MÜNCHEN – Bei den Kommunalwahlen in Bayern musste die AFD wieder einmal eine Menge merkwürdiger Erlebnisse feststellen, die „ aus welchen Gründen auch immer“ praktisch immer zu Lasten der AFD gingen.
Am 15. und am 29. März 2020 haben in Bayern Kommunalwahlen stattgefunden. Am 1. Mai begann dann die neue sechsjährige Legislaturperiode und in den ersten beiden Wochen des Mai fanden in den meisten Gemeinden und Kreisen Bayerns die konstituierenden Sitzungen der neu gewählten Kommunalparlamente statt. Bei diesen konstituierenden Sitzungen fiel auf, dass eine viel zu große Anzahl an „Merkwürdigkeiten“ verzeichnet werden musste, die praktisch immer zum Nachteil der vom Volk gewählten und damit legitimierten Vertreter der AfD gingen. In diesem Beitrag listen wir einige der häufigsten „Merkwürdigkeiten“ auf und messen sie an den offiziellen Vorgaben, wie es eigentlich sein könnte/sollte:
Trick 1: Abschneiden nicht in Fraktionen vertretener AfD-Vertreter von ihrem individuellen „Grundrecht“ als Volksvertreter auf Einbringung in die Willensbildung
Grundsätzlich hat jeder Volksvertreter vom Bund bis in die Gemeinde – genügend Plätze vorausgesetzt – ein Anrecht darauf, in einem Ausschuss seine persönlichen Fähigkeiten einzubringen. So ist der Begründung des „Wüppedahl“-Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu entnehmen:
Ebenso in einem anderen Urteil des Bundesverfassungsgerichts:
Auch wenn diese Position des BVerfG keine unmittelbare Wirkung in kommunalrechtichen Streitigkeiten entfaltet, dürften die darin ausgedrückten Argumente auch in kommunalrechtlichen Streitfragen zu beachten sein.
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Beispiel: Eine Gemeinde mit unter 20.000 Einwohnern und einem einzigen AfD-Vertreter im Stadtrat
In Städten von zum Beispiel unter 20.000 Einwohnern konstituiert sich gemäß bayerischer Gemeindeordnung ein Stadtrat von 24 Stadträten. Zur Erleichterung seiner Arbeit bildet dann dieser Stadtrat in der Regel Ausschüsse. Oftmals umfassen die wichtigen kommunalen Ausschüsse, wie z.B. der Hauptausschuss acht Stadträte und die weniger wichtigen Ausschüsse entsprechend weniger Stadträte.
Die Stadt Burghausen hat beispielsweise knappe 20.000 Einwohner und sich folgende Ausschüsse eingerichtet:
- Hauptausschuss: Bürgermeister +8 Stadträte
- Bauausschuss: Bürgermeister +8 Stadträte
- Werkausschuss: Bürgermeister +8 Stadträte
- Ferienausschuss: Bürgermeister + 6 Stadträte
- Rechnungsprüfungsausschuß: + 7 Stadträte
Dies ergibt bei 24 Stadträten insgesamt 37 zu vergebende Ausschussplätze. In Folge müssten einem einzelnen Stadtrat 37/24=1,54 Ausschussplätze zugestanden werden. Da für jeden Ausschussplatz auch noch einen Stellvertreter benannt wird, müsste das gleiche für die Stellvertreterfunktionen gelten.
Problem: Jeder Ausschuß wird aber einzeln bestellt. In Folge wird bei der Bestellung nicht der Grundsatz, daß für 24 Räte 37 Ausschußplätze zur Verfügung stehen angewandt, sondern der Grundsatz, daß für 24 Räte eben nur z.B. 8 Plätze in einem Ausschuß zur Verfügung stehen. Folglich hat ein Mitglied des Rats nicht mehr eine rechnerische Chance von 1,54, sondern nur noch eine rechnerische Chance von 0,33 auf einen der Ausschußplätze.
Zwar gibt es einen offiziellen Ausschuß-Kalkulator der Hochschule für Verwaltung in Hof, doch auch wenn man diesen nutzt, erhält ein einzelner Stadtrat keinen Platz errechnet. Das mag zwar im Einzelfall für jeden Ausschuß berechnet formell ordnungsgemäß sein, widerspricht aber über alle Ausschüsse betrachtet der oben zitierten Vorgabe des BVerfG:
„ Jeder einzelne Abgeordnete hat mithin Anspruch darauf, jedenfalls in einem Ausschuss mitzuwirken„
Trick 2: Wechsel des mathematischen Berechnungsverfahrens von z.B. Hare-Niemeyer zu d´Hondt
Sobald dann mehr als ein Abgeordneter einer Partei in eine Volksvertretung gewählt wurden, wächst deren Anteil und Stimmgewicht im Plenum. Dies muß sich gemäß ständiger Rechstprechung des Bundesverfassungsgerichts dann auch in den Ausschüssen des Bundes und der Länder und Kommunen widerspiegeln.
Die möglichst „spiegelbildliche“ Abbildung des Plenums in den Ausschüssen ist nicht etwa nur wünschenswert, sondern verfassunsgrechtlich zwingend:
Dies gilt auch für die Bundesländer und Kommunen:
„Wie die Spiegelbildlichkeit im Detail verwirklicht werden soll, liegt daher in der Gestaltungsfreiheit des Landesgesetzgebers.“ BVerwG 8 C 18.03 RdNr. 21
Einige Bundesländer haben dies aufgegriffen und ein einziges der drei möglichen Verfahren nach Hare-Niemeyer, Lague/Schepers und d´Hondt verbindlich vorgegeben und damit von oben diktiert, was amtlich als spiegelbildlich zu gelten hat. Bayern hingegen hat dies unterlassen und damit sehr weise gehandelt, denn je nach Konstellation (Plenumgsgröße, Auschußgröße, Zahl der Parteien und/oder Wählergruppen, Größe jeder Partei im Plenum etc.) gibt es eine Unzahl an Varianten, wie ein Plenum in einem Ausschuss abzubilden wäre und jede der drei Methoden wählt einen anderen mathematischen Weg der Annäherung. Will man das Plenum im Ausschuß wirklich möglichst optimal spiegeln, dann muß daher jedes Mal jedes der drei mathematischen Verfahren betrachtet werden und geprüft werden, welches der drei Verfahren diese Vorgabe des BVerfG am passendsten erfüllt.
Das Gebot der Spiegelbildlichkeit soll als Ausfluss des Prinzips der repräsentativen Demokratie die dem Gemeinderat als Plenum aufgetragene Repräsentation aller Gemeindebürger auf der Ebene seiner fachlichen Untergliederungen sichern (vgl. BVerwG vom 27.3.1992, BVerwGE 90, 104 <109>; vom 7.11.1992, Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 87 und vom 10.12.2003, Az. 8 C 18.03). Die Willensbildung in den Ausschüssen – und in gesteigertem Maße die abschließende Entscheidung bei beschließenden Ausschüssen (Art. 32 Abs. 2 Satz 1 GO) – verlangt nach demokratischer Legitimation, die über den Gemeinderat nur vermittelt wird, wenn der Ausschuss mit Blick auf das Plenum hinreichend repräsentativ besetzt ist. Die Repräsentation setzt deshalb voraus, dass jeder Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums ist und dessen Zusammensetzung widerspiegelt.“ (4 BV 03.1159 RdNr. 12 Markt-Ergolding-Urteil)
Ein Trick der Altparteien, den AfD-Vertretern den ihnen zustehenden Platz im Ausschuß zu nehmen, geht also dahin, einfach dasjenige mathematische Verfahren zu nutzen, das der AfD sicher keinen Ausschußplatz überläßt.
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Beispiel 2: Eine Gemeinde mit unter 20.000 Einwohnern mit zwei AfD-Vertretern im Stadtrat
Die Stadt Altötting hat knappe 20.000 Einwohner und beispielsweise folgende Ausschüsse:
- Hauptausschuss: Bürgermeister +8 Stadträte
- Planungs- und Umweltausschuß: Bürgermeister +8 Stadträte
- Forums-Ausschuß: Bürgermeister +8 Stadträte
- Rechnungsprüfungsausschuß: + 6 Stadträte
- Kläranlagenausschuß: Bürgermeister + 3 Stadträte
- Wasserausschuß: Bürgermeister + 2 Stadträte
Dies ergibt bei 24 Stadträten insgesamt 35 zu vergebende Ausschussplätze. Folglich hat ein Mitglied des Rats nicht mehr eine rechnerische Chance von 1,46 (35/24) Plätze, sondern schon eine rechnerische Chance von 0,67 auf einen der Ausschußplätze.
Hierzu muß man wissen: Es gibt grundsätzlich drei verfassungsrechtlich anerkannte mathematische Verfahren, die geeignet sind, spiegelbildlich abzubilden:
„Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich der Bundestag entscheide, von einem üblichen und in der parlamentarischen Praxis bewährten Proportionalsystem abzuweichen und ein anderes zu wählen. Zu diesen Systemen zählten die Verfahren nach d’Hondt, Hare/Niemeyer und St. Laguë/Schepers.“ – 2 BvE 3/02 – RdNr. 19 (Parteivortrag)
Gibt man diese Kräfteverhältnisse in den offiziellen Ausschußrechner ein, dann errechnen die drei mathematischen Verfahren nach Hare-Niemeyer, Lague/Schepers und d´Hondt für die folgende Sitzverteilungen:
- Hare-Niemeyer => AfD: 1 Sitz im Ausschuß
- Lague/Schepers => AfD: 1 Sitz im Ausschuß
- d´Hondt => AfD: 0 Sitze im Ausschuß
Tatsache ist jedoch auch in diesem Fall, daß die AfD in der Stadt Altötting keinen einzigen Ausschußsitz erhält! Der Grund diesmal: Man braucht kein Hellseher zu sein, um den Trick zu erraten, der in diesem Fall Anwendung findet, um den AfD-Vertretern die Partizipation im Ausschuß zu verwehren: Man legt im Rat – mit der Mehrheit der Altparteien – einfach dasjenige mathematische Verfahren fest, das der AfD sicher keinen Ausschußplatz zumisst. In der Regel ist das das Verfahren nach d´Hondt. So geschehen mindestens z.B. im Stadtrat von Altötting und Mühldorf und im Kreistag von München-Land.
Um die Tragweite dieses Wechsels deutlich zu machen, lohnt ein Blick auf das Ergebnis des Ausschußkalkulators und ein Blick in die Gebrauchsanweisung des Ausschußkalkulators:
Hieraus folgt, daß das Verfahren nach d´Hondt – im Sinne der Spiegelbidlichkeit – meist nur dann das richtige Verfahren ist, wenn es darum geht, daß sich knappe Regierungsmehrheiten im Plenum auch im Ausschuß abbilden. Da Kommunalparlamente in dem Sinn aber gar keine „Regierungsmehrheiten“ haben, sondern eher Verwaltungsaufgaben durchführen, dürfte das Verfahren nach d´Hondt auf kommunaler Ebene in der Regel dasjenige sein, das in Kommunen am seltensten die vom BVerfG verlangte „Spiegelbildlichkeit“ sicherstellt.
Der Trick, der hierbei angewandt wird ist also die vom BVerfG geforderte „Spiegelbidlichkeit“ – die ja gemäß Rechtsprechung ein „MUSS“ ist – einfach bei der Auswahl der Verfahren nicht anzuwenden. Präzise gesagt: Der Zwang zur „Spiegebildlichkeit“ wird mit dem Argument ignoriert
„jedes der Verfahren ist ein zugelassenes Verfahren und weil es ein zugelassenes Verfahren ist können wir uns aus diesen Verfahren herauspicken was uns gefällt“
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Trick 3: Mehrheitsentscheidung statt weiterem Streben nach Spiegebildlichkeit
Die Vorgabe der Gerichte ist klar. Das Plenum muss(!) sich bestmöglich in jedem Ausschuß wiederspiegeln. Das läßt so lange keinen Raum für Mehrheitsentscheidungen, so lange eine Annäherung an die bestmögliche Spiegelung des Plenums in einem Ausschuß möglich ist. Kollidieren beim Verteilen der Ausschußsitze Grundprinzipien, dann sind diese schonend in Einklang zu bringen, stellt das BVerfG fest
Eine Mehrheitsentscheidung ist eben gerade kein „schonendes Inausgleichbringen„, sondern setzt die Gewalt an die Stelle des „schonenden Inausgleichbringens„. Den Maßstab für die Auswahl der Verfahren legt das BVerfG selbst wie folgt fest:
„…die Rechte des einzelnen Abgeordneten dürfen zwar im einzelnen ausgestaltet und insofern auch eingeschränkt, ihm jedoch grundsätzlich nicht entzogen werden (vgl. BVerfGE 44, 308 [316]). Richtmaß für die Ausgestaltung der Organisation und des Geschäftsgangs muß das Prinzip der Beteiligung aller Abgeordneten bleiben“ (BverfGE 80, 188 RdNr. 111 Wüppesdahl-Urteil)
Der bayerische Gesetzgeber definiert das wohl frühestmögliche Einsetzen eines Mehrheitsbeschlusses über die Auswahl des zu verwendenden mathematischen Verfahrens in der Landkreisordnung wie folgt:
„ so ist statt eines Losentscheids auch der Rückgriff auf die Zahl der bei der Wahl auf diese Parteien oder Wählergruppen abgegebenen Stimmen zulässig.“ § 27 Abs. 2 Satz 2 BayLkrO
Damit hat der Gesetzgeber das Eingreifen des Mehrheitsprinzips klar auf den Zeitpunkt nach der Auswahl des mathematischen Verfahrens besetzt. Aus diesem Grund sollte es den Räten nicht möglich sein, diesen vom Gesetzgeber gesetzten Zeitpunkt auf die Auswahl des Verfahrens vorzuverlegen.
Klar ist, daß auch in Bayern die Auswahl unter den drei erlaubten Verfahren möglich ist, ohne Abstimmungen im Gemeinderat / Kreisrat herbeizuführen und eines der Verfahren mit Hilfe eines Mehrheitsbeschlusses festlegen:
„Da das Höchstzahlverfahren nach d’Hondt angesichts der im Gemeinderat des Beklagten vorliegenden Kräfteverhältnisse im Vergleich mit den Resultaten anderer Verfahren das einfachgesetzliche Spiegelbildlichkeitsgebot des Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO deutlich verfehlt, ohne dass die bei alternativen Verfahren auftretenden Rundungsfehler sich zulasten einer anderen Fraktion bzw. Gruppe auswirken, ist die Heranziehung des d’Hondtschen Höchstzahlverfahrens hier ausgeschlossen.“ (4 BV 03.1159 RdNr. 17 Markt-Ergolding-Urteil)
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Trick 4: Der Grundsatz der Spiegebildlichkeit wird durch die Altparteien nicht auf die Auswahl der Berechnungsmethode angewandt, sondern die Berechnungsmethode wird durch eine Mehrheitsentscheidung festgelegt
In Bayern hat der Gesetzgeber also – in anderen Bundesländern ist das anders, da wurde durch den Gesetzgeber teilweise für die Kommunen ein einziges Verfahren festgelegt – den Kommunen die Wahlfreiheit gelassen, aus den drei mathematischen Verfahren d´Hondt; Hare-Niemeyer; Legue/Schepers dasjenige auszuwählen, das in der konkreten Situatoin vor Ort die ideale Spiegelbidlichkeit ermöglicht:
„Nachdem der Landesgesetzgeber den kommunalen Gremien insoweit kein bestimmtes Verfahren vorgeschrieben hat, haben diese grundsätzlich die Wahlmöglichkeit unter verschiedenen, den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Prinzips der repräsentativen Demokratie und des Gebots der Wahlgleichheit gerecht werdenden Berechnungsverfahren.“ 4 BV 03.1159 RdNr. 5
Dabei muß man verstanden haben, daß das Prinzip der Spiegelbildlichkeit das Mehrheitsprinzip durchbricht. Wo das BVerfG den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit fordert, ist schlichtweg kein Raum mehr für Mehrheitsentscheidungen! Der Raum, Abstimmungen anzusetzen, beginnt also erst dort, wo der Raum Spiegelbildlichkeit zu erzeugen, endet.
Den Versuch die Ausschüsse möglichst spiegelbildlich abzubilden hat zur Folge das idealstmögliche Spiegelbild gerade nicht durch Mehrheitsentscheidungen zur Festlegung eines dieser drei Verfahren zu verwässern. Das BVerfG führt dies am Beispiel der GOBT wie folgt aus:
- „ 12 und § 57 Abs. 1 Satz 1 GOBT konkretisieren damit zugleich eine von der Verfassung geforderte Abweichung vom Mehrheitsprinzip, das nach Art. 42 Abs. 2 Satz 1 GG für Beschlüsse des Bundestages gilt, aber nach dem zweiten Satz dieser Vorschrift für andere Bestimmungen der Geschäftsordnung des Bundestages offen ist (vgl. BVerfGE 96, 264 <282 f.>).“ BVerfG 3/02 RdNr. 56
- „Deshalb schreibt § 12 GOBT in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, dass Ausschüsse nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen im Plenum besetzt werden, und konkretisiert dadurch das Gleichheitsgebot aus Art. 38 Abs. 1 GG für die freiwillig entstandenen, verfestigten Zusammenschlüsse der Abgeordneten.“ BVerfG 3/02 RdNr. 55
Obwohl also das BVerfG die Spiegelbildlichkeit gerade als Abkehr von Mehrheitsentscheidungen definiert und obwohl die Landkreisordnung diese Abkehr von der Mehrheitsentscheidung mit folgenden Worten sogar in Gesetzesform gießt,
„Haben dabei mehrere Parteien oder Wählergruppen gleichen Anspruch auf einen Sitz, so ist statt eines Losentscheids auch der Rückgriff auf die Zahl der bei der Wahl auf diese Parteien oder Wählergruppen abgegebenen Stimmen zulässig.“ Vgl. § 27 Abs. 2 Satz 2 Landkreisordnung
wenden die Altparteien gerne den Trick an und stimmen zu einem viel zu frühen Zeitpunkt darüber ab, welche der drei Methoden sie denn verwenden wollen. Damit verlagern sie den Zeitpunkt, an dem das Mehrheitsprinzip, also die Problemlösung mit Hilfe einer Abstimmung durchzuführen zum Tragen kommt, zeitlich in den Zeitraum hinein, in dem das Streben nach „Spiegelbildlichkeit“ noch lange nicht zu Ende ist, weil ja die drei mathematischen Methoden oftmals völlig unterschiedliche Ergebnisse liefern.
An dieser Stelle wird dann von den Altparteienvertretern gerne das Argument angeführt, daß das im Rahmen der Autonomie der Räte liegen würde hierüber abzustimmen. Bei diesem Argument wird jedoch vergessen, daß die Abstimmungen nur innerhalb des Rahmens möglich sind, den der Gesetzgeber und die Gerichte setzen. Und wenn das BVerfG vorgibt, daß optimale Spiegelbildlchkeit ein „Muss“ ist, dann fehlt schlichtweg der Raum für Abstimmungen die letztendlich weniger Spiegelbildlichkeit ermöglichen, wie oftmals z.B. das Verfahren durch d`Hondt.
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Trick 5: Das Verankern einer Methode zur Auswahl von Ausschußplätzen in der Geschäftsordnung
Wie bereits ausgeführt hat es der bayerische Gesetzgeber keine Rechtsgrundlage dafür geschaffen, daß Kommunen eine der drei anerkannten Methoden zur Auswahl von Ausschußplätzen in ihrer Geschäftsordnung verankern. Grundsätzlich bedarf jedes öffentlich-rechtliche Handeln einer Rechtsgrundlage.
Der Gesetzgeber hätte eine Rechtsgrundklage schaffen können, die lautet:
„Die Kommunen haben das Recht die spiegelbildlichste der drei mathematischen Methoden d´Hondt; Hare-Niemeyer; Legue/Schepers in der Geschäftsordnung zu verankern“.
Das hat er aber nicht. Was er stattdessen getan hat, ist daß der Gesetzgeber es den Kommunen überlassen hat, aus den drei zur Verfügung stehenden Methoden diejenige auszuwählen, die das Plenum am spiegelbildlichsten im Ausschuß abbildet. In Bayern hat der Gesetzgeber (in anderen Bundesländern ist das anders, da wurde durch den Gesetzgeber teilweise für die Kommunen eines der drei Verfahren im Gesetz festgelegt) den Kommunen die Wahlfreiheit aus den drei mathematischen Verfahren überlassen, um Spiegelbildlichkeit herzustellen. Das ist zu respektieren.
So wenig es möglich ist, die vom BVerfG geforderte Spiegelbildlichkeit mit einer Abstimmung über das mathematische Verfahren zu schmälern, so wenig ist es durch die Kommunen auch möglich, ein einziges mathematisches Verfahren in die Geschäftsordnung der Kommunem zu verankern. Dafür gibt es erstens keine Rechtsgrundlage und zweitens ist wie zuvor ausgeführt jeder Fall anders und kann daher dazu führen, daß ein anderes der drei mathematischen Verfahren, als das in der GO festgelegte, die vom BVerfG geforderte optimale Spiegelbildlichkeit sicherstellt.
Nicht umsonst verlangt der Gesetzgeber, daß Änderungen der Machtverhältnisse im Plenum sich dann auch im Ausschuß widerzuspiegeln haben. Es ist aber schlichtweg unmöglich, daß ein einziges in die GO aufgenommenes mathematisches Verfahren für jede dieser denkbaren Änderungen das richtige Verfahren sein kann.
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Trick 6: Die wohl auch in Bayern rechtswidrige Bevorzugung von Ausschußgemeinschaften
Ein weiterer Trick der Altparteienvertreter ist, nach der Wahl gebildete Ausschußgemeinschaften wie eine Partei zu behandeln und das ausgewählte mathematische Verfahren dann nicht auf jede der einzelnen Parteien z.B. FDP und ÖDP anwenden, sondern auf die Gemeinschaft von (FDP+ÖDP) zusammen anwenden.
Diesem Trick spielt in die Hände, daß Bayern und der Bund hierzu diametral entgegengesetzte Rechtspositionen über die Behandlung von Gruppen haben, die sich nach der Wahl zusammenschließen, um einen Ausschußsitz zu bekommen.
So hat das oberste bayerische Verwaltungsgericht am 17.3.2004 die Position bezogen:
„Zur Entsendung gemeinsamer Vertreter in die Ausschüsse des Kreistags können sich Einzelgänger und solche Gruppen, die ohne einen Zusammenschluss keinen Ausschusssitz erhalten würden, auch dann zusammenschließen, wenn dadurch eine andere Gruppe aus dem Ausschuss „verdrängt“ wird.“ 4 BV 03.114 Landsberg-am-Lech-Urteil Leitsatz 1
Dem entgegengesetzt hatte das oberste deutsche Verwaltungsgericht drei Monate früher am 10.12.2003 die Position bezogen:
„Das Berufungsgericht meint, die Ausschüsse müssten nicht notwendig ein Spiegelbild der Mehrheitsverhältnisse im Rat nach Fraktionen, sondern könnten auch ein Spiegelbild der Mehrheitsverhältnisse im Rat nach gemeinsamen Wahlvorschlägen verschiedener Fraktionen sein. Dies widerspricht dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes. …Danach führt jede derartige Listenverbindung zu einem Verstoß gegen die Chancengleichheit und damit zu einem Verstoß gegen das Grundgesetz, weil sie den Erfolg von Wählerstimmen ungleich gewichtet, ohne dass dafür ein zwingender sachlicher Grund angeführt werden kann (BVerfGE 82, 322). Dabei versteht das Bundesverfassungsgericht unter einer Listenverbindung eine bloße Zählgemeinschaft, die zur Gewinnung eines rechnerischen Vorteils gebildet wurde bei der Bundestagswahl zur Überwindung der Sperrklausel, ohne dass eine verfestigte Form des Zusammenwirkens vorliegt (BVerfGE 82, 322). Nichts anderes kann gelten für einen gemeinsamen Wahlvorschlag von Fraktionen, der ohne verfestigte Form des Zusammenwirkens allein zur Erlangung eines Vorteils bei einer Ausschussbesetzung eingereicht wurde.“ BVerwG 8 C 18.03 RdNr. 15f
Da die Rechtsprechung des Bundesgerichts die eines Landesgerichts bricht, ist die Position des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in dieser Position wohl unbeachtlich, auch wenn Altparteienvertreter diese noch so gerne zitieren.
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Trick 7: Missachten des Wegs, den das BVerfG wählt, um das „spiegelbildliche“ Verfahren auszuwählen
Methode des BverfG: Das BVerfG bemisst die „Spiegelbildlichkeit“ daran, wie viele Vertreter ein Repräsentant der eigenen Partei an Mitgliedern im Plenum vertritt. Dann wird diejenige mathematische Methode verwendet, mit deren Hilfe es gelingt diese Zahl bei allen Parteien möglichst gleich zu halten. Was das BVerfG NICHT macht ist, diesen Abstand eines Vertreters im Auschuß über alle Vertreter der eigenen Partei aufzusummieren, um so eine Art- Abstand der gesamten Partei zu generieren.
Damit ist die Methode, wie man unter den drei zur Verfügung stehenden Verfahren nach d´Hondt; Hare-Niemeyer; Schepers dasjenige mathematische Verfahren herauspickt, das die Spiegelbildlichkeit möglichst optimal sicherstellt, eigentlich vorgegeben. Man muß für einen Vertreter im Ausschuß die Anzahl der Kollegen aus dem Plenum berechnen, die er vertreten würde, wenn es keine Parteien gäbe. Das sind bei einem 24er-Plenum und einem 8er-Ausschuß drei. Dann muß man bei jeder Partei/Wählergruppe für jedes der drei mathematischen Verfahren die Anzahl der Kollegen aus dem Plenum berechnen, die er tatsächlich vertritt. Das sind bei einem Plenum von 24 und 2 Kollegen im Stadtrat die Ergebnisse aus der Grafik rechts.
- d´Hondt = 0
- Hare-Niemeyer = 1
- Schepers = 1
Dann muß man argumentieren, z.B. daß bei einem 8er-Ausschuß die Differenz zwischen Idealvertretung (1:3) und Ist-Vertretung bei den drei Verfahren unterschiedlich ist:
d´Hondt: Idealverteilung – Istverteilung
- CSU: Betrag aus 3-4=1
- FW; Betrag aus 3-2=1
- SPD: Betrag aus 3-1=2
- Liste: Betrag aus 3-1=2
- AfD: Betrag aus 3-0=3
- ÖDP: Betrag aus 3-0=3
- => Gesamtabweichung vom Ideal ist: 1+1+2+2+3+3=12
Hare-Niemeyer: Idealverteilung – Istverteilung
- CSU: Betrag aus 3-3=0
- FW; Betrag aus 3-2=1
- SPD: Betrag aus 3-1=2
- Liste: Betrag aus 3-1=2
- AfD: Betrag aus 3-1=2
- ÖDP: Betrag aus 3-0=3
- => Gesamtabweichung vom Ideal ist: 0+1+2+2+2+3=10
Schepers: Idealverteilung – Istverteilung
- CSU: Betrag aus 3-3=0
- FW; Betrag aus 3-2=1
- SPD: Betrag aus 3-1=2
- Liste: Betrag aus 3-1=2
- AfD: Betrag aus 3-1=2
- ÖDP: Betrag aus 3-0=3
- => Gesamtabweichung vom Ideal ist: 0+1+2+2+2+3=10
Auf diesem Weg wäre mathematisch beweisen, daß d´Hondt bei dieser Konstellation das Plenum mit den größten Abweichungen im 8er-Ausschuß wiederspiegelt und damit das Verfahren ist, das gemäß Rechtsprechung des BVerfG auszuscheiden hat, wenn man eine idealstmögliche spiegelbildliche Abbildung erreichen möchte.
Obwohl sie vom BVerfG vorgegeben ist, weigern sich leider noch zu viele Vertreter der Altparteien, diese Vorgabe des BVerfG bei der Auswahl des zutreffenden Verfahrens aufzugreifen.