„Soziologen und Sozialpädagogen, die ihr Leben lang noch nie eine Kelle gehalten oder einen Arbeitsplatz in der freien Wirtschaft geschaffen haben, alimentieren sich hier dreist gegenseitig und besitzen auch noch die Chuzpe, sich als die besseren Menschen und Demokraten zu inszenieren. Zum Glück haben die Wähler diese Selbstbedienungsmentalität durchschaut, und werden der SPD bei den Kommunalwahlen die Quittung dafür präsentieren.“
„AWO München: fragwürdige Beschäftigungen, personelle und finanzielle Vorteile, extrem hohe Gehälter, Vergabe von städtischen Geldern, Fördergelder, Lobbykontakte, etc.“ lautet die Anfrage . Darin geht es speziell um die jetzigen Geschäftsführer der AWO München Hans Kopp und Julia Sterzer, ihre Vorgänger Christoph Frey und Jürgen Salzhuber sowie SPD-Stadträte wie Verena Dietl und Anne Hübner, die sowohl bei der AWO wie dem Stadtrat tätig sind und sich somit selbst beaufsichtigen.
Christoph Frey war 2012-2018 Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt München-Stadt, bis er im Juli 2018 zum neuen Stadtkämmerer gewählt wurde. Frey verwaltet also jetzt als Kämmerer das Budget seines ehemaligen Arbeitgebers, der AWO. Außerdem gehörte er von Dezember 2013 bis April 2014 dem Münchner Stadtrat an. Partei: SPD. Frey arbeitet seit 1996 in wechselnden Funktionen beim DGB.
Freys Nachfolgerin in der aufwändig renovierten AWO-Zentrale in der Gravelottestraße 6-8 im edlen Franzosenviertel Haidhausen wurde Julia Sterzer. Sterzer kandidiert aktuell für den SPD-Stadtrat, allerdings auf Platz 80, dem letzten Listenplatz, und hat damit wenig Aussicht auf Erfolg. Ihre AWO-Tätigkeit „würde sich mit einem Sitz im Stadtrat eher nicht vereinbaren lassen“, so Sterzer selbstkritisch, die damit vielleicht unwissentlich ihre zweigleisigen SPD-Kollegen in Frage stellt.
Ihr Co-Geschäftsführer Hans Kopp ist im Vorstand der SPD-Neubiberg, wo er für den Gemeinderat kandidiert. Kopp und teils Sterzer kontrollieren ein Netzwerk von gemeinnützigen wie privatwirtschaftlichen Firmen, die im Auftrag der AWO Aufträge der Stadt München ausführen, darunter die Anderwerk GmbH, die AWO-Gebäude Service München GmbH, die AWO-München – Gemeinnützige Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungs-GmbH, die Beratungsdienste der Arbeiterwohlfahrt München gemeinnützige GmbH, München, die AWO-München Soziale Dienste gemeinnützige GmbH, die SCM Sozial Catering & Management GmbH und die Social Care Services Europe GmbH.
Dieses Firmengeflecht hat er von seinem Vorgänger Jürgen Salzhuber übernommen, der fast 30 Jahre lang der Münchener AWO angehörte, die er 1983 „tief im Schlamassel“ vorgefunden habe und bei der er 1992 Geschäftsführer wurde. Die AWO München sei damals mit acht Millionen Mark überschuldet und zahlungsunfähig gewesen, so Salzhuber, der die AWO München saniert und parallel die privaten Holdinggesellschaften J. Salzhuber KG und JS Verwaltungs UG aufgebaut hat. Auch nach seinem Rentenantritt 2012 bezog Salzhuber ein Büro bei der AWO in der Gravelottestr. neben seinem Nachfolger Frey. Salzhubers Frau Johanna Salzhuber ist Beisitzerin der SPD-Moosach.
Verena Dietl ist SPD-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat (Listenplatz 2), Mitglied im Bildungsausschuss, Sportausschuss, Kinder- und Jugendhilfeausschuss, Sozialausschuss und Finanzausschuss, und außerdem stellvertretende Münchner AWO-Vorsitzende. Praktischerweise kontrolliert sie also viele der Tätigkeitsbereiche der AWO im Stadtrat gleich mit. Das sorgt für den kurzen Dienstweg. Außerdem sitzt die Dipl.-Sozialpädagogin im Aufsichtsrat der Olympiapark München GmbH und der München Klinik gGmbH. Ihre Webseite der Rathaus-SPD weist ihre AWO-Tätigkeit nicht aus.
Die Drehtür zwischen SPD und AWO funktioniert auch in München wie geölt: Ruth Waldmann war 2000-2006 Referentin des Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag, dann 2006-2013 Prokuristin der AWO-München, bis sie am 7. Oktober 2013 Landtagsabgeordnete der SPD wurde, wo sie stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit und Pflege sowie Mitglied des Landesgesundheitsrates ist. Bis auf drei Jahre als wissenschaftliche Assistentin am Institut für Soziologie der LMU München hat die 1971 geborene Diplom-Soziologin ihr ganzes Leben lang für die SPD oder die AWO gearbeitet.
Vom Rathaus in die AWO und wieder zurück wechselte auch SPD-Stadträtin Anne Hübner (Listenplatz 4), die mit Hans Kopp das Referat Seniorenhilfe der AWO leitet. Davor war sie neun Jahre im Sozialreferat der Stadt München tätig. Neben ihrer AWO-Tätigkeit sitzt sie im Stadtrat im Sozialausschuss, im Kinder- und Jugendhilfeausschuss sowie im Verwaltungs- und Personalausschuss.
Die AWO-München mischt sich auch mit städtischen Mitteln und eindeutiger politischer Ausrichtung in den derzeitigen Kommunalwahlkampf ein: Unter dem Motto „Weil alle Menschen zählen – sozial wählen!“ macht die AWO relativ unverblümt Werbung für OB Dieter Reiter (SPD): „Wir mischen uns damit aktiv in den Kommunalwahlkampf ein und konfrontieren die Kandidatinnen und Kandidaten für den Stadtrat mit sozialpolitischen Forderungen“, so die AWO-München, die im Rahmen der „ARGE der freien Wohlfahrtspflege München“ zusammen mit der Caritas, der Diakonie/Innere Mission, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, der Israelitischen Kultusgemeinde der CSU-nahen Charlotte Knobloch und dem Münchner Roten Kreuz mit Spenden- und Steuergeldern Wahlkampf macht.
So lud die AWO am 13. Januar die OB-Kandidaten Kristina Frank (CSU), Christian Müller (SPD) und Jutta Koller (Grüne) zum „PolitTalk im Roten Salon des Café Glockenspiel“ ein. „München braucht mehr bezahlbaren Wohnraum: Gemeinwohl vor Rendite!“, forderte Geschäftsführerin Julia Sterzer (SPD) im Rahmen der Kampagne und gab der Schuld an Münchens „explodierenden Bodenpreisen“ den „Investoren, die sich eine goldene Nase verdienen“. Dass die Wohnungspolitik der Landeshauptstadt seit 36 Jahren fest in der Hand der SPD liegt, die dabei selber „ eine goldene Nase“ verdient, thematisiert Sterzer nicht.
Am 18. Februar beschloss die AWO ihren Kommunalwahlkampf mit einem „Talk der Wohlfahrtsverbände“ zu den Themen „Migration und Quartiersentwicklung“. Zu Gast: OB Dieter Reiter (SPD). Kandidaten der AfD, der FDP, der Bayernpartei oder der Freien Wähler waren – welch ein Wunder – nicht vertreten.