MÜNCHEN – Der Landkreis Rosenheim steht auf Platz 2 und die Landkreise BGL und Altötting auf Platz 6 und 7 im Ranking der meisten Unterschriften seiner Bürger zur Volksinitiative „Landtag abberufen“. Knappe 10% der Bevölkerung Bayerns hätten unterschreiben müssen, maximal 4,35% der Bevölkerung haben in einem der Landkreise Bayerns unterschreiben.
Nach dem Scheitern der Volksinitiative „Landtag abberufen“, ergießt sich nun die Häme der Altparteienvertreter über die nicht aus dem politischen Establishment stammenden Initiatoren.
Der Grundgedanke der Antragsteller war offenbar, daß wenn der Landtag sich in der Corona-Gesetzgebung gegenüber einer selbstherrlich agierenden Staatsregierung selbst aufgibt und sich selbst entmachtet, indem er zu keiner der Maßnahmen der Staatsregierung mehr seine Zustimmung geben muß, so lange diese einfach auch nur behauptet, daß diese Maßnahmen der Bekämpfung eines Virus dienen würden, dann kann sich der Landtag auch gleich selbst auflösen.
Im Kern war jedoch offensichtlich, daß der Landtag deswegen abberufen werden sollte, weil dieser seiner Kontrollaufgabe gegenüber der Staatsregierung mindestens in der Frage der Covid-Maßnahmen, wohl aber auch in anderen Affären, aus Sicht der Initiatoren nicht hinreichend nachkommt. Ein Begehren „Staatsregierung abberufen“ kennt die Verfassung Bayerns aber nicht.
Es fällt aber auch auf, daß die Initiative vom Bodensee bis fast nach Passau in den südlichen Grenz-Landkreise die stärkste Resonanz gefunden hat. Das sind die Landkreise, in denen die CSU noch auf komfortable Mehrheiten bauen kann. In Städten, in denn die CSU praktisch nichts mehr zu sagen hat, wie München oder Nürnberg, oder einigen Universitätsstädten. Die Universitätsstadt Würzburg hält mit 0,98% die rote Laterne.
Ein 65 Jahre altes Instrument, das noch nie benutzt wurde
Die Initiatoren von „Landtag abberufen“ griffen für ihre Initiative auf eine Vorschrift aus der Volksgesetzgebung Bayerns zurück, das sich seit 1946 in der Verfassung Bayerns befindet, seither aber noch nie Anwendung fand. Das Volksbegehren „Landtag abberufen“ basiert nämlich auf Art. 18 Abs. 3 der Verfassung Bayerns
In Verbindung mit dem Bayerischen Wahlgesetz:
Voraussetzung war, daß die Initiatoren 25.000 Stimmen gesammelt haben, um diese Initiative überhaupt starten zu können. Diese erste Hürde hatten die Initiatoren überwunden gehabt, was diesen auf jeden Fall schon einmal positiv anzurechnen ist.
Der nächste Schritt war dann, daß eine Million Unterschriften hätten gesammelt werden müssen. Dies sind immerhin 10% der Stimmberechtigten. Wenn man herbei berücksichtigt, daß von diesen 100% Stimmberechtigten mindestens 10% sowieso nicht aktivierbar sind, weil sie nicht einmal zu Wahlen aktivierbar sind, bedeutet dies, daß die Initiatoren An dieser zweiten Hürde sind die Initiatoren nun gescheitert.
Wären sie erfolgreich gewesen, dann wäre zunächst der Landtag an Zug gewesen, um sich selbst aufzulösen. Hätte er diese Möglichkeit ungenutzt verstreichen lassen, dann fände ein Volksentscheid statt, bei dem eine einfache Mehrheit ausreichend wäre, daß das das Volk dann den Landtag abberufen hätte. Wäre der Volksentscheid erfolgreich, so müßte spätestens nach sechs Wochen der Landtag neu gewählt werden.
Die Initiatoren nehmen es sportlich
Auf den Weg gebracht wurde das Volksbegehren vom Bündnis Landtag abberufen, aus dem Umfeld der Covid-Maßnahmenkritiker. Später erst hat die AfD ihre Unterstützung bekundet. Später deswegen, weil der dafür zuständige Landesvorstand eine derartige Unterstützung nicht von sich aus aussprach. Erst ein Antrag auf einem Mitgliederparteitag, der fast einstimmig durchging, sorgte dafür, daß die AfD in Bayern dieses Thema auf die Agenda nahm. Viele Beobachter sehen darin gerade das Funktionieren basisdemokratischer Strukturen auch für Fälle, daß sich ein Vorstand zu weit von der eigenen Mitgliederbasis entfernt.
Die Initiatoren verweisen auf ihrer Webseite noch einmal auf ihre „vielleicht naive“ Vorstellung, die sie mit der Initiative verbunden haben.
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Altparteienvertreter mit Spott und Schadenfreude
Weniger sportlich, und eher in Gestalt eines Nachtretens äußerten sich einige CSU-Vertreter in ihren Statements, aus denen auch die für die CSU typische Arroganz der Macht herauszulesen ist. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zeigt sich erwartungsgemäß zufrieden. Das Ergebnis
„unterstreicht das Vertrauen der Bürger in das Parlament und in die Demokratie“,
verkündet er. Die von der Auflösung betroffene Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) giftete hingegen:
„Das zeigt: Die angeblich starke Mehrheit ist nur eine sehr kleine, laute Minderheit.“
ergänzt auf recht boshafte Weise
„Passen ihnen mehrheitlich getroffene Entscheidungen nicht, soll der Landtag abberufen werden.“
und Ministerpräsident Söder gab sogar mit seinem Hang zu Superlativen von sich, daß dies angeblich
„das schlechteste Volksbegehren der Geschichte gewesen sei“,
obwohl es diese Art Volksbegehren noch nie gab. Aber wenn es darum geht irgend jemandem einen Superlativ um die Ohren zu hauen, ist Ministerpräsident Söder nicht immer von Präzision gezeichnet. Im Ergebnis von 2,15 Prozent sieht er eine
ganz so, als ob Demokratie ein Instrument von Verschwörungstheoretikern wäre.
Landkreis Altötting ganz vorne mit dabei
In jedem Fall sind Niederbayern (2,7%) und Schwaben (2,49%) ganz vorne mit dabei. Gefolgt von Oberbayern (2,37%), der Oberpfalz (2,13%), Oberfranken (1,78%) und Mittelfranken und Unterfranken mit je (1,57%). Bayernweit waren es 2,15% der Stimmberechtigten, die den Weg in die Rathäuser fanden.
Die stärkste Anhängerschaft haben die Initiatoren im Landkreis Rosenheim, gefolgt vom Landkreis Traunstein und dem Landkreis Unterallgäu. Dann folgen BGL, Miesbach, Rottal-Inn und an siebter Stelle bereits der Landkreis Altötting.
Die Details kann man folgender Auflstung entnehmen:
Anzahl Stimmberechtigte; Anzahl Stimmen; Anteil %
161 Ingolstadt, kreisfreie Stadt 89 571 1 677 1,87
162 München, Landeshauptstadt 913 650 10 522 1,15
163 Rosenheim, kreisfreie Stadt 40 595 1 224 3,02
171 Altötting 82 218 2 999 3,65
172 Berchtesgadener Land 74 135 2 877 3,88
173 Bad Tölz-Wolfratshausen 92 852 2 635 2,84
174 Dachau 105 610 2 501 2,37
175 Ebersberg 99 874 2 038 2,04
176 Eichstätt 98 230 2 229 2,27
177 Erding 100 113 2 397 2,39
178 Freising 120 503 2 620 2,17
179 Fürstenfeldbruck 152 166 3 396 2,23
180 Garmisch-Partenkirchen 65 085 2 117 3,25
181 Landsberg am Lech 90 701 2 910 3,21
182 Miesbach 73 243 2 788 3,81
183 Mühldorf a.Inn 86 053 2 923 3,40
184 München 233 172 3 905 1,67
185 Neuburg-Schrobenhausen 72 319 1 918 2,65
186 Pfaffenhofen a.d.Ilm 93 756 2 312 2,47
187 Rosenheim 195 924 8 308 4,24
188 Starnberg 96 529 2 184 2,26
189 Traunstein 133 796 5 816 4,35
190 Weilheim-Schongau 102 703 3 714 3,62
261 Landshut, kreisfreie Stadt 48 270 955 1,98
262 Passau, kreisfreie Stadt 37 228 466 1,25
263 Straubing, kreisfreie Stadt 33 433 590 1,76
271 Deggendorf 91 462 2 192 2,40
272 Freyung-Grafenau 63 529 1 956 3,08
273 Kelheim 88 606 2 178 2,46
274 Landshut 119 542 3 707 3,10
275 Passau 150 818 4 146 2,75
276 Regen 60 832 1 816 2,99
277 Rottal-Inn 91 969 3 493 3,80
278 Straubing-Bogen 78 534 1 603 2,04
279 Dingolfing-Landau 71 590 2 180 3,05
361 Amberg, kreisfreie Stadt 32 041 441 1,38
362 Regensburg, kreisfreie Stadt 105 272 1 623 1,54
363 Weiden i.d.OPf., kreisfreie Stadt 31 926 573 1,79
371 Amberg-Sulzbach 81 729 1 620 1,98
372 Cham 102 083 2 606 2,55
373 Neumarkt i.d.OPf. 101 927 2 616 2,57
374 Neustadt a.d.Waldnaab 75 586 1 602 2,12
375 Regensburg 147 191 3 053 2,07
376 Schwandorf 114 939 2 584 2,25
377 Tirschenreuth 58 115 1 401 2,41
461 Bamberg, kreisfreie Stadt 54 664 813 1,49
462 Bayreuth, kreisfreie Stadt 55 354 708 1,28
463 Coburg, kreisfreie Stadt 30 704 303 0,99
464 Hof, kreisfreie Stadt 32 288 491 1,52
471 Bamberg 116 339 2 581 2,22
472 Bayreuth 83 831 1 471 1,75
473 Coburg 69 219 1 251 1,81
474 Forchheim 90 798 1 718 1,89
475 Hof 75 869 1 354 1,78
476 Kronach 54 077 949 1,75
477 Kulmbach 58 263 1 070 1,84
478 Lichtenfels 53 179 973 1,83
479 Wunsiedel i.Fichtelgebirge 56 612 1 092 1,93
561 Ansbach, kreisfreie Stadt 30 116 488 1,62
562 Erlangen, kreisfreie Stadt 76 023 868 1,14
563 Fürth, kreisfreie Stadt 86 564 1 179 1,36
564 Nürnberg, kreisfreie Stadt 334 852 3 934 1,17
565 Schwabach, kreisfreie Stadt 29 782 618 2,08
571 Ansbach 139 931 2 665 1,90
572 Erlangen-Höchstadt 104 475 1 448 1,39
573 Fürth 91 693 1 659 1,81
574 Nürnberger Land 130 375 2 321 1,78
575 Neustadt a.d.Aisch-Bad Windsheim 77 536 1 244 1,60
576 Roth 98 432 2 097 2,13
577 Weißenburg-Gunzenhausen 72 266 1 504 2,08
661 Aschaffenburg, kreisfreie Stadt 49 500 591 1,19
662 Schweinfurt, kreisfreie Stadt 36 650 624 1,70
663 Würzburg, kreisfreie Stadt 96 630 949 0,98
671 Aschaffenburg 132 261 1 671 1,26
672 Bad Kissingen 82 753 1 919 2,32
673 Rhön-Grabfeld 63 080 1 164 1,85
674 Haßberge 67 719 1 661 2,45
675 Kitzingen 69 073 1 138 1,65
676 Miltenberg 94 742 1 566 1,65
677 Main-Spessart 98 864 1 454 1,47
678 Schweinfurt 90 549 1 887 2,08
679 Würzburg 126 850 1 230 0,97
761 Augsburg, kreisfreie Stadt 186 212 3 344 1,80
762 Kaufbeuren, kreisfreie Stadt 31 386 860 2,74
763 Kempten (Allgäu), kreisfreie Stadt 48 060 1 056 2,20
764 Memmingen, kreisfreie Stadt 29 193 759 2,60
771 Aichach-Friedberg 101 640 2 682 2,64
772 Augsburg 189 553 4 909 2,59
773 Dillingen a.d.Donau 72 734 1 511 2,08
774 Günzburg 90 344 2 375 2,63
775 Neu-Ulm 123 227 2 000 1,62
776 Lindau (Bodensee) 59 713 1 228 2,06
777 Ostallgäu
778 Unterallgäu 109 577 4 264 3,89
779 Donau-Ries 100 553 2 422 2,41
780 Oberallgäu 119 617 3 1 094 2,59
9 480 105 204 135 2,15