Sitzungswoche
8. Dezember 2021 (5. Sitzung)
Quelle Bundestag: Die Tagesordnung entspricht auch dann der im Bundestag, wenn die Reihenfolge der Tagesordnungen „durcheinander“ gehen.
TOP 1 Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19
Die Corona-Strategie der künftigen Ampel-Koalitionäre ist im Bundestag weiterhin heftig umstritten. In der ersten Beratung über den Gesetzentwurf von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie (20/188) warfen Union, AfD und Linke der neuen Koalition am Dienstag, 7. Dezember 2021, vor, nicht entschlossen genug und mit fragwürdigen Mitteln gegen die steigenden Infektionszahlen vorgehen zu wollen. Die geplante Impfpflicht für die Gesundheits- und Pflegeberufe stieß insbesondere bei AfD und Linken auf erhebliche Vorbehalte. Die Vorlage wurde zur weiteren Beratung in den Hauptausschuss überwiesen. Der Gesetzentwurf soll am Freitag, 10. Dezember, im Bundestag verabschiedet werden.
Gesetzentwurf von SPD, Grünen und FDP
Die neue Koalition plant eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen und begründet dies mit dem besonderen Schutzbedürfnis sogenannter vulnerabler Gruppen. Dem Personal in Gesundheitsberufen und Berufen, die Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen betreuen, komme eine besondere Verantwortung zu, da es intensiven und engen Kontakt zu Personengruppen mit einem hohen Infektionsrisiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf habe, heißt es in dem Gesetzentwurf. Ein verlässlicher Schutz vor dem Coronavirus durch eine sehr hohe Impfquote beim Personal in diesen Berufen sei wichtig.
Zum Schutz vulnerabler Gruppen müssten daher in bestimmten Einrichtungen und Unternehmen tätige Personen geimpft oder genesen sein oder ein ärztliches Zeugnis über das Bestehen einer Kontraindikation gegen eine Covid-Impfung haben.
Impf- oder Genesenennachweis ab Mitte März
Für bestehende und bis zum 15. März 2022 einzugehende Tätigkeiten sei die Vorlagepflicht bis zum 15. März 2022 zu erfüllen. Neue Arbeitsverhältnisse können ab dem 16. März 2022 in diesen Einrichtungen nur bei Vorlage eines entsprechenden Nachweises eingegangen werden.
Bei Zweifeln an der Echtheit des Nachweises kann das Gesundheitsamt Ermittlungen einleiten und einer Person, die keinen Nachweis vorlegt, die Tätigkeit in einer solchen Einrichtung oder einem Unternehmen untersagen.
Erweiterung des Kreises der Impfberechtigten
Um die Auffrischungsimpfungen zu beschleunigen, sollen dem Gesetzentwurf zufolge auch Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker vorübergehend Impfungen gegen das Coronavirus verabreichen dürfen, sofern sie entsprechend geschult sind. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht sowie der erweiterte Kreis der Impfberechtigten soll evaluiert werden.
Für in der Corona-Krise besonders belastete Krankenhäuser ist kurzfristig ein finanzieller Ausgleich vorgesehen. Damit sollen finanzielle Folgen und Liquiditätsengpässe für Krankenhäuser, die planbare Aufnahmen, Operationen und Eingriffe verschoben oder ausgesetzt haben, vermieden werden. In Krankenhäusern, die Corona-Patienten behandeln, wird zudem die Einhaltung bestimmter Mindestmerkmale aus dem Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) vorübergehend von der Abrechnungsprüfung ausgenommen.
Weitere Regelungen
Ferner werden die Ende Juni 2021 ausgelaufenen pandemiebedingten Sonderregelungen für virtuelle Versammlungen, etwa Betriebsversammlungen, bis zum 19. März 2022 wieder eingeführt. Sie können einmal verlängert werden. Auch soll die Übergangsregelung zu den Mehrbedarfen für gemeinschaftliche Mittagsverpflegung in Werkstätten bis zum 31. März 2022 verlängert werden.
Schließlich sollen die Sonderregelungen zur Gewährleistung der Handlungsfähigkeit etwa für Rechtsanwaltskammern, Notarkammern und Wirtschaftsprüferkammern bis zum 30. Juni 2022 verlängert werden.
SPD: Lage ist sehr besorgniserregend
Sabine Dittmar (SPD) wertete die Gesetzesänderung als Beleg für die Entschlossenheit der neuen Koalition, die Pandemie effektiv zu bekämpfen. Die Koalition sei bereit, mit Verantwortung und Augenmaß alle nötigen Schritte zu gehen. Sie erinnerte zudem daran, dass die Länder um mehr Klarstellungen im Infektionsschutzgesetz gebeten hätten.
Dittmar betonte: „Die Lage ist nach wie vor sehr besorgniserregend.“ Viele Patienten würden auf Intensivstationen betreut, viele der Patienten hätten sich dieses Schicksal mit einer Impfung ersparen können. Dittmar äußerte sich besorgt über die Dynamik der Omikron-Variante. Es sei daher gut, dass sich Bund und Länder auf bundesweite Kontaktbeschränkungen und den Verzicht auf Großveranstaltungen geeinigt hätten.
Mit dem Gesetz werde auch klargestellt, dass Clubs und Diskotheken sowie die Gastronomie geschlossen werden könnten. Die SPD-Politikerin räumte ein, dass die Impfpflicht für bestimmte Beschäftigte ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit sei. Die vulnerablen Gruppen müssten sich aber auf Hilfe verlassen können und darauf, dass ihnen keine Gefahr drohe. Aus epidemiologischer, ethischer und moralischer Sicht sei eine hohe Impfquote in den betroffenen Einrichtungen unabdingbar.
Grüne appellieren an Gemeinsamkeiten
Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen) appellierte insbesondere an die Union, in dieser Krise das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Die neuen Partner hätten versucht, in dieser schwierigen Situation passende Antworten zu finden. Es sei enttäuschend, wenn die Union jetzt von Versäumnissen rede und nicht davon, was gemeinsam verbessert werden könnte. Sie verwies auf die aktuell langen Wartezeiten für Impfungen.
Mit der neuen Omikron-Variante seien zudem Unwägbarkeiten verbunden. So sei noch unklar, ob die Mutante zu schwereren Erkrankungen führen könne oder ob die verfügbaren Impfstoffe gegen Omikron ausreichend wirkten. Klein-Schmeink mahnte: „Wir brauchen hier Gemeinsamkeiten, um das zu bewältigen.“ Wenn das nicht gelinge, drohe das Land von einer neuen Welle überrollt zu werden. Sie fügte hinzu: „Wir sind willens, da zu korrigieren, wo wir korrigieren müssen.“
FDP: Aktuelle Situation zwingt zum Handeln
Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) sagte, die aktuelle Situation sei ernst und zwinge zum Handeln. Die neue Koalition habe eine Nachschärfung angekündigt, falls es nötig sei.
Sie kritisierte, die Länder hätten die möglichen Auflagen schon konsequenter anwenden können. Nun hätten sich die Länder auf einen gemeinsamen Weg geeinigt, es gebe ein geordnetes parlamentarisches Verfahren. Anders als öfter dargestellt, könne das Parlament schnell reagieren. Einschnitte in das Leben der Bürger gehörten in das Parlament, nur so werde Akzeptanz erreicht.
Die FDP-Politikerin mahnte, eine neuerliche Schließung von Schulen und Kitas zulasten der Kinder müsse ausgeschlossen werden. Sie fügte hinzu, Impfen sei der einzige Weg aus der Pandemie. Gegen die Omikron-Variante biete Boostern den besten Schutz. Sie verteidigte auch die geplante Impfpflicht in Gesundheitseinrichtungen. Corona-Ausbrüche insbesondere dort hätten katastrophale Folgen.
CDU/CSU: Sie legen erneut ein Reparaturgesetz vor
Nach Ansicht der Unionsfraktion hätte die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite verlängert werden müssen. Die Länder hätten mit der jetzigen Rechtsgrundlage weniger Instrumente im Kampf gegen die Pandemie zur Verfügung, erklärten Redner von CDU und CSU.
Der CSU-Abgeordnete Stephan Stracke kritisierte, zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit werde nun das Infektionsschutzgesetz nachgebessert: „Sie legen erneut ein Raparaturgesetz vor.“ Es würden Lücken geschlossen, die von der neuen Koalition selbst aufgerissen worden seien. „Sie handeln zu spät, und Sie handeln zu wenig.“
Das Mittel der Wahl sei und bleibe die Feststellung der epidemische Notlage, betonte Stracke und verwies auf die kritische Lage in den Intensivstationen. Dies habe Auswirkungen auch auf die Gesundheitsversorgung der anderen Notfallpatienten. Die neue Rechtslage sei uneinheitlich und verwirrend, auch wegen der vielen unterschiedlichen Fristen. Der Gesetzentwurf gehe zwar insgesamt in die richtige Richtung, greife aber zu kurz.
Linke: Planlosigkeit hat neuen Höhepunkt erreicht
Auch Susanne Ferschl (Die Linke) rügte, die Planlosigkeit habe einen neuen Höhepunkt erreicht. Die alte Regierung habe schon komplett versagt. Nunmehr wolle die neue Koalition die Kompetenzen der Länder erst beschneiden und dann wieder erweitern. Das Vorgehen bei der geplanten Impfpflicht sei außerdem inakzeptabel. Es gehe immerhin um Grundrechte und Grundwerte. Der Grundrechtseingriff solle nun in einem Schnellverfahren verabschiedet werden statt in einem geordneten Verfahren.
Eine solche Impfpflicht müsse jedoch diskutiert und die Ausgestaltung sorgsam erwogen werden. Ferschl erinnerte daran, dass viele Beschäftigte gerade in der Pflege am Limit seine und ein Signal benötigten, dass die Bundesregierung dies auch verstanden habe. Die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in der Pflege müssten dauerhaft besser werden.
AfD: Eine unerhörte Grenzüberschreitung
Die AfD warf der alten und neuen Koalition vor, die Interessen der Bürger zu missachten. Dr. Alice Weidel (AfD) sagte: „Dieses Gesetz ist eine unerhörte Grenzüberschreitung.“ Es sei „hastig hingepfuscht“, um Grundrechtseinschränkungen umsetzen. Damit werde die ungute Tradition der Vorgängerregierung fortgeführt. Sie warf insbesondere der SPD-Spitze vor, selbstherrlich zu agieren und dabei Verfassungsgrenzen zu überschreiten. „Es sind die Grundrechte der Bürger, die Sie wie einen lästigen Klotz am Bein abschütteln wollen.“
Die abermalige Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes sei „ein epochaler Wortbruch und Wahlbetrug“, sagte Weidel mit Blick auf die Impfpflicht. Die FDP habe vor der Wahl erklärt, eine Impfpflicht wäre nicht verhältnismäßig, nun behaupte die Partei das Gegenteil. Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit werde mit Füßen getreten. Die Impfpflicht sei zudem ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die jetzt kaltschnäuzig aus dem Beruf gedrängt würden. Dies sei ein Skandal. Der Pflegenotstand werde damit nur verschärft.
Künftiger Gesundheitsminister schließt Lockdown nicht aus
Auch der designierte Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) meldete sich in der Debatte kurz zu Wort und mahnte ein besonnenes und vorausschauendes Vorgehen an. Der SPD-Politiker wollte einen Lockdown nicht ausschließen, falls es zu einer weiteren Zuspitzung der Lage käme. Der Bundestag überwies den Gesetzentwurf zusammen mit drei Anträgen der AfD-Fraktion (20/192, 20/193, 20/195) zur Beratung an den Hauptausschuss.
Vor der Aussprache hatten die Abgeordneten beschlossen, für die Beratung des Gesetzentwurfs von der Drei-Tages-Frist abzuweichen. Die Geschäftsordnung des Bundestages sieht vor, dass Beratungen der Vorlagen frühestens am dritten Tag nach Verteilung der Drucksachen beginnen. Für die Abweichung war eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder erforderlich. Linke und AfD stimmten gegen die Verkürzung der Frist. Darüber hinaus entschied der Bundestag gegen die Stimmen der AfD, die bisher geltende Maskenpflicht im Plenarsaal und auf den Tribünen um eine Maskenpflicht am Platz zu erweitern.
Erster Antrag der AfD
In ihrem ersten Antrag fordert die AfD, die Bundesregierung solle einen Gesetzentwurf einbringen oder per Verordnung regeln, dass eine „direkte sowie eine indirekte Pflicht zur Impfung gegen Covid-19 unzulässig“ sei (20/192). Die Entscheidung für oder gegen eine Impfung müsse „freiwillig, also ohne jeden Druck, nach ausführlicher Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen und reiflicher individueller Nutzen-Risikoabwägung“ erfolgen, so die Antragsteller.
Die Einführung einer generellen Impfpflicht würde die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage erfordern, die mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein müsste, heißt es in dem Antrag weiter. Um verhältnismäßig zu sein, müsse eine Maßnahme „geeignet, erforderlich und angemessen“ sein, was aus Sicht der AfD-Abgeordneten derzeit nicht erfüllt ist.
Zweiter Antrag der AfD
Von der Bundesregierung verlangt die AfD außerdem, einen Gesetzentwurf einzubringen oder per Verordnung zu regeln, dass „wochengenau bundesweit Patientendaten erfasst und unverzüglich veröffentlicht“ werden (20/193). Nach dem Willen der Fraktion sollen die Daten unter anderem Auskunft darüber geben, wie viele der Corona-Intensivpatienten und der Corona-Toten ungeimpft beziehungsweise geimpft seien. Außerdem solle zum Beispiel die Art und Häufigkeit von Impfnebenwirkungen erfasst werden.
Eine solche Datengrundlage sei notwendig, um über Corona-Maßnahmen und deren möglichen Umfang diskutieren und entscheiden zu können, so die Antragsteller. Die bislang vorliegende Patientendatenbasis sei unzureichend und müsse „umgehend und umfassend“ überarbeitet und erweitert werden.
Dritter Antrag der AfD
In ihrem dritten Antrag fordert die AfD, die Bundesregierung müsse sicherstellen, dass niemand „politisch, sozial oder auf andere Weise unter Druck gesetzt oder diskriminiert werde“, weil er sich „aufgrund von möglichen Gesundheitsrisiken oder weil er es nicht möchte“ nicht gegen Corona habe impfen lassen (20/195). Darüber hinaus solle die Regierung erklären, dass es keine gesetzliche Impflicht geben werde.
Wie die Abgeordneten in ihrem Antrag schreiben, ist es Aufgabe des Staates, die Freiwilligkeit der individuellen Impfentscheidung zu gewährleisten. Aus Sicht der AfD könne eine Impfentscheidung jedoch bereits dann nicht mehr als freiwillig bezeichnet werden, wenn an die Ablehnung der Impfung „zwar keine staatlichen Zwangsmittel, aber sonstige gewichtige gesellschaftliche oder rechtliche Nachteile geknüpft“ würden. Eine „unfreiwillige, weil indirekt erzwungene Impfung“ greife unmittelbar in das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein, so die Antragsteller. (pk/irs/vom/07.12.2021)
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9. Dezember 2021 (6. Sitzung)
TOP 8 Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19
Der Bundestag hat am Donnerstag, 9. Dezember 2021, erstmals einen Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Änderung des Stabilisierungsfondsgesetzes und des Wirtschaftsstabilisierungsbeschleunigungsgesetzes (20/189) beraten. Im Anschluss an die Aussprache wurde der Entwurf zur weiteren Beratung in den Hauptausschuss überwiesen.
Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen
SPD, Grüne und FDP wollen die Befristungsregelung im Stabilisierungsfondsgesetz (StFG) bis zum 30. Juni 2022 verlängern. Wie aus dem gemeinsamen Entwurf hervorgeht, sind Stabilisierungsmaßnahmen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) derzeit bis Ende Dezember 2021 möglich. Nach diesem Zeitpunkt dürften Unternehmen keine Stabilisierungsmaßnahmen des WSF gewährt werden, selbst wenn dies erforderlich wäre, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie auf das jeweilige Unternehmen abzufedern, heißt es in dem Entwurf weiter.
Angesichts der Pandemie habe die Europäische Kommission am 18. November 2021 beschlossen, den befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft bis Ende Juni 2022 zu verlängern. Nach entsprechender Verlängerung der Genehmigung des WSF durch die Europäische Kommission könnten auf Grundlage eines geänderten Stabilisierungsfondsgesetzes Stabilisierungsmaßnahmen bis Ende Juni 2022 gewährt werden.
Stabilisierung der Wirtschaft in Folge der Pandemie
Ziel des Gesetzentwurfs sei die Sicherstellung der Handlungsfähigkeit des WSF, um im Bedarfsfall auch nach dem 31. Dezember 2021 Unternehmen nach Paragraf 16 Absatz 2 StFG Stabilisierungsmaßnahmen gewähren zu können.
Der WSF soll den wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie entgegenwirken. Mit Garantien und Kapitalhilfen sollen Unternehmen der Realwirtschaft stabilisiert werden, deren Bestandsgefährdung erhebliche Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort oder den Arbeitsmarkt in Deutschland hätte. Errichtet wurde der Fonds durch das Ende März 2020 in Kraft getretene Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz. (irs/09.12.2021)
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TOP 9 Bezahlbare Mobilität Pendlerpauschale CO2-Abgabe
Mit breiter Mehrheit hat der Bundestag am Donnerstag, 9. Dezember 2021, je einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion und der AfD-Fraktion zum Thema Mobilität zurückgewiesen. Die Unionsfraktion hatte einen Antrag mit dem Titel „Mobilität für alle bezahlbar halten, Pendler und Wirtschaftsverkehr schützen“ (20/203) vorgelegt, der bei Enthaltung der AfD und mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt wurde. Der Titel des AfD-Antrags, der ebenfalls gegen die Stimmen der Antragsteller zurückgewiesen wurde, lautete „Aussetzung der CO2-Abgabe auf Benzin, Gas und Dieselkraftstoff – Erhöhung der Pendlerpauschale auf 38 Cent für jeden Entfernungskilometer auf 2022 vorziehen“ (20/196). Über beide Vorlagen stimmte der Bundestag nach der Debatte direkt ab.
Abgelehnter Antrag der CDU/CSU
Die Unionsfraktion forderte in ihrem Antrag (20/203) unter anderem, den Umstieg auf die CO2-neutrale Mobilität für alle attraktiv zu gestalten und dabei die Interessen aller Nutzer zu berücksichtigen. Dabei spielten neben batterieelektrischen Antrieben vor allem auch synthetische Kraftstoffe eine wichtige Rolle. Ein Dieselfahrverbot wollte die Fraktion verhindern und dafür unter anderem das Programm „Saubere Luft“ des Bundesverkehrsministeriums fortsetzen. Damit sei wesentlich dazu beigetragen worden, die Überschreitungen der zulässigen Stickstoffdioxid-Grenzwerte (von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2)/m3) von 90 (im Jahr 2016) auf unter zehn Städte und Gemeinden im Jahr 2020 zu reduzieren.
Bestehende Energiesteuersätze für Diesel und Benzin sollten nach Meinung der Union nicht erhöht werden. Dafür schlug sie eine Reform sowohl der Kraftstoff- als auch die Kfz-Besteuerung vor, um Kohlendioxidausstoß einheitlich zu belasten. Nichtfossile Bestandteile von Kraftstoffen sollten von der Energiesteuer befreit werden, hieß es.
Agrardiesel-Vergünstigung und Pendlerpauschale
Ferner verlangte die Fraktion, es müsse anerkannt werden, dass die Steuervergünstigung beim Agrardiesel eine wichtige Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit vor allem für Familienbetriebe sei und dass beim Agrardiesel keine Mehrbelastung für Land- und Forstwirte zugelassen werden dürfe, etwa indem die bestehende Rückvergütung für Agrardiesel bei der Mineralölsteuer gekürzt oder abgeschafft wird. Das Ladesäulennetz wollte die Fraktion ausbauen, um den Wechsel auf Elektromobilität flächendeckend zu ermöglichen. Dabei sollten Schnellladesäulen bundesweit im Fernverkehr möglichst innerhalb von zehn Minuten erreicht werden können und zudem das Bezahlsystem sowie die Anschlüsse vereinfacht, nutzerfreundlich gestaltet und standardisiert werden.
An der sogenannten Pendlerpauschale wollte die Union festhalten und sie mit dem Ziel weiterentwickeln, dass sie dynamisch in Abhängigkeit vom jeweils geltenden CO2– Preis nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz ansteigt.
Abgelehnter Antrag der AfD
Die AfD forderte in ihrem Antrag (20/196), die Bundesregierung müsse darauf hinwirken, dass die CO2-Abgabe auf Benzin, Dieseltreibstoff sowie Gas (CNG, LNG, LPG) bereits ab dem 1. Januar 2022 ausgesetzt wird. Auch sollte sie nach dem Willen der Fraktion einen Gesetzentwurf zur Abschaffung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes vorlegen und im Europäischen Rat auf eine entsprechende Änderung der EU-Verordnung „zur Festlegung verbindlicher nationaler Jahresziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2021 bis 2030 als Beitrag zu Klimaschutzmaßnahmen zwecks Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von Paris“ hinwirken.
Ferner verlangte die AfD einen Gesetzentwurf, der eine Änderung des Einkommensteuergesetzes mit dem Ziel zum Inhalt hat, die Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer von 38 Cent vom ersten vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte des Arbeitnehmers ab 2022 anzusetzen. (vom/irs/09.12.2021)
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TOP 10 Ganztagsfinanzierungsgesetz
Der Bundestag hat am Donnerstag, 9. Dezember 2021, erstmals einen Gesetzentwurf von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Änderung des Ganztagsfinanzierungsgesetzes und des Ganztagsfinanzhilfegesetzes (20/190) debattiert. Im Anschluss an die Aussprache wurde der Entwurf zur weiteren Beratung in den Hauptausschuss überwiesen.
Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen
Mit dem Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter (Ganztagsförderungsgesetz) vom 2. Oktober 2021 wird ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für alle Kinder im Grundschulalter ab dem 1. August 2026 stufenweise eingeführt und der dafür erforderliche Infrastrukturausbau unterstützt, heißt es in der Vorlage. Das Ganztagsfinanzhilfegesetz als Bestandteil des Ganztagsförderungsgesetzes sei am 12. Oktober 2021 in Kraft getreten. Bereits Ende 2020 hätten die Länder und der Bund mit der Unterzeichnung einer entsprechenden Verwaltungsvereinbarung das erste Investitionsprogramm zum beschleunigten Infrastrukturausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder gestartet, mit dem der Bund den Ländern 750 Millionen Euro zur Verfügung stellt.
Am 15. Dezember 2020 ist der Vorlage zufolge außerdem das Gesetz zur Errichtung des Sondervermögens „Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter“ (Ganztagsfinanzierungsgesetz) in Kraft getreten. Zusammen mit den Mitteln aus dem ersten Investitionsprogramm würden den Ländern und Kommunen über dieses Sondervermögen Finanzhilfen des Bundes in Höhe von 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Aufgrund der Corona-Pandemie und der Hochwasserkatastrophe in einigen Regionen Deutschlands im Juli 2021 und den damit zusammenhängenden Verzögerungen bei der Lieferung von Baustoffen und Ausstattungsinvestitionen sowie der eingeschränkten Verfügbarkeit von Handwerksleistungen verzögere sich die Umsetzung der Infrastrukturausbau, sodass ein Abschluss der Maßnahmen innerhalb des vorgesehenen Förderzeitraums bis Ende 2021 vielfach nicht möglich sei.
Auch für das Jahr 2022 sei absehbar, dass die Ausbaumaßnahmen nicht so schnell stattfinden könnten wie ursprünglich erwartet, schreiben die Fraktionen weiter. Im Ganztagsfinanzierungsgesetz und im Ganztagsfinanzhilfegesetz sei geregelt, dass nach dem 31. Dezember 2021 die Restmittel des Investitionsprogramms nicht mehr für dieses Programm zur Verfügung stehen. Durch eine Laufzeitverlängerung könne jedoch ermöglicht werden, dass mehr Mittel ausgegeben werden können. Mit dem Gesetzentwurf soll daher die Laufzeit des Investitionsprogramms zum beschleunigten Infrastrukturausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder um ein Jahr verlängert werden. (irs/vom/09.12.2021)
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TOP 11 Sofortmaßnahmen gegen die sozialen Folgen der Inflation
Gegen die Stimmen der Antragsteller hat der Bundestag am Donnerstag, 9. Dezember 2021, einen Antrag der AfD-Fraktion zum Thema Inflation abgelehnt. Über die Vorlage mit dem Titel „Sofortmaßnahmen gegen die sozialen Folgen der Inflation“ (20/191) hatten die Abgeordneten nach der Debatte direkt abgestimmt.
Abgelehnter Antrag der AfD
Die AfD forderte die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem der steuerliche Grundfreibetrag auf 12.600 Euro im Jahr erhöht und der Regelbedarf für die Grundsicherung für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II und Sozialgeld), die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie bei der Hilfe zum Lebensunterhalt für das Jahr 2022 pauschal und existenzsichernd erhöht wird. Die Kohlendioxid-Bepreisung, die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und die Energiesteuer wollte die Fraktion aufheben.
Der Umsatzsteuersatz für Energie (Strom, Gas, Heizöl, Fernwärme, Kohle und andere Heizstoffe) für die Wintermonate November 2021 bis Februar 2022 sollte nach dem Willen der AfD auf null Prozent ermäßigt werden. Bei der Umsatzsteuer auf Treibstoffe und Energie (Benzin, Diesel, Strom, Gas, Heizöl, Fernwärme, Kohle und andere Kraft- und Heizstoffe) wollte sie andere Abgaben, Steuern und Umlagen von der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ausnehmen. Bei der Festsetzung des Mindestlohns müsse die aktuelle und zu erwartende Inflationsentwicklung als wesentliches Abwägungskriterium berücksichtigt werden, hieß es in dem Antrag.
Schließlich wollte die Fraktion den Sparer-Pauschbetrag auf 1.200 Euro pro Jahr erhöhen. In der EU müsse die Bundesregierung darauf hinwirken, dass die Europäische Zentralbank nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu einer Geldpolitik zurückkehrt, die sich allein an den Zielen des europäischen Rechtes orientiert, verlangten die Antragsteller. (irs/vom/09.12.2021)
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ZP 1 Patente für Impfstoffe, Therampeutika und Tests
Der Bundestag hat am Donnerstag, 9. Dezember 2021, einen Antrag der Linksfraktion beraten, in dem diese die Freigabe der Patente für Corona-Impfstoffe fordert. Der Antrag (20/201) wurde anschließend zur weiteren Beratung in den Hauptausschuss überwiesen.
Antrag der Linken
Konkret fordert Die Linke von der Bundesregierung Unterstützung für den Antrag von Südafrika und Indien für ein Aussetzen der Patente für Therapeutika, Impfstoffe und Tests bei Covid-19 bei der Welthandelsorganisation.
Außerdem solle ein „wirksamer Technologietransfer insbesondere auch für die mRNA- und Vektorimpfstoffe“ gewährleistet werden. Damit will die Fraktion sicherstellen, dass das Know-how zur Produktion weltweit angeeignet werden kann, heißt es. (ste/irs/09.12.2021)
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ZP 2 Aktuelle Stunde: Truppenkonzentration russischer Streitkräfte an ukrainischer Grenze
Was führt Russlands Präsident Wladimir Putin im Schilde? Die USA und die ukrainische Regierung werfen seinem Regime vor, mittlerweile mehr als 94.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen zu haben. Das Nachbarland strebt einen Beitritt zur Nato an, was für Russland eine rote Linie bedeutet. Doch ist der Kremlchef wirklich bereit, deshalb die Ukraine anzugreifen und entsprechende Gegenreaktionen des Westens zu riskieren? Eine klare Antwort auf diese Frage hat Putin bislang nicht gegeben, auch nicht gegenüber US-Präsident Joe Biden, mit dem er vergangene Woche bei einem Videogipfel sprach. Dort betonte er lediglich, Russland sei „ein friedliebendes Land“.
Auf Verlangen der CDU/CSU-Fraktion hat der Bundestag am Donnerstag, 9. Dezember 2021, in einer Aktuellen Stunde über die „Haltung der Bundesregierung zur Truppenkonzentration russischer Streitkräfte an der Staatsgrenze der Ukraine“ debattiert. Alle Bundestagsfraktionen sprachen sich für eine diplomatische Lösung und die Wiederbelebung des Nato-Russland-Rats sowie des Normandie-Formats aus, in dem Frankreich und Deutschland seit 2014 zwischen der Ukraine und Russland vermitteln. Der 2015 in Minsk vereinbarte Friedensplan liegt bisher auf Eis.
AfD warnt vor einseitigen Schuldzuweisungen
Für die AfD warnte Dr. Alexander Gauland vor einseitigen Schulzuweisungen. Russland empfinde die Ordnung an seinen Grenzen als „nicht befriedigend“ und habe immer eine rote Linie gezogen, wo es um alten russischen Siedlungsraum gehe, sagte er in Anspielung auf eine mögliche Nato-Mitgliedschaft der Ukraine.
Das Argument, die Länder könnten ihre Bündnisse frei wählen, „mag völkerrechtlich richtig sein, aber politisch trägt es nicht“. Er zeigte sich überzeugt, dass der Sicherheit und Unabhängigkeit der Ukraine mit einer auch von Russland akzeptierten Neutralität besser gedient sei „als mit Waffenlieferungen und einer Nato-Mitgliedschaft“.
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10. Dezember 2021 (7. Sitzung)
TOP 13 Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19
er Bundestag hat am Freitag, 10. Dezember 2021, nach gut einstündiger Aussprache den gemeinsamen Gesetzentwurf von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie (20/188) in der vom Hauptausschuss geänderten Fassung (20/250) beschlossen. In namentlicher Abstimmung stimmten 569 Abgeordnete für den Gesetzentwurf, 79 lehnten ihn ab. Es gab 38 Enthaltungen. In zweiter Lesung hatten die Koalitionsfraktionen und die Unionsfraktion für den Gesetzentwurf gestimmt, die AfD dagegen, die Linksfraktion enthielt sich.
Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen
Der Gesetzentwurf der drei Koalitionsfraktionen sieht vor, dass in bestimmten Einrichtungen und Unternehmen tätige Personen geimpft oder genesen sein oder ein ärztliches Zeugnis über das Bestehen einer Kontraindikation gegen eine Impfung gegen Covid-19 besitzen müssen. Dem Personal in Gesundheitsberufen und Berufen, die Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen betreuen, komme eine besondere Verantwortung zu, da es intensiven und engen Kontakt zu Personengruppen mit einem hohen Infektionsrisiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf habe, heißt es darin.
Ein verlässlicher Schutz vor dem Coronavirus durch eine sehr hohe Impfquote beim Personal in diesen Berufen sei wichtig. Für bestehende und bis zum 15. März 2022 einzugehende Tätigkeitsverhältnisse müssen die Nachweise bis zum 15. März 2022 vorliegen. Neue Tätigkeitsverhältnisse können ab dem 16. März 2022 nur bei Vorlage eines entsprechenden Nachweises eingegangen werden.
Nachweise, die ab dem 16. März 2022 durch Zeitablauf ihre Gültigkeit verlieren, müssen innerhalb eines Monats nach Ablauf der Gültigkeit bei der Einrichtungs- oder Unternehmensleitung durch Vorlage eines gültigen Nachweises ersetzt werden. Bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, kann das Gesundheitsamt Ermittlungen einleiten und einer Person, die trotz der Anforderung keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt oder der Aufforderung zu einer ärztlichen Untersuchung nicht folgt, untersagen, dass sie die Räume der Einrichtung oder des Unternehmens betritt oder in einer solchen Einrichtung oder einem solchen Unternehmen tätig wird.
Erweiterung des Kreises der Impfberechtigten
Aufgrund der derzeit bestehenden sehr hohen Nachfrage nach Auffrischungsimpfungen, aber auch der wieder steigenden Nachfrage nach Erst- und Zweitimpfungen sind aus Sicht der Fraktionen schnelle Auffrischungsimpfungen notwendig. Um diesen Bedarf zu decken, können neben Ärztinnen und Ärzten auch Zahnärzte und Zahnärztinnen, Tierärzte und Tierärztinnen sowie Apotheker und Apothekerinnen Schutzimpfungen gegen das Coronavirus für einen vorübergehenden Zeitraum vornehmen, wenn sie die fachlichen Voraussetzungen erfüllen.
Die neue einrichtungsbezogene Impfpflicht und die Erweiterung des Kreises der impfberechtigten Personen sollen auf ihre Wirksamkeit und Reformbedürftigkeit hin überprüft werden, heißt es weiter. Aufgrund eines zunehmenden Infektionsgeschehens sei es notwendig, die stationäre Versorgung von Patientinnen und Patienten, die aufgrund einer Corona-Infektion stationär behandelt werden müssen, durch zusätzliche Maßnahmen sicherzustellen. Gleichzeitig müsse gewährleistet sein, dass die reguläre stationäre Versorgung von nicht an Covid-19 erkrankten Patientinnen und Patienten weiterhin im medizinisch notwendigen Umfang stattfinden kann.
Finanzieller Ausgleich für Krankenhäuser
Um negative finanzielle Folgen und Liquiditätsengpässe für Krankenhäuser, die planbare Aufnahmen, Operationen und Eingriffe in medizinisch vertretbarer Weise verschieben oder aussetzen, zu vermeiden, stellt der Bund den Krankenhäusern kurzfristig einen finanziellen Ausgleich zur Verfügung, wenn bei diesen Krankenhäusern ein Belegungsrückgang im relevanten Zeitraum eintritt. Die Ausgleichszahlungen sollen vor allem jene Krankenhäuser unterstützen, die zwar nicht primär in die Versorgung von Corona-Patienten eingebunden sind, aktuell und perspektivisch jedoch stark belastetet sind.
Schließlich werden die am 30. Juni 2021 ausgelaufenen pandemiebedingten Sonderregelungen zur Durchführung virtueller Betriebsversammlungen und Versammlungen der leitenden Angestellten sowie der Durchführung von Sitzungen der Einigungsstelle, der Heimarbeitsausschüsse und der Gremien nach dem Europäischen Betriebsräte-Gesetz sowie dem SE-Beteiligungsgesetz und SCE-Beteiligungsgesetz befristet bis zum 19. März 2022, mit Möglichkeit der einmaligen Verlängerung durch Beschluss des Deutschen Bundestages, wieder eingeführt.
Änderungen im Hauptausschuss
Der Hauptausschuss hatte in seiner abschließenden Beratung des Gesetzentwurfs am 9. Dezember sieben Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen angenommen, mit denen der Gesetzentwurf an verschiedenen Stellen präzisiert wird, so etwa bei der Liste der in die Impfpflicht einbezogenen Einrichtungen.
Die neuen impfberechtigten Berufsgruppen werden bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch gesetzlichen Unfallversicherungsschutz abgesichert. Zudem gilt die Sonderregelung zur erleichterten Gewährung des Kurzarbeitergeldes bis Ende März 2022 weiter.
Minister: Wir haben keine Zeit zu verlieren
In der Schlussdebatte stritten Regierungs- und Oppositionsfraktionen erneut über das geeignete Krisenmanagement in der sich zuspitzenden Gesundheitsnotlage. Vertreter der Opposition warfen der neuen Ampel-Regierung vor, halbherzig gegen die steigenden Infektionszahlen vorzugehen. Nach Ansicht von SPD, Grünen und FDP haben die Länder hingegen einen ausreichend großen Instrumentenkasten, um angemessen auf die aktuelle Lage zu reagieren.
Der neue Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) appellierte an die Opposition, sich in dieser Notlage einer Zusammenarbeit nicht zu verweigern. „Diese Pandemie ist eine Aufgabe für uns alle und keine Gelegenheit für Parteipolitik.“ Er fügte hinzu: „Wir haben keine Zeit zu verlieren.“ Das oberste Ziel sei der Schutz der Bevölkerung. „Wir werden daher alles tun, um diese Krise schnell zu beenden.“
Als aktuelle Herausforderung benannte Lauterbach, die „Delta-Welle“ zu brechen und eine „Omikron-Welle“ zu verhindern. Mit der Nachschärfung des Infektionsschutzgesetzes hätten die Länder alle nötigen Instrumente gegen die Ausweitung der Pandemie in der Hand.
„Schutzinstrumente an die aktuelle Lage anpassen“
Lauterbach ging auch auf Kritik ein, wonach die neue Bundesregierung die Schutzvorkehrungen ständig nachbessern muss. „Die Verbesserung eines Gesetzes ist nicht ehrenrührig“, sagte der Minister und fügte hinzu, es sei richtig, die Schutzinstrumente an die aktuelle Lage anzupassen. Er wandte sich aber gegen einen Überbietungswettbewerb von immer schärferen Auflagen. Vielmehr müssten die Schutzvorkehrungen konsequent eingesetzt und kontrolliert werden.
Mit Blick auf das Weihnachtsfest versprach Lauterbach, er wolle sich dafür einsetzen, dass ein sicheres Fest möglich werde. Dazu müsse das Impftempo zulegen, an mangelndem Impfstoff solle es nicht scheitern. Lauterbach versicherte: „Ich weiß, dass wir das schaffen werden.“
CDU/CSU: Ampel-Koalition springt zu kurz
Erwin Rüddel (CDU/CSU) erklärte, die neue gesetzliche Grundlage gehe in die richtige Richtung. Die Nachbesserungen gingen auch auf Vorschläge der Union zurück. Die Impfungen würden weiter dynamisiert, auch gebe es ausreichend Impfstoffe. Zudem würden die wichtigen Hilfen für Krankenhäuser verstetigt. Allerdings springe die Ampel-Koalition immer zu kurz, sagte Rüddel und erinnerte an die vielen Corona-Toten und die überfüllten Intensivstationen, aus denen Patienten ausgeflogen werden müssten, weil eine Behandlung teils nicht mehr möglich sei.
Der CDU-Abgeordnete monierte, die neue Regierung lege Reparaturgesetze vor und habe den Instrumentenkasten für die Länder reduziert. Ständige Änderungen und Reparaturen inmitten einer dramatischen Lage bewirkten eine Verunsicherung der Bevölkerung und Unmut. Es werde zu wenig unternommen, um die Pandemie erfolgreich zu bewältigen.
Ein Unsicherheitsfaktor sei die neue Omikron-Variante, die womöglich noch ansteckender sei und gegen die alle verfügbaren Impfstoffe weniger wirksam sei könnten. Daher seien gesetzliche Nachbesserungen schon im Januar absehbar. Rüddel forderte, die einrichtungsbezogene Impfpflicht auf das Personal in Kitas und Schulen auszudehnen.
Grüne: Entscheidend sind schnelle Booster-Impfungen
Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen) erinnerte die Union hingegen an die Versäumnisse aus der vergangenen Legislatur, weswegen nun nachgebessert werden müsse. „Wir legen einen wichtigen weiteren Baustein für mehr Sicherheit und Schutz gegen Corona vor.“ Entscheidend seien jetzt schnelle Booster-Impfungen, weil mit der Omikron-Variante, die „enormes Potenzial“ habe, die Schutzwirkung der Impfungen nachlassen könnte. Sie fügte hinzu, die Pandemie-Entwicklung könne dazu führen, dass schon bald gesetzlich wieder nachgeschärft werden müsse.
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht verbessere den Schutz der vulnerablen Gruppen und sorge auch für innerbetrieblichen Frieden, zeigte sich die Grünen-Abgeordnete überzeugt. Sie kündigte darüber hinaus eine Debatte über eine allgemeine Impfpflicht an. Klein-Schmeink versicherte, dass auch der geplante Pflegebonus kommen werde. Er sei noch nicht Bestandteil des Gesetzes, weil keine validen Zahlen vorgelegen hätten. Der Bonus solle aber unbedingt den richtigen Empfängerkreis erreichen.
Linke: Prämien für Pflegekräfte allein reichen nicht
Die Linksfraktion kritisierte, dass der geplante Pflegebonus verschoben wurde. Susanne Ferschl (Die Linke) rügte, die neue Regierung bringe zwar eine Impfpflicht auf den Weg, könne sich aber nicht auf eine Prämie für Pflegekräfte verständigen, das sei peinlich. Die Pflegekräfte kämpften in der Pandemie ganz vorne und seien schon lange überlastet. Prämien alleine reichten im Übrigen nicht aus, in der Pflege seien langfristig gute Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung notwendig.
Die Linke-Abgeordnete warf dem Bund schwere Versäumnisse in der Impfkampagne vor. So seien mehr ortsnahe Impfangebote nötig, dies sei sträflich vernachlässigt worden. „Im Bund gibt es eher kopflose Hektik als vernünftiges Handeln.“ Jedes Jahr verspreche jemand, dass die Menschen normal Weihnachten feiern könnten, wenn sie brav seien. Es sei aber keine langfristige Strategie erkennbar. Die weltweite Pandemie könne im Übrigen nur weltweit bekämpft werden, daher müssten die Patente für Vakzine und Therapeutika freigegeben werden.
FDP: Schulschließungen darf es nicht mehr geben
Auch Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) appellierte an die Bevölkerung, sich gegen Corona impfen und gegebenenfalls boostern zu lassen. Eine Auffrischungsimpfung könne dazu beitragen, die Mutationshäufigkeit zu reduzieren und eine bessere Immunantwort zu bewirken. Um mehr Tempo in die Impfkampagne zu bringen, werde der Kreis der Impfberechtigten um Apotheker, Zahnärzte und Tierärzte erweitert. Die FDP-Politikerin betonte: „In einer Notlage muss jeder impfen, der das darf und kann.“
Sie erinnerte daran, dass nach einer aktuellen Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) nun auch kleine Kinder geimpft werden könnten. Dies sei wichtig, denn die Kinder seien in der Pandemie bisher die Verlierer gewesen. Aschenberg-Dugnus forderte: „Schulschließungen darf es nicht mehr geben.“ Das soziale Wohl und die Bildungschancen der Kinder müssten stets im Auge behalten werden.
AfD: Das Vertrauen der Bürger ist zutiefst erschüttert
Nach Überzeugung der AfD-Fraktion ist die ganze Corona-Krisenstrategie fragwürdig und nicht erfolgversprechend. Tino Chrupalla (AfD) sagte, durch die Auflagen seien Menschen isoliert und Gemeinschaften zerstört worden. Die Stabilität der Gesellschaft werde durch unverhältnismäßige Zwangsmaßnahmen beeinträchtigt. Viele Bürger hätten die Einschränkungen geduldig und pflichtbewusst ertragen, ohne dass sich die Lage nachhaltig bessere. Die Impfungen vermittelten lediglich eine trügerische Sicherheit. Es werde auch immer noch davon gesprochen, dass das Virus besiegt werden könne.
Ständig würden Aussagen der Politik wieder geändert, kritisierte Chrupalla. Die Impfpflicht sei ein Wortbruch gegenüber früheren Versprechungen. Dies führe auch zu einem Vertrauensbruch in den Parlamentarismus. Er forderte die Regierung auf, den Bürgern eine Perspektive zu geben und den Gesundheitssektor zu stabilisieren. „Das Vertrauen der Bürger in die Politik und die Politiker ist zutiefst erschüttert.“
Änderungs- und Entschließungsantrag abgelehnt
Die Linke hatte zur zweiten Beratung einen Änderungsantrag (20/251) eingebracht, dem in namentlicher Abstimmung 36 Abgeordnete zustimmten. 583 Abgeordnete lehnten ihn ab, 67 enthielten sich, der Änderungsantrag war somit abgelehnt. Die Fraktion hatte eine „Prämie zur Anerkennung der Leistungen im Gesundheits- und Pflegesystem“ gefordert. Die Prämie, die Beschäftigten verschiedener medizinischer Einrichtungen ausgezahlt werden sollte, sollte steuer- und sozialabgabenfrei gestaltet werden. Für Vollzeitbeschäftigte sah die Fraktion einen Betrag von 1.000 Euro vor.
Mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen lehnte der Bundestag in dritter Beratung einen Entschließungsantrag der AfD-Fraktion ab (20/252). Der Bundesregierung stünden mildere Mittel zur Beendigung der Pandemie zur Verfügung, hatte die AfD argumentiert. Außerdem seien die Forderungen nach einer allgemeinen Impflicht wissenschaftlich nicht unterfüttert.
Länder können soziale Kontakte begrenzen
Gegen die Stimmen der AfD bei Enthaltung der Linken stimmte der Bundestag der ersten Verordnung der Bundesregierung zur Änderung der Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (20/186) zu. Er folgte damit einer weiteren Beschlussempfehlung des Hauptausschusses (20/247).
Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit, der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems und auch zum Schutz von vulnerablen Personengruppen vor einer Erkrankung an Covid-19 wird mit der Verordnung den Ländern die Möglichkeit eröffnet, abweichend von den bisherigen Regelungen in Paragraf 4 der Covid-19-SchutzmaßnahmenAusnahmenverordnung, die Anzahl von Personen bei privaten Zusammenkünften oder bei ähnlichen sozialen Kontakten auch im Hinblick auf geimpfte und genesene Personen zu begrenzen, wenn dies aus Gründen des Infektionsschutzes gerechtfertigt ist.
Die Länder können zum einen geimpfte und genesene Personen bei der Ermittlung der Zahl der teilnehmenden Personen an zahlenmäßig beschränkten privaten Zusammenkünften berücksichtigen, an denen auch Personen teilnehmen, bei denen nicht von einer Immunisierung gegen das Coronavirus auszugehen ist. Zum anderen dürfen sie auch bei privaten Zusammenkünften oder bei ähnlichen sozialen Kontakten, an denen ausschließlich geimpfte oder genesene Personen teilnehmen, die Anzahl der Personen beschränken.
Geschäftsordnung des Bundestages geändert
Gegen die Stimmen der AfD-Fraktion nahm der Bundestag zudem einen gemeinsamen Antrag der drei Koalitionsfraktionen (20/202) an, den Paragrafen 126a der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zu ändern. Der zu Beginn der Corona-Pandemie in die Geschäftsordnung aufgenommene Paragraf regelt die „besondere Anwendung der Geschäftsordnung aufgrund der allgemeinen Beeinträchtigung durch Covid-19“. Die Regelung läuft nach jetzigem Stand am 31. Dezember 2021 aus und wurde nun bis zum 19. März 2022 verlängert.
Wieder eingeführt wird die bis Ende der vergangenen Wahlperiode gültige Corona-Regelung, wonach der Bundestag abweichend von Paragraf 45 Absatz 1 der Geschäftsordnung schon dann beschlussfähig ist, wenn mehr als ein Viertel der Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist.
Bis 19. März soll weiterhin gelten, dass Abgeordnete, die über elektronische Kommunikationsmittel an Ausschusssitzungen teilnehmen, als „anwesend“ gelten. Für Abstimmungen und Beschlüsse in Ausschusssitzungen können auch elektronische Kommunikationsmittel genutzt werden. Ausschusssitzungen gelten auch dann als öffentlich, wenn die Öffentlichkeit nur über elektronische Übermittlungswege einbezogen wird.
Drei AfD-Anträge abgelehnt
Jeweils mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen lehnte der Bundestag drei Anträge der AfD-Fraktion mit den Titeln „Keine Corona-Impfpflicht“ (20/192), „Keine Diskussion über Corona-Maßnahmen ohne ausreichende Datengrundlage über Wirksamkeit und Nebenwirkungen der Impfung“ (20/193) und „Grundrechte sind keine Geimpftenrechte – Die Wahrnehmung von Grundrechten darf nicht von Bedingungen abhängig gemacht werden“ (20/195) ab. Auch hierzu lagen Beschlussempfehlungen des Hauptausschusses vor (20/250).
Im ersten Antrag (20/192) hatte die AfD die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf einzubringen oder per Verordnung zu regeln, dass eine direkte sowie eine indirekte Pflicht zur Impfung gegen Covid-19 unzulässig ist und dass die Entscheidung für oder gegen eine Impfung freiwillig, also ohne jeden Druck, nach ausführlicher Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen und reiflicher individueller Nutzen-Risikoabwägung getroffen werden muss.
Erfassung von Patientendaten
Im zweiten Antrag (20/193) hatte die Fraktion von der Bundesregierung einen Gesetzentwurf oder eine Verordnung verlangt, wonach bundesweit Patientendaten erfasst und veröffentlicht werden sollen, die unter anderem Auskunft darüber geben, wie viele der Corona-Intensivpatienten und der Corona-Toten, unterteilt nach Altersgruppen, ungeimpfte oder geimpfte Personen sind, wie häufig welche Arten von Impfnebenwirkungen auftreten, wie viele der geimpften Personen eine Auffrischungsimpfung erhalten haben und welche Voraussetzungen eine Person erfüllen muss, damit sie als geimpft oder ungeimpft gilt.
Im dritten Antrag (20/195) hatte die Fraktion die Bundesregierung aufgefordert, dafür zu sorgen, dass niemand politisch, sozial oder auf andere Weise unter Druck gesetzt oder diskriminiert wird, weil er aufgrund von möglichen Gesundheitsrisiken oder weil er es nicht möchte, sich nicht hat impfen lassen, und zu erklären, dass es keine gesetzliche Impfpflicht geben wird. (vom/ste/10.12.2021)