89. und fortfolgende Bundestagssitzungen ab 15. März 2023, die Beiträge der AfD-Abgeordneten

Sitzungswoche

Die Reden werden erst im Laufe der kommenden Woche voll umfänglich bearbeitet worden sein und werden dann hier nachträglich eingepflegt

15. März 2023 (89. Sitzung)

Quelle Bundestag: Die Tagesordnung entspricht auch dann der im Bundestag, wenn die Reihenfolge der Tagesordnungen „durcheinander“ gehen.

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TOP 1 Befragung Bundesregierung (BMI & BMZ)

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat in der Regierungsbefragung des Bundestages am Mittwoch, 15. März 2023, die Notwendigkeit starker und handlungsfähiger Sicherheitsbehörden betont. Der Krieg in der Ukraine habe massive Auswirkungen auf die innere Sicherheit in Deutschland. Die Aufnahme von mehr als einer Million Flüchtlinge im vergangenen Jahr sei ein Kraftakt gewesen. Faeser dankte der Bevölkerung für die Solidarität, die viele Menschenleben gerettet habe.

Zu den Auswirkungen des Krieges zählten Cyberangriffe und Desinformationskampagnen. Auch die Angriffe prorussischer Hacker hätten massiv zugenommen. Die Sicherheitsbehörden seien jedoch wachsam und hätten die Lage im Blick. Der Krieg bedrohe auch die Demokratie durch Desinformation, um die Gesellschaft zu spalten, weshalb Extremismus entschlossen bekämpft werden müsse, etwa durch das Demokratiefördergesetz.

Neben der Innenministerin stellte sich auch die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Svenja Schulze (SPD) den Fragen der Abgeordneten. Sie betonte, Entwicklungspolitik sei auch nachhaltige Sicherheitspolitik. Aus Mitteln ihres Ministeriums seien bereits 650 Millionen Euro in die Ukraine geflossen, die Weichen für einen reformorientierten Wiederaufbau des Landes würden bereits gestellt. Um die Hilfen zu koordinieren, werde eine nationale Plattform aufgebaut.

Im Übrigen sei sie mit US-Finanzministerin Janet Yellen dabei, die Reform der Weltbank voranzutreiben. Die Weltbank brauche ein neues Finanzierungs- und Geschäftsmodell.

Überforderte Kommunen und Integrationskurse

Der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer sprach die Innenministerin auf die „Überforderung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Ebene“ im Hinblick auf die Aufnahme von Flüchtlingen an. Nancy Faeser sagte, sie ignoriere diese „Hilferufe“ der Kommunen nicht, sondern handele. Im vergangenen Jahr seien den Kommunen 3,75 Milliarden Euro, in diesem Jahr bereits 2,5 Milliarden Euro bereitgestellt worden. „Wir unterstützen die Kommunen bei der Integration“, betonte sie.

Zuwanderung und Europäisches Asylsystem

Dr. Gottfried Curio (AfD) hob auf „explodierende Zuwanderungszahlen“ ab, die illegale Zuwanderung ohne Ukraine-Flüchtlinge gehe immer weiter. Faeser entgegnete, acht von zehn Geflüchteten kämen aus der Ukraine. Die Bundesregierung habe schon viel auf den Weg gebracht, etwa bei der Beschleunigung von Asylverfahren.

Martina Renner (Die Linke) und Steffen Janich (AfD) fragten nach der Waffengesetz-Novelle, auch im Hinblick auf den Amoklauf in Hamburg. Die Ministerin sagte gegenüber Renner, Änderungsbedarf am Entwurf aufgrund der Ereignisse in Hamburg würden geprüft, auch hinsichtlich eines vorläufigen Waffenentzugs. Janich wollte wissen, wie sichergestellt wird, dass Sportschützen und Jäger künftig nicht behindert werden. Faeser sagte, unter 25-Jährige benötigten bereits jetzt ein psychologisches Gutachten, um eine Waffenbesitzkarte zu erhalten. Es erschließe sich nicht, das bei anderen nicht zu verlangen. Es gehe darum, „Extremisten herauszuziehen“.

Gerrit Huy (AfD) erkundigte sich nach der Anwerbung von Fachkräften in Ghana. Schulze sagte, das dortige deutsch-ghanaische Beratungszentrum habe die EU so begeistert, dass daraus jetzt ein europäisches Beratungszentrum werde. Zwischen Zuwanderung durch Flucht und Arbeitskräftezuwanderung müsse unterschieden werden. Bei der Arbeitskräftezuwanderung müsse es darum gehen, über Qualifikationen zu informieren. (vom/15.03.2023)

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TOP 2 Fragestunde

Im Anschluss an die Regierungsbefragung folgte am Mittwoch, 15. März 2023, die Fragestunde. Getrennt nach Ressorts beantworteten Vertreter der Bundesregierung 45 Minuten lang Fragen (20/5941), die von den Abgeordneten vorab schriftlich eingereicht worden waren.

CDU/CSU-Abgeordnete mit den meisten Fragen

21 der insgesamt 51 Fragen wurden von Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion gestellt. Abgeordnete der AfD-Fraktion und der Fraktion Die Linke waren mit jeweils 14 Fragen vertreten. Zwei Fragen stellte die Abgeordnete Canan Bayram (Bündnis 90/Die Grünen).

Allein 22 Fragen richteten sich an das Bundesministerium für Gesundheit, gefolgt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit fünf Fragen. Je vier Fragen sollten das Bundesministerium für Inneres und Heimat, das Auswärtige Amt und das Bundesministerium der Justiz beantworten. Jeweils drei Fragen gingen an das Bundesministerium für Digitales und Verkehr, an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und an das Bundesministerium der Verteidigung. Antwort auf jeweils eine Frage erwarteten die Abgeordneten vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, vom Bundeskanzleramt und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Was die Abgeordneten wissen wollen

Beispielsweise erkundigte sich der baden-württembergische CDU-Abgeordnete Fabian Gramling beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz nach dem aktuellen Stand der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern zur Ausgestaltung des Härtefallfonds für Privathaushalte, die mit Öl, Pellets oder Flüssiggas heizen. Er wollte ebenfalls wissen, ab wann nach Kenntnis der Bundesregierung frühestens mit einem Start der Antragsstellung auf Härtefallhilfen in den Ländern zu rechnen ist.

Der bayerische AfD-Abgeordnete Dr. Rainer Kraft fragte das Bundeskanzleramt, warum die Bundesregierung nicht der Empfehlung des Bundesdatenschutzbeauftragten Professor Ulrich Kelber zur Abschaltung ihrer Social-Media-Kanäle folgt. Er wollte zudem wissen, ob die Bundesregierung im Falle eines Abschaltungsbescheides tatsächlich eine Klage in Betracht zieht.

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ZP1 Heizungstauschzwang: Freiheit statt Verbote

Das Vorhaben von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), den Einbau von Öl- und Gasheizungen ab dem Jahr 2024 zu verbieten, stößt bei Unionsfraktion und AfD-Fraktion auf Ablehnung. Das wurde während einer von der CDU/CSU-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde mit dem Titel „Freiheit statt Verbote – Den mündigen Bürger stärken“ am Mittwoch, 15. März 2023, deutlich.

Union kritisiert „Verbotspolitik“ der Ampel-Regierung

Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) warf der Ampel-Regierung vor, immer wieder den Menschen etwas verbieten zu wollen, „ob das in die Lebenswirklichkeit passt oder nicht“. Das neue Beispiel für diese „Verbotspolitik“ sei das Vorhaben Habecks, ab 2024 neue Öl- und Gasheizungen zu verbieten. Dies stelle für die Bürger enorme Herausforderungen dar, „in einer Zeit, in der die Menschen ohnehin hoch belastet sind“. Verunsicherung und Angst seien die Folgen.

Zudem gebe es nicht genug Handwerkerkapazitäten, um das Vorhaben umzusetzen. „Ihre Verbotspläne sind in dieser Form nicht umsetzbar“, befand Gebhart und warf der Ampelkoalition zugleich vor, im vergangenen Jahr für ein Förderchaos gesorgt zu haben.

SPD verweist auf Warnung von Bundesumweltamt

Gerade heute, so entgegnete Timon Gremmels (SPD), habe das Bundesumweltamt gewarnt, dass die Klimaschutzziele unter anderem im Verkehrs- und Gebäudesektor verfehlt würden. Ausschließlich mit Förderprogrammen seien diese Ziele nicht zu erreichen, urteilte der SPD-Abgeordnete. „Wir brauchen auch das Ordnungsrecht und eine ordentliche Beratung.“

Auch im Gebäudebereich müsse vorangeschritten werden, sagte er. Dafür sei das neue Gebäudeenergiegesetz genau der richtige Weg. Gremmels machte zudem deutlich, dass keineswegs ab 2024 „alle Heizungen ausgebaut werden müssen“. Vielmehr müssten neu eingebaute Heizungen einen Erneuerbare-Energien-Anteil von 65 Prozent haben.

AfD moniert „Zwänge, Verbote, Planvorgaben und Strafen“

Deutschland bewege sich von der freien und sozialen Marktwirtschaft mit vollem Tempo in eine ungebremste Zwangsplanwirtschaft, sagte Karsten Hilse (AfD). Als verlogene Vorwände dazu dienten der sogenannte Klimaschutz „und hin und wieder die Gesundheit“.

Die Mittel dazu seien Zwänge, Verbote, Planvorgaben und Strafen. Ein Beispiel dafür sei die Grenzwertverschärfung beim CO2-Ausstoß von Autos. Die angeblich drohende Klimaerwärmungskatastrophe sei nun auch die Begründung für die jüngsten totalitären Ideen des „Wirtschaftszerstörungsministers“, sagte Hilse.

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TOP 3 Offenlegung von Ertragsteuerinformationen

Der Bundestag hat am Mittwoch, 15. März 2023, erstmals den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/2101 im Hinblick auf die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen durch bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassungen“ (20/5653) beraten. Nach der Aussprache überwiesen die Abgeordneten den Entwurf an die Ausschüsse. Die Federführung bei den weiteren Beratungen übernimmt der Rechtsausschuss.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung eine EU-Richtlinie in deutsches Recht umsetzen, der zufolge multinationale und ertragsstarke Unternehmen und Konzerne künftig Informationen zu in den Mitgliedstaaten gezahlten Ertragsteuern offenlegen müssen. Durch die Offenlegungspflicht solle „eine informierte öffentliche Debatte darüber ermöglicht werden, ob die betroffenen multinationalen Unternehmen und Konzerne ihren Beitrag zum Gemeinwohl auch dort leisten, wo sie tätig sind“, heißt es in dem Gesetzentwurf.

In deutsches Recht umgesetzt werden soll die Richtlinie der Vorlage zufolge durch einen neuen Unterabschnitt im Vierten Abschnitt des Dritten Buchs des Handelgesetzbuches (HGB). Zudem sind weitere Änderungen im HGB vorgesehen. So sollen unter anderem eine Offenlegungspflicht erweitert und handelsbilanzrechtliche Bußgeld- und Ordnungsgeldvorschriften punktuell geändert werden. (scr/hau/15.03.2022)

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TOP 4 Forschung zu Long COVID, ME/CFS und Post-Vac-Syndrom

Der Bundestag hat sich am Mittwoch, 15. März 2023, erstmals mit einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Forschung zu Long Covid, ME/CFS und Post-Vac-Syndrom in Deutschland stärken“ (20/5983) befasst. Nach der Debatte überwiesen die Abgeordneten die Vorlage in den federführenden Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung.

Antrag der Union

Die Unionsfraktion fordert eine langfristig und breit angelegte Forschungsstrategie gegen Long-Covid. Laut einer aktuellen Studie litten in Deutschland mindestens eine Million Bürger unter den Folgen einer Covid-Infektion und weltweit rund 65 Millionen Menschen, heißt es im Antrag der Fraktion. Die vielfach empfundene Hilflosigkeit im Umgang mit der Erkrankung sowie die kräftezehrende Suche nach einer zutreffenden Diagnose und wirksamen Behandlungsmethoden verbreiteten in der ganzen Breite der Gesellschaft unermessliches Leid und Verzweiflung. Daher richteten sich viele Hoffnungen auf Fortschritte in Wissenschaft und Forschung.

Die Abgeordneten fordern in ihrem Antrag, die Forschung zu Long-Covid, ME/CFS und dem sogenannten Post-Vac-Syndrom durch die Projektförderung des Bundes erheblich auszubauen. Die Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung müssten schnellstmöglich bei den Betroffenen ankommen. (pk/ste/15.03.2023)

 

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TOP 5 Sanktions­recht im Strafgesetzbuch

In erster Lesung hat der Bundestag am Mittwoch, 15. März 2023, über die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Änderungen im Sanktionsrecht beraten. Der Gesetzentwurf (20/5913) sieht Änderungen bei der Ersatzfreiheitsstrafe, bei der Strafzumessung, bei Auflagen und Weisungen sowie beim Maßregelvollzug vor. Nach der Aussprache überwiesen die Abgeordneten den Entwurf zur weiteren Beratung an den federführenden Rechtsausschuss.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Konkret schlägt die Bundesregierung vor, den Umrechnungsmaßstab einer Geld- in eine Ersatzfreiheitsstrafe in Paragraf 43b Strafgesetzbuch zu halbieren. Demnach sollen künftig zwei Tagessätze einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entsprechen. Eine Ersatzfreiheitstrafe wird angeordnet, wenn eine zu einer Geldstrafe verurteilte Person diese nicht zahlt.

Die Halbierung begründet die Bundesregierung mit dem Umstand, dass deren Vollzug „in der Regel keinen Beitrag zur Resozialisierung der Betroffenen leisten kann“. Die Bundesregierung führt zudem Zahlen an, nach denen die Zahl der Menschen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt, deutlich gestiegen ist, während die Zahl derer, die eine Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit vermeiden, deutlich zurückgegangen ist. Durch entsprechende gesetzliche Anpassungen will die Bundesregierung daher sicherstellen, dass Personen, denen der Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe droht, von den Vollstreckungsbehörden darauf hingewiesen werden müssen, dass es die Möglichkeit für Zahlungserleichterungen sowie für gemeinnützige Arbeit („freie Arbeit“) gibt.

Auch die Gerichtshilfe sowie Träger der freien Straffälligenhilfe sollen künftig stärker eingebunden werden. Eine komplette Streichung der Ersatzfreiheitsstrafen lehnt die Bundesregierung hingegen ab. Dies würde die „wirksame Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs bei der Geldstrafe grundsätzlich in Frage stellen“.

Gestiegene Zahl von Gewalttaten gegen Frauen

Hinsichtlich der Strafzumessung sollen laut Entwurf künftig „geschlechterspezifische“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Tatmotive als Beispiele für menschenverachtende Beweggründe und Ziele in Paragraf 46 Absatz 2 StGB aufgeführt werden. Die Bundesregierung verweist zur Begründung auf die gestiegene Zahl von Gewalttaten gegen Frauen innerhalb von Partnerschaften sowie im digitalen Raum in Form von Hassreden. Ebenfalls davon betroffen seien – analog wie digital – auch lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Personen sowie andere queere Menschen. Zwar können laut Entwurf solche Hassmotive bereits heute strafverschärfend berücksichtigt werden. „Diese Vorgabe soll jedoch bekräftigt und verstärkt werden“, heißt es in dem Entwurf.

Eine wesentliche Änderung schlägt die Bundesregierung zudem mit Blick auf die Unterbringung von Verurteilten in Entziehungsanstalten vor. Die entsprechenden Regelungen sollen enger gefasst werden. Zum einen soll die Anordnung einer solchen Maßregel laut Entwurf an strengere Voraussetzungen geknüpft werden. Zum anderen soll die Anrechnung der Zeit im Maßregelvollzug auf die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung an die Anrechnung regulärer Haftzeiten angepasst werden. Die Bundesregierung begründet die Änderungen mit der Überlastung der entsprechenden Anstalten. Dafür seien zum einen die zu weit gefassten Voraussetzungen verantwortlich, zum anderen setze die bisherige Anrechnungspraxis der Maßregelzeit falsche Anreize.

Spezialpräventive Maßnahmen

Ferner will die Bundesregierung die Möglichkeiten, im Rahmen von Bewährungsaussetzungen und vorläufigen Einstellungsentscheidungen durch ambulante Maßnahmen spezialpräventiv auf Straftäter einzuwirken, bekräftigen und ausbauen.

Unterstützung drückt die Bundesregierung für einen Vorschlag des Bundesrates in dessen Stellungnahme zum Gesetzentwurf aus. Die Länderkammer hatte vorschlagen, die Geltung des deutschen Strafrechts auch für bestimmte im Ausland begangene Taten, etwa Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung auszuweiten. Bisher können für diese Tat nur Personen in Deutschland belangt werden, die zum Tatzeitpunkt Deutsche sind. Künftig sollte dies nach Vorstellung des Bundesrates und der Bundesregierung auch für Personen gelten, die ihre Lebensgrundlage in Deutschland haben. Andere Vorschläge des Bundesrates lehnt die Bundesregierung hingegen überwiegend ab. (scr/hau/15.03.2023)

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Antrag AfG TOP 6 Untersuchungsausschuss „zum Angriff auf Nord Stream“ gefordert

Die AfD-Fraktion fordert die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses „zum Angriff auf Nord Stream. Ihren dazu vorgelegten Antrag (20/5989) haben die Abgeordneten des Deutschen Bundestages am Mittwoch, 15. März 2023, erstmals beraten. Im Anschluss an die Aussprache überwiesen sie die Vorlage an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung.

Untersuchung von Tathergang und Hintergründen

Das 16-köpfige Gremium soll nach Willen der AfD aufklären, wie und auf der Basis von welchen Erkenntnissen die Bundesregierung sich zu den Anschlägen vom 26. September 2022 auf die Nord-Stream-Erdgaspipelines in der Ostsee verhalten hat. Für die Fraktion geht es dabei um die relevanten Informationen im Vorfeld der Anschläge, die Untersuchung des Tathergangs und der Urheberschaft und um deren Auswirkungen.

Der Ausschuss solle vor allem die Mitwirkung des Bundeskanzleramts, des Bundesministeriums der Verteidigung, des Auswärtigen Amts, des Bundesministeriums der Justiz, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz und der ihnen nachgeordneten Behörden beleuchten. Dabei sollen nach dem Willen der Fraktion nicht nur Erkenntnisse zum konkreten Tathergang der Anschläge selbst untersucht werden, sondern auch „sämtliche Maßnahmen fremder Staaten, deren Ziel es war, den Bau, die Finanzierung, die Inbetriebnahme und die Reparatur der Pipeline zu verhindern“.

Der Untersuchungszeitraum solle im Mai 2017 beginnen, als der US-Senator Ben Cardin den Entwurf eines Sanktionsgesetzes einbrachte, und mit dem Tag der Einsetzung des Untersuchungsausschusses enden. Der Untersuchungsausschuss soll dem Antrag zufolge unter anderem der Frage nachgehen, ob und inwiefern die Bundesregierung mittels Verhandlungen oder anderer Maßnahmen versucht hat, ein Ende dieser Sanktionen zu bewirken und die Durchführung der Bauarbeiten diplomatisch zu ermöglichen.

Geklärt werden solle auch, ob die Bundesregierung Hinweise auf die drohenden Anschläge erhalten hat und welche Auswirkungen diese auf ihr weiteres Handeln hatten. Darüber hinaus interessiert die Fraktion, welche Maßnahmen die Bundesregierung und die Bundesbehörden bislang getroffen haben, um den Angriff auf Nord Stream aufzuklären. Vor allem sei zu klären, ob und durch wen der Tatort observiert wurde und ob Hinweise auf die Täterschaft des Anschlags durch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gewonnen werden konnten. Der Untersuchungsausschuss soll laut Antrag zudem prüfen und Empfehlungen geben, ob und inwiefern aus dem Gegenstand der Untersuchung Schlussfolgerungen über die weitere Gestaltung des Verhältnisses zu anderen Staaten gezogen werden können, die – etwaigen Ergebnissen der Untersuchung zufolge – „im Verdacht stehen, an den Anschlägen beteiligt gewesen zu sein“. Er soll ebenso herausfinden, ob und inwiefern Maßnahmen der Bundesregierung notwendig sind, um eine ungehinderte Reparatur der Pipelines zu gewährleisten, sofern diese von der Betreibergesellschaft oder anderen zum Zeitpunkt der Untersuchung verantwortlichen Akteuren beabsichtigt ist. (vom/hau/15.03.2023)

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16. März 2023 (90. Sitzung)

ZP1 Regierungserklärung zum Europäischen Rat

Deutschland ist laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bereit, die eigenen militärischen Beschaffungsvorhaben auch für andere EU-Mitgliedstaaten zu öffnen. Ziel müsse unter anderem die beschleunigte Beschaffung von Munition für die Ukraine sein, erklärte er am Donnerstag, 16. März 2023, in seiner Regierungserklärung vor dem Bundestag. Anlass für die 20-minütige Erklärung war der EU-Gipfel am 23. und 24. März 2023, auf dem es auch um die Frage gehen wird, ob die EU Militärgüter künftig gemeinsam beschaffen soll. Weitere Themen in Brüssel sind Wettbewerbsfähigkeit und Energie.

Kanzler für klimagerechte Investitionen und Innovationen

Die EU werde die Ukraine weiterhin militärisch unterstützen und zugleich den Sanktionsdruck auf Russland aufrechterhalten, betonte Scholz. Zudem sprach er sich für eine Stärkung des Binnenmarkts und der Wettbewerbsfähigkeit aus. Es komme „jetzt entscheidend darauf an, klimagerechte Investitionen und Innovationen in Europa noch stärker und gezielter voranzubringen“, sagte er.

Deutschland und Europa hätten in den vergangenen zwölf Monaten schwierige Herausforderungen gemeistert. Deutschland sei es unter anderem gelungen, sich in Reaktion auf Russlands Krieg gegen die Ukraine unabhängig von russischem Gas zu machen. „Trotzdem musste niemand frieren und es gab keinen wirtschaftlichen Einbruch.“ Erfahrungen, die nach Ansicht des Kanzlers, Grund zur Zuversicht bieten. „Ja, es ist möglich“, sagte Scholz. „Wir werden den großen Umbruch hinbekommen, der vor uns liegt.“

CDU/CSU: Zuversicht speist sich aus Taten

Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU/CSU) warf dem Bundeskanzler in der anschließenden rund 70-minütigen Debatte vor, „den Bezug zu Realität in unserem Land“ verloren zu haben. Zuversicht könne  man nicht künstlich herbeireden, sie speise sich aus Taten. Merz nannte die Unterstützungsleistungen Deutschlands für die Ukraine unzureichend und den Umgang mit Städten und Gemeinden, die mit dem Zuzug vieler Flüchtlinge konfrontiert seien, unangemessen.

Darüber hinaus verwies auf die Konflikte innerhalb der Ampel-Koalition, etwa über den Bundeshaushalt für 2024 und das geplante Aus für Verbrenner-Autos in der EU, und kritisierte den Umgang mit dem 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögen für die Bundeswehr scharf. Für den „Skandal“, dass hieraus bisher „noch kein Euro und kein Cent“ abgeflossen seien, sei allein Scholz verantwortlich. Den Zustand der Bundeswehr könne er nicht „bei irgendeiner früheren Regierung festmachen“. Der CSU-Abgeordnete Stefan Müller nannte die Ampel eine „Streitkoalition“, die in Europa keiner mehr verstehe.

AfD wirf Bundesregierung Arbeitsunfähigkeit vor

Auch Linke und AfD sparten nicht an Kritik an der Koalition. AfD-Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla warf dem Kanzler vor, seine Regierungserklärungen „inflationär“ zu nutzen, um von der „Arbeitsunfähigkeit dieser Bundesregierung“ abzulenken.

Diese bleibe Antworten zu den Anschlägen auf die beiden Pipelines Nord Stream 1 und 2 und zum Schutz kritischer Infrastrukturen schuldig und schwäche das Land durch seine Energie- und Klimapolitik. Das sie „mit aller Macht“ den Ausbau der erneuerbaren Energien durchsetzen wolle, ohne adäquaten Ersatz zu haben, sei ein „eingleisig eindimensionaler Lösungsansatz“. Zugleich kritisierte Chrupalla erneut die deutsche Unterstützung für die Ukraine.

Linke fordert Kurswechsel in der Ukraine-Politik

Die Co-Fraktionschefin der Linken, Amira Mohamed Ali (Die Linke), forderte ebenfalls einen Kurswechsel in der Ukraine-Politik und eine Abkehr von den Sanktionen gegen Russland. „Schluss mit den Sanktionen, die unsere Wirtschaft erdrosseln, aber die russische Kriegsführung nicht beeinträchtigen“, sagte sie. Auch die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine kritisierte sie als „hoch gefährlich“. Diese würden nicht zu Frieden führen, sondern nur bei den Rüstungskonzernen jeden Tag die Champagnerkorken knallen lassen.

Ali mahnte zudem eine „sozial ausgerichtete Energie- und Industriepolitik“ an. Die hohen Kosten für Lebensmittel und Energie seien trotz Staatshilfen für Bürger und Unternehmen eine große Belastung. Die Energiekosten müssten sinken, sonst würden viele Unternehmen ihre Produktion herunterfahren oder ganz einstellen und Millionen Bürgern drohe der Verlust des Arbeitsplatzes.

Grüne: Bürger von hohen Kosten für Energie entlastet

Die Redner von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP warfen der Opposition vor, die Erfolge der vergangenen zwölf Monate schlecht zu reden. „Sie schaffen es nicht anzuerkennen, was dieses Land geleistet hat“, urteilte Katharina Dröge (Bündnis 90/Die Grünen) an Friedrich Merz gerichtet. So habe die Koalition 2022 mehrere hundert Milliarden Euro beschlossen, um Unternehmen und Bürger von den hohen Kosten für fossile Energien zu entlasten.

Zugleich sei Deutschland innerhalb eines Jahres unabhängig von russischem Öl und Gas geworden, habe in Rekordzeit eine neue Energieinfrastruktur aufgebaut und Ernst gemacht mit dem Ausbau von Erneuerbaren Energien. Der Union hielt Dröge vor, Sorgen und Ängste zu schüren, in der Hoffnung, „daraus kurzfristige parteipolitische Gewinne zu erzielen“. Die Union wende sich außerdem gegen alles, was dem Klimaschutz diene, ohne eigene Konzepte vorzulegen.

FDP: Koalition macht Bundeswehr endlich wieder fit

Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr verteidigte den Kurs der Bundesregierung. „Ja, wir ringen um einen Kurs, auch bei den Antrieben der Zukunft“, sagte er. Aber das sei wichtig, wenn Europa reformfähig bleiben wolle. Deutschland hatte zuletzt einen Beschluss zum Aus für neue Verbrenner verhindert, da die FDP darauf dringt, dass auch nach 2035 Neuwagen mit Verbrenner zugelassen werden dürfen, wenn sie mit Ökostrom erzeugte künstliche Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, tanken.

Dürr nannte es „unanständig“, dass die Union „jetzt die Fehler ihrer eigenen Politik“, etwa bei Bildung oder Bundeswehr beklage. „Hier sitzt die Koalition, die die Bundeswehr endlich wieder fit macht“, rief Dürr den Reihen der Union entgegen. Sie sollte sich ihrer Verantwortung für die Zukunft stellen.

SPD: Ampel stellt Weichen für modernen Industriestandort

Verena Hubertz (SPD) forderte die Opposition auf, „anzupacken und nicht nur darüber zu lamentieren, was alles nicht geht“.

Die Ampel werde die Weichen für einen modernen Industriestandort Europa stellen, etwa durch die Förderung von Wasserstoff. Auch das Bundeswehrsondervermögen werde umgesetzt. (joh, 16.03.23)

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TOP 8 Stromversorgungssicherungsgesetz

Die Unionsfraktion sieht die Sicherheit der Energieversorgung aktuell vor großen Herausforderungen. Deshalb hat sie einen Gesetzentwurf zur Sicherung bezahlbarer Stromversorgung vorgelegt – das Stromversorgungssicherungsgesetz (SVSG, 20/5984). Am Donnerstag, 16. März 2023 hat der Bundestag sich in erster Lesung mit dem Entwurf befasst, der eine befristete Laufzeitverlängerung der drei noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke und die befristete Absenkung der Stromsteuer wie des Umsatzsteuersatzes zur Entlastung vorsieht, besonders auch für Wirtschaft und Mittelstand. Nach der Aussprache überwiesen die Abgeordneten den Entwurf zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Klimaschutz und Energie.

Union: Kernkraft ist Klimakraft

In seinem Eingangsstatement ging der Unionsabgeordnete Jens Spahn die Ampelkoalition hart an. Was die Energieversorgungssicherheit für den kommenden Winter 2024 angehe, so wiege sich die Bundesregierung möglicherweise in zu großer Sicherheit. Spahn sprach vom „Vorsorgeparadox“ – weil man einmal das Schlimmste verhindert habe, glaube man nun, es werde schon auch beim nächsten Mal gutgehen. „Was Sie nicht sehen wollen“, rief er den Regierungsfraktionen zu, „ist wie schnell sich die Lage ändern kann.“ Das beziehe sich auf das Wetter, französische Atomkraftwerke, die geopolitische Lage.

In der Krise gelte aber: „Haben ist besser als brauchen.“ Und deshalb mache sich die Union dafür stark, das bisherige Enddatum für den Leistungsbetrieb von Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland auf den 31. Dezember 2024 zu verschieben. „Kernkraft ist Klimakraft“, sagte Spahn: Wenn es Ihnen ums Klima ginge, sagte er in Richtung Bundesregierung, „würden Sie die Atomkraftwerke länger laufen lassen statt alte Kohlekraftwerke ans Netz zurückzuholen.“

SPD wirbt für billigere und sicherere Erneuerbare Energien

SPD-Klimaexpertin Dr. Nina Scheer widersprach. „Wir brauchen die Atomkraftwerke nicht.“ Erneuerbare Energien seien sicherer und billiger.

Dank der Ampelgesetze des vergangenen Jahres beschleunige sich der Zubau an Wind- und Solaranlagen, die zudem keine Endlagerprobleme verursachten. Das sei nachhaltiger als die „Schnappatmungs“-Politik der Union, die immer nur kurzfristig ein akutes Problem zu lösen versuche.

AfD fordert Weiterlaufenlassen der AKW

Bis vor Kurzem sei in Deutschland undenkbar gewesen, über Blackouts, Abschaltungen von Betrieben und politische Stromsparappelle zu reden, sagte Marc Bernhard (AfD), aber jetzt blieben zum Beispiel Güterzüge wegen Strommangels stehen: „Und das, weil Sie von der CDU den gleichzeitigen Ausstieg aus Atom und Kohle eingeleitet haben – als einziges Land weltweit“.

Andernorts werde die Atomkraft ausgebaut, in der EU gelte sie als grüne Energie, dafür habe man in Deutschland die höchsten Strompreise der Welt. Da helfe auch keine befristete Laufzeitverlängerung, wie von der Union vorgeschlagen. Das einzige, was wirklich helfen würde, wäre ein Ausstieg aus der „weltdümmsten Energiepolitik“ und das Weiterlaufenlassen der AKW.

Grüne sehen Versorgungssicherheit gewährleistet

Für Deutschland sei eine sichere, souveräne und bezahlbare Energieversorgung wichtig. Das sei völlig unstrittig, sagte Grünen-Abgeordnete Katrin Uhlig. Durch den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine seien die Energiepreise enorm gestiegen. Deshalb habe die Ampelkoalition schon im vergangenen Jahr eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, um Verbraucher und Industrie zu entlasten, Energie bezahlbar zu halten und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Der Gesetzentwurf der Union mache deutlich, dass CDU und CSU „keine Vision haben“. Die Zukunft gehöre den Erneuerbaren Energien – weil sie klimafreundlich seien und bezahlbar. Deren beschleunigter Ausbau sei wichtig, für den deutschen Industriestandort wie für den europäischen Binnenmarkt.

Linke wirbt für weitere Abschöpfung von Übergewinnen

Klaus Ernst (Die Linke) wies auf steigende Preise für Verbraucher und Verbraucherinnen und zugleich steigende Gewinne der Konzerne hin. Und in dieser Situation wolle die Union die Abschöpfung von Übergewinnen beenden? Um den Preis zu senken? „Vollkommen abwegig“, konstatierte Ernst. Was die AKW angeht, teuer und risikoreich, verstehe er die Union auch nicht: Warum sie die Schlachten nochmal schlage, die sie schon verloren habe, frage er  – „da war Merkel doch schon weiter“.

Wenn man die Bundesregierung kritisieren wolle, dann solle man ihr doch lieber vorhalten, dass sie um elf Prozent ihren eigenen Zielen beim Ausbau der Erneuerbaren hinterherhinke. Und weil das so sei, und man Altes nur abschalten könne, wenn man genug Neues habe, sei es auch an der Bundesregierung dafür zu sorgen, dass es genug fossile Energie in Deutschland gebe.

FDP lobt Ampelpolitik als historisch

Zu spät, zu langsam, zu halbherzig? Dem Liberalen Michael Kruse war es vorbehalten, Spahn zu erklären, dass die Regierungsfraktionen mit einem „riesigen Maßnahmenpaket“ die befürchtete Mangellage abgewendet hätten.

Das sei kein „Vorsorgeparadox“, sondern gute Politik, befand Kruse, ja, mehr noch: Das sei „die größte energiepolitische Leistung der Nachkriegsgeschichte.“

Gesetzentwurf der Union

Ein Energieversorgungsnotstand müsse durch die Hebung aller Potenziale abgewendet werden, heißt es in dem Entwurf. Dazu gehöre sowohl ein beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien als auch die befristete Laufzeitverlängerung der drei noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke. Es bestehe ein hoher Bedarf an gesicherter Kraftwerksleistung. Außerdem solle durch die Laufzeitverlängerung das Stromangebot erhöht und dadurch der Strompreis gesenkt werden. Der Weiterbetrieb trage darüber hinaus dazu bei, dass weniger Gas verstromt werde.

Mit dem Gesetz solle neben dem Krisenmanagement für den laufenden Winter rechtzeitig auch für den darauffolgenden Winter vorgesorgt werden, heißt es zur Begründung des Gesetzesvorhabens. „Da sich die Umsetzung der Entlastungsmaßnahmen durch die Bundesregierung – zum Beispiel im Hinblick auf die Energiepreisbremsen, den Härtefallfonds oder etwa die Energiepreispauschale für Studierende – weiterhin verzögert, die Maßnahmen der Regierungskoalition teilweise keine Entlastungswirkung erzielen und die mittelfristige Entwicklung der Strompreise einen Anstieg erwarten lässt, sind weitere Entlastungen beim Strompreis geboten.“ Daher solle mit dem Gesetzentwurf durch die befristete Absenkung der Stromsteuer ein Beitrag zur Entlastung, besonders auch für Wirtschaft und Mittelstand, geleistet werden. Private Haushalte sollen darüber hinaus über die befristete Absenkung des Umsatzsteuersatzes auf sieben Prozent für Stromlieferungen entlastet werden.

Ausbau der erneuerbaren Energien und AKW-Laufzeitverlängerung

Konkret sieht der Gesetzentwurf Maßnahmen zum beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien sowie zur befristeten Laufzeitverlängerung durch die Änderung des Atomgesetzes vor. Das bisherige Enddatum für den Leistungsbetrieb von Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland soll auf den 31. Dezember 2024 verschoben werden, der Deutsche Bundestag bis spätestens zum 30. September 2024 über eine weitere Verlängerung der Befristung entscheiden. Die bisherige Verknüpfung der Berechtigung zum Leistungsbetrieb mit Reststrommengen solle aufgehoben werden, um die bestehenden Vereinbarungen zwischen den Kernkraftwerksbetreibern und der Bundesrepublik Deutschland nicht anzutasten.

Die Ausnahme für das Ausbleiben der eigentlich 2019 durchzuführenden Periodischen Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) soll verlängert und mit einem fixen Datum versehen werden, bis wann sie betriebsbegleitend abzuschließen ist. Ein sinkendes Sicherheitsniveau sei bei einem Weiterbetrieb über den 15. April 2023 hinaus nicht zu erwarten. Auch während der befristeten Laufzeitverlängerung obliege es den zuständigen Atomaufsichtsbehörden, die gesetzlich normierte Schadensvorsorge zu überwachen und zu gewährleisten.

Durch die befristete Stromsteuersenkung ergeben sich dem Entwurf zufolge für den Bund geschätzte jährliche Steuermindereinnahmen im mittleren einstelligen Milliarden-Bereich, und durch die befristete Absenkung der Umsatzsteuer für Bund, Länder und Kommunen geschätzte jährliche Steuermindereinnahmen im unteren einstelligen Milliarden-Bereich. (mis/hau/16.03.2023)

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TOP 9 Gesetz zur Behebung von Fehlanreizen im Asylverfahren

Die Fraktionen im Bundestag haben Donnerstag, 16. März 2023, ihre grundsätzliche Haltung in der Asyl- und Einwanderungspolitik beschrieben und die jeweils unterschiedlichen Akzente hervorgehoben. Anlass war die erste Lesung eines Gesetzentwurfs der AfD-Fraktion (20/5995), der darauf abzielt, „Fehlanreize“ im Asylverfahren zu beseitigen und „klar“ zwischen Asyl- und Erwerbsmigration zu trennen. Der Bundestag überwies die Vorlage im Anschluss zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Inneres und Heimat.

AfD fordert „innenpolitische Kehrtwende“

Für die AfD-Fraktion forderte ihr innenpolitischer Sprecher Dr. Gottfried Curio eine „innenpolitische Kehrtwende“, eine „realistische Migrationspolitik“, wozu der Gesetzentwurf „erste Schritte“ beschreibe. Die AfD verlangt unter anderem, Duldungstatbestände im Aufenthaltsgesetz ersatzlos zu streichen, die Bezugsdauer der reduzierten Sachleistungen für Asylbewerber von 18 auf 24 Monate zu verlängern, das Ausweichen auf Geldleistungen auszuschließen und „Lügen“ im Asylverfahren unter Strafe zu stellen. Streichen will sie auch die Möglichkeit, mit Duldungsstatus nach sechs Monaten eine Beschäftigung aufzunehmen.

Über 100.000 Erstantragsteller seien unerkannt in die EU eingewandert, zwei Drittel aller geplanten Abschiebungen seien 2022 gescheitert. Mit der AfD werde es das nicht mehr geben. Der Unionsfraktion bot Curio das Aushandeln einer „konservativen Wende“ an, Deutschland brauche keine fünfte linke Partei neben den Ampelparteien und der Linken. „Anbiederung führt nie zu Liebe“, entgegnete darauf der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor.

Gesetzentwurf der AfD

Wie die Fraktion in ihrem Antrag schreibt, sollen Duldungstatbestände im Aufenthaltsgesetz ersatzlos gestrichen werden, weil sie trotz Ausreisepflicht die Aufnahme einer Beschäftigung oder eine Ausbildung ermöglichten. Damit würde zum einen der „Fehlanreiz“ beseitigt, die Voraussetzungen der regulären Erwerbsmigration zu umgehen und „unter Vortäuschung eines Asylgrundes“ Zugang zum Arbeitsmarkt zu erlangen. Derzeit werde auch die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise nach abgelehntem Asylantrag geschwächt, weil noch auf ein Bleiberecht mittels Ausbildung oder Beschäftigung spekuliert werden könne.

Der Gesetzentwurf behebt nach Darstellung der Fraktion weitere „Fehlanreize“, etwa sich auch ohne Fluchtgrund oder Zuständigkeit anderer EU-Mitgliedstaaten in das deutsche Asylverfahren zu begeben. Das betreffe Art und Umfang der während des Asylverfahrens gewährten Leistungen sowie die Erlaubnis, eine Beschäftigung aufzunehmen. Vorsätzliche Falschangaben im Asylverfahren will die AfD auch strafrechtlich sanktionieren und sicherstellen, dass bereits aufenthaltsberechtigte Migranten in den Arbeitsmarkt integriert werden.

AfD für Freiheitsstrafe bei unrichtigen Angaben

Darüber hinaus schlägt sie vor, die Bezugsdauer der reduzierten und vorrangig als Sachleistungen zu erbringenden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz von 18 auf 24 Monate zu verlängern. Das „Ausweichen auf Geldleistungen“ solle künftig rechtssicher ausgeschlossen werden. Zudem will die Fraktion in das Asylgesetz eine Regelung aufnehmen, wonach mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer als Antragsteller im Asylverfahren vor dem Bundesamt oder im gerichtlichen Verfahren unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um seine Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung internationalen Schutzes oder die Verhängung eines Abschiebeverbotes zu ermöglichen.

Die Fraktion plädiert ebenso dafür, die zulässige Dauer eines Beschäftigungsverbots während des Asylverfahrens mit neun Monaten auszuschöpfen, um den „Anreiz“ zu reduzieren, ein missbräuchliches Asylverfahren mit dem Ziel einer baldigen Arbeitsaufnahme in Deutschland zu betreiben. Die Möglichkeit, mit Duldungsstatus nach sechs Monaten eine Beschäftigung aufzunehmen, will die Fraktion streichen, da diese Option die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise unterminiere.

Die Fraktion begründet ihren Entwurf mit der „weit überproportionalen Belastung Deutschlands mit Asylzuwanderung“, für die „Fehlanreize für irreguläre Migration“ im deutschen Asylrecht und in der deutschen Asylpraxis mitursächlich seien. Diese stünden in immer schärferem Kontrast zur „zusehends restriktiven Asylpolitik fast aller anderen europäischen Staaten“. (vom/16.03.2023)

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Antrag AfD ZP 10 Aktuelle Stunde: Geschäftsbeziehungen zwischen Bundesregierung und Journalisten

Der Bundestag hat am Donnerstag, 16. März 2023, über die Nähe von Journalisten zur Bundesregierung debattiert. Dazu fand auf Verlangen der AfD-Fraktion eine Aktuelle Stunde mit dem Titel „Nein zum Staatsjournalismus – Geschäftsbeziehungen zwischen Bundesregierung und Journalisten beenden“ statt.

AfD: Beauftragung durch Regierung ist ein Skandal

Martin Erwin Renner (AfD) nannte die Beauftragung von Journalisten durch die Bunderegierung und ihre Behörden „einen Skandal, der für den symptomatischen Abriss vieler demokratischer Prinzipien steht“. Die öffentlich-rechtlichen Medien hätten die Aufgabe, so Renner, darüber zu berichten, was falsch läuft, sie hätten die Aufgabe, aufzudecken.

„Jetzt erfahren wir, dass diese angebliche Staatsferne nicht das Papier wert ist, auf dem sie steht“, sagte Renner im Plenum. Tausende Euro Steuergelder flössen von den Ministerien in die Taschen der Journalisten. „So wird die Meinung der Herrschenden zur herrschenden Meinung gemacht.“

SPD: Sie wittern eine Verschwörung, obwohl Sie die Verschwörungstheoretiker sind

Helge Lindh (SPD) warf der AfD-Fraktion vor, sie geriere sich als Feuerlöscher, obwohl sie der einzige Brandstifter sei. „Sie wittern hier eine Verschwörung, obwohl Sie die Verschwörungstheoretiker sind.“ Es sei natürlich durchaus legitim, eine Aktuelle Stunde zu dem Thema anzusetzen, so Lindh. „Illegitim ist es aber, diese für einen völlig durchschaubaren Angriff auf die öffentlich-rechtlichen Medien zu instrumentalisieren“, sagte der Sozialdemokrat.

Journalisten hätten das Recht, Aufträge auch aus der Regierung anzunehmen. „Und ich plädiere stark dafür, dass wir diese Rechte nicht einschränken.“ Es müsse jedoch immer darauf geachtet werden, dass die journalistische Unabhängigkeit gewahrt bleibe.

Union: AfD erhebt sich als Hüterin der Unabhängigkeit der Medien

Dorothee Bär (CDU/CSU) fand es „sehr kurios“, dass ausgerechnet die AfD eine solche Aktuelle Stunde beantrage. „Sie erhebt sich hier als Hüterin der Unabhängigkeit der Medien“, so Bär, dabei sei es ausgerechnet diese Partei, die Journalistinnen und Journalisten bei Parteiveranstaltungen am Katzentisch sitzen lasse und Reporter des Saales verweise.

Im „bewährten AfD-Sprech“ behaupte die Partei, dass Regierende sich Journalisten einfach kaufen würden: „Sie unterstellen damit der vierten Gewalt in Deutschland korrupte Strukturen“, sagte Bär. Die Partei, die mit Fakenews arbeite, schreibe am lautesten „Haltet den Dieb“ und halte sich selbst nie an Recht und Gesetz, sagte die Christsoziale.

Grüne nennen AfD-Vorstoß „brandgefährlich“

Erhard Grundl (Bündnis 90/Die Grünen) nannte den Vorstoß der AfD-Fraktion „brandgefährlich, denn er leistet Verschwörungstheorien Vorschub“. Journalistinnen und Journalisten arbeiteten nach Qualitätsstandards, zu ihrer Professionalität gehöre es auch, den Abstand zu den Regierenden zu wahren, so Grundl. Die journalistische Unabhängigkeit sei eine zentrale Voraussetzung für unsere freie Demokratie.

„Doch nirgend lebt und arbeitet es sich für Journalistinnen und Journalisten in Deutschland so gefährlich wie auf Demonstrationen der AfD.“ Die Medienschaffenden seien diejenigen, die den Finger in die Wunde legen und müssten dafür mit Angriffen rechnen, sagte der Grünenabgeordnete.

Linke: Keiner begegnet Journalismus mit solch offener Feindseligkeit wie die AfD

Dr. Petra Sitte (Die Linke) ging ebenfalls auf Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten ein: 320 gegen Medien gerichtete Straftaten, davon 46 Gewaltdelikte verzeichne die Statistik für das Jahr 2022. „Das ist ein neuer Höchststand.“

Keiner begegne dem Journalismus mit einer solch offenen Feindseligkeit wie die AfD, sagte Sitte weiter. Deren enthemmte Pressefeindlichkeit ende auch immer öfter in Gewalt, wie die zitierten Zahlen zeigten. Die Unabhängigkeit des Journalismus sei ein hohes Gut, denn dieser stelle einen Kontrollmechanismus dar, sagte Sitte. Es sei deshalb aber auch unbedingt nötig, dass die Journalistinnen und Journalisten die nötige Distanz zur Regierung und den Regierenden wahrten.

FDP: Dem Vorwurf des Staatsjournalismus treten wir entschieden entgegen

Thomas Hacker (FDP) bezeichnete das Ansinnen der AfD-Fraktion als „durchschaubar“. Das Ansinnen, einen Angriff auf die Medien zu starten, sei abzulehnen. „Mit dem Ergebnis der Anfrage muss man sich dennoch befassen“, sagte der Liberale.

Wo man negative Entwicklungen in der Zusammenarbeit von Regierungen und Medien sehe, spreche man dies an, so Hacker. „Aber dem Vorwurf des Staatsjournalismus treten wir entschieden entgegen.“ Jede Form vom Gefälligkeitsjournalismus lehne man jedoch ab. „Wenn Vertrauen in Vertrautheit umschlägt, gerät die Distanz in Gefahr.“ Aber über die eigene Glaubwürdigkeit entscheide jeder Journalist und jede Journalistin selbst, sagte Hacker. (emu/16.03.2023)

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AfD Antrag 18 Insekten als Zutat in Lebensmitteln

Der Bundestag hat am Donnerstag, 16. März 2023, erstmals über zwei Anträge der AfD-Fraktion zum Thema Insekten in der Ernährung beraten. Die Vorlagen mit den Titeln „Verbraucherfreundliche und transparente Kennzeichnung von Insekten in Lebensmitteln“ (20/5997) und „Sofortige Aufklärung der Bevölkerungen über Gesundheitsrisiken beim Verzehr von Insekten“ (20/5998) wurden im Anschluss an die Debatte zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft überwiesen.

Erster Antrag der AfD

In ihrem ersten Antrag (20/5997) setzt sich die AfD-Fraktion für eine einheitliche und transparente Kennzeichnung von Insekten in Lebensmitteln ein. Sie fordert die Bundesregierung unter anderem auf, „Insekten oder deren Derivate als Zutat auf der Vorderseite eines verpackten Lebensmittels in Form eines ,Front of Pack-Labelings’“ sichtbar zu machen.

Darüber hinaus soll es „eine Pflicht zur allgemeinen Kennzeichnung von Allergenen für verpackte Lebensmittel, die Insekten, Teile von Insekten oder deren Extrakte als Zutat enthalten“, geben. Hersteller sollen zudem Angaben zu „angewendeten Verfahren der Keimabtötung bei Insekten machen“, die als Zutat in Lebensmitteln Verwendung finden.

Zweiter Antrag der AfD

Die ihrem zweiten Antrag (20/5998) fordert die AfD-Fraktion die Aufklärung der Bevölkerung über Gesundheitsrisiken beim Verzehr von Insekten. Laut einer Entscheidung der EU-Kommission dürften zu Pulver verarbeitete Insekten als Bestandteil in diversen Lebensmitteln verwendet werden, heißt es in einem Antrag der Fraktion.

Mit der Hausgrille seien nun neben dem Gelben Mehlwurm, der Wanderheuschrecke und dem Getreideschimmelkäfer insgesamt vier Insekten als Lebensmittel in der EU zugelassen. Der Verzehr von Insekten berge einige Risiken. So können allergische Reaktionen auftreten oder verstärkt werden. Auch könnten Insekten während der Zucht von Viren, Bakterien, Pilzen oder Parasiten befallen werden, was den Einsatz von Antibiotika erforderlich machen würde. Die Abgeordneten fordern eine bundesweite Informationskampagne zur Aufklärung über gesundheitliche Risiken und mögliche Schädigungen, die durch den Verzehr von Insekten oder Bestandteilen von Insekten entstehen könnten. (nki/hau/16.03.2023)

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16. März 2023 (91. Sitzung)

ZP9 Bundeswahlgesetz

Nach einer scharfen Kontroverse im Bundestag hat die Ampelkoalition am Freitag, 17. März 2023, ihre umstrittenen Pläne für eine Wahlrechtsreform zur Reduzierung der Abgeordnetenzahl mit 399 Ja- bei 261 Nein-Stimmen und 23 Enthaltungen durch das Parlament gebracht. Für den Gesetzentwurf der Koalition zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (20/5370) in der vom Innenausschuss geänderten Fassung (20/6015) votierten in namentlicher Abstimmung 395 Parlamentarier von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sowie drei AfD-Abgeordnete und ein fraktionsloses Mitglied des Bundestages. Dagegen stimmten neben 184 Unions- und 31 Linken-Abgeordneten auch 41 AfD-Parlamentarier sowie zwei Sozialdemokraten und drei fraktionslose Abgeordnete.

Neuregelung begrenzt Zahl der Bundestagsmandate

Mit der Neuregelung wollen die Koalitionsfraktionen die Zahl der Bundestagsmandate künftig verlässlich auf 630 begrenzen. Dazu sehen sie einen Verzicht auf die bisherige Zuteilung sogenannter Überhang- und Ausgleichsmandate vor. Dies könnte dazu führen, dass künftig nicht alle Direktkandidaten, die in ihrem Wahlkreis die meisten Erststimmen erhalten, in das Parlament einziehen. Überhangmandate sind bisher angefallen, wenn eine Partei über die Erststimmen mehr Direktmandate in den Wahlkreisen gewonnen hat, als ihrem Listenergebnis entsprach. Um das mit der Zweitstimme bestimmte Kräfteverhältnis der Parteien im Parlament wiederherzustellen, wurden diese Überhänge mit zusätzlichen Ausgleichsmandaten kompensiert. In der Folge stieg die Zahl der Abgeordneten über die bisherige gesetzliche Sollgröße von 598 hinaus auf derzeit 736 an.

Dem Gesetzesbeschluss zufolge soll es wie bisher 299 Wahlkreise und zwei Stimmen geben. Dabei wird mit der Zweitstimme, mit der die Wähler für eine Parteiliste votieren können, über die proportionale Verteilung der Mandate an die Parteien entschieden. Mit der Erststimme können wie bisher in den Wahlkreisen Direktkandidaten gewählt werden. Ihnen wird ein Mandat jedoch nur zugeteilt, wenn dies durch das Zweitstimmenergebnis gedeckt ist. Stellt eine Partei in einem Bundesland mehr Wahlkreissieger als ihrem Zweitstimmenergebnis entspricht, sollen – in der Reihenfolge ihrer Ergebnisse bei den Wahlkreisstimmen – entsprechend weniger von ihnen bei der Mandatszuteilung berücksichtigt werden. Ursprünglich hatte der Koalitionsentwurf noch eine Begrenzung der Abgeordnetenzahl auf 598 vorgesehen, doch erhöhte die Ampel diese Sollgröße während der parlamentarischen Beratungen auf 630, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, „dass Wahlkreisbewerber, auf die die meisten Erststimmen entfallen, einen Sitz erhalten“.

Wegfall der Grundmandatsklausel

Eine weitere Änderung der im Januar eingebrachten Vorlage enthält den Wegfall der sogenannten Grundmandatsklausel. Sie sieht vor, dass eine Partei auch dann entsprechend ihrem Zweitstimmenergebnis im Bundestag vertreten ist, wenn sie weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen errungen hat, aber mindestens drei Direktmandate gewinnen konnte.

Zuletzt profitierte davon Die Linke, die bei der Bundestagswahl 2021 auf einen Zweitstimmenanteil von 4,9 Prozent kam, aber mit drei Direktmandaten in Fraktionsstärke in das Parlament einziehen konnte.

Vorlagen der Opposition

Ein Gesetzentwurf der AfD-Fraktion (20/5360), der die Zahl der Bundestagsmitglieder auf 598 begrenzen wollte und dazu ebenfalls einen Wegfall der Grundmandatsklausel sowie der Überhang- und Ausgleichsmandate vorsah, fand keine Mehrheit. Danach sollte zudem mit einer „offenen Listenwahl“ die Möglichkeit geschaffen werden, die Zweitstimme künftig in bis zu drei „Bewerberstimmen“ aufzuteilen und dadurch die von den Parteien vorgegebene Reihenfolge der Landeslisten zu verändern.

Ebenfalls abgelehnt wurde ein CDU/CSU-Antrag (20/5353). Die Union schlug darin vor, die Zahl der Wahlkreise auf 270 zu reduzieren und die Regelgröße für Listenmandate auf 320 anzuheben, um die Zahl der Bundestagsmitglieder „in Richtung einer Regelgröße von 590 Abgeordneten“ zu reduzieren. Dazu plädierte sie für eine Erhöhung der Zahl unausgeglichener Überhangmandate von derzeit drei „auf die vom Bundesverfassungsgericht zugelassene Anzahl“ von 15 und sprach sich für eine „Anhebung der Grundmandatsklausel“ aus. Danach sollen bei Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf Prozent der gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens fünf statt bisher drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben. Von der Tagesordnung wieder abgesetzt wurden drei Anträge der Fraktion Die Linke (20/535620/535720/5358).

SPD: Grundlegende und überfällige Reform

In der Debatte sprach Sebastian Hartmann (SPD) von „einer der grundlegendsten, aber sehr überfälligen Reform des deutschen Wahlrechts“. Die entscheidenden Punkte seien dabei eine „feste Größe“ des Bundestages von 630 Abgeordneten, ein einfaches und nachvollziehbares  Wahlrecht mit zwei Stimmen und der Erhalt von 299 Wahlkreisen.

Zugleich werde eine Verzerrung des Zweitstimmenergebnisses zugunsten einzelner Gruppen werde damit ausgeschlossen. Die „klare Systementscheidung“ liege darin, dass Parteien, die mehr als fünf Prozent der Zweitstimmen errungen haben, an der Sitzverteilung teilnehmen.

CSU: Versuch einer Wahlrechtsmanipulation

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte, dass eine Partei künftig in einem Land alle Wahlkreise gewinnen könne, ohne dass ein Kandidat in das Parlament einzieht. Wenn direkt gewählte Abgeordnete nicht mehr in das Parlament einziehen, fördere dies die Politikverdrossenheit. Die Koalition sage, sie wolle den Bundestag verkleinern, verkleinere aber die Opposition.

Durch die Abschaffung der Grundmandatsklausel als „Ausdruck der regionalen Besonderheiten unseres Landes“ wolle die Koalition die Linksfraktion aus dem Parlament drängen und das Existenzrecht der CSU infrage stellen. Dies sei der Versuch einer Wahlrechtsmanipulation mit dem Ziel, „den Machtanspruch der Ampel zu zementieren“. Die Koalitionsvorlage sei falsch, fehlerhaft, verfassungswidrig und ein „großes Schurkenstück“.

Grüne: Regionalpartei kann Wahlrecht nicht diktieren

Britta Haßelmann (Bündnis 90/Die Grünen) entgegnete, sie respektiere die regionale Sonderstellung der CSU, doch könne es nicht sein, dass diese als Regionalpartei das Wahlrecht diktiere. Es gehe nicht um Wahlmanipulation oder Betrug am Wähler, sondern dass der Bundestag nach zehnjährigem Streit das Versprechen einlöse, sich zu verkleinern.

Dies geschehe auf der Grundlage des Verhältniswahlrechts. Dabei bleibe es bei 299 Wahlkreisen, deren Ergebnis aber auch über die erzielten Zweitstimmen durch das Verhältniswahlrecht abgesichert sein müsse. Damit gelte der Grundsatz, dass die Mehrheit im Parlament von denen dargestellt werden könne, die bei der Wahl auch die Mehrheit der Stimmen erhalten haben. Die Reform sei fair und verfassungsgemäß.

AfD fordert Möglichkeit „offener Listenwahl“

Albrecht Glaser (AfD) betonte, dass die Koalition ein Reformkonzept vorgelegt habe, das nahezu identisch sei mit einem bereits vorher eingebrachten Vorschlag seiner Fraktion. Nicht übernommen worden sei das AfD-Anliegen einer „offenen Listenwahl“, die einen direkten Einfluss auf die Reihenfolge der Bewerber auf den Landeslisten gewährleisten solle. Diesen demokratischen Fortschritt wolle die Ampel nicht.

Mit Blick auf den Wegfall der Grundmandatsklausel sagte Glaser hinzu, dass Dobrindts „Vermutung“ hinsichtlich der „Wirkung dieser Klausel auf Ihr politisches Schicksal in Bayern“ falsch sei. „Die Anwendung ist nicht so, wie Sie glauben, dass sie sei“, fügte er hinzu.

FDP: Grundentscheidung für kleineren Bundestag

Konstantin Kuhle (FDP) sagte, der Verzicht auf eine Grundmandatsklausel sei mit weniger verfassungsrechtlichen Risiken behaftet als die Einführung einer neuen Grundmandatsklausel gewesen wäre. Aus  diesem Grund erfolge diese Änderung. Um die CSU gehe es dabei nicht. „Lassen Sie uns heute gemeinsam die Grundentscheidung für eine Verkleinerung des Bundestages treffen“ und auf dieser Grundlage „weiter miteinander sprechen“, fügte Kuhle hinzu.

Stephan Thomae (FDP) unterstrich, wenn sich die CSU Sorgen um die Fünf-Prozent-Hürde in Bayern mache, könne er sagen, dass man „total offen“ sei, nach der heutigen Grundentscheidung „nochmal über Spezifika regionaler Besonderheiten zu sprechen“ und darüber zu diskutieren, „ob für die CSU hier eine Regelung getroffen werden muss“.

Linke: Grundmandatsklausel im Osten wichtig

Jan Korte (Die Linke) wertete die Ampel-Vorlage als „größten Anschlag“ seit Jahrzehnten auf das Wahlrecht als entscheidenden Grundpfeiler der parlamentarischen Demokratie. Profitieren würden davon SPD, Grüne und FDP. Zugleich wolle die Koalition „zwei Oppositionsparteien aus dem Bundestag politisch eliminieren“, fügte er hinzu. Dabei sei die CSU „in Bayern eine tief verwurzelte Partei“.

Auch sei die Grundmandatsklausel gerade für Ostdeutschland wichtig gewesen, weil die damalige PDS einem relevanten Teil der dortigen Bevölkerung eine Stimme gegeben habe und Die Linke dies heute ebenso mache. Mit der Streichung der Klausel überlasse die Koalition „der AfD den Osten“, beklagte Korte und betonte, dass man sich vor dem Bundesverfassungsgericht wiedersehen werde.

CDU kündigt Klage vor dem Bundesverfassungsgericht an

Auch der CDU-Abgeordnete Ansgar Heveling, Obmann der Unionsfraktion in der Wahlrechtskommission, kündigte eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das neue Wahlrecht an. Unionsfraktionschef Friedrich Merz sagte, die Union werde „jederzeit jede Gelegenheit nutzen“, wieder zu ändern, was die Koalition hier beschließen wolle. Zugleich regte er zum Ende der Debatte ein „Innehalten“ und Verschieben der Abstimmung an, um darüber nachdenken zu können, wie man dem Ziel einer gemeinsamen Änderung des Wahlgesetzes näherkommen könne.

SPD-Fraktionschef Dr. Rolf Mützenich wandte sich unter Verweis auf Gespräche der vergangenen Wochen gegen eine Vertagung: „Drei Wochen intensives Ringen wird nicht besser, wenn wir nochmal 14 Tage warten.“

Mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP hatte zuvor der Innenausschuss am 15. März einen Änderungsantrag der Koalition gebilligt, der neben der Erhöhung der Sollgröße des Bundestages von derzeit 598 auf 630 Mandate auch einen Wegfall der Grundmandatsklausel vorsah.

Abgesetzte Anträge der Linken

Die Fraktion Die Linke drang in ihren drei von der Tagesordnung abgesetzten Anträgen darauf, das Mindestalter für das aktive Wahlrecht bei Bundestagswahlen von 18 auf 16 Jahren abzusenken (20/5358), ein Ausländerwahlrecht auf Bundesebene ab einem fünfjährigen legalen Aufenthalt in der Bundesrepublik einzuführen (20/5356) und zur Stärkung des Frauenanteils im Bundestag im Parteiengesetz festzuschreiben, dass Frauen und Männer bei der Aufstellung der Landeslisten gleichermaßen berücksichtigt werden (20/5357). (sto/17.03.2023)

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TOP 23 Vereinbarte Debatte zum Internationalen Frauentag

Das Thema Frauenrechte stand am Freitag, 17. März 2023, im Mittelpunkt einer Vereinbarten Debatte zum Internationalen Frauentag. Eine gute Woche nach dem Internationalen Frauentag am 8. März sprachen im Bundestag Vertreterinnen und ein Vertreter der Fraktionen über die Lage der Frauen in Deutschland und der Welt. Bereits seit dem Jahr 1911 wird an diesem Tag weltweit auf Frauenrechte, die Gleichstellung der Geschlechter und bestehende Diskriminierungen aufmerksam gemacht.

Paus: Gleiche Rechte, Ressourcen und Repräsentanz

Eingangs der Debatte sprach die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), davon, dass die Ungleichheiten in der Welt auch durch die Digitalisierung eher zu- als abnähmen. Rund um den Globus sei Armut überwiegend weiblich. Auch in Deutschland dürfe es kein Armutsrisiko sein. Deshalb sei sei es so wichtig, dass die Bundesregierung die Kindergrundsicherung einführt. Solange Vermögen und Möglichkeiten zwischen den Geschlechtern so ungleich verteilt seien, solange sei das Patriarchat nicht beendet. Für die echte Gleichstellung von Frauen brauche es die drei R – gleiche Rechte, Ressourcen und Repräsentanz. Eine Gesellschaft sei nur frei, wenn sich alle frei entfalten können.

Paus gab einen Überblick über die Vorhaben der Ampel-Regierung, mit denen die Situation der Frauen verbessert werden soll. Bereits gehandelt habe die Koalition bei der Abschaffung des Paragrafen 219a, der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellte. Ende des Monats solle eine Sachverständigenkommission eingesetzt werden, die unabhängig prüfen werde, ob der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland auch außerhalb des Strafrechts geregelt werden kann.

AfD: Frauen sind gleichberechtigt

Mariana Iris Harder-Kühnel (AfD) sagte, trotz sozialistischer Wurzeln seien die ursprünglichen Anliegen des Frauentages richtig gewesen. Mittlerweile seien diese jedoch Realität. Frauen seien gleichberechtigt. Der Frauentag habe sich damit eigentlich überlebt. Die politische Linke missbrauche den Frauentag heute für Identitätspolitik. Generell werde der Frauentag im Westen immer penetranter für Trans-Propaganda instrumentalisiert.

Die politische Linke verrate die Frauen. Würde es wirklich um das Wohl der Frauen gehen, würde sie sich nicht auf „Genderquatsch“ und eine feministische Außenpolitik fokussieren, sondern auf das, was Frauen wirklich bedroht. „Abschieben, Grenzen sichern, Vergewaltiger mit der vollen Härte des Gesetzes bestrafen, das wäre das beste Geschenk, was man den Frauen in Deutschland zum Frauentag machen kann“, sagte Harder-Kühnel.

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TOP 26 Vereinbarte Debatte zum Internationalen Frauentag

Die CDU/CSU-Fraktion hat einen Antrag mit dem Titel „Glasfaser-Überbau einschränken“ (20/5986) vorgelegt, der am Freitag, 17. März 2023, auf der Tagesordnung des Bundestages stand. Nach der Aussprache überwiesen die Abgeordneten den Antrag zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Digitales.

Antrag der Union

Die Unionsfraktion fordert die Bundesregierung in ihrem Antrag auf, unter Berücksichtigung der Unabhängigkeit der Wettbewerbsbehörden darauf hinzuwirken, dass diese die Überbauvorhaben in Deutschland überprüfen. Geprüft werden soll, ob ein Behinderungsmissbrauch oder andere Verstöße gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorliegen.

Zudem soll eine Meldestelle bei der Bundesnetzagentur eingerichtet werden. Bei dieser sollen Kommunen und Unternehmen Fälle melden können, in denen ein angekündigter Überbau eines noch nicht im Bau befindlichen Glasfasernetzes dazu geführt hat, dass letztlich kein Anbieter im betreffenden Gebiet ein Glasfasernetz errichtet hat, heißt es in dem Antrag. Weiter möchten die Abgeordneten, dass sich die Bundesregierung grundsätzlich zum eigenwirtschaftlichen Ausbau der Glasfasernetze bekennt und für einen fairen Wettbewerb zwischen den Telekommunikationsunternehmen zugunsten der Verbraucher sorgt. (lbr/hau/17.03.2023)