Oberverwaltungsgericht Münster: weite Teile der AfD sind verdachtsunabhängig

Quelle: Von Florian Adler - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9994006

MÜNSTER – Das Oberverwaltungsgericht hält es für gerechtfertigt, dass der Verfassungsschutz überprüfen kann, ob die AfD ein „Verdachtsfalle“ sei, stutzte jedoch den Bundeverfassungsschutz und seine Arbeit zurecht, ohne daß die „Qualitätsmedien“ darüber berichtet hätten.

.

.

Das Oberverwaltungsgericht in Münster erkennt (rhetorisch) an, daß die Einstufung die AfD in ihren Rechtspositionen als politische Partei beeinträchtigt. Das Gericht hat hierbei aber offenbar übersehen, daß es selbst das Urteil „rechtzeitig“ vor Wahlen gefällt hat und sich damit selbst daran beteiligt, die Rechtspositionen der AfD als politische Partei zu beeinträchtigen.

Das Gericht erwähnt auch, daß der Gesetzgeber die maßgebliche Vorschrift gerade im Hinblick auf die Öffentlichmachung von Verdachtsfällen gerade noch geändert hat, sodaß das Amt sich auch diesen Fall darauf stützen kann.

Und das Gericht hebt hervor, daß die Bezeichnung „Verdachtsfall“ in keiner Weise den Eindruck erwecken darf, es stehe fest, dass die AfD gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen verfolgt. Hierzu betont das Gericht, daß bei Zuwiderhandlung das Bundesamt und sein Präsident bei der Art und Weise der Information der Öffentlichkeit und ihrer sonstigen Öffentlichkeitsarbeit nicht völlig frei sind, sondern gerichtlicher Kontrolle unterliegen.

Die Begründung des Urteils ist noch nicht veröffentlicht.

.

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster über die Einstufung der dem Innenministerium unterstehenden Behörde des Bundesverfassungsschutz

Zunächst das Formale vorab:

Die Entscheidung gilt für die AfD als Ganzes, betreffend der Farge ob der Verfassungsschutz diese mitsamt der JA als „Verdachtsfall“ behandeln  dürfe:

Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf die Partei „Alternative für Deutschland (AfD)“ und ihre Jugendorganisation „Junge Alternative für Deutschland (JA)“ als Verdachtsfall beobachten und die Öffentlichkeit hierüber unterrichten. 

Für die Untergruppierung des „Flügel“ gilt, daß man dieses Netzwerk, als „rechtsextrem“ behandeln  dürfe:

Auch die Beobachtung des sogenannten „Flügel“ in der Vergangenheit – zunächst als Verdachtsfall, später als „erwiesen extremistische Bestrebung“ – und deren Bekanntgabe waren rechtmäßig. 

Damit ergibt sich für die AfD die Konstellation, wie es bei der Partei „DIE LINKE“ zwischenzeitlich auch der Fall war.

Die Beobachtung der LINKEn

In der Linken wurden die

  1. Arbeitsgemeinschaft Cuba Sí, die
  2. Kommunistische Plattform, das
  3. Marxistische Forum, die
  4. Sozialistische Linke und den
  5. Geraer Dialog

als „offen extremistische Zusammenschlüsse der Partei“ angesehen. Hinzu kam noch deren Jugendorganisation „Solid“. Beispielsweise wird im aktuellen bayerischen Verfassungsschutzbericht auf Seite 270 DIE INKE.SDS erwähnt.

Anfang 2012 wurde durch einen Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel bekannt, dass 27 Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion und damit mehr als ein Drittel der Abgeordneten der Linksfraktion gesondert durch den Verfassungsschutz beobachtet wurden. Unter den Beobachteten befand sich fast die gesamte Führung der Bundestagsfraktion: Der Fraktionsvorsitzende

  1. Gregor Gysi und dessen erste Stellvertreterin
  2. Wagenknecht, die Mitglieder des Fraktionsvorstands
  3. Bartsch und
  4. Korte, die parlamentarische Geschäftsführerin
  5. Enkelmann, die Bundesvorsitzende
  6. Lötzsch und deren Stellvertreterin
  7. Wawzyniak, dazu die aktuelle Bundestagsvizepräsidentin
  8. Pau.

Die Tatsache, daß der Dauergast aus TV-Sendungen Sahra Wagenknecht und die aktuelle Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau unter Beobachtung standen, belegt die „Qualität“ mit der diese Behörde arbeitet.

Die Beobachtung (in) der AfD

Nun hat das Oberverwaltungsgericht nach sieben Verhandlungstagen mit drei Urteilen entschieden, daß die bisherige Einordnung, die AfD zu prüfen. rechtmäßig sei und hat Berufungen der AfD und der JA gegen die vorher ergangenen Urteile des Verwaltungsgerichts Köln vom 08.03.2022 zurückgewiesen.

Zur Urteilsbegründung hat der Vorsitzende des 5. Senats ausgeführt:

Die AfD habe keinen Anspruch auf Unterlassung der Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Die Regelungen des Bundesverfassungsschutzgesetzes stellten eine ausreichende rechtliche Grundlage für die Beobachtung als Verdachtsfall dar. Dies gelte auch für politische Parteien, welche unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes stehen.

Zentral sei jedoch, daß tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorlägen. Bloße Vermutungen oder Spekulationen genügen nicht! Hinzu kommt außerdem, daß was für einen Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen ausreicht, unter keinen Umständen so verstanden werden kann, dass extremistischen Bestrebungen als erwiesen angenommen werden können.

Zur Begründung führte das Gericht an, daß der Verdacht bestünde, daß es den politischen Zielsetzungen der AfD entspräche, deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund nur einen rechtlich abgewerteten Status zuzuerkennen. Wie das Gericht auf diese Idee kommt, wurde hingegen nicht ausgeführt. Eine solche Position würde aber die Menschenwürdegarantie verletzten.

Außerdem meint das Gericht es könnte eine Verknüpfung des „ethnisch-kulturellen Volksbegriffs“, mit der politischen Zielsetzung vorliegen, die rechtliche Gleichheit aller Staatsangehörigen in Frage zu stellen.

Dem Senat liegt eine große Anzahl von gegen Migranten gerichteten Äußerungen vor, mit denen diese auch unabhängig vom Ausmaß ihrer Integration in die deutsche Gesellschaft systematisch ausgegrenzt werden und trotz ihrer deutschen Staatsangehörigkeit ihre vollwertige Zugehörigkeit zum deutschen Volk in Frage gestellt wird.

Außerdem sieht das Gericht Anhaltspunkte für den Verdacht, daß in der AfD herabwürdigende Begriffe gegenüber Flüchtlingen und Muslimen verwendet würden, was der Menschenwürde widersprechen würde.

Außerdem gebe es gegen die gleichberechtigte Religionsausübung von Muslimen gerichteten Forderungen.

Doch das Gericht hat auch das Bundesamt für Verfassungsschutz zurechtgestutzt und kritisiert, daß das Amt angebliche demokratiefeindliche Bestrebungen in Häufigkeit und Dichte übertrieben hat.

.

Die Pressekonferenz(en) zum Urteil