Nichts hören, sehen, sagen: Wie sich die Staatsregierung bei der Clan-Kriminalität der Kontrolle durch Verfassungsorgane entzieht

Clankriminalität in Bayern: Nichts sehen hören sagen? Quelle: https://pixabay.com/de/photos/porträt-erwachsene-herren-menschen-3138140/

MÜNCHEN – Durch Äußerungen des bayerischen Innenministers am 16.12.2019 wurde erstmals offenbar, daß die Staatsregierung die Bekämpfung von weiten Teilen der Clan-Kriminalität dadurch der Kontrolle entzieht, daß sie diesen einfach eine der Bevölkerung völlig unbekannte Arbeitsdefinition gibt. Wenn in Folge ein Parlamentarier und wohl auch Journalist nach der Entwicklung der Clan-Kriminalität fragt, bekommt er die Antwort, daß es diese (im Sinne der Umdefinition) nicht gebe, während der unter der Arbeitsdefintion subsumierte Teil der Clan-Kriminalität unerwähnt bleibt, dadurch verschwiegen wird, mit der Wirkung ihn der Kontrolle durch Parlament, Abgeordnete, Medien entzogen zu haben.

 

Clan-Kriminaität destabilisiert ganze Staaten

In Schweden destabilisieren Clans inzwischen den gesamten Staat, wie man z.B. einem ,lesenswerten Beitrag hin Tichys Einblick entnehmen kann.

Clan-Experten geben für Bayern an, daß Clans in Bayern Kontakte zu Politikern unterhalten, bzw. daß

„sich der Freistaat mit der Bekämpfung der Mafia etwas schwertut. Es gebe zwar vereinzelte Festnahmen, aber es fehle ein systematisches Vorgehen gegen die italienische Organisierte Kriminalität.“

Wie Mafia-Experte Sandro Mattioli feststellt. Auch das Faktum, daß die Staatsregierung Umdefinitionen vornimmt, um diesen Phänomenbereich vor der Kontrolle durch Abgeordnete und Medien abzuschirmen, oder halbherzig wirkende Polizeikontrollen durchführt, wie in Drucksache 18/3405 abgefragt, hinterlässt beim Betrachter nicht wirklich den Eindruck, daß der notwendige Wille vorhanden ist, Clans und andere mafiöse Strukturen wirkungsvoll bekämpfen zu wollen.

 

Jeder weiß was ein „Clan“ ist, nur das Innenministerium weiß es besser

Was unter dem Begriff „Clan“ verstanden wird, kann man im deutschen Sprachraum eigentlich im Duden nachgelesen und wird im Duden-Bedeutungswörterbuch wie folgt belehrt:

Durch gemeinsame Interessen besonderen auch verwandtschaftliche Beziehungen verbundene Gruppe“.

Damit besteht offenkundig im deutschen Sprachraum Einigkeit darüber, was ein Clan ist und folglich auch darüber, was „Clan-Kriminalität“ im normalsprachlichen Verständnis ist, nämlich

„Kriminalität einer Gruppe die verwandtschaftlich untereinander verwoben ist“.

Das selbe gilt grundsätzlich auch für den Begriff „Clan-Hochzeit“, der nach normalsprachlichem Verständnis eine Hochzeit eines Clan-Mitglieds mit einer anderen Person bezeichnet. Gemäß ständiger Rechtsprechung ist dieses normalsprachliche Verständnis eines Begriffs für die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage maßgeblich und nicht behördeninterne Eigendefinitionen, die weder das Parlament, noch ein einzelner Abgeordneter kennen kann.

 

Erstmalige Erstellung eines bundesweiten Lagebilds zur „Clan-Kriminalität“

Die Erstellung eines bundesweiten Lagebilds für Clankriminalität, zu der die Staatsregierung Zahlen zuliefern sollte, hat es ans Tageslicht gebracht: Obwohl die Staatsregierung behauptet, daß es in Bayern keine Clan-Kriminalität gebe, musste sie an den Bund melden, daß die ihr unterstehenden Stellen zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität an sieben oder neun in Bayern tätigen kriminellen Netzwerken arbeiten, die der Bund offenbar als „Clan“ bezeichnet, nicht aber die Staatsregierung. Hierdurch wurde am 16.12.2019 erstmals offenbar: Die Staatsregierung versteht unter „Clan“ etwas Anderes, als das was der Bund und/oder die unter „Clan“ verstehen.

 

Narrativ des Innenministers: „Es gibt keine Clan-Kriminalität“

Über Jahre hinweg hat die Staatsregierung an dem Narrativ festgehalten, daß es keine „Clan-Kriminalität“ in Bayern gebe. Clankriminalität spielt in Bayern nach Ansicht von Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Georg Eisenreich (beide CSU) auch heute noch keine Rolle.

„In Bayern gibt es keine Probleme mit kriminellen Clans vergleichbar wie in manchen anderen Bundesländern“, 

verkündete der bayerische Innenminister Herrmann in München dann bei der Vorstellung des Lagebildes zur Organisierten Kriminalität (OK) Mitte Dezember 2019 und führt dies auf Bayerns

„Null-Toleranz-Strategie… und eine Polizei, die rechtsfreie Räume nicht duldet“. 

zurück. Der Polizeipräsident Münchens multipliziert diese Position in einem Interview und trägt diese wie folgt in die Breite:

Nein. Kriminelle Clans gibt es bei uns nicht, in ganz Bayern nicht. Warum nicht? Wehret den Anfängen! Auch hier kann ich nur sagen: Es hat sich ausgezahlt, solchen Entwicklungen von Anfang an konsequent zu begegnen. Keine Toleranz! 

In Folge dieser Vorgaben führt die Staatsregierung in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage aus:

„Clankriminalität im Sinne der Vorbemerkung konnte nach Mitteilung des Landeskriminalamts (BLKA) bislang in Bayern nicht identifiziert werden. Eine dauerhafte Verwurzelung umfassender derartiger Täterstrukturen wurde in Bayern nicht festgestellt.“ und ergänzt in Drucksache 18/3081 zu Frage 2 2.1 „Entspricht die Aussage, in Bayern seien keine unter dem Begriff Clankriminalität zu subsumierenden Aktivitäten bekannt, dem derzeitigen Kenntnisstand der Staatsregierung? Ja...“. (Drucksache 17/23576).

 

Aus der Trick-Kiste der Staatsregierung

Was der Öffentlichkeit hierzu bisher offenbar verschwiegen wurde, ist, daß die Staatsregierung den normalsprachlich eindeutig besetzten Begriff des Clans mit Hilfe einer einengenden internen Arbeitsdefinition auf arabisch-türkische Clans eingegrenzt hat. Für die hiervon nicht erfassten anderen Clans wurde dann eigens der Terminus

Tätergruppen mit familiärem Bezug

geschaffen. Grenzt z.B. den Suchfokus der Suchmaschine „Google“ auf einen Zeitraum vor 15.12.2019 ein, so erhält man für den Suchbegriff

Tätergruppe mit familiärem Bezug

genau Null Volltreffer. Lässt man die Suchmaschine „Google“ ab 15.12.2019 den Suchbegriff

Tätergruppen mit familiärem Bezug

suchen, erhält man genau sechs Treffer am 16.12.2019 und entnimmt diesen Treffern, daß es der Innenminister war, der diesen Terminus am 16.12.2019 in der Öffentlichkeit eingeführt hat und fünf Zeitungen dies dokumentiert haben und daß dieser Terminus in deutschen Sprachraum seither nie wieder verwendet wurde. Damit ist der bayerische Innenminister als derjenige identifiziert, der diesen Terminus in die deutsche Sprache eingeführt hat.

 

Täuschung von Öffentlichkeit und Verfassungsorganen

In Folge dieser Umdefinition/Einengung wurden z.B. parlamentarische Anfragen, wie Drucksache 18/3354 die im normalsprachlichem Verständnis gestellt wurden, dadurch nicht beantwortet, daß man die Frage an der Behördeninternen Privatsprache gemessen hat, wie z.B. mit obigem Zusatzwissen seit 16.12.2019 nachträglich betrachtet aus Drucksache 18/3354, Frage 4.1.

Die „charakteristische Clan-Hochzeit“ ist nach hiesigem Kenntnisstand weder literarisch noch wissenschaftlich oder kriminalistisch beschrieben. Hierzu liegen auch bei der angefragten Fachdienststelle im Landeskriminalamt (BLKA) keine Erkenntnisse vor. Daher kann diese Frage nicht beantwortet werden.“ eingestanden wird.

Auf diesem Weg hat die Staatsregierung den von ihr wegdefinierten Teil des normalsprachlichen Verständnisses von „Clan“ dem intellektuellen Zugriff durch die berufenen Kontrollorgane, Parlament oder Einzelabgeordneter und auch der Presse entzogen.

 

 

Franz Bergmüller (AfD) fragt bei der Staatsregierung nach

Die Antwort auf die folgende Anfrage wird in ca. zwei bis drei Monaten hier veröffentlicht werden.

 

1. „Tätergruppen mit familiärem Bezug

1.1. Welche der Staatsregierung unterstehende Stelle hat den Terminus „Tätergruppen mit familiärem Bezug“ geschaffen (Bitte anordnende Stelle und ausführende Stelle angeben)?

1.2. Wann wurde der Terminus „Tätergruppen mit familiärem Bezug“ durch die Staatsregierung oder eine der Staatsregierung unterstehende Behörde geschaffen?

1.3. Wie wurde die Verwendung des Terminus „Tätergruppen mit familiärem Bezug“ verbindlich gemacht?

 

2. Einflussnahme

2.1. Welchen Einfluss hat bei jedem der in 1. abgefragten Fragegegenstände die Bayerische Staatskanzlei ausgeübt?

2.2. Welchen Einfluss hat bei jedem der in 1. abgefragten Fragegegenstände der Bayerische Innenminister ausgeübt?

2.3. An welchen Daten taucht der in 1 abgefragte Terminus in Protokollen des Kabinetts auf (Bitte mindestens erstmaliges Auftraten und letztmaliges Auftraten in den Protokollen angeben)?

 

3. Verwendung von behördeninternen Privatsprachen

3.1. Wie rechtfertigt die Staatsregierung und insbesondere das Innenministerium die von ihm verwendete und im Vorspruch offengelegte Methode, von ihr zu vertretende Inhalte der verfassungsgemäßen Kontrolle durch parlamentarische Anfragen, und/oder durch das Parlament oder Teile davon, und/oder der Presse zu entziehen, indem sie diese Inhalte mit Hilfe von Umdefinitionen von Begriffen dem intellektuellen Zugriff durch die in der Verfassung definierten Kontrollorgane entzieht (Bitte weitere Arbeitsdefinitionen angeben, in denen die Staatsregierung diese Methode anwendet, wie z.B. mindestens antisemitisch, linksextrem, linksradikal, rechtsextrem, rechtsradikal)?

3.2. Wie rechtfertigt die Staatsregierung die im Vorspruch offengelegte Methode, von ihr zu vertretende Inhalte der verfassungsgemäßen Kontrolle durch z.B. parlamentarische Anfragen, und/oder das Plenum, und/oder die Presse dadurch zu entziehen, daß sie die für einen Terminus z.B. im Duden-Bedeutungswörterbuch definierten Bedeutungsgehalte mit Hilfe einer internen Arbeitsdefinition derart abändert, daß der durch den Terminus ursprünglich abgedeckte weite Bedeutungsgehalt in seinem Umfang verkleinert/eingeengt wird, mit der Folge dann je nach Fragesteller die Möglichkeit zu haben, eine an die Staatsregierung gerichtete Frage an diesem verkleinerten und/oder völlig unkritischen Bedeutungsgehalt zu messen, wie z.B. bei Frage 4.1; 4.2 in Drucksache 18/3405 umgesetzt (Bitte weitere Arbeitsdefinitionen angeben, in denen die Staatsregierung diese Methode anwendet, wie z.B. mindestens antisemitisch, linksextrem, linksradikal, rechtsextrem, rechtsradikal)??

3.2. Wie rechtfertigt die Staatsregierung die im Vorspruch offengelegte Methode, von ihr zu vertretende Inhalte der verfassungsgemäßen Kontrolle durch z.B. parlamentarische Anfragen, und/oder das Plenum, und/oder die Presse dadurch zu entziehen, daß sie die für einen Terminus z.B. im Duden-Bedeutungswörterbuch definierten Bedeutungsgehalte mit Hilfe einer internen Arbeitsdefinition derart abändert, daß der durch den Terminus ursprünglich abgedeckte Bedeutungsgehalt in seinem Umfang ausgeweitet wird, mit der Folge, dass der eigentliche Fragegegenstad dann marginalisiert dargestellt werden kann?

 

4. Entzug der in der Verfassung vorgesehenen Kontrolle

4.1. Teilt die Staatsregierung die Auffassung, daß die in 3.1. und/oder 3.2. und/oder 3.3. beschriebenen Methoden geeignet sind, sich der in der Verfassung verankerten Kontrolle durch die Opposition und/oder  durch die Öffentlichkeit zu entziehen (Bitte begründen)?

4.2. Teilt die Staatsregierung die Auffassung, daß die in Drucksache 18/ Frage 4.1.; 4.2. Angewandten Umdefinitionen geeignet sind, sich der in der Verfassung verankerten Kontrolle durch die Opposition und/oder  durch die Öffentlichkeit zu entziehen (Bitte begründen)?

 

5. Nachfrage zum Fragenkomplex 2 aus Drucksache 18/3405

5.1. Welcher zusätzliche Erkenntnisstand hat sich zu dem Fragekomplex 2 seit dem Zeitpunkt der Anfrage aus Drucksache 18/3405 bis zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage ergeben (Bitte Umfang der seither durchgeführten Ermittlungen zur Feststellung des Schützen der angeblichen Schreckschusspistole z.B. wegen Verstoßes gegen das WaffenG ausführen und begründen)?

5.2. Welche Anstrengungen haben die zuständigen Behörden seither unternommen, mit Hilfe der „zwei Teilnehmer der Hochzeitsgesellschaft … und deren Personalien …“ den Veranstalter der Hochzeit und über diesen dessen Einladungsliste ausfindig zu machen?

5.3. Welche ausländischen Staatsangehörigkeiten hatten die „zwei Teilnehmer der Hochzeitsgesellschaft … deren Personalien erhoben“ wurden und die kontrollierten Personen in München (Bitte alle Staatsangehörigkeiten und den Staat angeben,  auf den die mitgeführten Fahnen hindeuten,  angeben)?

 

6. Nachfrage zum Fragenkomplex 4 aus Drucksache 18/3405

6.1. Wie lautet die Antwort der Staatsregierung auf Frage 4.1. aus Drucksache 18/3405 unter Zugrundelegung der Bedeutung des Begriffs „Clan“, wie er vom BKA Verwendung findet bzw. wie er im Duden-Bedeutungswörterbuch definiert ist und daß unter „Clan-Hochzeit“ eine Hochzeit zwischen einer Person, die einem dieser Netzwerke zugerechnet werden kann und einer weiteren Person, verstanden wird?

6.2. Welche Indizien oder Erkenntnisse hat die Staatsregierung zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage darüber, daß mindestens eine der zwei Personen, die in Erding einer Personenkontrolle unterzogen wurden zu einem der Netzwerke bzw. Clans zugerechnet werden kann / muss, die von den Stellen bearbeitet werden, die für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität zuständig sind (Bitte das Netzwerk / Clan angeben)?

6.3. Aus welchem Grund hat es die Staatsregierung unterlassen auf den Inhalt der Frage 4.2 zu antworten, wenn man in Betracht zieht, daß die Anwendung des Clan-Begriffs aus dem „Bundeslagebild 2017“ unabhängig davon möglich ist, ob der Begriff der Clankriminalität bundesweit bisher abschließend und einheitlich definiert ist oder auch nicht?

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7. Nachfrage zum Fragenkomplex 5 aus Drucksache 18/3405

7.1 Wie viele der 2017 dem BKA gemeldeten 572 Ermittlungsverfahren im Bereich Organisierte Kriminalität (OK) wurden dem BKA von den zuständigen Stellen aus Bayern gemeldet?

7.1 Wie viele der 2017 dem BKA gemeldeten 39 Ermittlungsverfahren mit „Bezügen zu arabisch/türkischen Clans“ wurden dem BKA von den zuständigen Stellen aus Bayern gemeldet?

7.3 Wie lauten nach Kenntnis der Staatsregierung die Zahlen aus 5.1 und 5.2 für das Jahr 2018; 2019; und – soweit jetzt schon abschätzbar – womöglich für das Jahr 2020 (Für 2020 bitte mindestens die derzeitige Tendenz angeben)?

 

8. Nachfrage zu den Fragenkomplexen 7; 8 aus Drucksache 18/3405

8.1. Auf welche genauen Rechtsprechungen bezieht sich die Staatsregierung mit ihrer Annahme, daß das Fragerecht des Abgeordneten – bei Wahrung der Anonymität – durch die in der Antwort auf die Frage 7.2. ausgeführten Argumente begrenzt wäre (Bitte Aktenzeichen der einschlägigen Rechtsprechung angeben)?

8.2. Wie ist der aktuelle Ermittlungsstand zu dem in Frage 8.1. abgefragten Gegenstand unter Berücksichtigung der in Frage 8.2. kommunizierten Maßstäbe?

8.3. Wie ist der aktuelle Ermittlungsstand zu dem in Frage 8.3. abgefragten Gegenstand?