Sitzungswoche
Die Reden werden erst im Laufe der kommenden Woche voll umfänglich bearbeitet worden sein und werden dann hier nachträglich eingepflegt.
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20. März 2024 (159. Sitzung)
Quelle Bundestag: Die Tagesordnung entspricht auch dann der im Bundestag, wenn die Reihenfolge der Tagesordnungen „durcheinander“ gehen. Teilweise dauert es Wochen bis die Videos zur Verfügung stehen. Sie werden eingefügt, sobald sie vorhanden sind.
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TOP 2 Regierungserklärung zum Europäischen Rat
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Zusammenhalt der EU-Mitglieder bei der Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg beschworen. „Wir stehen zusammen“, sagte er am Mittwoch, 20. März 2024, im Bundestag in einer Regierungserklärung zum bevorstehenden EU-Gipfel in Brüssel. Scholz betonte, dass er sich in der vergangenen Woche mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk nochmals auf drei Prinzipien verpflichtet habe. „Wir werden die Ukraine so lange unterstützen, wie das nötig ist“, sagte Scholz. Gemeinsam werde man auch dafür sorgen, dass die Nato nicht Kriegspartei werde. „Und wir werden keinen Diktatfrieden zulasten der Ukraine akzeptieren.“
Scholz warb zudem für eine engere EU-Kooperation bei der Beschaffung von Rüstungsgütern. „Wir brauchen eine engere Zusammenarbeit in der Verteidigungswirtschaft, eine Kooperation bei der Rüstung unserer Länder.“ Es müsse im Sinne der eigenen Verteidigungsfähigkeit bei den wichtigen Waffensystemen in Deutschland und Europa gewährleistet sein, „dass wir eine ständige, skalierbare Produktion haben“.
Union: Putin mit Klarheit begegnen
Friedrich Merz (CDU/CSU) griff die umstrittenen Worte des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich zu einem „Einfrieren“ des Kriegs in der Ukraine auf. „Friedfertigkeit kann das Gegenteil von Frieden bewirken“, sagte der Vorsitzende der Unionsfraktion. Einem Kriegsverbrecher wie Putin könne man „nicht mit Feigheit begegnen, sondern nur mit Klarheit und Entschlossenheit“.
Merz ging zudem auf die Aussage des Kanzlers ein, die Debatte über die deutsche Unterstützung für die Ukraine sei „an Lächerlichkeit nicht zu überbieten“. „Die Debatte, die in Ihrer Koalition und vor allem in Ihrer eigenen Partei spätestens seit der letzten Woche geführt wird, die ist nicht lächerlich. Diese Debatte ist gefährlich. Sie ist gefährlich für den Frieden in Europa und sie ist gefährlich für die Ukraine.“ Diese müsse den Eindruck gewinnen, dass die deutsche Hilfe befristet sei.
Grüne: Ukraine braucht dringend mehr Unterstützung
Katharina Dröge (Bündnis 90/Die Grünen) plädierte für eine noch stärkere Unterstützung der Ukraine durch die Ampel-Koalition. „Wir sind bislang gemeinsam einen richtigen Weg gegangen. Aber wir sind ihn nicht weit genug gegangen. Die Ukraine braucht dringend mehr Unterstützung.“
Union und auch der SPD warf die Grünen-Fraktionschefin in früheren Regierungsjahren eine verfehlte Russlandpolitik vor. „Dieses Land wurde viel zu lange von großen Koalitionen regiert, die blind und taub waren angesichts der Warnungen unserer europäischen Partner, angesichts der Warnungen der USA.“ Deutschland sei regiert worden von Koalitionen, die lieber Geschäfte gemacht hätten mit billigem russischem Öl und Gas.
AfD moniert „kriegerischen Überbietungswettbewerb“
AfD-Fraktionschefin Dr. Alice Weidel verteidigte das Nein des Kanzlers zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. „Es wäre nicht im deutschen Sicherheitsinteresse, unsere Streitkräfte bei einem weiteren wichtigen Waffensystem zu entblößen.“ Die Abgabe dieses Waffensystems, das weit nach Russland hineinwirken und selbst den Kreml erreichen könne, „wäre eine ganz klare Kriegsbeteiligung“, weil sie zwangsläufig den Einsatz deutscher Soldaten zur Bedienung nach sich ziehen würde.
Weidel monierte eine „schwarz-grüne Koalition der Kriegstreiber“, die sich in martialischer Rhetorik gefalle und anderen Defätismus vorwerfe. Der „kriegerische Überbietungswettbewerb“ sei umso absurder vor dem Hintergrund des desolaten Zustands der Bundeswehr.
FDP: AfD handelt unpatriotisch
FDP-Fraktionschef Christian Dürr nutzte seine Rede für scharfe Kritik an der AfD und machte auf Glückwunschadressen aus deren Reihen an Wladimir Putin nach dessen Schein-Wiederwahl aufmerksam. AfD-Vertreter sprächen von „freien Wahlen“ und empfählen den Regierungsstil Putins für Deutschland.
„Welche Partei sitzt hier eigentlich, die unsere unmittelbare Bedrohung als Regierungsstil für Deutschland empfiehlt? Das ist nicht nur unglaubwürdig, das ist unpatriotisch.“ Die AfD handle nicht im Interesse des deutschen Volkes, sie schade Deutschland, sagte Dürr.
Entschließungsantrag zu Bosnien und Herzegowina
Ein von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Regierungserklärung des Kanzlers vorgelegter Entschließungsantrag (20/10724) wurde im Anschluss an die Aussprache mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen angenommen. Darin geht es um die Herstellung des Einvernehmens von Bundestag und Bundesregierung zu der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 12. März 2024 zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina. Ein von der Union zum selben Thema vorgelegter Entschließungsantrag (20/10736) wurde hingegen mit der Mehrheit der übrigen Fraktionen abgelehnt. (vom/20.03.2024)
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TOP 3 Regierungsbefragung
„Wir stehen auch hier in Deutschland vor einer herausfordernden Sicherheitslage“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) unter Verweis auf die Festnahme zweier Terrorverdächtiger aus dem islamistischen Spektrum in Gera, die einen Anschlag auf das schwedische Parlament geplant haben sollen. In der Regierungsbefragung im Bundestag betonte Faeser am Mittwoch, 20. März 2024, die Demokratie und ihre Institutionen müssten gut geschützt werden. Das gelte für den Kampf gegen den Islamismus wie für den Kampf gegen den Extremismus von links und von rechts, aber auch für den Kampf gegen die organisierte Kriminalität und gegen den Drogenhandel, der mit aller Härte geführt werden müsse.
Kampf gegen die organisierte Kriminalität
Die Bevölkerung müsse vor der Macht und den Machenschaften der Kriminellen geschützt werden. Eine Gewaltspirale wie in Belgien und in den Niederlanden müsse verhindert werden, sagte die Ministerin. Es werde eine direkte operative Polizei-Zusammenarbeit mit Lateinamerika geschaffen. Die Hafenstädte in Europa würden vernetzt, „um gemeinsamen den Verbrechern und den Hintermännern das Handwerk zu legen“. Die Finanzstrukturen der organisierten Kriminalität würden angegangen, deren Netzwerke gekappt.
Das gelte auch für die Netzwerke des Rechtsextremismus, so Faeser. „Wir lassen uns von Rechtsextremisten unsere Demokratie nicht beschädigen“, betonte sie. Darüber hinaus seien Angriffe auf die kritische Infrastruktur Teil der Zeitenwende. Neben der militärischen sei die zivile Verteidigung „absolut essenziell“. Finanziell müsse mehr in die zivile Verteidigung des Landes investiert werden.
Lemke: Public-Viewing-Verordnung für die EM
Neben der Innenministerin stellte sich auch die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) den Fragen der Abgeordneten. Sie berichtete, dass sich das Bundeskabinett mit einer Public-Viewing-Verordnung beschäftigt habe, damit die Übertragung von Spielen der Fußball-Europameisterschaft (EM) vom 14. Juni bis 14. Juli auf öffentlichen Plätzen möglich ist. Lärmschutz-Auflagen würden dafür gelockert. Gleichzeitig bleibe der Lärmschutz ein empfindlicher Gesundheitsfaktor. Mit der Ausnahmeregelung zur EM werde flexibel und pragmatisch umgegangen. Es liege in den Händen der Kommunen, dies vor Ort zu regeln.
Lemke ging auch auf den gerade veröffentlichten Klima-Zustandsbericht 2023 der Weltorganisation für Meteorologie ein. Der Bericht dokumentiere, dass die Klimakrise inzwischen ein neues Niveau erreicht habe. Der globale Meeresspiegel sei so hoch wie nie zuvor, das Abschmelzen der Gletscher noch nie so weit vorangeschritten wie derzeit, was Auswirkungen auf die Süßwasserreserven habe. Positiv sei, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien im letzten Jahr 500 Gigawatt erreicht habe. Es werde also gegengesteuert, wenn auch nicht schnell und intensiv genug, stellte die Ministerin fest.
Demokratiefördergesetz und Waffenrecht
Dr. Gottfried Curio (AfD) sprach die Innenministerin darauf an, dass ihr Kampf gegen Desinformation gegen elementare Rechtsprinzipien verstoße, was Faeser „auf das Schärfste“ zurückwies. Der Kampf gegen Rechts sei kein Eingriff in die Meinungsfreiheit, niemandes Meinungsfreiheit werde eingeschränkt. Das geplante Demokratiefördergesetz fördere hingegen Initiativen aus der Zivilgesellschaft.
Auf Defizite im Waffenrecht ging Carmen Wegge (SPD) ein. Faeser sagte zu, Änderungen würden zeitnah auf den Weg gebracht, der Gesetzentwurf befinde sich in der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung. Unter anderem gehe es um die Frage, wie überprüft werden kann, ob jemand zum Waffenbesitz geeignet ist.
Gesichtsabgleich und IP-Adressenspeicherung
Den Gesichtsabgleich und die Speicherung von IP-Adressen für die Terrorbekämpfung thematisierten Unionsabgeordnete. Dem CDU-Abgeordneten Alexander Throm, der nach einer Rechtsgrundlage für den Bilderabgleich im Internet gefragt hatte, erwiderte die Ministerin, dieser sei unter engen rechtlichen Voraussetzungen bereits jetzt schon möglich.
Im Übrigen gehe sie davon aus, dass die Regierung zur Speicherung von IP-Adressen zeitnah eine abgewogene Lösung vorlegen werde, wie sie dem CDU-Abgeordneten Michael Breilmann mitteilte.
Asylverfahren in Drittstaaten
Muhanad Al-Halak (FDP) fragte nach der Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten. Faeser verwies auf eine Verabredung innerhalb der Koalition sowie mit den Ministerpräsidenten der Länder, wonach Optionen geprüft werden sollen, ob Asylverfahren in anderen Staaten oder Transitstaaten durchgeführt werden können.
Das Thema Asylrechtsverschärfung sprach Clara Bünger (Gruppe Die Linke) an. Die Ministerin sagte, sie sei überzeugt, dass es richtig gewesen sei, ein europäisches Asylsystem auf den Weg zu bringen. Den Drittstaatslösungen stimme sie zu, wenn die europäischen Menschenrechtsstandards eingehalten würden. Am EU-Türkei-Deal, den Bünger ebenfalls ansprach, wolle sie festhalten, unterstrich Faeser.
Katastrophenschutz und Verbraucherschutz
Leon Eckert (Bündnis 90/Die Grünen) ging auf den Katastrophenschutz ein und stellte fest, dass Zehntausende Sirenen fehlten. Faeser bezeichnete es als ärgerlich, dass Sirenen abgebaut wurden. Die Regierung tue alles, damit ein besseres Warnsystem aufgebaut werden könne. Der „Sirenenaufbau“ gehe voran, wenn auch viel zu langsam. Der Bund gebe dafür Gelder, obwohl dies eine Länderaufgabe sei. Auf den Einwand von Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU), dass der Zivilschutz Sache des Bundes sei, sagte die Ministerin, es gebe eine gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern.
Linda Heitmann (Bündnis 90/Die Grünen) erkundigte sich bei der Verbraucherschutzministerin Lemke nach deren Schwerpunkten in der Verbraucherpolitik. Die Ministerin sagte, es gebe eine Intransparenz und hohe Preissprünge bei der Fernwärmeversorgung. In der Diskussion sei hier, durch Verordnungsvorschläge mehr Transparenz herzustellen. Ein zweiter Schwerpunkt sei das Recht auf Reparatur, das auf EU-Ebene diskutiert werde. Zum Zeitpunkt, wann die EU-Verbraucherkreditrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt wird, konnte Lemke noch keine Angaben machen.
Planungsbeschleunigung und Naturschutz
Daniel Rinkert (SPD) erkundigte sich nach den Potenzialen der Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung. Lemke sagte, entscheidende Punkte seien die Digitalisierung und die Personalausstattung von Behörden. Länder und Kommunen müssten das regeln. Für das Bürokratieentlastungsgesetz habe ihr Ministerien Maßnahmen beigesteuert. Die Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes werde die Wirtschaft vielfältig entlasten.
Der CDU-Abgeordnete Steffen Bilger kritisierte mangelnde Planungsbeschleunigung, die Novellierung des Bundesimmissionsschutzgesetzes komme nicht mit Deutschland-Geschwindigkeit voran, nachdem die erste Lesung des Gesetzentwurfs im Juli 2023 stattgefunden habe und im November 2023 ein Planungsbeschleunigungspakt mit den Länder-Ministerpräsidenten beschlossen worden sei. Die Ministerin widersprach dem Eindruck der Untätigkeit und verwies etwa auf den Bau von LNG-Terminals. Beschleunigung müsse in der Realität organisiert werden. Es dürfe bei der Planungsbeschleunigung nicht darum gehen, welche Umweltstandards man abbauen könnte.
Ralph Lenkert (Gruppe Die Linke) und Martin Sichert (AfD) sprachen das LNG-Terminal in Wilhelmshaven an, bei dem nach den Worten Sicherts 480 Millionen Liter Chlorwasser ins Meer geleitet worden seien. Die Ministerin sagte, die Energieversorgung der Bevölkerung und die Wahrung des Naturschutzes sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden. Der Naturschutz müsse gewahrt und die Energieversorgung gesichert werden.
Regulierung von PFAS
Dr. Rainer Kraft (AfD) wollte wissen, ob es ein „Komplettverbot“ bei Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) durch die Europäische Chemikalienagentur (Echa) geben werde. Lemke sagte, die Behörde prüfe auf Initiative von fünf EU-Staaten eine Regulierung für diese Substanzen, weil eine Gesundheitsgefährdung vorliege. Einen Komplettverbotsvorschlag habe es nie gegeben. Es gehe um einen differenzierten Regelungsvorschlag. Wenn Ersatzstoffe vorliegen, müsse man in Kauf nehmen, dass sie eingesetzt werden.
Der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer kritisierte, dass ein PFAS-Verbot aus Deutschland vorangetrieben werde. Lemke sagte, man strebe an, den Gesundheitsschutz aufrechtzuerhalten. (vom/20.03.2024)
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TOP 4 Fragestunde
Im Anschluss an die Regierungsbefragung folgte am Mittwoch, 20. März 2024, die Fragestunde. Getrennt nach Ressorts beantworteten Vertreter der Bundesregierung 45 Minuten lang Fragen (20/10664), die von den Abgeordneten vorab schriftlich eingereicht worden waren.
CDU/CSU-Abgeordnete mit den meisten Fragen
34 der insgesamt 70 Fragen werden von Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion gestellt. Fraktionslose Abgeordnete der Gruppe Die Linke sind mit 18 Fragen vertreten, Abgeordnete der AfD-Fraktion mit zwölf Fragen. Vier Fragen kommen von fraktionslosen Abgeordneten der Gruppe BSW und zwei Fragen von der Abgeordneten Canan Bayram (Bündnis 90/Die Grünen). Von SPD- und FDP-Abgeordneten werden keine Fragen gestellt.
Die mit Abstand meisten Fragen, nämlich 16, richten sich an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, gefolgt vom Bundesministerium des Innern und für Heimat mit neun Fragen. Das Auswärtige Amt soll acht Fragen beantworten, das Bundesministerium der Verteidigung sechs Fragen und das Bundesministerium der Justiz fünf Fragen.
Vier Fragen gehen an das Bundeskanzleramt, je drei Fragen an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das Bundesministerium für Gesundheit, das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, das Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Zu je zwei Fragen sollen sich das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und das Bundesministerium der Finanzen äußern. Mit je einer Frage sind das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, das Bundesministerium für Digitales und Verkehr und das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen vertreten.
Was die Abgeordneten wissen wollen
…Der thüringische AfD-Abgeordnete Stephan Brandner erkundigt sich beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, was nach Ansicht der Bundesministerin Lisa Paus die Ursachen für den „mangelnden Respekt gegenüber den Senioren in Deutschland“ sind. Brandner fragt, ob die Ministerin Maßnahmen ergreifen will, um den „Respekt gegenüber der älteren Generation hierzulande zu steigern“.
Der fraktionslose nordrhein-westfälische Abgeordnete Andrej Hunko (Gruppe BSW) will vom Auswärtigen Amt wissen, bei wie vielen der knapp 30 in Russland inhaftierten Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit es sich nach Kenntnis oder Ansicht der Bundesregierung um willkürliche Festnahmen handelt und wie viele von diesen knapp 30 Personen von deutschen Diplomaten konsularisch betreut werden…
Zusatzfragen sind möglich
Jeder Abgeordnete kann vorab bis zu zwei Fragen an die Bundesregierung einreichen. Nach der regelmäßig durch einen Parlamentarischen Staatssekretär oder einen Bundesminister erfolgenden Beantwortung können der Fragesteller, aber auch andere Abgeordnete des Deutschen Bundestages Zusatzfragen stellen und so die Bundesregierung zu weiteren Stellungnahmen zwingen.
Reicht die Zeit nicht aus, werden noch nicht aufgerufene Fragen von der Regierung schriftlich beantwortet. Ebenso kann der Fragesteller vorab um schriftliche Beantwortung bitten, wenn er aufgrund der Teilnahme an einer Ausschusssitzung daran gehindert ist, seine Frage mündlich zu stellen. (vom/21.03.2024)
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ANTRAG AfD ZP 2 Steuervergünstigung für Agrardiesel
Der Bundestag hat am Mittwoch, 20. März 2024, die Forderung der AfD-Fraktion, die Steuervergünstigung für Agrardiesel (20/10055) beizubehalten, abgelehnt. In namentlicher Abstimmung votierten 554 Abgeordnete gegen den Antrag und 64 Abgeordnete haben dafür gestimmt. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (20/10469) zugrunde. Darüber hinaus haben die Abgeordneten erstmals einen Antrag beraten, den die Unionsfraktion zu dem Thema eingebracht hat (20/10721). Die Vorlage mit dem Titel „Agrardiesel-Steuerentlastung für unsere Landwirtschaft unverzichtbar“ wurde im Anschluss der Aussprache zur weiteren Beratung an den Finanzausschuss überwiesen.
Antrag der AfD
Deutsche Bauern dürften nicht „erneut belastet“ werden, heißt es in der Vorlage. Zur Gegenfinanzierung schlägt die AfD-Fraktion vor, im Einzelplan 10 des Bundeshaushalts 2024 die Mittel für den Abbau der Nutztierhaltung sowie die geplanten Mittel für die Wiedervernässung von Mooren zu streichen.
Land- und forstwirtschaftliche Maschinen seien, mit Ausnahme von alternativen Kraftstoffen, maßgeblich auf Dieselkraftstoff angewiesen, heißt es zur Begründung. Praxistaugliche Elektroantriebe existierten derzeit nicht, weshalb sich am Kraftstoffverbrauch durch eine Streichung der Steuervergünstigung für Agrardiesel nichts ändere.
Antrag der CDU/CSU
Die CDU/CSU-Fraktion fordert die Bundesregierung in einem Antrag (20/10721) auf, die Vergünstigungen beim Argardiesel dauerhaft fortzuführen. Denn die Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft befinde sich aktuell, wie auch andere Wirtschaftszweige in Deutschland, in der Krise. Während die Weltwirtschaft und die Wirtschaft in der EU wachsen würden, hinke Deutschland anderen Staaten hinterher.
Die geplante Abschaffung der Vergünstigung des Agrardiesels sei ein Schlag ins Gesicht für die Landwirtinnen und Landwirte. Die Pläne massiver Steuererhöhungen beim Agrardiesel seien eine Kampfansage der aktuellen Bundesregierung an die heimische Land- und Forstwirtschaft. (ste/irs/20.03.2024)
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ZP 10 Aktuelle Stunde – Antisemitismusbekämpfung in Bildung, Kultur und Wissenschaft
Die diesjährigen Berliner Filmfestspiele hatten am Mittwoch, 20. März 2024, ein parlamentarisches Nachspiel. Auf der Abschlussgala der Berlinale hatten mehrere Redner massiv das israelische Vorgehen im Gazastreifen kritisiert, nicht aber den auslösenden Terrorangriff der islamistischen Hamas. Für Empörung sorgte das allerdings erst im Nachgang. Auf der Gala selbst hatte es viel Applaus gegeben und keinen Widerspruch. Den gab es nun umso mehr in einer von der CDU/CSU-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde mit dem Titel „Antisemitismus in allen Erscheinungsformen aktiv bekämpfen – Keine falsche Nachsicht in Kultur, Bildung und Wissenschaft“.
CDU/CSU greift Staatsministerin Roth an
Auf der Berlinale hätten Filmemacher Israel in die Nähe von Nazi-Deutschland gerückt, stellte Dorothee Bär (CDU/CSU) fest. Das sei „unter einem ganz großen Applaus unwidersprochen“ geblieben. Die dort anwesende Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen), habe „zwei ganze Tage gebraucht, bis sie sich geäußert hat. Zwei Tage Schweigen.“
Bär kritisierte, dass es für dieses Verhalten bis heute keine Erklärung gebe und die Koalition eine Befassung des Kulturausschusses mit dem Thema verzögere. Das sei nicht hinnehmbar. Auch die ehemalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU/CSU) zeigte sich befremdet. „Es hätte ja Raum für Kritik gegeben: Kein Applaus, Zwischenrufe, Herausgehen“, erklärte sie.
Selbstkritisches aus der SPD
Von einem großen Antisemitismus-Problem im deutschen Kulturbereich sprach Simona Koß (SPD). Sie blicke mit Sorge auf das nächste Großereignis, die Leipziger Buchmesse. Kunstfreiheit sei ein hohes Gut, sagte Koß, aber „wer sich antisemitisch oder antiisraelisch äußert, muss deutlichen Widerspruch erfahren“.
Selbstkritisch zeigte sich Helge Lindh (SPD). Er habe jahrelang nur auf rechten Antisemitismus geachtet aber „nicht in gleicher Weise hingeguckt, wie er stattgefunden hat in künstlerischen, auch wissenschaftlichen Milieus“. Und auch bei Neuankommenden in Deutschland habe er, „wenn da antisemitische Töne waren, immer gerne darüber hinweggehört“. Lindh wandte sich aber auch vehement gegen die pauschale Verdächtigung von Muslimen als Antisemiten.
AfD sieht zwei Skandale
Gleich zwei Skandale konstatierte Dr. Marc Jongen (AfD) auf der Berlinale. Den ersten bei der Eröffnungsfeier in der Ausladung von AfD-Abgeordneten „wegen offenbar unerlaubter Meinungen“. Und den zweiten Skandal bei der Abschlussgala, „die diesen Club der Hypermoralisten zugleich als einen Club der Erzheuchler entlarvte“.
Die gleichen Leute, welche AfD-Politiker als Rassisten diffamierten, applaudierten heftig, wenn von der Bühne herab Israel ein Apartheidstaat genannt wird, dem keine Waffen geliefert werden dürften. „Von der AfD hätte es dafür keinen Applaus, sondern Protest gegeben“, erklärte Jongen.
Grüne: Antisemitismus mit Bildung bekämpfen
Erhard Grundl (Bündnis 90/Die Grünen) warf der AfD vor, dass sie „internationalen Antisemiten die Tore zum Bundestag aufsperrt und sie hier hofiert“, und bezichtigte sie deshalb der Heuchelei. „Ein Stück weit heuchlerisch“ nannte er auch die CSU, da sie in Bayern am Koalitionspartner Hubert Aiwanger (Freie Wähler) festhalte, trotz des Skandals um ein antisemitisches Flugblatt in seiner Schultasche.
Grundls Fraktionskollegin Marlene Schönberger (Bündnis 90/Die Grünen) wies darauf hin, dass sich antisemitische Vorfälle meist unter der Schwelle der Strafbarkeit vollzögen. Deshalb müsse man Antisemitismus in den Köpfen bekämpfen, und „das erreichen wir nur mit Bildung“. Schönberger plädierte nachdrücklich für eine baldige Verabschiedung des in der Koalition noch umstrittenen Demokratieförderungsgesetzes.
Mehr Fördermittel für Einrichtungen wie die Anne-Frank-Stiftung forderte auch Nicole Gohlke (Gruppe Die Linke). Sie wandte sich aber auch dagegen, Forderungen wie die nach einem Waffenstillstand in Gaza als Antisemitismus zu bezeichnen.
FPD fordert Konsequenzen aus Documenta-Skandal
Den Blick auf die Vorfälle bei der Kunstausstellung Documenta 2022 in Kassel richtete Annikó Glogowski-Merten (FDP). Dort war unter anderem ein riesiges Gemälde mit antisemitischen Stereotypen gezeigt und erst nach tagelangen Protesten zunächst verhüllt und dann abgehängt worden.
Glogowski-Merten kritisierte, dass daraus noch immer keine Konsequenzen gezogen worden seien, und forderte eine Aufarbeitung des „Verantwortungs-Desasters“ vor der nächsten Documenta. „Freiheit der Kunst geht immer mit Verantwortung einher“, erklärte sie.
Entsetzen über Antisemitismus an Hochschulen
„Es stimmt etwas nicht an Hochschulen in Deutschland“, stellte die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger (FDP), fest. Dies sei nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober schnell klar geworden. Es gebe an den Hochschulen „immer wieder antiisraelische Kundgebungen“, „Sympathie für den Terror der Hamas“ und „ein Klima der Angst für jüdische Studentinnen und Studenten“ stellte die FDP-Politikerin fest. Es müsse Anspruch der Politik sein, den Antisemitismus aus der Welt zu schaffen.
Auch Berlins Justizsenatorin Dr. Felor Badenberg zeigte sich entsetzt über antisemitische Vorfälle an Hochschulen. Als Konsequenz aus dem schweren Überfall auf einen Berliner Studenten, nur weil er Jude ist, kündigte sie die baldige Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes an. In solchen Fällen solle wieder der Verweis des Täters von der Hochschule ermöglicht werden. Diese Sanktion war vom Vorgängersenat abgeschafft worden. (pst/20.03.2024)
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TOP 28 Bestandsregulierung des Kormorans und der Saatkrähe
Der Bundestag hat am Mittwoch, 20. März 2024, einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Bestandsregulierung der Saatkrähe ermöglichen – Belastung für Anwohner verringern – Landwirtschaftliche Aussaat sichern“ (20/7587) abgelehnt. Die Vorlage fand gegen die Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP bei Zustimmung der Union und AfD keine Mehrheit. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (20/8482) zugrunde.
Erstmals beraten wurde ein weiterer Antrag der Unionsfraktion zu dem Thema mit dem Titel „Kormoranmanagement – Schutz von Artenvielfalt und Fischereibeständen“ (20/10619). Die Vorlage wurde im Anschluss zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz überwiesen.
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21. März 2024 (160. Sitzung)
Quelle Bundestag: Die Tagesordnung entspricht auch dann der im Bundestag, wenn die Reihenfolge der Tagesordnungen „durcheinander“ gehen. Teilweise dauert es Wochen bis die Videos zur Verfügung stehen. Sie werden eingefügt, sobald sie vorhanden sind.
TOP 7 Binnenmarkt für Digitale Dienste
Der Bundestag hat am Donnerstag, 21. März 2024, eine Regelung zum Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten verabschiedet. Die Abgeordneten haben einen entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Digitale-Dienste-Gesetz (20/10031, 20/10466 Nr. 5) in einer vom Ausschuss geänderten Fassung zur Umsetzung des Digital Services Act (DSA) der EU auf nationaler Ebene mit der Mehrheit von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen von CDU/CSU und AfD bei Enthaltung der Gruppe Die Linke angenommen. Der Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Digitales (20/10755) zugrunde und ein Bericht des Haushaltsausschusses gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung (20/10756). Mit der Beschlussempfehlung wurde eine Entschließung angenommen, die unter anderem eine Regelung zur Impressumspflicht im Digitale-Dienste-Gesetz fordert, um eine Kontaktierbarkeit über die Angabe der Wohnadresse hinaus zu ermöglichen. Darüber hinaus haben die Abgeordneten einen Gesetzentwurf zum Entschließungsantrag der CDU/CDU-Fraktion abgelehnt, der zahlreiche Änderungen bezüglich der Aufsichtsstruktur, des materiellen sowie formellen Rechts und der Forschung gefordert hat.
Minister: Netz nicht den Demokratiefeinden überlassen
Digitalminister Volker Wissing (FDP) betonte, es sei „allerhöchste Zeit“ etwas gegen die zunehmende Desinformation und Hassrede zu tun – auch mit Blick auf die Wahlen in diesem und im kommenden Jahr. Das Netz dürfe nicht „Demokratie- und Menschenfeinden überlassen“ werden, jeder Bürger müsse sich online sicher und frei bewegen können – dafür sorgten der DSA und das DDG. Wissing stellte klar, dass das DDG, den nationalen Rechtsrahmen modernisiere und sich an die mehr als 5.000 kleinen Anbieter in Deutschland richte. Die unabhängige Koordinierungsstelle in der Bundesnetzagentur sorge für mehr Transparenz, sagte er und betonte, dass diese nun ihre Arbeit schnell aufnehmen müsse.
FDP: Bestehendes Recht durchsetzen
Das sagte auch der liberale Digitalpolitiker Maximilian Mordhorst (FDP): Er stellte klar, dass es um in Deutschland ansässige Unternehmen wie etwa gutefrage.net oder chefkoch.de gehe. Bestehendes Recht werde nun durchgesetzt.
Meinungsfreiheit dürfe nicht naiv sein, so Mordhorst: „Toleranz von Intoleranz ist das gleiche wie Intoleranz“, sagte er.
Union: Ampel ist eine Stillstands-Koalition
Deutliche Kritik an den praktischen Auswirkungen des Gesetzes kam aus der Unionsfraktion. Reinhard Brandl (CDU/CSU) kritisierte, nach 834 Tagen im Amt sei dies das erste Digitalgesetz von Minister Wissing. „Diese Ampel ist keine Fortschrittskoalition, sie ist eine Stillstands-Koalition“, sagte Brandl. Deutschland sei m Jahr 2017 mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz Vorreiter beim Kampf gegen Hass im Netz gewesen, jetzt gehöre man zu den Schlusslichtern.
„Die Bundesregierung hätte eine Struktur schaffen müssen, damit Hinweise vernünftig bearbeitet werden können“, sagte Brandl. So rechne das BKA mit 720.000 Fällen, heute seien es 6.000 und fordere einen Aufwuchs von 44 auf 450 Stellen, bekomme aber keine. Das könne – auch mit Blick auf die Justiz- und Ermittlungsbehörden der Länder – nicht funktionieren, monierte Brandl. Auch sei die Ausstattung der Koordinierungsstelle aus Sicht der Union mangelhaft: „Mit 15 Mitarbeitern bei der Bundesnetzagentur macht man das Internet nicht zu einem sicheren Ort“, sagte er.
AfD kritisiert fehlende politische Unabhängigkeit
Die Abgeordnete Beatrix von Storch /AfD) sprach gar davon, dass mit dem Gesetzespaket nun „Internetzensur EU-weit“ möglich sei. Sie kritisierte die Zuständigkeit der Bundesnetzagentur und die aus Sicht ihrer Fraktion fehlende politische Unabhängigkeit der Koordinierungsstelle.
Von Storch sagte, dass diese „Zwangsgelder gegen Plattformen verhängen“ könne, die nicht genug zensierten, Ermittlungen führen dürfe und, dass Meinungsäußerungen im Internet bedroht seien. „Das Gesetz ebnet den Weg für den digitalen Polizeistaat“, so von Storch.
Grüne: Ein guter Tag für die Demokratie
Die AfD spreche „wider besseres Wissen“ von Zensur, wies die Vorsitzende des Digitalausschusses, Tabea Rößner (Bündnis 90/Die Grünen), die Kritik der Fraktion zurück. Viele Menschen zögen sich wegen zunehmend vergifteter Diskurse aus digitalen Debattenräumen zurück, deshalb sei heute ein guter Tag für die Demokratie.
„Illegale Inhalte sollen keinen Platz mehr auf Plattformen haben“, sagte Rößner und verwies darauf, dass Plattformen nun ihre algorithmischen Mechanismen transparent machen, Meldeverfahren bereitstellen und ihre Inhalte-Moderation verbessern müssten. Auch werde Verbrauchern der Rücken gestärkt. Das Gesetz flankieren müsse nun ein Gesetz gegen digitale Gewalt, betonte Rößner mit Nachdruck.
SPD: Ein Gewinn für die Grundrechte der Internetnutzer
Lob für den Entwurf und die Änderungen im parlamentarischen Verfahren kam von Detlef Müller (SPD). Das Gesetz sei ein Gewinn für die Grundrechte der Nutzer im Internet und ein Beitrag, die Meinungsfreiheit zu erhalten und zu stärken. Er begrüßte, dass die Plattformen einer stärkeren Aufsicht und Sorgfaltspflichten unterworfen würden und betonte, man könne von einem „Grundgesetz des Internets“ sprechen, für das es höchste Zeit sei.
Gruppe Die Linke: Wichtiges Werkzeug gegen Hass
Anke Domscheit-Berg (Gruppe Die Linke) betonte, dass Hass, Hetze und auch Morddrohungen digitaler Alltag seien und es „höchste Zeit“ sei, etwas gegen digitale Gewalt zu tun. Der DSA sei ein wichtiges Werkzeug dafür.
Sie verstehe daher nicht, warum die Ampel die Umsetzung so verspätet habe, dass die Bundesnetzagentur immer noch keine Rechtsgrundlage habe und nur mit einem Fünftel der nötigen Stellen ausgestattet sei. Der 300.000 Euro umfassende Forschungsetat müsse zudem dringend aufgestockt werden, forderte die Digitalpolitikerin.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Die als Grundlage dienende DSA-Verordnung reget Sorgfaltspflichten für Online-Dienste im Kampf gegen Desinformation und Hassrede im Internet und die Durchsetzung auf EU-Ebene. Der Gesetzentwurf der Regierung konkretisiert wiederum Zuständigkeiten der Behörden in Deutschland. Zuständig für die Aufsicht der Anbieter und die Durchsetzung des DSA in Deutschland soll demnach die Bundesnetzagentur sein. Diese soll eng mit den Aufsichtsbehörden in Brüssel und anderen EU-Mitgliedsstaaten zusammenarbeiten. Ergänzend sollen Sonderzuständigkeiten für die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz, für nach den medienrechtlichen Bestimmungen der Länder benannte Stellen sowie für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit geschaffen werden.
Das Gesetz soll Buß- und Zwangsgelder für Verstöße gegen den DSA regeln. Dabei werde „der vom DSA vorgegebene Spielraum für Sanktionen bei Verstößen gegen den DSA durch diesen Gesetzentwurf ausgeschöpft“, schreibt die Bundesregierung weiter. Danach können Plattformbetreiber mit bis zu sechs Prozent ihres Jahresumsatzes sanktioniert werden. Ziel des DSA ist es, ein „vertrauenswürdiges Online-Umfeld, in dem die in der EU-Grundrechtecharta verankerten Grundrechte, darunter der Verbraucherschutz, wirksam geschützt werden“ zu schaffen, heißt es im Gesetzentwurf. Dazu zähle das Entfernen von illegalen Inhalten auf Plattformen, Hassrede, aber auch gefälschten Produkten. In jedem Mitgliedstaat soll der jeweilige Koordinator für digitale Dienste auch Beschwerden von Nutzerinnen und Nutzern entgegennehmen und Zugriff auf die Daten von Online-Plattformen und Online-Suchmaschinen erhalten.
Änderungen im Ausschuss
Im parlamentarischen Verfahren hat der Ausschuss für Digitales unter anderem Anforderungen an die DSC-Leitung konkretisiert. Danach müsse die Leiterin oder der Leiter der Koordinierungsstelle über die „erforderliche Qualifikation, Erfahrung und Sachkunde insbesondere im Bereich der Geschäftsmodelle digitaler Dienste und Kenntnisse des Rechtsrahmens“ verfügen. Der Leiter dürfe weder einer Regierung des Bundes oder Landes angehören noch ein Unternehmen der Digitalwirtschaft innehaben, leiten oder Mitglied des Vorstandes oder Aufsichtsrates eines solchen sein, heißt es in der Vorlage weiter.
Auch werden in dem Änderungsantrag Details zum Beschwerdemanagement bei der Koordinierungsstelle konkretisiert: So soll diese ein leicht zugängliches und benutzerfreundliches Beschwerdemanagement-System einrichten, das „gängige Kriterien für ein modernes Beschwerdeportal“ erfülle und getroffene Entscheidungen transparent mache, heißt es darin weiter. Auch soll es einen jährlichen Bericht der Bundesregierung, erstmals zum 30. Juni 2025, über Meldungen beim BKA geben. Darin soll die Art und Anzahl der gemeldeten Straftaten erfasst sein. Dies solle insbesondere ausgewählte Straftaten etwa gegen die sexuelle Selbstbestimmung, das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die persönliche Freiheit umfassen. Zu dem geplanten 16-köpfigen Beirat bei der Koordinierungsstelle, der diese unter anderem berät und Empfehlungen vorlegen soll, heißt es im Änderungsantrag weiter, dieser solle, um seiner Tätigkeit wirksam nachgehen zu können, Informationsansprüche gegenüber der Koordinierungsstelle erhalten. Berichte, Empfehlungen, Gutachten und Positionspapiere sollen zudem frei zugänglich veröffentlicht werden.
Bundesrat fordert Länderzuständigkeit bei Datenschutz
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme (20/10281) zum Gesetzentwurf Änderungen gefordert. Die Länderkammer schlägt vor, in Artikel 1 die zuständige Behörde in Form des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) zu ersetzen durch die jeweiligen Aufsichtsbehörden der Länder. Die Länderkammer begründet dies unter anderem damit, dass die Adressaten der Verpflichtungen nach Artikel 26 und 28 des DSA ausschließlich nicht öffentliche Stellen seien, deren Datenverarbeitung der Datenschutzkontrolle durch die Datenschutzaufsichtsbehörden der Länder unterliege. Eine Zuständigkeitszuweisung an den BfDI führe „absehbar zur Aufspaltung von datenschutzrechtlichen Beschwerdeverfahren, was den Zielen der Effektivität und Rechtssicherheit“ widerspreche, führt der Bundesrat weiter aus.
Weiter fordern die Länder die Bundesregierung auf, zu prüfen, ob der Begriff der Telemedien beibehalten werden kann und nicht durch den Begriff der „digitalen Dienste“ abgelöst wird. Es bestehe die Gefahr unerwünschter Regelungslücken und Anwendungsschwierigkeiten, da der Begriff „Telemedien“ weiter gefasst sei als der Begriff der „Digitalen Dienste“ und beispielsweise auch unentgeltliche Dienstleistungen erfasse.
Meldepflicht bei Straftaten
Der Bundesrat weist weiter darauf hin, dass es im Vergleich zur aktuellen Rechtslage zu „regulatorischen Rückschritten“ bei der Meldung strafbarer Inhalte durch die Plattformbetreiber an die Strafverfolgungsbehörden und beim Löschen strafbarer Inhalte auf Online-Plattformen kommen werde. Artikel 18 des DSA sehe eine Meldepflicht nur bei Straftaten vor, die eine Gefahr für das Leben oder die Sicherheit von Personen darstellen, nicht aber bei Straftaten gegen die öffentliche Ordnung, schreibt der Bundesrat. Zudem sei keine klare sanktionsbewehrte fristgebundene gesetzliche Löschpflicht für Plattformbetreiber bei gemeldeten rechtswidrigen Inhalten vorgesehen. Es solle daher geprüft werden, wie wirksame Sanktionsmöglichkeiten geschaffen werden können.
Die Bundesregierung lehnt in ihrer Gegenäußerung die erste Forderung ab und kündigt an, weitere Punkte prüfen zu wollen. Die Gefahr unerwünschter Regelungslücken oder Anwendungsschwierigkeiten sei nicht gegeben. Soweit der Anwendungsbereich des DSA betroffen sei, bestehe kein Spielraum, ergänzende oder abweichende nationale Vorschriften zu erlassen. Dies betreffe auch die Meldepflicht für strafbare Inhalte, heißt es in der Gegenäußerung. (lbr/21.03.2024)
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TOP 8 Bezahlkarte
In erster Lesung hat sich der Bundestag am Donnerstag, 21. März 2024, mit einem Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion befasst, mit dem durch Änderungen am Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erreicht werden soll, eine Bezahlkarte für Asylsuchende bundesweit rechtssicher einzuführen. Der Gesetzentwurf wurde im Anschluss der Beratung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen. Während die Unionsfraktion die Debatte für eine Grundsatzkritik an der Politik der Ampel-Koalition nutzte und vor allem die Grünen dabei angriff, verteidigten sich letzte vehement gegen den Vorwurf der Blockade und argumentierten im Detail, warum aus ihrer Sicht bestimmte Dinge geklärt werden müssen, bevor ein Bundesgesetz geänderte werde.
CDU/CSU: Grüne wollen die Bezahlkarte nicht
Stephan Stracke (CDU/CSU) griff vor allem die Grünen an: „Seit Monaten blockieren die Grünen die rechtssichere Einführung der Bezahlkarte. Das ist skandalös.“
Die Partei verzögere eine bundeseinheitliche Gesetzgebung, weil sie „in Wahrheit die Bezahlkarte nicht will, weil sie die Zuzugsanreize nicht senken will“, so Stracke. Der Kanzler stehe aber bei den Ländern in der Pflicht und müsse seine Koalition endlich in den Griff bekommen.
SPD: Pull-Faktoren sind wissenschaftlich längst widerlegt
Rasha Nasr (SPD) griff ihrerseits die Unionsfraktion scharf an. Diese führe in Dauerschleife eine migrationsfeindliche Debatte nach der anderen „ohne neuen Erkenntnisgewinn.“
Sie forderte die Union auf: „Erkennen Sie endlich an, dass wir nicht über die, wissenschaftlich längst widerlegten, sogenannten Pull-Faktoren reden müssen, sondern über die Stay-Faktoren!“ Die wichtigere Frage sei doch, was die Menschen vor Ort bräuchten, damit Integration gelingen könne und die dringend benötigten Fachkräfte auch kommen wollten.
Grüne: Taschengeld für die Klassenfahrt
Andreas Audretsch (Bündnis 90/Die Grünen) listete auf, in welchen Kommunen die Bezahlkarte bereits eingesetzt wird, und dies erfolgreich, wie er betonte. „Genau das ist der Weg, den man gehen kann, das ist das, was wir Grüne wollen.“
Am Gesetzentwurf der Unionsfraktion erkenne man vor allem eines, nämlich wie ein ideologischer Blick vernünftige Lösungen verhindere. Rechtssicherheit sei schon heute möglich, so Audretsch. Er betonte, es müsse am Ende darum gehen, dass auch mit der Bezahlkarte Integration vor Ort diskriminierungsfrei gelingen kann. „Es muss sichergestellt werden, dass Kinder ein Taschengeld für die Klassenfahrt haben und dass Familien im Secondhandladen einkaufen können.“
FDP: Verwaltung endlich digitalisieren
Pascal Kober (FDP) betonte, man müsse endlich mit der digitalisierten Verwaltung vorankommen, angesichts der vielen Mitarbeiter, die in den kommenden Jahren in Rente gehen werden. Dazu gehöre auch die Bezahlkarte. Der Unionsentwurf führe nicht dazu, hier schneller voranzukommen.
Stephan Thomae (FDP) verwies darauf, dass in größeren Städten ein Bezahlen mit Karte fast überall möglich und die Bezahlkarte deshalb nicht diskriminierend sei. Wo dies in ländlichen Regionen schwierig sei, müssten vor Ort Lösungen gefunden werden, sagte er.
AfD: Keine Asylverfahren für jene aus Drittstaaten
Roger Beckamp (AfD) hinterfragte die migrationspolitischen Ansätze der Union, die offenbar, wie die AfD, auch davon ausgehe, dass Millionen Menschen nicht wegen einer Schutzbedürftigkeit, sondern wegen anderer Anreize nach Deutschland kommen.
Anders könne man es nicht verstehen, wenn die Union argumentiere, eine Bezahlkarte halte Menschen in großem Stil von der Flucht ab. Für die Geflüchteten, die in Deutschland nur geduldet sind, forderte er erneut striktere Abschiebungen. Außerdem dürfe es keine Asylverfahren mehr für jene geben, die aus sicheren Drittstaaten einreisen.
Gruppe Die Linke: Bezahlkarte schafft Probleme
Clara Bünger (Gruppe Die Linke) sagte, der Entwurf der Union gehe weit über das hinaus, was Bund und Länder im November vereinbart hätten und sei das Gegenteil von Rechtssicherheit. In der Praxis schränke die Bezahlkarte nämlich sehr stark ein, was und wo man etwas einkaufen kann.
„Das führt zu großen Problemen“, sagte sie und verwies als Beispiel auf die Inanspruchnahme anwaltlicher Leistungen, die eventuell behindert werden könnten, wenn Kanzleien die Karte nicht akzeptieren.
Gesetzentwurf der Union
Die Unionsfraktion verweist in ihrem Gesetzentwurf auf die Besprechungen von Bund und Ländern vom 6. November 2023, bei denen Einigkeit darüber bestanden habe, Barauszahlungen an Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG weiter einzuschränken und damit den Verwaltungsaufwand bei den Kommunen zu minimieren. Hierzu sollten bundesweit Leistungen durch die Ausgabe von Bezahlkarten gewährt werden können. Notwendigen gesetzlichen Anpassungsbedarf im AsylbLG wollte die Bundesregierung zeitnah auf den Weg bringen, schreibt die Fraktion und kritisiert, dass dies bis heute nicht geschehen ist.
Das AsylbLG soll nach dem Vorschlag der Abgeordneten so geändert werden, dass unabhängig von der Form der Unterbringung die Leistungserbringung auch in Form einer Bezahlkarte möglich sein soll. Angesichts des aktuellen Zustroms von Asylbewerbern, der die Kommunen überfordere, sei es angezeigt, Leistungen nach dem AsylbLG in Form von Sachleistungen oder mittels Bezahlkarte zu erbringen. Werde hiervon nicht hinreichend Gebrauch gemacht, solle in Zukunft ein entsprechender Vorrang im AsylbLG festgeschrieben werden, „um Anreize für die ungesteuerte Asylmigration nachhaltig zu verringern“, schreibt die CDU/CSU-Fraktion. (che/sto/21.03.2024)
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ANTRAG AfD TOP 9 Folgen der sozial-ökologischen Transformation
Der Bundestag hat am Donnerstag, 21. März 2021, ausgiebig über die Antwort der Bundesregierung (20/9192) auf eine Große Anfrage der AfD-Fraktion (20/7141) zum Thema „Voraussetzungen und Folgen der sogenannten sozial-ökologischen Transformation“ debattiert. Die Abgeordneten hatten gefragt, welche Aufgabe der Markt in der sozial-ökologischen Marktwirtschaft übernimmt, auf die sich die Bundesregierung laut Jahreswirtschaftsbericht 2022 (20/520) bezieht.
Auf der Tagesordnung des Parlaments stand außerdem ein Antrag, den die AfD-Fraktion erstmals zu dem Thema eingebracht hat. Die Vorlage mit dem Titel „Unsere Wirtschaft, unser Mittelstand – Keine kalten Enteignungen im Namen der sogenannten sozialökologischen Transformation“ (20/10729) wurde im Anschluss an die Aussprache zur weiteren Beratung an den federführenden Wirtschaftsausschuss überwiesen.
AfD moniert „kalte Enteignungen“
Enrico Komning (AfD) sagte in der Debatte, dass die Art und Weise, wie die Bundesregierung vorgebe, was und wie produziert werde, habe mit Marktwirtschaft nichts mehr zu tun, „sondern mehr mit neosozialistischer Planwirtschaft“.
Die Freiheit der Menschen werde durch die Regierung bedroht. Die „mutwilligen Erhöhungen“ der Energiepreise oder das Heizungsgesetz seien „kalte Enteignungen“. Dabei sei das Eigentum die Grundlage von Freiheit. „Deshalb auch unser flankierender Antrag, um unser aller Freiheit zu schützen“, schloss Komning…
Antwort der Bundesregierung
Im sozial-ökologischen Ordnungsrahmen ist nach Darstellung der Bundesregierung (20/9192) der Marktmechanismus „nach wie vor Treiber von Wettbewerb und Innovation sowie das zentrale Instrument für eine effiziente Allokation knapper Ressourcen“.
Der Umbau der Wirtschaft zu einer klimaneutralen und nachhaltigen Produktionsweise erfordere Innovationen, eine Modernisierung des Kapitalstocks und Arbeitskräfte mit zum Teil hohen und neuen Kompetenzen, erläutert die Bundesregierung. Dies stelle insbesondere kleine und mittlere Unternehmen vor Herausforderungen.
Hoher Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften
Die Erreichung von Klimaneutralität in Deutschland sei zudem mit signifikanten zusätzlichen Investitionen verbunden, heißt es: „Studien zufolge liegen diese Investitionen mindestens in einer Größenordnung im hohen zweistelligen Milliardenbereich pro Jahr.“
Auf die Frage der AfD-Fraktion, welche Auswirkungen die sozial-ökologische Transformation auf den Arbeitsmarkt haben wird, heißt es in der Antwort, dass sich dies im Zusammenspiel mit Digitalisierung und demografischer Entwicklung vor allem durch einen hohen Bedarf an qualifizierten Fachkräften auswirken werde. Daher liege der Schwerpunkt der Bundesregierung auf Maßnahmen, die ein ausreichend qualifiziertes Arbeitsangebot unterstützen.
Antrag der AfD
In einem Antrag (20/10729) fordert die AfD-Fraktion die Bundesregierung dazu auf, das „Projekt der ’sozial-ökologischen Transformation‘ unverzüglich zu beenden“. Des Weiteren seien sämtliche „Eingriffe“ in das Privateigentum an den Produktionsmitteln, die im Namen der Transformation erfolgen, zu unterlassen und bereits erfolgte Eingriffe unverzüglich rückgängig zu machen. Zur Begründung ihrer Forderungen schreibt die AfD-Fraktion in ihrem Antrag, dass die Bundesregierung bei der „sozial-ökologischen Transformation“ ähnlich vorgehe wie seinerzeit die sozialistische Regierung in Ostdeutschland. „Durch verschiedene Maßnahmen, zum Beispiel die planmäßige Anhebung des CO2-Preises, soll die ‚Transformation der Industrie und speziell des verarbeitenden Gewerbes‘ forciert werden“, schreiben die Abgeordneten. Es handele sich hierbei um „kalte Enteignung“.
Des Weiteren fordern die Abgeordneten, dass sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene , „einschließlich der Androhung und gegebenenfalls Umsetzung eines Euro-Austritts“, dafür einsetzt, dass sich die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank an der Gewährleistung von Geldwertstabilität orientiert. Damit solle Planungssicherheit für industrielle und realwirtschaftliche Betriebe gewährleistet und „die dauerhafte Schädigung der deutschen Wirtschaft und insbesondere des Mittelstands“ beendet werden. (vom/emu/irs/21.03.2024)
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22. März 2024 (161. Sitzung)
ZP 9 Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes
Wer in einem Unternehmen zum Betriebsrat gewählt wird, übernimmt ein unentgeltliches Ehrenamt. Betriebsräte sind von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt, sie dürfen nicht weniger verdienen „als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung“. Sie dürfen „wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden“, wie es im Betriebsverfassungsgesetz heißt.
Die Bundesregierung will diese gesetzlichen Vorgaben nun weiter präzisieren. Ihren Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes (20/9469, 20/9875) hat der Bundestag am Freitag, 22. März 2024, erstmals beraten und im Anschluss zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Die Bundesregierung will diese gesetzlichen Vorgaben nun weiter präzisieren und hat dazu eine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes (20/9469, 20/9875) in den Bundestag eingebracht, die am Freitag in erster Lesung beraten wurde. Anlass ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. Januar 2023 (Aktenzeichen: 6 StR 133/22), das in der Praxis zu Rechtsunsicherheiten und vermehrt zu präventiven Kürzungen von Betriebsratsvergütungen geführt hat. Laut BGH kann es den strafrechtlichen Tatbestand der Untreue erfüllen, wenn der Arbeitgeber gegen das Begünstigungsverbot verstößt. Dieser Verunsicherung will die Regierung nun mit der Gesetzesnovelle abhelfen.
Dazu ist vorgesehen, den Paragrafen 37 des Betriebsverfassungsgesetzes zu ergänzen, indem der Begriff „vergleichbarer Arbeitnehmer“ konkretisiert wird. Maßstab für die Entlohnung wie bei einem vergleichbaren Arbeitnehmer soll der Zeitpunkt sein, zu dem das Betriebsratsamt übernommen wurde, es sei denn, eine spätere Neubestimmung ist sachlich begründet. Arbeitgeber und Betriebsrat sollen in einer Betriebsvereinbarung „vergleichbare Arbeitnehmer“ definieren können. Kommt eine solche Betriebsvereinbarung zustande, soll sie nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden können.
Ergänzt werden soll auch der Paragraf 78 durch den Hinweis, dass eine Begünstigung oder Benachteiligung im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vorliegt, wenn das Betriebsratsmitglied die betrieblichen Anforderungen dafür erfüllt.
Minister: Betriebsräten den Rücken stärken
In der Debatte sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der Gesetzentwurf sorge für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Er gehe auf Vorschläge einer von ihm eingesetzten Fachkommission zurück, nachdem unterschiedliche Rechtsprechungen von BGH und Bundesarbeitsgericht für Unsicherheit in den Betrieben gesorgt hätten.
Heil würdigte die Arbeit der mehr als 100.000 Betriebsräte in Deutschland: „Wer sich für Demokratie einsetzt, darf nicht der Dumme sein.“ Es gehe darum, den Betriebsräten den Rücken zu stärken. Es dürften ihnen keine beruflichen Nachteile durch das Amt entstehen, weil sonst nicht in ausreichender Zahl Betriebsräte gefunden würden.
AfD: Vetternwirtschaft weiterhin möglich
Aus Sicht von Gerrit Huy (AfD) erinnerte an vergangene „Korruptionsaffären“ bei Volkswagen und Siemens. „Vetternwirtschaft“ sei nach wie vor möglich, die Staatsanwaltschaft dürfe nicht tätig werden. Auch bei „offensichtlicher Begünstigung“ von Betriebsräten sei nicht zu erwarten, dass Anzeige erstattet wird. Ob durch den Gesetzentwurf Rechtssicherheit erreicht hat, werde die Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales klären.
Susanne Ferschl (Gruppe Die Linke) begrüßte den Gesetzentwurf. Sie hätte sich nach eigener Aussage mehr gewünscht, etwa dass bei der Vergütung sämtliche Qualifikationen und die Amtsdauer berücksichtigt werden. (vom/22.03.2024)
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ANTRAG AfD TOP 8 Maßnahmen für bezahlbares Bauen und Wohnen
Der Bundestag hat am Freitag, 22. März 2024, einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/8523) mit dem Titel „Deutschland aus der Baukrise führen – Jetzt wirksame Maßnahmen für bezahlbares Bauen und Wohnen ergreifen“ abgelehnt. Auf Empfehlung des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen (20/10754) stimmten dem Unionsantrag nur die Antragsteller zu. Die Koalitionsfraktionen lehnten ihn ab, die AfD-Fraktion enthielt sich.
Einen Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Erfolgsmodell Einfamilienhaus stärken – Eigentum, Freiheit und Familien massiv fördern“ (20/10728) überwies der Bundestag zur weiteren Beratung an den federführenden Finanzausschuss…
AfD: Verantwortungslose Regierungspolitik
Marc Bernhard (AfD) sagte, in Deutschland fehlten seit Jahren zwei Millionen bezahlbare Wohnungen, die Situation werde immer dramatischer für Menschen in den Ballungsräumen und vor allem für Familien mit Kindern. Der Traum von den eigenen vier Wänden sei für viele inzwischen unerreichbar. Deutschland habe mit 42 Prozent die niedrigste Wohneigentumsquote in der EU. Der Durchschnitt in der EU liege bei über 70 Prozent. Ursache dafür sei die „unfähige Regierungspolitik“ der Ampel.
Die Regierung tue alles dafür, so der AfD-Abgeordnete, dass Bauen und Wohnen immer teurer und unattraktiver werde. Steueränderungen wie die Grundsteuerreform zwängen viele, ihr Wohneigentum zu verkaufen. Habecks Heizungsgesetz führe zur faktischen Enteignung vieler Eigenheimbesitzer. Ursächlich dafür sei eine „verantwortungslose Regierungspolitik der letzten Jahrzehnte“, sagte Bernhard.
Antrag der Unionsfraktion
Die Unionsfraktion nennt die Lage der Baubranche in ihrem Antrag „dramatisch“. Die Baugenehmigungszahlen brächen flächendeckend ein, die Auftragsbücher der Unternehmen liefen leer und Projekte würden reihenweise storniert. In der Branche gebe es bereits Kurzarbeit und Entlassungen, erste Betriebe meldeten Insolvenz an.
Die dramatische Lage der Bauwirtschaft wirke sich unmittelbar auf den Wohnungsmarkt aus und führe dort „zu steigenden Mieten und gesellschaftlichen Spannungen“, schreiben die Abgeordneten. Leidtragende seien viele Hunderttausende Menschen, die auf der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung seien.
„Bauministerium fehlen Zuständigkeiten“
Ein weiteres Problem sieht die CDU/CSU-Fraktion darin, dass die Bundesregierung das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) nicht mit den notwendigen Zuständigkeiten ausgestattet habe, um bezahlbares Bauen und Wohnen wirklich voranzubringen.
So liege nur die Neubauförderung in den Händen des BMWSB, während für die Sanierungsförderung das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zuständig sei. Zudem würden zahlreiche Förderprogramme von der staatlichen KfW-Bankengruppe verwaltet, für die wiederum das Bundesfinanzministerium zuständig sei.
Sonderabschreibung für den sozialen Wohnungsbau
Die Abgeordneten forderten die Bundesregierung unter anderem im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel auf, im Bereich steuerlicher Maßnahmen eine Sonderabschreibung für den sozialen Wohnungsbau einzuführen, wonach Unternehmen Mietbegrenzungen garantieren. Außerdem verlangt die Unionsfraktion die steuerliche Förderung und einen auf vier Jahre befristeten fünfprozentigen Abzug für Eigentümer, die selbstgenutztes Wohneigentum neu bauen.
Den Ländern sollte die Möglichkeit gegeben werden, bei der Grunderwerbsteuer einen Freibetrag von 250.000 Euro pro Erwachsenem und 150.000 Euro pro Kind für den Ersterwerb von selbstgenutztem Wohneigentum einzuführen. Für Familien mit geringen und mittleren Einkommen sollten beim erstmaligen Erwerb von selbstgenutzten Immobilien staatlich abgesicherte Mietkaufmodelle entwickelt werden.
„Belastungsmoratorium ausrufen“
Darüber hinaus müsse es massive Kostensenkungen geben. Dazu sei ein Belastungsmoratorium auszurufen: Neue Regeln müssten auf verteuernde Auswirkungen des Bauens überprüft werden. Bis Ende 2027 dürften keine neuen Vorschriften erlassen werden, die das Bauen unnötig verteuern oder verlangsamen.
Die kürzlich beschlossene Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (Heizungsgesetz) sei zurückzunehmen und ein verbindliches Förderkonzept vorzulegen, das die rechtlichen Verpflichtungen nach dem Gebäudeenergiegesetz sozial flankiert und wirtschaftliche Überforderungen vermeidet.
„Kostensenkungspotenziale erschließen“
Darüber hinaus sei die Vereinheitlichung der Landesbauordnungen voranzutreiben, um damit die Kostensenkungspotenziale des seriellen und modularen Bauens etwa mit Typengenehmigungen zu erschließen.
Schließlich sollten beim Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen alle Zuständigkeiten konzentriert werden, „die notwendig sind, um die Themen Bauen, Wohnen und Sanieren wirkungsvoll voranzubringen“, heißt es in dem Antrag.
Antrag der AfD-Fraktion
Die AfD-Fraktion fordert in ihrem Antrag (20/10728) eine stärkere Förderung selbstgenutzten Wohnraums. So sollten Steuerzahler einmalig über einen Zeitraum von zehn Jahren „linear alle Bau- beziehungsweise Kaufkosten selbstgenutzten Wohneigentums bis zu einer Höchstgrenze von 200.000 Euro steuerlich wirksam absetzen“ können sollen.
Die Abgeordneten wollen ferner die Grundsteuer sowie die Grunderwerbsteuer bei Immobilien zu eigenen Wohnzwecken abschaffen. Für weitere Erwerbszwecke solle eine bundesweit einheitliche Obergrenze von 3,5 Prozent bei der Grunderwerbsteuer gelten. Der Ausfall der Grundsteuereinnahmen solle den Kommunen ersetzt werden, so die Fraktion. (vom/nki/bal/22.03.2024)
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ZP 10 Rentenversicherungspflicht v. Bundestagsabgeordneten
Der Bundestag hat sich am Freitag, 22. März 2024, erstmals mit der Forderung nach einer Eingliederung von Bundestagsabgeordneten in die gesetzliche Rentenversicherung befasst. Die Fraktion der AfD hat dazu einen Antrag mit dem Titel „Politikerpensionen reformieren – Aufnahme der Bundestagsabgeordneten in die gesetzliche Rentenversicherung“ (20/10730) eingebracht. Im Anschluss an die Aussprache wurde die Vorlage an den Geschäftsordnungsausschuss zur weiteren Beratung überwiesen.
Antrag der AfD
Konkret verlangen die Abgeordneten, dass der Bundestag eine interfraktionelle Arbeitsgruppe einsetzt, die bis zum Jahresende einen Gesetzentwurf ausarbeitet. Darin soll die Altersversorgung der Abgeordneten in einem „Bausteinmodell“ neu strukturiert werden. Die künftige Altersversorgung der Bundestagsabgeordneten in der gesetzlichen Rentenversicherung soll nach dem Willen der Fraktion „im Ganzen eine angemessene Versorgung“ gewährleisten, die Unabhängigkeit der Abgeordneten sicherstellen und zukünftig leistungsfähig, hinsichtlich der Aufwendungen transparent und praktikabel organisiert sein.
Während das Sicherungsniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung auf weniger als 50 Prozent abgesunken sei, ermögliche die Altersentschädigung für Abgeordnete eine im Vergleich dazu großzügige Altersversorgung, stellt die Fraktion fest. Bereits nach einer vierjährigen Wahlperiode bestehe ein Altersentschädigungsanspruch von etwa 1.032 Euro, was dem Siebenfachen der Rentenanwartschaft eines gesetzlich Rentenversicherten mit einem Durchschnittsentgelt für den gleichen Zeitraum entspreche. Es sei ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, Wähler und gewählte Abgeordnete im gleichen Alterssicherungssystem zu versichern, heißt es in dem Antrag. (vom/eis/22.03.2024)
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TOP 16 Meinungsfreiheit an Schulen
In einer hitzigen Debatte hat sich der Bundestag am Freitag, 22. März 2024, auf Verlangen der AfD mit der Meinungsfreiheit an Schulen befasst. Anlass der Aktuellen Stunde war ein Polizeieinsatz an einem Gymnasium in Ribnitz-Damgarten, bei dem es um Inhalte in den sozialen Medien ging. Im Parlament sorgte der Fall für einen heftigen Schlagabtausch zwischen der AfD und den übrigen Fraktionen. Die AfD warnte während der Plenardebatte vor einem „Überwachungsstaat“. Die Fraktion verbreite Fake News und instrumentalisiere den Fall für eine „orchestrierte Hetzkampagne“ gegen den demokratischen Rechtsstaat, hielten die übrigen Fraktionen dagegen.
Ende Februar hatte der Schulleiter des Gymnasiums die Polizei verständigt, nachdem er Hinweise erhalten hatte, eine 16-Jährige verbreite rechtsextreme, mutmaßlich staatsschutzrelevante Inhalte in sozialen Medien. Der Verdacht bestätigte sich nicht, die Polizei ließ das Mädchen jedoch für ein Aufklärungsgespräch aus dem Unterricht holen. Der Vorfall sorgte für Aufsehen, auch, weil es unterschiedliche Darstellungen über den Inhalt der Social-Media-Posts gab.
AfD sieht „rote Linie überschritten“
Die AfD übte heftige Kritik am Vorgehen von Schule und Polizei. „Hier wurde deutlich eine rote Linie überschritten“, sagte Leif-Erik Holm (AfD). Die Schülerin sei „mit der ganzen Macht des Staates drangsaliert“ worden. Das sei einer Demokratie „absolut unwürdig“.
Kinder und Heranwachsende in diesem Land müssten „frei aufwachsen“ können, forderte Holm. Deutschland brauche keine „Duckmäuser“, so der AfD-Abgeordnete, sondern „freie, selbstredende Menschen“.
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