10. und fortfolgende Bundestagssitzungen ab 12. Januar 2022, die Beiträge der AfD-Abgeordneten

Quelle: Phoenix/Bundestag

Sitzungswoche

8. Dezember 2021 (10. Sitzung)

Quelle Bundestag: Die Tagesordnung entspricht auch dann der im Bundestag, wenn die Reihenfolge der Tagesordnungen „durcheinander“ gehen.

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TOP 1 Befragung der Bundesregierung

Die Bekämpfung der Corona-Pandemie, die Situation in der Ukraine, die deutsche G7-Präsidentschaft, die Preisentwicklung, der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Situation von Geringverdienern waren nur einige der Themen, denen sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner ersten Regierungsbefragung im neuen Amt stellen musste. Scholz verteidigte am Mittwoch, 12. Januar 2022, die von Bund und Ländern vereinbarten Kontaktbeschränkungen und sprach sich erneut für eine allgemeine Impfpflicht für Erwachsene aus.

Der Bundeskanzler erinnerte daran, dass es gelungen sei, bis Weihnachten 30 Millionen Personen mit Booster-Impfungen zu versehen. Sein Ziel sei es, wieder auf das Niveau von Weihnachten zu kommen und eine Million Menschen pro Tag zu impfen. 80.000 Infektionen seien ein Grund, den eingeschlagenen Weg weiter zu beschreiten. Für das ganze Land habe die Tatsache, dass man jemanden anstecken kann, die Konsequenz, dass andere erdulden müssten, dass ihre Operationen erst später stattfinden könnten. „Deshalb ist eine Impfpflicht wichtig“, betonte der Kanzler.

CDU/CSU: Regierung muss einen Vorschlag unterbreiten

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion Thorsten Frei hielt Scholz entgegen, dass der Kanzler einen Vorschlag unterbreiten müsse, wie eine Impfpflicht als Bestandteil des Wegs aus der Pandemie ethisch und verfassungsrechtlich korrekt ausgestaltet werden kann.

Scholz argumentierte, er finde es richtig, wenn Anträge dazu aus dem Bundestag kommen. Zugleich sicherte er seitens der Regierung „alle Hilfen für diese Anträge“ zu, um unbürokratisch zu einer Impfpflicht zu kommen. Auf die Nachfrage Freis fügte er hinzu, es gebe Fragen von so grundlegender Bedeutung, dass über Vorschläge aus dem Bundestag abgestimmt werden sollte. Eine Impfpflicht für alle sei von einer anderen Dimension also die im Dezember vom Parlament beschlossene berufsbezogene Impfpflicht. „Es geht um unsere Körper, es ist der richtige Weg für demokratische Leadership“, sagte Scholz.

SPD fragt nach Schwerpunkten der G7-Präsidentschaft

Der Kanzler sprach auch die Gespräche zwischen den USA und Russland zum Ukraine-Konflikt an und kündigte Gespräche im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit  in Europa (OSZE) an. Er mache sich große Sorgen, es handele sich dabei um eine „ernste Bedrohung für die Sicherheit in Europa“. Seit der Annexion der Krim durch Russland 2014 sei „etwas passiert“. Man müsse wieder dahin kommen, dass die „territoriale Integrität der Staaten in Europa“ gewahrt bleibt. Die vorhandenen Dialog-Formate müssten wieder genutzt werden.

Der SPD-Abgeordnete Bernd Westphal erkundigte sich nach den Schwerpunkten der deutschen Präsidentschaft in den G7, dem Verbund der sieben führenden demokratischen Industriestaaten. Scholz nannte die gesellschaftlichen Veränderungen, die mit dem Klimawandel zusammenhängen. Deutschland wolle erreichen, dass die G7 hier kooperieren und „in die gleiche Richtung marschieren“. Positiv äußerte sich der Kanzler zur gleichzeitigen EU-Ratspräsidentschaft Frankreichs, was die Möglichkeit der Kooperation eröffne. Es gehe darum, die Wirtschaft voranzubringen, damit die Länder auch nach der Krise wachsen können.

AfD macht steigende Preise zum Thema

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla richtete den Blick auf die Innenpolitik und hier besonders auf die Preisentwicklung. Die geplante Abschaffung der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) werde durch die höhere CO2-Steuer aufgezehrt. Polen beispielsweise senke die Mehrwertsteuer auf Kraftstoffe. „Wann können die Bürger wieder frei atmen?“, fragte der Oppositionsabgeordnete.

Scholz bekräftigte, spätestens Anfang 2023 die EEG-Umlage abschaffen zu wollen, wodurch jede Familie um 300 Euro entlastet werde. Auf eine Nachfrage Chrupallas mit Blick auf die Einstufung der Kernenergie als „nachhaltig“ durch die Europäische Kommission bekräftigte Scholz, dass die Kernenergie nicht nachhaltig und wirtschaftlich nicht sinnvoll sei. Sie sei ein „teurer Weg“, bei dem die Entsorgungs- und Sicherheitsfragen nicht geklärt seien. „Der Atomausstieg aus der Atomkraft ist richtig.“ Der Ausbau der erneuerbaren Energien mache Deutschland international unabhängig und sei am Ende auch am billigsten.

Grüne fragen nach Stellenwert erneuerbarer Energien

Dies veranlasste die Abgeordnete Katrin Uhlig (Bündnis 90/Die Grünen), im Hinblick auf den Stellenwert der erneuerbaren Energien nachzuhaken. Scholz prognostizierte, dass der Strombedarf stark steigen werde. Schon 2030 würden 800 Terawattstunden gebraucht. Die Regierung bringe das jetzt auf den Weg. Der Kanzler bat das Parlament dabei um Unterstützung.

Auf Nachfrage Uhligs betonte Scholz, dass klimaneutrales Wirtschaften nur gelinge, „wenn wir mehr Strom einsetzen als heute“. Bis 2045 könne der Strombedarf das Doppelte oder Dreifache betragen, „wenn wir klimaneutral wirtschaften wollen“. Auch Wasserstoff werde gebraucht. Es gehe um Industriepolitik, um den Wohlstand des Landes zu erhalten.

Susanne Ferschl (Die Linke) griff die arbeitsmarktpolitischen Pläne der Regierung auf und sprach von einer „Ausweitung der Minijobs“. Mit einer Dynamisierung der Verdienstgrenzen weite man diese „prekäre Beschäftigungsform“ aus. Minijobber hätten keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld und auf eine „anständige Rente“. Was das mit dem von Scholz beschworenen „Respekt“ zu tun habe, wollte die Abgeordnete wissen.

Der Kanzler bekräftigte, dass die zugesagte Erhöhung des Mindestlohns für zehn Millionen Bürger eine Gehaltserhöhung bringe werde. Am wichtigsten sei, dass gut bezahlte Jobs entstehen, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung attraktiver wird. Viele hätten schon in der Vergangenheit ihre Minijobs verlassen, weil sie besser bezahlte Arbeitsplätze gefunden hätten. (vom/12.01.2022)

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TOP 2.04 Verbundene Debatte zur Politik der Bundesregierung Innen und Heimat

Mit einer Grundsatzdebatte über innenpolitische  Vorhaben der Ampelkoalition von SPD, Grünen und FDP ist der Bundestag am Dienstag, 12. Januar 2022, in seine dreitägige Aussprache über die Politik der Bundesregierung gestartet. Ein Schwerpunkt der Debatte war der Umgang mit den Protesten gegen die staatlichen Anti-Corona-Maßnahmen. Dabei kündigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ein entschiedenes Vorgehen gegen gewalttätige Gegner dieser Maßnahmen an.

Ministerin: Bei Gewalt muss der Rechtsstaat hart durchgreifen

Die Mehrheit der Bevölkerung verhalte sich in der Pandemie solidarisch und rücksichtsvoll, doch zeigten sich auch „Risse in unserer Gesellschaft, Protest, Erschöpfung, Wut“. Protest gehöre zur Demokratie, doch „lassen Sie sich nicht von Extremisten vor den Karren spannen“, mahnte Faeser. Statt sogenannter Sparziergänge sehe man organisierte Aktionen an vielen Orten gleichzeitig, bei denen es immer wieder zu Gewalt und massenhaften Verstößen gegen Corona-Regeln komme. Dabei würden Rechtsextremisten zunehmend regional an Einfluss gewinnen.

„Wir lassen uns das nicht bieten“, betonte die Ressortchefin. Bei Gewalt müsse der Rechtsstaat hart durchgreifen; die Täter müssten mit konsequenter Strafverfolgung rechnen. Auch werde man dafür sorgen, dass Hetzer identifiziert und zur Verantwortung gezogen werden. Das gelte bei Corona-Demonstrationen wie im Internet.

Faeser versicherte zugleich, dass die Bundesregierung alle extremistischen Bedrohungen im Blick habe. Die größte Gefahr für die Demokratie in Deutschland sei dabei der Rechtsextremismus, dessen Bekämpfung für sie eine besondere Priorität habe, fügte die Ministerin hinzu und kündigte an, bis Ostern einen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus vorzulegen.

CDU/CSU: Kampf gegen Extremismus entschlossen führen

Auch Andrea Lindholz (CDU/CSU) bewertete den Rechtsextremismus als eine „zentrale Bedrohung“. Im Kampf gegen den Rechtsextremismus habe die Bundesregierung die CDU/CSU-Fraktion „fest an ihrer Seite“. Für die Union sei zugleich wichtig, dass der Kampf gegen jede Form von Extremismus entschlossen geführt werde.

In der zurückliegenden Wahlperiode habe man Tausende neue Stellen bei den Sicherheitsbehörden zur Extremismusbekämpfung geschaffen. Diese Behörden bräuchten aber auch moderne Befugnisse. Dazu stehe weder im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP etwas, noch habe Faeser in ihrer Rede etwas dazu gesagt.

Grüne: Rechtsextreme unterwandern sogenannte Spaziergänge

Lamya Kaddor (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, die Demokratie in Deutschland sei stark, werde aber aus unterschiedlichen ideologischen Richtungen und insbesondere von rechten Netzwerken oder sogenannten Querdenkern bedroht. Wer gegen die Anti-Corona-Maßnahmen protestieren wolle, solle dies unbedingt tun dürfen.

Dabei trage aber jeder einzelne selbst die Verantwortung dafür, „mit wem man untergehakt auf Demos mitläuft“, betonte Kaddor, die von einer „Unterwanderung sogenannter Spaziergänge durch rechtsextreme Netzwerke“ sprach.

AfD beklagt „Schikanierung von Ungeimpften“

Dr. Gottfried Curio (AfD) warf der Innenministerin eine „faktenbefreite Diffamierung von regierungskritischen, friedlichen Spaziergängern“ vor und beklagte eine „Schikanierung von Ungeimpften“. Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sei „weg“, doch „das System Merkel“ regiere, fügte der AfD-Abgeordnete hinzu.

Zugleich forderte Curio, illegale Migranten zurückzuweisen oder abzuschieben und Zuwanderungsanreize abzustellen. Man brauche keine „Werbeaktion für Massenmigration“ und kein „Aufbauprogramm für Clanbildung“.

 

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TOP 2.06 Recht

Über die Vorhaben der Bundesregierung auf dem Feld der Justizpolitik in der neuen Legislaturperiode debattierte der Bundestag am Mittwoch, 12. Januar 2022, im Rahmen einer verbundenen Debatte.

Minister: Unbegründete Beschränkungen werden fallen

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann (FDP) ging zu Beginn seiner Rede auf den Wert der Freiheit ein, den es auch unter erschwerten Bedingungen wie der Corona-Pandemie zu schützen gelte. Das Justizministerium werde immer ein Ministerium des Rechtsstaates und ein Ministerium der Freiheit sein. Buschmann erklärte: „Wenn es Beschränkungen gibt, die heute nötig, aber morgen unbegründet sind, dann müssen sie in Zukunft fallen. Das Versprechen möchte ich hier  abgeben.“

Gesellschaftlicher Fortschritt und Freiheit gehörten untrennbar zusammen, sagte Buschmann. Freiheit heiße aber nicht Anarchie. Es gelte jetzt, die Bürgerrechte zu stärken – beispielsweise durch Streichung der  Vorratsdatenspeicherung –, die Gesellschaft zu modernisieren – etwa durch das neue Instrument der Verantwortungsgemeinschaft – und das Strafrecht auf den Prüfstand zu stellen. Der umstrittene Paragraf 219a des Strafgesetzbuches, der das Verbot der Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch regelt, „wird fallen“, sagte Buschmann.

CDU/CSU: Regierung flüchtet sich in Gruppenanträge

Auf Kritik stießen die Vorhaben bei der CDU/CSU-FraktionAndrea Lindholz warf Buschmann unter anderem vor, nichts zur Bekämpfung der Corona-Pandemie gesagt zu haben. Zu den Themen Impfregister und Impfpflicht sei nichts zu hören gewesen, die Bundesregierung spiele bei der Bewältigung der Corona-Krise auf Zeit. Sie habe keine einheitliche Linie und flüchte sich stattdessen in Gruppenanträge.

Auch andere Schwerpunktsetzungen könne sie nicht nachvollziehen. Dazu zähle die Verantwortungsgemeinschaft im Familienrecht und die Streichung von Paragraf 219a. Kein Verständnis habe sie auch dafür, das Gesetz zur Wiederaufnahme von Strafverfahren einzukassieren und die Vorratsdatenspeicherung – eines der zentralen Mittel im Kampf gegen Kindesmissbrauch – abzuschaffen. Die geplante Reform des Abstammungsrechts könne Ehe und Familie schwächen und werde nicht gebraucht, sagte Lindholz.

SPD: Den Pakt für den Rechtsstaat fortsetzen

Dirk Wiese (SPD) betonte, der Vertrag der Ampelkoalition mache gerade in der Rechtspolitik Fortschritt möglich. Diesen Fortschritt  voranzubringen, sei das gemeinsame Ziel. Der „beschwerliche Rucksack des Rückschritts“, der bei einigen rechtspolitischen Themen vorhanden gewesen sei, werde der neuen Regierung nicht mehr in die Quere kommen. Die Regierung habe schon einiges vorangebracht, sagte Wiese mit Blick auf das Infektionsschutzgesetz. Jetzt werde man sich im Bundestag der Debatte über eine Impfpflicht stellen.

Dies seien keine einfachen Fragen, die man von heute auf morgen klären könne. Deswegen werde eine gründliche und eine breite gesellschaftliche Diskussion ermöglicht werden. Die CDU/CSU sei eingeladen, sich konstruktiv in die Erstellung der Gruppenanträge einzubringen. Wichtig sei auch, den Pakt für den Rechtsstaat fortzusetzen, den Mieterschutz zu verbessern und die Kinderrechte ins Grundgesetz zu schreiben.

AfD: Größte Bedrohung der Freiheit geht vom Staat aus

Thomas Seitz (AfD) warf der Bundesregierung vor, mit ihrer Politik die Freiheit der Bürger zu beschränken. Das Justizministerium unterstehe einer Partei, die viel von Freiheit schwadroniere, sich aber längst dem Staat verschrieben habe. Die größte Bedrohung der Freiheit der Bürger gehe immer vom Staat aus.

So werde die Versammlungsfreiheit eingeschränkt. Bürger, die ihren Protest gegen Impfpflichten kundtun, könnten dies nicht ohne Angst vor Repressalien tun. Verbote seien unverhältnismäßig, Spaziergänger seien keine Gefahr für den Rechtsstaat. Deren Kriminalisierung sei Unrecht.

Grüne: Kampf gegen Kindesmissbrauch verstärken

Helge Limburg (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, dass das Recht zum  Fundament einer freiheitlichen Demokratie gehöre. Das Recht begrenze gerade die Macht des Staates, in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger einzugreifen. Deswegen werde es ein Zeichen der Stärke des Rechtsstaates sein, wenn die Ampelkoalition endlich die zahlreichen Eingriffe, die die Sicherheitsgesetze in den vergangenen Jahren ermöglicht haben, auf das unbedingt erforderliche Maß  beschränkt. Damit werde auch die anlasslose Vorratsdatenspeicherung der Vergangenheit angehören.

Der Rechtsstaat werde auch gestärkt, wenn das Strafrecht von Ballast befreit und auf seinen Kern begrenzt werde. Im Bereich der Unterstützung der Tatopfer bestehe jedoch weiterhin Verbesserungsbedarf. Die Koalition werde auch den Kampf gegen Kindesmissbrauch verstärken und das Familienrecht modernisieren. Eine Verantwortungsgemeinschaft sei im Interesse der Gesellschaft, sagte Limburg.

Linke: Überprüfung des Strafrechts sehr sinnvoll

Amira Mohamed Ali (Die Linke) sagte, die angekündigte Überprüfung des Strafrechts sei „sehr sinnvoll“. Einige Paragrafen seien nicht mehr zeitgemäß. Gebraucht würden allerdings Taten statt bloßer Ankündigungen. So liege die Cannabis-Legalisierung auf Eis.

Wichtig sei auch die Streichung eines ungerechten und überflüssigen Straftatbestands, nämlich des Fahrens ohne Fahrschein. Wer die Strafe nicht bezahlen könne, lande im Gefängnis. Dies sei sozial ungerecht, denn betroffen seien arme Menschen. Statt diese zu kriminalisieren, müsse Armut bekämpft werden. Die Abschaffung des Paragrafen 219a begrüßte die Rednerin. Dies müsse aber auch wirklich umgesetzt werden.

FDP: Bürgerrechte werden wieder großgeschrieben

Katrin Helling-Plahr (FDP) erklärte, die Zeit für Veränderungen sei jetzt gekommen. In der Ampelkoalition würden Bürgerrechte wieder großgeschrieben. Es würden nicht alle Bürgerinnen und Bürger einfach unter Generalverdacht gestellt und es würden Gesetze nicht einfach blind verschärft, sondern es werde genau hingeschaut, welche Maßnahmen überhaupt effektiv und tatsächlich notwendig sind. Dabei bleibe man grundrechtsschonend.

Worüber sich die Union unter anderem mokiere, heiße zeitgemäße Familienpolitik. Hier habe es lange Stillstand gegeben, sagte Helling-Plahr. Mit dem Ende der Regierungszeit der Union gelinge es nun endlich, die „Fesseln der Rückwärtsgewandtheit abzulegen“. Die Union klammere sich an gestern, die Gesellschaft sei längst weiter. (mwo/12.01.2022)

 

 

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TOP 2.03 Außen-, Europa- und Menschenrechtspoliti

In einer Grundsatzdebatte haben die Fraktionen im Bundestag am Mittwoch, 12. Januar 2022, über die Außen-, Europa- und Menschenrechtspolitik und die Vorhaben der neuen Bundesregierung auf diesen Feldern debattiert. Ein Schwerpunkt lag dabei auf dem russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine und die darin liegende Bedrohung für Europa.

Ministerin: Aktuelle Spannungen mit Diplomatie lösen

Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) stellte fest: „Die Souveränität der Ukraine und die Unverrückbarkeit der Grenzen in Europa sind für uns nicht verhandelbar.“ Eine militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine würde für Moskau „ein hohes Preisschild“ tragen. Die Lösung könne nur Diplomatie sein, „um die aktuellen Spannungen zu lösen“.

Baerbock kündigte zudem unter anderem ein humanitäres Aufnahmeprogramm für besonders Schutzbedürftige aus Afghanistan an. Der Bundeswehreinsatz in dem Land und die Evakuierungsmission im Jahr 2021 müssten aufgearbeitet werden, aber die Bundesregierung arbeite derzeit auch mit Hochdruck daran, mehr Schutzbedürftige, darunter Frauen und Mädchen, aus Afghanistan herauszubringen.

CDU/CSU: Erste Bruchlinien werden sichtbar

Dr. Johann David Wadephul (CDU/CSU) attestierte dem Koalitionsvertrag der Ampelparteien ein hohes Maß an außenpolitischem „Realismus und Pragmatismus“. Gleichwohl würden, etwa in der Bewertung russischer Aggression gegenüber der Ukraine, erste Bruchlinien sichtbar.

Wadephul monierte, dass bei den Verhandlungen zwischen den USA und Russland in Genf, bei denen es um elementare Sicherheitsinteressen Europas gehe, die Europäer nicht einmal am Katzentisch Platz nähmen und die neue Bundesregierung derzeit auch keinen Gestaltungswillen erkennen lasse, daran etwas zu ändern.

SPD: Handlungsfähigkeit der EU stärken

Dr. Nils Schmid (SPD) betonte, dass auf eine Aggression Russlands gegenüber der Ukraine wirtschaftliche Sanktionen folgen würden. „Die Optionen liegen auf dem Tisch“ – und zwar abgestimmt innerhalb der EU und mit den USA. Schmid hob die Stärkung der Handlungsfähigkeit der EU „nach innen wie nach außen“ als ein zentrales Vorhaben der Ampelkoalition hervor.

Nicht die Zahl der Raketen entscheide im Systemwettbewerb zwischen autoritären Staaten und Demokratien, sondern die Frage, ob es letzteren gelinge, „einen hohen Lebensstandard und eine gerechte Gesellschaft zu organisieren“.

AfD wirft Baerbock Hybris vor

Petr Bystron (AfD) richtete seine Kritik insbesondere gegen die Grünen, die er mit Blick auf die deutsche Beteiligung am Kosovokrieg 1999 als „Kriegstreiber“ bezeichnete. SPD und FDP müssten sich entscheiden, ob sie sich in diese Tradition oder in die Tradition der Suche nach Ausgleich wie bei Politikern wie Willy Brandt und Gustav Stresemann stellen wollten.

Außenministerin Baerbock suche zum Beispiel gegenüber Russland sofort die Konfrontation, obgleich Deutschland im hohen Maße auf Energieimporte angewiesen sei. Sie lege sich auch gleich mit China an, wohin 40 Prozent der in Deutschland produzierten Autos exportiert würden: „Welche Hybris!“

FDP kündigt eine nationale Sicherheitsstrategie an

Alexander Graf Lambsdorff (FDP) bezeichnete „strategische Souveränität und strategische Solidarität“ als zentrale Vorhaben der Außenpolitik der Ampelkoalition und kündigte für den Herbst dieses Jahres eine nationale Sicherheitsstrategie an, in der das Drei-Parteien-Bündnis seine außen- und sicherheitspolitischen Ziele, Interessen und Werte definieren und bündeln wolle.

Es werde unter anderem um die Frage gehen, wie Deutschland und die EU-Partner „weniger abhängig, weniger verwundbar“ bei Energie, Rohstoffen und  technologischen Innovationen werden könnten.

Linke: Es wird mit zweierlei Maß gemessen

Dr. Gregor Gysi (Die Linke) ging mit der Außenministerin ins Gericht. Im Fall Julian Assange habe sie „vor ihrem Ministeramt“ eine klare Meinung gehabt. Das gelte nun offenbar nicht mehr, „und das geht eben nicht, wenn man eine wertebasierte Außenpolitik“ für sich beanspruche.

Mit Blick auf den Russland-Ukraine-Konflikt erinnerte Gysi daran, dass der russische Präsident Putin 2001 sicherheitspolitisch die Hand ausgestreckt habe, der Westen aber „arrogant“ darüber hinweggegangen sei. Zudem werde mit zweierlei Maß gemessen: Niemals würden die USA und mit ihr die Nato es durchgehen lassen, wenn zum Beispiel auf Kuba oder in Mexiko russische Truppen stationiert würden. „Warum billigen Sie der USA Sicherheitsabstand zu, Russland aber nicht?“ (ahe/12.01.2022)

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TOP 2.16 Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz

Die alleinige Zuständigkeit für den Klimaschutz hat das Bundesumweltministerium verloren. In der ersten Grundsatzdebatte im Bundestag über die wichtigsten umweltpolitischen Vorhaben der Ampelkoalition am Mittwoch, 12. Januar 2022, verteidigte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) jedoch die Entscheidung, den Klimaschutz in dem von Robert Habeck (ebenfalls Bündnis 90/Die Grünen) geführten Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz anzusiedeln, als Chance. Das Thema werde so ressortübergreifend auf mehrere Schultern verteilt. Gleichzeitig machte sie klar, wo die Bundesregierung künftig Schwerpunkte ihrer Umweltpolitik sieht: insbesondere beim Schutz der Artenvielfalt.

Ministerin: Artensterben ins Zentrum der Politik rücken

„Das Artenaussterben ist die zweite große ökologische Krise neben der Klimakrise. Sie wird und sie muss jetzt stärker ins Zentrum der Politik rücken“, erklärte Lemke. Die Lebensgrundlagen wie Wasser, Luft oder Lebensmittel seien in Gefahr. Bis zu einer Million Arten seien vom Aussterben bedroht. Diese Arten würden vor allem dem Menschen fehlen, warnte die Ministerin. Fruchtbare Äcker gebe es nicht ohne biologische Vielfalt, daher gelte es nun ein „Zeitalter der Renaturierung einzuleiten“.

In diesem Sinne kündigte Lemke an, den Moorschutz zu stärken und eine „Offensive für den Meeresschutz“ zu starten. Als zweite wichtige Säule neben dem Umweltschutz in der Politik ihres Hauses nannte die Grünen-Politikerin den Verbraucherschutz.

„Recht auf Reparatur“

Hier kündigte sie ein „Recht auf Reparatur“ an. Wenn Fernseher oder Waschmaschinen vorzeitig entsorgt werden müssten, weil ein Einzelteil nicht austauschbar sei, koste das Verbraucher schließlich sinnlos Geld. Es verschwende aber auch zugleich wertvolle Rohstoffe, so die Ministerin.

Ziel sei es daher, Anreize für Hersteller zu schaffen, langlebige Produkte herzustellen. Initiativen kündigte Lemke auch im Bereich der Kreislaufwirtschaft an: Um Plastikmüll zu reduzieren, werde sie sich unter anderem für höhere Recyclingquoten, für einen verbindlichen Anteil von Rezyklat und einheitliche Standards für recyceltes Plastik einsetzen, versprach Lemke.

CDU/CSU sieht „Verzwergung“ des Umweltministeriums

Steffen Bilger (CDU/CSU) warf der Ministerin vor, mit ihrem Programm dem Anspruch unideologischer, technologieoffener und integrativer Umwelt- und Verbraucherschutzpolitik nicht gerecht zu werden. Mit der Umweltschutz- und Verbraucherschutzpolitik greife die Regierung tief in das alltägliche Leben der Menschen ein. Umso wichtiger sei ein „verbindender, kooperativer Ansatz“. Die weitgehende Verschiebung der Verantwortung für den Klimaschutz vom Umweltressort ins Wirtschaftsministerium habe zudem zu einer „Verzwergung eines einst stolzen Hauses“ geführt.

Statt der erforderlichen Bündelung sei nun eine weitere Fragmentierung zu befürchten, monierte der CDU-Abgeordnete. Allein „grüner Machtarithmethik“ sei es zuzuschreiben, dass nun gewachsene Strukturen „willkürlich zerschlagen“ würden. Das schade deutschen Interessen und dem internationalen Klimaschutz, so Bilger.

SPD: Natürlichen Klimaschutz in den Fokus nehmen

Diesen Vorwurf wies Carsten Träger (SPD) zurück: Von einer „Verzwergung“ könne nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Dass der Klimaschutz künftig ressortübergreifend behandelt werde, zolle der großen Bedeutung des Themas „Tribut“. Die Verteilung auf verschiedene Häuser verschaffe der Umweltpolitik zudem den nötigen Raum, den neuen Bereich des natürlichen Klimaschutz und damit dessen natürliche Verbündete wie Moore, Wälder und Feuchtgebiete zu stärken.

Eine weitere wichtige Aufgabe sah Träger im Hochwasserschutz. Mit dem geplanten Klimaanpassungsgesetz werde die Bundesregierung künftig Menschen besser vor den Folgen des Klimawandels schützen, versprach der SPD-Abgeordnete.

AfD: Atomenergie vereint Klimaschutz und sichere Versorgung

Grundsätzliche Kritik an der Politik der Bundesregierung übte Andreas Bleck für die AfD-Fraktion. In der Europäischen Union sei die Bundesregierung mit ihrer Ablehnung der EU-Taxonomie, die vorsehe, Investitionen in Atom- oder Gaskraftwerke als klimafreundlich einzustufen, „wieder mal der Geisterfahrer“. Atomkraft sei jedoch „CO2-arm und grundlastfähig“ und daher „die Antwort, auf die Frage, wie man Klimaschutz und Versorgungssicherheit in Einklang bringen kann“, erklärte Bleck.

Ein weiterer Kritikpunkt: Die Bundesregierung kümmerten die finanziellen Folgen von Inflation und hohen Energiepreisen für die Menschen zu wenig. Anstatt wie Polen und Tschechien die Mehrwertsteuer auf Strom und Gas zu senken, würden in Deutschland die Bürger stattdessen mit EEG-Umlage und CO2-Abgabe „gnadenlos abkassiert“: „Ihre Politik gegen die globale Erwärmung ist eine Politik der sozialen Kälte.“

FDP: Kreislaufwirtschaft dient Klimaschutz und Rohstoffsicherung

Judith Skudelny (FDP) nannte den Schutz der Artenvielfalt als eine der „dringendsten und vornehmste Aufgaben“ der Bundesregierung und gab als Ziel vor, in dieser Legislaturperiode die Resilienz und Krisenfestigkeit der Natur zu erreichen. Dazu liege bereits ein im Koalitionsvertrag verabredetes, umfangreiches Maßnahmenpaket vor, das auch finanziell so unterlegt sei, dass ein Umschwung beim Schutz der Artenvielfalt erreicht werden könne, betonte die Abgeordnete. „Das ist vielen Regierungen vorher nicht gelungen“.

Dass punktuell der Naturschutz gegenüber Anliegen des Klimaschutzes zurückstehen müsse, sei unumgänglich – dennoch zeigte sich Skudelny optimistisch, dass es der Regierung gelingen werde, das bisherige Spannungsfeld aufzulösen. Mit den geplanten Regelungen zur Kreislaufwirtschaft werde darüber hinaus nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet, sie garantierten auch eine umweltschonende und sichere Rohstoffversorgung in Deutschland.

Linke fordert strengere Gesetze für besseren Verbraucherschutz

Ralph Lenkert (Die Linke) hielt der Ampelkoalition zwar beste Vorsätze zugute, argwöhnte aber, diese können nicht länger halten als die „guten Vorsätze zum neuen Jahr“. Das geplante Recht auf Reparatur klinge gut, doch eine Gewährleistung von zwei Jahren sei zu wenig, monierte der Abgeordnete. Die Linke fordere seit Langem für technische Produkte garantierte Nutzungszeiten und Reparierbarkeit. Und als Techniker wisse er, dass man Waschmaschinen sehr wohl so bauen könne, dass sie zehn Jahre hielten.

Die Bundesregierung müsse Hersteller daher endlich in die Pflicht nehmen, dass diese Sozial- und Umweltstandards einhielten. Selbstverpflichtungen reichten nicht aus. „Es braucht strenge gesetzliche Vorgaben“, verlangte Lenkert.

Grüne: Klima und Artenschutz als zentrale Herausforderungen

Stefan Wenzel (Bündnis 90/Die Grünen) schließlich unterstrich Klimaschutz und Artenschutz als zwei zentrale Herausforderungen der Zukunft.

Beide müssten gleichermaßen angegangen werden. Beide müssten aber auch zusammengedacht werden: „Klimaschutz ist auch Artenschutz.“ (sas/13.01.2022)

 

 

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