MÜNCHEN / ALTÖTTING – AfD-Altötting unterstützt Klage gegen Testzwang bei Schülern: Innerhalb von zwei Tagen dreht der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Testzwang für Schulkinder in sein Gegenteil, aber um welchen Preis?
Am Samstag, den 10.4.2020 veröffentlichte die Staatsregierung ihre Ergänzung zur Infektionsschutzrahmenverordnung und faßte den § 18 neu. In diesem wird allen Schulkindern ein Testzwang als Voraussetzung für eine Teilnahme am Präsenzunterricht auferlegt. Das Landratsamt Altötting übernahm diese Vorgabe in einem eigenen Amtsblatt. Bereits am Tag darauf, dem Sonntag, den 11.4. wurde mit Unterstützung der AfD-Mandatsträger im Landkreis Altötting hiergegen Klage am Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BAyVGH) erhoben. Am Dienstag den 13.4. hatte das Gericht bereits ein Urteil in einem Eilverfahren zu diesem Thema veröffentlicht, dazu aber nicht die von der AfD unterstützte Klage zur Grundlage genommen, sondern die Einreichung eines anderen Klägers.
Das Urteil und seinen Begründung lassen einem die Haare zu Berge stehen! Weniger vielleicht in seiner positiven Wirkung, sondern vielmehr die Art und Weise, wie es zusammegeschustert wurde. Alleine schon das macht es zu einem echten Dokument der Zeitgeschichte, denn es zeigt, wie sehr sich das oberste bayerische Verwaltungsgericht anstrengen muß, um auch nur noch die Fassade der Rechtmäßigkeit aufrechtzuerhalten.
Um zu seinem Urteil zu gelangen, wiederholt das Gericht in Randnummer 15 und 16 einfach die Behauptungen der Staatsregierung und übernimmt diese größtenteils ungeprüft als Voraussetzung und Grundlage für sein Urteil. Das ist schon deswegen höchst fragwürdig, weil es damit die Rechtsauffassung von vor einem Jahr perpetuiert, als das Auftreten von Covid-19 neu und seine Wirkung unbekannt und zu einem großen Teil übertrieben war. Daß dies auch anders geht und nach einem Jahr eine Neubewertung zu erfolgen hat, hat vor wenigen Tagen das oberste Verwaltungsgericht in Lüneburg gezeigt.
Ganz absurd wird es dann bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Im diametralen Gegensatz zur Einschätzung von Virologen, wie z.B. dem Virologen Drosten hält das Gericht Schnelltests für die Früherkennung von Infektionen bei der Geeignetheitsprüfung als geeignet an und spekuliert unter Randnummer 23 des Urteils, daß „mit hoher Wahrscheinlichkeit besonders ansteckende Menschen mit hoher Viruslast schnell detektiert
werden können“ . Damit sieht das Gericht Schnellfests als „geeignet“ an, die gemäß Drosten tatsächlich aber „Zwischen 40 Prozent und 60 Prozent der Infektionen … übersehen„.
Noch absurder wird es dann, wenn das Gericht angesichts der Tatsache, daß die Staatsregierung in § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV hineingeschrieben hat, daß „Die Teilnahme am Präsenzunterricht … ist … nur erlaubt, wenn“ „…müssen vorgenommen werden…“ bzw. „…haben die Schüler vorzuzeigen…“ und das Gericht unter Randnummer 24 dann zum Schluß kommt „Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Maßnahme ist entscheidend, dass… die Teilnahme an den Testungen … ausschließlich freiwilliger Natur ist.“ und die Argumentation dann dort abbricht und diese „Freiwilligkeit“ daraus abzuleiten glaubt, daß zur Verarbeitung von Gesundheitsdaten gemäß DSGVO nur bei Einwilligung möglich ist!
Auf die Spitze treibt das Gericht den Fall dann bei der Angemessenheitsprüfung:
Ob die Pflicht, ein negatives Testergebnis in der Schule vorzeigen zu müssen, bereits eine „Datenverarbeitung“ im Sinne von Art. 9 DSGVO darstellt ist mehr als fragwürdig. Dann aber auf die Idee zu kommen aus der Gesetzesbegründung der DSGVO herauszukramen, daß die Einwilligung zur Abgabe und Verarbeitung von Daten auf einem freien Willensentschluß zu beruhen hat und gleichzeitig den Teil der Vorschrift aus der Art. 9 Abs. 2 i) DSGVO völlig zu ignorieren, wo „die Verarbeitung ist aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit, wie dem Schutz vor schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren“ im vorliegenden Fall nämlich ausdrücklich erlaubt wird, und hierfür auch noch die Begründung anzuführen „Ob der Verordnungsgeber auch sonstige Gründe nach Art. 9 Abs. 2 GDVO, welche eine Verarbeitung der Gesundheitsdaten auch gegen den Willen der Betroffenen erlauben würden, in Erwägung gezogen hat, lässt sich der Begründung der Verordnung nicht entnehmen und muss deshalb im Rahmen der Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren außer Betracht bleiben.„, all das läßt einem nur noch staunend zurück.
Eine weitere spannende Frage wäre, ob das BayVGH überhaupt noch Gewaltenteilung praktiziert, wenn er Verordnungen der Staatsregierung in das Gegenteil von deren Wortlaut verkehrt, statt die Verordnung aufzuheben.
Ausweislich der Tatsache, daß die Vorschrift am Samstag, den 10.4. veröffentlicht wurde und angesichts der Tatsache, daß das Urteil über diese Vorschrift am Dienstag, den 13.4. bereits online gestellt wurde und einige Rechtschreibfehler, wie z.B. „GDVO“ statt „DSGVO“, oder „März“ statt „April“ und Formatierungsfehler enthält, wird man wohl richtig liegen, wenn es bei dem Urteil in erster Linie darum ging möglichst schnell Fakten zu schaffen, egal um welchen Preis.
Nebenbei ist zu erwähnen, daß der Kläger die Kosten zu tragen hat, weil sein Begehren ja offiziell abgelehnt wurde!
Dieses Urteil verdient es aber, genauer analysiert zu werden:
Verordnung der Staatsregierung legt wörtlich einen Testzwang für Schüler fest
Vorschriften müssen im Öffentlichen Recht eindeutig und bestimmt sein und so klar und deutlich verfaßt werden, daß sich dem Bürger ohne daß dieser lange darüber nachdenken muß von selbst erschließen.
- haben die Schülerinnen und Schüler zu Beginn des Schultages über ein schriftliches oder elektronisches negatives Ergebnis eines PCR- oder POC-Antigentests zu verfügen und dieses auf Anforderung vorzuweisen oder
- müssen in der Schule unter Aufsicht einen Selbsttest mit negativem Ergebnis vorgenommen haben.
Aus der Vorschrift kann entnommen werden, daß die Staatsregierung glasklar einen Zwangstest vorsieht. „Die Teilnahme am Präsenzunterricht …. ist Schülerinnen und Schülern nur erlaubt, wenn…“ ist unmöglich anders zu verstehen, als als Zwangstest, für den es keine Ausnahmen gibt.
Jeder, der diesen Test verweigert, wird also in den Distanzunterreich geschickt.
Merkwürdige Argumentation der Staatsregierung vor Gericht
Interessant ist dann auch die sich aus dem Urteilergebende Argumentation der Staatsregierung, um diesen Zwang und die Separierung der nicht testenden Kinder umzusetzen. In einem ersten Schritt argumentiert die Staatsregierung – und das wird viele Eltern „erfreuen“ – , daß es zwar eine Schulpflicht gebe, nicht aber eine Recht auf Präsenzunterricht:
Nach dem Argument, daß Präsenzunterricht und Distanzunterricht quasi das selbe seien, wird einfach behautet, daß es „keine Nachteile“ gebe, wenn man sich nicht testen kann, da ja Präsenz- und Distanzunterricht das selbe seien.
Da also Präsenzunterricht und Distanzunterricht juristisch das selbe seien,
Folglich erfüllen die Schüler ihre Schulpflicht, wenn sie am Distanzunterricht teilnehmen und das gilt ach denn, wenn es – wegen Lehrermangels – gar keinen Distanzunterricht gibt. Mit anderen Worten: Der Staat schafft formell eine andere, „geleichwertige“ Beschulungsart und verweigert – aus Lehrermangel, den er jetzt schon kennt – eine „gleichwertige“ inhaltliche Ausgestaltung.
Staatsnötigung Distanzunterricht
Der Staat definiert den Tatbestand der Nötigung in § 240 StGB Abs. 1 wie folgt:
Der von der Staatsregierung verordnete Testzwang erfüllt mit mindestens die meisten der darin aufgeführten Tatbestandsmerkmale:
„Empfindliches Übel“
Die Staatsregierung setzt den Test durch den Zwang durch, daß das Kind im Falle einer Weigerung den Test durchzuführen, zu Hause bleiben muß.
- Erstens definiert der Staat damit den Aufenthaltsort des Kindes.
- Zweitens definiert der Staat Art und Weise der Aufgabenerledigung durch das Kind
- Drittens schneidet der Staat das Kind von seinem sozialen Umfeld ab und greift damit in dessen soziale Entwicklung ein
- Viertens greift der Staat damit in den Tagesablauf der Eltern ein
- Fünftens setzt der Staat explizit darauf, den Wissenstransfer und/oder den Wissensaufbau mindestens teilweise durch die Eltern durchführen zu lassen und damit die Eltern ohne sie gefragt zu haben und entgegen deren Willen als unbezahlte Hilfslehrer ein und zieht sich selbst auf die Position des Lehremangels zurück, obwohl es Aufgabe des Staates ist, für ausreichendes Lehrpersonal Sorge zu tragen. Ja es ist nicht einmal der Versuch erkennbar, Lehrpersonal für diesen Distanzunterricht abzustellen.
Schon diese fünf Punkte belegen, daß ein Distanzunterricht nicht etwa nur eine mögliche Alternative zum Präsenzunterricht ist, sondern ein Nachteil, ein Übel auf dessen Eintreten der Staat einen Einfuß hat.
„Drohung“
Das Tatbestandsmerkmal der „Drohung“ ist üblicherweise wie folgt definiert:
All das ist beim Abschneiden des Kindes vom Lehrinhalt in der Klasse der Fall, zumal der Staat ja selbst zugibt – mangels Lehrer – für den Distanzunterricht einen vergleichbaren Transfer von Lehrinhalt nicht bereitstellen zu können.
„zu einer Handlung nötigt“
„rechtswidrig“
Zusammenfassend kann diese Vorschrift der Staatsregierung bei kleinen Kindern einen Testzwang umzusetzen, damit durchaus als „moralische Nötigung“ verstanden werden.
BayVGH interpretiert den Testzwang für Schüler ins Gegenteil
Offenbar stellte diese Testzwang-Vorschrift auch für den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eine erhebliche Hürde dar, wie man dem Urteil entnehmen kann. Ihm ist es nämlich nur noch dadurch gelungen, die Vorschrift zu „retten“ und die Staatsregierung vor einem Gesichtsverlust zu bewahren, indem sie das genaue Gegenteil in diese Vorschrift hineinliest, was die Vorschrift durch ihren Wortlaut ausdrückt.
Stellt man die zentralen Textpassagen aus der Vorschrift und dem Urteil des Gerichts gegenüber, so erhält man Folgendes:
- Staatsregierung: Die Formulierung „Die Teilnahme am Präsenzunterricht …. ist Schülerinnen und Schülern nur erlaubt, wenn…“ bezeichnet einen Testzwang
- Gericht: Die Formulierung „Die Teilnahme am Präsenzunterricht …. ist Schülerinnen und Schülern nur erlaubt, wenn…“ bezeichnet keinen Testzwang, denn:
Damit ignoriert das Gericht Satz 1 der Vorschrift, dessen zentrale Stelle lautet:
1Die Teilnahme am Präsenzunterricht … ist Schülerinnen und Schülern nur erlaubt, wenn
Wie soll man dies anders verstehen, daß sogar der Verwaltungsgerichtshof keinen Ansatzpunkt sieht, diese entkernen zu können. Dafür setzt er bei Satz 2 der Vorschrift an, aber nur bei der ersten von zwei Alternativen:
- haben die Schülerinnen und Schüler zu Beginn des Schultages über ein schriftliches oder elektronisches negatives Ergebnis eines PCR- oder POC-Antigentests zu verfügen und dieses auf Anforderung vorzuweisen oder
- müssen in der Schule unter Aufsicht einen Selbsttest mit negativem Ergebnis vorgenommen haben.
Das Gericht ignoriert völlig, daß dieser zweite Satz den Kindern / Eltern alternativlos zwei Handlungswege eröffnet, nämlich erstens einen Test mitzubringen, oder ihn vor Ort machen zu MÜSSEN, denn dort steht wörtlich „…müssen in der Schule …. vorgenommen haben…“
Das Umkehren der Alternative 1 des Satzes zwei „… haben die Schülerinnen… über ein … negatives Ergebnis eines … zu verfügen…“ durch das Gericht in sein Gegenteil und das gleichzeitige Ignorieren des Zwangs aus der Alternative 2 des Satzes zwei „…müssen in der Schule …. vorgenommen haben…“ ist als Argumentation schon löchrg wie ein Schweizer Käse.
Selbst wenn Alternative 1 tatsächlich keinen Zwang darstellen würde und in Folge dessen die Kinder keinen negativen Test in die Schule mitbringen müssen, dann bleibt ja noch immer der Zwang aus Alternative 2, daß sie nämlich den Test in der Schule vor Ort machen MÜSSEN.
Die Argumentation des Gerichts ist schon an dieser Stelle völlig absurd und hat wenig mit Juristerei zu tun, sondern offenbar viel mit Politik.
Vehältnismäßigkeitsprüfung defizitär:
Geeignetheitsprüfung falsch: Schnelltests haben praktisch keine Aussagekraft
Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung legt das Gericht einfach die Annahme zugrunde, daß Schnelltests geeignet seien, Infektionen zu erkennen. Zu diesem Zweck greift das Gericht bei Randnummer 22 des Urteils auf eine werkwürdige Argumentation zurück:
Die Testobliegenheit ist voraussichtlich geeignet und erforderlich, um bei der gegenwärtigen Infektionslage Präsenzunterricht zu gewährleisten. Nach der Einschätzung des Netzwerks Universitätsmedizin vom 22. März 2021 (abrufbar hier) sollte der Präsenzunterricht an Schulen zwingend begleitet werden durch die Anwendung systematischer Testungen, mit denen die Ausbreitung von SARS-CoV-2 erkannt und kontrolliert werden kann.
An dieser Argumentation ist schon einmal zu bemängeln, daß in diesem Dokument, auf das es verwiest, die Passage enthalten ist
Geklagt hatte aber eine Grundschülerin. Der Grund, warum das Argument, daß Grundschüler seltener betroffen sind, bei der Verhältnismäßigkeitsprüfgung durch das Gericht einfach unter den Tisch gekehrt wird, bleibt rätselhaft.
Außerdem ist es gerade nicht so, wie das Gericht behauptet, daß Schnelltests asymptomatische identifizieren können, wie z.B. der Virologe Drosten argumentiert:
Damit sind Schnelltests bereits ungeeignet, das ins Auge gefaßte Ziel, Schulklassen vor Infektionen zu bewahren.
Angemessenheitsprüfung absurd: Rechtsanwendungsfehler bei der DSGVO
Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung legt das Gericht einfach die Annahme zugrunde, daß Schnelltests geeignet seien, Infektionen zu erkennen. Zu diesem Zweck greift das Gericht bei Randnummer 22 des Urteils auf eine werkwürdige Argumentation zurück:
Dieser Artikel 9 DSGVO lautet:
Es mag sein, daß in der Gesetzesbegründung von einer rein freiwilligen Abgabe ausgegangen wird. Klar ist jedoch, daß im diametralen Gegensatz zur Behauptung des Gerichts, daß ein Test nach § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV ausschließlich freiwilliger Natur der Wortlaut dieser Vorschrift ein „…muss…“ bzw. „…hat zu…“ enthalten ist. Doch damit at er Wahnsinn noch immer kein Ende!
Die DSGVO sieht glasklar vor, daß Absatz 1 nicht gilt, wenn angeblich die öffentliche Gesundheit gefährdet ist.
Der BayVGH ignoriert diese Vorschrift einfach mit den Worten: