WARSCHAU – Im Ukraine-Russland-Krieg stehen alle Figuren auf dem Schachbrett und jeder wartet auf den ersten Zug. Der Präsident der Ukraine, Selenski sichert sich noch schnell in Polen ab und bezahlt die Polen mit einem stärkeren Einfluss in den 1945 an die Ukraine verlorenen polnischen Ostgebiete und macht Warschau damit zu seinem Reserve-Hauptquartier im Kampf gegen Russland, wodurch Polen wiederum, dem Wunsch der USA folgend, zur Ordnungsmacht in Osteuropa aufsteigt.
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Selenski erstmals in Polen
Anfang dieser Woche fand Selenskis erster Staatsbesuch nach Polen, seit Beginn des russischen Einmarschs in der Ukraine am 24.2.2022, statt. Die Bedeutung dieses Besuchs zeigte sich auch daran, daß Selenski mit der höchsten zivilen Auszeichnung Polens, dem „Orden des Weißen Adlers“, ausgezeichnet wurde.
Selenskis Besuch fand zu einem entscheidenden Zeitpunkt im Stellvertreterkrieg zwischen der NATO und Russland statt, was ihm ebenso wie seine Symbolik ein Element der Intrige hinzufügt.
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Im „Logistikwettlauf“ hat Russland die Nase vorne
Zunächst erklärte der Nato-Chef Stoltenberg Mitte Februar, sein Block befinde sich in einem sogenannten „Logistikwettlauf“/„Abnutzungskrieg“ mit Russland, den Moskau offenbar für sich entscheiden hat, denn es ist eine Tatsache, daß die russische Feuerwalze sich Meter um Meter in Richtung Westen bewegt. Dies bestätigen auch geleakte Dokumente die aktuell kursieren und die den ukrainischen Aufmarsch beschreiben sollen:
Während sich also die russische Feuerwalze langsam aber systematisch in Richtung Westen vorarbeitet, muß Kiew seine Streitkräfte ein drittes Mal komplett neu aufstellen, wobei Kiew die Soldaten und der Westen das Material und das KonwHow stellt.
Das Dokument enthält eine Zusammenfassung von 12 Kampfbrigaden, die zusammengestellt werden, von denen neun offenbar von den Vereinigten Staaten und anderen NATO-Verbündeten ausgebildet und versorgt werden… Die für neun Brigaden benötigte Gesamtausrüstung, so das Dokument, bestand aus mehr als 250 Panzern und mehr als 350 mechanisierten Fahrzeugen…Von diesen neun Brigaden sagten die Dokumente, dass sechs bis zum 31. März und der Rest bis zum 30. April fertig sein würden. Eine ukrainische Brigade hat etwa 4.000 bis 5.000 Soldaten, sagten Analysten…
Inzwischen hat Wagner-Gründer Prigozhin sogar den Sieg in der Schlacht von Artjomowsk/„Bachmut“, beansprucht, nachdem seine Kämpfer das Verwaltungszentrum dieser Stadt erobert hatten, woraufhin Selenski zu erkennen gegeben hat, daß Bachmut nun auf einmal eigentlich doch gar nicht so wichtig sei. Bereits am 20.2. hatte er dazu in italienischen Medien argumentiert:
Wie klingt das wohl in den Ohren der Witwen der tausenden in Bachmut verheizten Soldaten?
Selenski baute dann auf dieser Vorhersage auf, als er vor mehr als einer Woche warnte, daß er im In- und Ausland unter Druck gesetzt werden würde, mit Moskau einen „Kompromiss“ einzugehen. Inzwischen kehrt Selenski aber auch wieder zu seiner früheren Position zurück, nachdem er die Öffentlichkeit auf einen möglichen Rückzug aus Bachmut vorbereitet hat.
Es bleibt abzuwarten, was letztendlich passieren wird, aber es ist offenkundig, daß die militärstrategische Dynamik inzwischen Russland begünstigt.
Das ist nicht etwa Wunschdenken, sondern basiert auf den vernichtenden Details aus dem Bericht der Washington Post von Mitte März unter der Überschrift
“Ukraine short of skilled troops and munitions as losses, pessimism grow”
darüber, wie schlecht es um die Kiewer Streitkräfte tatsächlich steht.
Und dabei hat die Washington Post noch nicht einmal den Ende März bevorstehenden Beitrag Nordkoreas im Auge gehabt.
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Eine polnisch-ukrainische Konföderation?
Die desaströse Situation in die Selenski sein Land gebracht hat, zeigt sich auch an einer neuen Allianz, die er bereit ist einzugehen. Selenski bezahlt offenbar diese weitere Unterstützung der Ukraine mit den alten polnischen Ostgebieten, die Stalin nach 1945 von Polen abgetrennt hat und der Ukraine zugeschlagen hat.
Angesichts dieses größeren Zusammenhangs ist es klar, dass Selenskis jüngste Reise nach Polen wirklich zu einem entscheidenden Moment in diesem Konflikt stattfand.
Was die Symbolik betrifft, so gehört Polen zu den wichtigsten Verbündeten der Ukraine. So sehr, daß diese beiden im vergangenen Mai während des damaligen Besuchs von Präsident Duda in Kiew ihre gemeinsame Absicht erklärten, schließlich alle Grenzen zwischen ihnen aufzuheben. Was dies bedeuten würde, kann man der Karte rechts entnehmen, in der die von Polen an die Ukraine 1945 verlorenen Gebiete gelb eingezeichnet sind.
Selenski ist bereit die Unterstützung Polens mit Landabtretungen zu bezahlen
Diese Absicht wurde nun wiederholt:
Dies führte dazu, daß beide Staaten sich allmählich zu einer De-facto-Konföderation zusammenschlossen, die Polens geopolitisches Projekt der Wiederherstellung seiner durch die Westverschiebung 1945 verlorene Ostgebiete vorantreibt.
Dies passt dann auch in das Ziel der USA, Polen zu einer Großmacht auszubauen, die Deutschland von Russland trennt.
Selenskyjs Zelensky’s erneute Bekräftigung ihrer gegenseitigen Absicht, alle Grenzen zwischen ihnen während seiner letzten Reise nach Polen aufzuheben, bestätigt diese Einschätzung ebenso wie der Vorstoß eines neokonservativen Lobbyisten für dieses geopolitische Projekt in einem kürzlich erschienenen Artikel für das einflussreiche Magazin Foreign Policy
Um den Status der Ukraine als De-facto-Protektorat seines Landes zu legitimieren, erklärte Duda, Warschau suche vor dem nächsten Nato-Gipfel in diesem Sommer zusätzliche Sicherheitsgarantien für seinen Nachbarn.
Doch nicht nur das. Vor dem Hintergrund dieser Planungen passen auch die Veröffentlichungen von Seymour Hersh ins Bild, der zur Sprengung der Nordsee-Pipeline veröffentlicht hat, daß diese von Polen aus mit der Hilfe ukrainischer Kräfte durchgeführt worden war.
Völlig unbeachtet von der deutschen „Qualitätspresse“ ist bisher die der russischen Propaganda entnehmbare Tatsache, daß von der Ukraine aus die Druschba-Pipeline attackiert wurde, die über Weißrussland noch immer Öl in den Westen liefert.
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Polnisch-ukrainische Hürden
Denn so sehr diese beiden ihre Länder schrittweise zu einer De-facto-Konföderation verschmelzen wollen, so stehen beiden doch einige sehr ernste Hindernisse im Weg.
- Zunächst einmal stellt sich natürlich die Frage der Finanzierung dieses geopolitischen Projekts, das sich Polen kaum leisten kann.
- Zweitens sind viele Polen angewidert von der Verherrlichung von der Verherrlichung von Hitlers Genozid-Kollaborateur Bandera durch die Offiziellen in der Ukraine. Je mehr der polnische Staat dies trotz seiner gelegentlichen Rhetorik zur Verteidigung der historischen Wahrheit toleriert, desto wütender werden die durchschnittlichen Polen.
- Aufbauend auf der oben genannten Beobachtung ist die dritte Herausforderung dieses geopolitischen Projekts die zunehmende Anti-Establishment-Stimmung in Polen, die dazu führen könnte, dass die Konföderationspartei bei den Wahlen im Herbst genug Stimmen gewinnt, sodass die Regierungspartei gezwungen ist, eine Regierungskoalition mit ihnen zu bilden. Dieses Ergebnis könnte diese Pläne durchkreuzen und ihre Umsetzung auf unbestimmte Zeit verzögern, insbesondere wenn der Bund einen Weg findet, die erforderliche Finanzierung und/oder Sicherheitsgarantien zu blockieren.
Polens Botschafter in Paris erklärt sein Land für kriegsbereit
Vor den nächsten Wahlen kann jedoch noch viel passieren, einschließlich einer polnischen Militärintervention in der Ukraine. Ihr Botschafter in Frankreich donnerte Ende letzten Monats:
Obwohl die Botschaft sagte, seine Worte seien aus dem Zusammenhang gerissen, war die Absicht klar.
Russland warnt schon seit geraumer Zeit vor diesem Szenario, das eine beispiellose Eskalation im Stellvertreterkrieg der NATO gegen Russland darstellen könnte, da Polen offizielles Mitglied jenes Blocks ist, dessen Länder gegenseitige Verteidigungsverpflichtungen haben.
Eine polnische Intervention könnte daher als Stolperdraht für dieses antirussische Bündnis dienen, um seine Rolle in diesem Konflikt zu formalisieren, insbesondere für den Fall, dass Polen seine „Vereinigung“ mit der Ukraine ankündigt und es unter ihren Schirm bringt.
Doch hierzu haben die USA beim letzten Besuch Selenskis in den USA beriets Stellung bezogen. Wenn in diesem Fall Polen durch Russland angegriffen würde, ist dies kein Problem der NATO, sondern Polens. Da Polen aber in der EU ist und die EU inzwischen ebenfalls eine Verteidigungspflicht in ihren Verträgen verankert hat, wären die USA fein raus und die EU hätte einen Krieg mit Russland am Bein!
Auch wenn diese Abfolge von Ereignissen spekulativ bleibt, so ist sie doch, wie bisher in diesem Artikel erläutert, auf Tatsachen gegründet, insbesondere angesichts der nachteiligen militärstrategischen Dynamik, die Selenskis jüngste Reise nach Polen überschattet. Um darauf zurückzukommen und die Worte des polnischen Botschafters in Frankreich sowie der Staats- und Regierungschefs dieser beiden Länder zu berücksichtigen, die ihren Wunsch bekräftigten, alle Grenzen zwischen ihnen aufzuheben, sollten Beobachter die Möglichkeit nicht ausschließen, dass dies geschieht.
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Wer wagt den ersten Schritt?
Tatsächlich könnte es sich sehr gut vor den nächsten Wahlen im Herbst entfalten, sollte Russlands Eroberung von Artyomovsk dazu führen, dass es durch den Rest des Donbass rollt, wie Selenski zuvor vorhergesagt hat, was Polen wiederum dazu veranlassen könnte, gemäß den Bedingungen seines Botschafters in Frankreich einzugreifen.
Die einzigen Variablen, die dieses Szenario glaubwürdig kompensieren könnten, wären, dass Russland vor Ort weiterhin nur stückweise Fortschritte macht, oder dass Kiew einem Waffenstillstand mit Moskau zustimmt, bevor die Friedensgespräche wieder aufgenommen werden.
Die Chancen des ersten könnten durch eine Welle moderner westlicher Waffen in die Ukraine gestärkt werden, während die des zweiten dadurch verringert werden könnten, dass Polen jede Unterstützung verspricht, die Kiew benötigt, um sich nicht durch die Umstände zu Verhandlungen mit Russland gezwungen zu fühlen.
Darin liegt der wahrscheinliche Zweck von Selenskis letzter Reise nach Polen, nämlich genau zu erkunden, was Warschau in dieser Hinsicht bieten könnte, um besser einschätzen zu können, ob es sich lohnt, in diesem entscheidenden Moment des Konflikts ernsthaft darüber nachzudenken.
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Neubewertung von Dudas Forderung an die NATO
Duda deutete während eines Interviews mit Le Figaro Anfang Februar an, er befürchte, Frankreich könnte versuchen, einen Waffenstillstand auszuhandeln, dessen Konkretisierung durch Macrons jüngste Reise nach China vorangetrieben werden könnte. Chinas 12-Punkte-Friedensplan wurde immerhin beim letzten Besuch des chinesischen Staatschefs in Moskau durch seinen russischen Amtskollegen ausdrücklich gelobt.
Die politische Dynamik dieses Konflikts ist daher aus der gemeinsamen Perspektive von Kiew und Warschau ebenso nachteilig wie die militärisch-strategische, da beide auf einen bevorstehenden Waffenstillstand hindeuten.
Diese Beobachtung fügt Dudas Forderung, die NATO solle der Ukraine mehr Sicherheitsgarantien geben, einen weiteren Aspekt hinzu.
Seine Erklärung kann nun so verstanden werden, daß diese
- entweder auf eine bevorstehende polnische Militärintervention hinweist (unabhängig davon, ob dieser eine Formalisierung ihrer Konföderation vorausgeht)
- oder darauf hindeutet, daß diese bald verlängert werden könnte, um Kiew die dauerhafte Unterstützung dieses Blocks zu versichern, falls er erzwungen wird Umständen dazu veranlasst, einen Waffenstillstand mit Russland zu vereinbaren (unabhängig davon, wer vermitteln könnte).
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Die bevorstehende Gegenoffensive der Ukraine
Dudas Wunsch, dies irgendwann in den nächsten drei Monaten vor dem Nato-Gipfel Anfang Juli zu tun, setzt seiner Forderung aber eine praktische Frist, die wiederum mit Kiews erwarteter Gegenoffensive zusammenfällt.
Diesbezüglich dämpfte der zuvor zitierte Bericht der Washington Post die Erfolgserwartungen, ebenso wie die jüngste Einschätzung des ehemaligen Kommandeurs der polnischen Landstreitkräfte. Waldemar Skrzypczak führenden polnischen Medien, die Ukraine sei dafür „nicht bereit“ und „jetzt ist es Zeit für Politiker“.
Zyniker, die behaupten könnten, dass dieser pensionierte Beamte keine genauen Informationen über die militärstrategische Dynamik des Konflikts habe, sollten daran erinnert werden, was der amtierende Generalstabschef der polnischen Streitkräfte, General Rajmund Andrzejczak, Ende Januar vor öffentlich finanzierten Medien sagte. Er warnte immerhin davor, dass die Zeit für Kiew abläuft, bestätigte, dass die militärische Macht Russlands immer noch beeindruckend sei, und äußerte ernsthafte Besorgnis darüber, dass die Ukraine letztendlich besiegt werden könnte.
Trotz dieser düsteren Analyse von Polens höchstem Militärbeamten, der unbestreitbar in der Lage ist, die aktuellsten Geheiminformationen über den Nato-Russland-Stellvertreterkrieg in der Ukraine zu erhalten, wird Kiew seine geplante Gegenoffensive wahrscheinlich trotzdem versuchen
Das wird wiederum Einfluss darauf haben, ob Polen seine De-facto-Konföderation noch weiter vertiefen wird und/oder militärisch zu ihrer Unterstützung interveniert, welche Sicherheitsgarantien die NATO genau Kiew geben könnte und ob vor dem Sommergipfel des Blocks ein Waffenstillstand erreicht wird.
Diese Erkenntnis lässt den Schluss zu, dass Selenskis letzte Reise nach Polen von überragender Bedeutung war, da sie den Verlauf des Nato-Russland-Stellvertreterkriegs in den nächsten drei Monaten prägen soll. Die Rolle Warschaus bei den bevorstehenden Ereignissen wird stark beeinflussen, was Kiew in diesem entscheidenden Moment dieses Konflikts tun wird. Daher wohl auch der Zeitpunkt, zu dem der ukrainische Staatschef beschlossen hat, sich mit seinem polnischen Amtskollegen zu treffen.
Denn so sorgfältig Zelensky alles plant, könnte es ihm dennoch nicht gelingen, das Schicksal seiner Seite zu wenden.