingungslos Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen zu führen“, betonte Wadephul in einer Aussprache zur Außen-, Europa- und Menschenrechtspolitik der neuen Bundesregierung am Mittwoch, 14. Mai 2025, im Bundestag. „Wir erwarten jetzt, dass Herr Putin an den Verhandlungstisch kommt“, sagte der neue Außenamtschef. „Jeder, der Frieden in Europa will, muss jetzt verhandeln, und der Ball liegt im Feld von Herrn Putin.“
Wadephul kündigte für seine Amtsführung eine „grundnüchterne Orientierung an unseren Interessen als Deutsche und Europäer“ an. „Sicherheit, Freiheit und Wohlstand sollten uns leiten.“ Die wichtigsten Leitplanken blieben die feste Verankerung in einem Europa, die Bekräftigung der deutsch-französischen und der deutsch-polnischen Partnerschaft, die transatlantische Partnerschaft als Grundpfeiler der Sicherheit sowie das Eintreten für die Sicherheit und das Existenzrecht Israels als Teil deutscher Staatsräson.
AfD fordert „Zeitenwende hin zur Realität“
Markus Frohnmaier (AfD) rief den neuen Außenamtschef zu einer „echten Zeitenwende hin zur Realität“ auf. Deutsche Interessen seien nicht deckungsgleich mit ukrainischen. „Es liegt nicht im Interesse Deutschlands, Milliarden an Steuergeldern und tonnenweise Waffen in das bodenlose Fass Ukraine zu werfen.“
Die Krim und weite Teile der Ostukraine würden nicht unter ukrainische Kontrolle zurückkehren. „Diese Wahrheit anzunehmen ist kein Verrat, sondern Realpolitik.“
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TOP 2.2. Verteidigung
Rund fünf Stunden nach der Ankündigung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), die Bundeswehr zur „konventionell stärksten Armee in Europa“ machen zu wollen, hat Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in der Debatte am Mittwoch, 14. Mai 2025, über die Verteidigungspolitik der neuen Bundesregierung erste konkrete Maßnahmen benannt.
So soll die Personalstärke der deutschen Streitkräfte durch die Einführung des sogenannten „Neuen Wehrdienstes“ in den kommenden Jahren deutlich erhöht werden. Dieser sieht vor, dass alle jungen Männer bei Vollendung des 18. Lebensjahres einen Fragebogen ausfüllen müssen, in dem sie Auskunft erteilen über eine mögliche Bereitschaft für einen freiwilligen Wehrdienst und über ihre körperliche Fitness. Frauen sollen den Fragebogen auf freiwilliger Basis ausfüllen können.
Pistorius: Bundeswehr muss personell „durchhaltefähig“ werden
Pistorius, der bereits in der vergangenen Legislaturperiode einen entsprechenden Gesetzentwurf im Bundeskabinett vorgelegt hatte, der aber nicht mehr im Bundestag beraten worden war, hofft, damit genügend Freiwillige für die Truppe zu gewinnen. Er betonte zugleich, dass man „zunächst“ auf mehr Freiwillige baue. Sollten diese nicht gewonnen werden können, müsste aber über weitere Schritte nachgedacht werden. Die Bundeswehr müsse personell „durchhaltefähig“ werden.
Der Verteidigungsminister kündigte zudem ein Gesetz zur weiteren Beschleunigung bei der Planung und Beschaffung von Waffensystemen und Ausrüstung für die Bundeswehr sowie Sicherheitsgesetze zum Schutz vor Spionage und Drohnen feindlicher Mächte an.
„Bedrohungslage geht vor Kassenlage“
Pistorius machte deutlich, dass die Verteidigungsausgaben in den kommenden Jahren deutlich steigen müssen. „Die Bedrohungslage geht vor Kassenlage“, sagte der Minister. Es sei richtig gewesen, noch zum Ende der vergangenen Legislaturperiode die Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse durch eine Grundgesetzänderung zu entkoppeln.
Ebenso stellte Pistorius eine stärkere Zusammenarbeit mit den Nato-Verbündeten in Europa, vor allem mit Frankreich, Großbritannien und Polen, bei der Entwicklung gemeinsamer Rüstungsprojekte in Aussicht. Ausdrücklich bekannte sich der Minister zur weiteren Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland. Bislang habe Deutschland die Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskrieges mit Waffenlieferungen und militärischer Ausbildung im Wert von 38 Milliarden Euro unterstützt.
AfD: Verteidigung des deutschen Nationalstaates
Der AfD-Abgeordnete Rüdiger Lucassen warf der neuen Bundesregierung vor, den falschen Kurs der alten Bundesregierung fortsetzen zu wollen. So sei die Ablehnung Moskaus zu dem Vorstoß von Bundeskanzler Merz für einen 30-tägigen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg wohl von vornherein „intendiert“ gewesen, um an einem außenpolitischen Kurs festzuhalten, der die realpolitischen Verhältnisse weiterhin ignoriert. Dies zeige sich auch am Festhalten an Verteidigungsminister Boris Pistorius, führte der Parlamentarier an. In der Vergangenheit sei zwar immer mehr Geld in den Verteidigungshaushalt gesteckt worden, die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr habe aber nicht erhöht werden können, monierte Lucassen.
Vorrangige Aufgabe der Bundeswehr müsse die Verteidigung des deutschen Nationalstaates sein. Neben der materiellen und personellen Verteidigungsfähigkeit müsse auch die „ideelle Verteidigungsfähigkeit“ der Truppe gestärkt werden, forderte Lucassen. Er verwies auf die Ukraine, deren Soldaten das Land sei drei Jahren erfolgreich gegen Russland verteidigten. Dies sei nur wegen des klaren Bekenntnisses zu „Volk und Nation“ möglich, argumentierte Lucassen. Die afghanische Armee hingegen sei innerhalb kürzester Zeit „von einer Sandalen-Guerilla“ besiegt worden.
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TOP 2.3. Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Die neue Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Reem Alabali-Radovan (SPD), will die deutsche Entwicklungspolitik neu aufstellen. Es gehe vor allem um Fokussierung, „das heißt, dass wir Entwicklungspolitik im Dreiklang mit Außen- und Verteidigungspolitik als nachhaltige Sicherheitspolitik ausbuchstabieren“, betonte die Ressortchefin am Mittwoch, 14. Mai 2025, im Bundestag bei der Vorstellung ihres Regierungsprogramms.
Ministerin will Nord-Süd-Kommission ins Leben rufen
Der Rückzug der USA aus der Entwicklungs- und Verteidigungspolitik treffe die internationale Entwicklungszusammenarbeit aufs Härteste, sagte Alabali-Radovan. Daraus folge, dass Deutschland mehr investieren müsse, um Sicherheit zu gewährleisten. „Deutschland braucht weltweit stabile Gesellschaften und Frieden“, sagte die Ministerin, deren Eltern Mitte der 1990er-Jahre vor den politischen Verhältnissen aus dem Irak nach Deutschland geflohen waren, als Alabali-Radovan sechs Jahre alt war. Auf diese familiären Wurzeln verwies die heute 35-jährige Schwerinerin. Sie wisse dadurch, wie es den Menschen gehe, die von politischer Unsicherheit, Krisen, Kriegen und Perspektivlosigkeit geprägt sind. „Und ich weiß auch, welche Auswirkungen es auf uns hier in Deutschland hat, wenn wir für diese Krisen keine gemeinsamen Lösungen finden.“
Die Bundesregierung werde eine Nord-Süd-Kommission ins Leben rufen, kündigte Alabali-Radovan an. Sie solle helfen, die partnerschaftlichen und strategischen Beziehungen mit den Ländern des Globalen Südens auf Augenhöhe auszubauen. Außerdem sprach sie sich für eine Stärkung der Vereinten Nationen (UN) und des UN-Standortes in Bonn aus.
Union plädiert für Strategie aus einem Guss
Andreas Jung (CDU/CSU) betonte, es sei kein Widerspruch, Außenpolitik, Sicherheitspolitik und Entwicklungspolitik zusammenzudenken. Wirtschaftliche, ökologische und soziale Sicherheit gehörten „hier im Land, europäisch und international“ zusammen. „Es muss eine Politik, eine Strategie aus einem Guss sein.“
Er hoffe, dass Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen in der neuen Bundesregierung „noch mal mit einem stärkeren Fokus, mit mehr Öffentlichkeit, mit mehr Nachdruck verfolgt werden kann, als es bisher gelungen ist“.
AfD: Entwicklungsministerium abschaffen
Markus Frohnmaier (AfD) forderte von der Bundesregierung einen „Kurswechsel in der Entwicklungszusammenarbeit, und der lautet: Deutschland zuerst!“. Seine Partei trete dafür ein, dass das Entwicklungsministerium abgeschafft und die Mittel „mit dem Rotstift“ zusammengestrichen werden sollen. Entwicklungshilfe müsse heißen: „Wirtschaftsförderung mit Lieferbindungen, freier Handel und Zugang zu Rohstoffen statt Gender-Gaga und Klimaideologie“.
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TOP 4 Fragestunde
Als letzter Tagesordnungspunkt folgte am Mittwoch, 14. Mai 2025, die erste Fragestunde der neuen Wahlperiode. Getrennt nach Ressorts beantworteten Vertreter der Bundesregierung 45 Minuten lang Fragen (21/121), die von den Abgeordneten vorab schriftlich eingereicht worden waren.
Abgeordnete von AfD und Grünen mit den meisten Fragen
Jeweils 21 der insgesamt 51 Fragen wurden von Abgeordneten der AfD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellt. Die Fraktion Die Linke stellte neun Fragen.
Die meisten Fragen, nämlich 19, richteten sich an das Bundesministerium des Innern, gefolgt vom Bundeskanzleramt mit sieben Fragen. Fünf Fragen gingen an das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, je vier Fragen an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und an das Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Drei Fragen sollte das Bundesministerium der Finanzen beantworten. Mit je zwei Fragen waren das Auswärtige Amt, das Bundesministerium der Verteidigung, das Bundesministerium für Verkehr und das Bundesministerium für Gesundheit vertreten. Eine Frage richtete sich an das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Was die Abgeordneten wissen wollten
Beispielsweise erkundigte sich der thüringische AfD-Abgeordnete Stefan Schröder beim Bundeskanzleramt, ob Bundeskanzler Friedrich Merz „in Anbetracht dringend benötigter Sparmaßnahmen“ beabsichtigt, den „umfangreichen“ und nach Auffassung des Abgeordneten „völlig ausgeuferten“ Ausbau des Bundeskanzleramtes fortzusetzen.
Die bayerische Abgeordnete Leon Eckert (Bündnis 90/Die Grünen) wollte vom Bundesinnenministerium wissen, ob die Bundesregierung die Einführung einer bundesweit einheitlichen Regelung zur rechtlichen Gleichstellung von ehrenamtlichen Einsatzkräften der Hilfsorganisationen im Zivil- und Katastrophenschutz (sogenannte „Helfergleichstellung“) plant.
Die baden-württembergische Abgeordnete Sahra Mirow (Die Linke) fragte das Bundesverteidigungsministerium, inwieweit seitens der Bundesregierung die nach ihrer Kenntnis geplante militärische Nutzung des Patrick-Henry-Village in Heidelberg vorgesehen ist. Falls solche Planungen bestehen, interessierte die Abgeordnete, wie sich entsprechende Maßnahmen und Nutzungsarten darstellen.
Zusatzfragen sind möglich
Jeder Abgeordnete kann vorab bis zu zwei Fragen an die Bundesregierung einreichen. Nach der regelmäßig durch einen Parlamentarischen Staatssekretär oder einen Bundesminister erfolgenden Beantwortung können der Fragesteller, aber auch andere Abgeordnete des Deutschen Bundestages Zusatzfragen stellen und so die Bundesregierung zu weiteren Stellungnahmen zwingen.
Reicht die Zeit nicht aus, werden noch nicht aufgerufene Fragen von der Regierung schriftlich beantwortet. Ebenso kann vorab bereits um schriftliche Beantwortung gebeten werden. (vom/14.05.2025)


