Mit Hilfe von WLAN und Radar-Technik könnten Bürger bald auch ohne deren Einverständnis überall ausspioniert werden

Quelle: By Slowking - Own work, GFDL 1.2, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=29206794

PORTO – Eine Art WLAN-basierte Radartechnik hat das Potential das Verhalten von Bürgern im öffentlichen Raum zu identifizieren und vorfherzusagen, auch ohne deren Einverständnis, bzw. Kenntnis.

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Den Autoren einer neuen Studie zufolge könnte drahtlose Strahlung dazu verwendet werden, Menschen ohne deren Wissen oder Einwilligung zu überwachen, selbst wenn diese kein „intelligentes“ Gerät tragen oder kein Mobiltelefon in der Hand halten .

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Welchen Stand der Technik gibt es bereits?

Eine ähnliche Technologie gibt es bereits auf dem Markt des so genannten „Human Activity Recognition“ (HAR). Bei „Human Activity Recognition“ handelt es sich um die Identifizierung und Klassifizierung statischer und dynamischer menschlicher Aktivitäten, die z.B. in Bereichen wie

  • Gesundheitswesen,
  • Unterhaltung,
  • Sicherheit und
  • cyber-physischen Systemen

Anwendung finden können. Die Firma Origin AI hat unter der Bezeichnung „Origin“ seit Anfang 2025 bereits eine Technologie eingeführt, mit deren Hilfe unter Inanspruchnahme von WiFi Aktivitäten von Personen erkannt werden können:

„Origin ist eine kommerzielle Wi-Fi-Sensortechnologie, die vom ehemaligen DARPA-Auftragnehmer [Defense Advanced Research Projects Agency] Ray Liu entwickelt wurde und Bewegungen mit einer Genauigkeit von über 90 % lokalisieren und sogar Atemmuster erfassen kann“,

heißt es dort. „Origin AI“ wirbt damit, dass deren Technologie

„Ihr Zuhause intelligenter und sicherer macht“.

Auf der Website heißt es dazu:

„Mit ORIGIN AI … verwandelt Ihr ISP oder Ihr Sicherheitsunternehmen intelligente Geräte in fortschrittliche virtuelle Sensoren und schafft so ein intelligentes Heim-Ökosystem zur Verbesserung von Sicherheit, Konnektivität und Komfort.“

In einem Interview im Jahr 2022 erläuterte Liu, der treibende Kopf dahinter, die Entwicklung der Technologie mit den Worten:

„Zuerst stellten wir fest, dass wir eine präzise Ortung in Innenräumen durchführen konnten. Dann erkannten wir, dass wir erkennen konnten, ob eine Tür geschlossen oder offen war. Bald darauf stellten wir fest, dass wir eine Person durch eine Wand hindurch spüren konnten, indem wir die weltweit erste Funkbiometrie entwickelten.

„Von da an wuchs die Zahl der Anwendungsmöglichkeiten – wir konnten die Atmung erfassen, den Schlaf überwachen, Stürze feststellen, Gangmuster erkennen und sogar Geräusche ohne Mikrofon erfassen.“

All das ist unter der Behauptung, Sicherheit zu bieten, also bereits seit einem Monat auf dem Markt erhältlich.

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Was ist nun neu?

Diese traditionellen „HAR-Ansätze“ basieren aber auf tragbaren Sensoren, visuellen Systemen oder Umgebungssensoren, die alle mit inhärenten Einschränkungen wie Datenschutzbedenken oder eingeschränkten Sensorbedingungen verbunden sind.

Einen Schritt weiter gehen nun Forscher der Fakultät der Ingenieurwissenschaften am Institut für System- und Computertechnik, Technologie und Wissenschaft  Universität Porto in Portugal. Diese veröffentlichten am 24. Januar auf der Open-Access-Forschungswebsite der Cornell University, arXiv nun einen Bericht, wie man noch einen Schritt weiter gehen kann.

Mit ihren Ideen sei nun

„…die auf Radiofrequenz (RF) basierende HAR auf den Markt gekommen, die auf der Interaktion von RF-Signalen mit Menschen basiert, um so dann auf Aktivitäten zu schließen.

Das bedeutet also, daß man verschiedene WiFi-Quellen benutzt, um deren Wirken untereinander in Bezug auf ein Objekt dann zu nutzen.

Reconfigurable Intelligent Surfaces (RISs) bieten in diesem Bereich erhebliches Potenzial, indem sie eine dynamische Kontrolle über die drahtlose Umgebung ermöglichen und so die aus RF-Signalen gewonnenen Informationen verbessern.

Wir präsentieren einen Ansatz zur Handgestenerkennung (HGR), der unser eigenes 6,5-GHz-RIS-Design verwendet, um das RF-Medium in einem Interessenbereich zu manipulieren. Wir validieren die Fähigkeit unseres RIS, das Medium zu steuern, indem wir seine Lenkreaktion charakterisieren, und sammeln und veröffentlichen außerdem einen Datensatz zur HGR-Klassifizierung für drei verschiedene Handgesten.

Durch den Einsatz von zwei Convolutional Neural Networks (CNN)-Modellen, die anhand von Daten trainiert wurden, die unter zufälligen und optimierten RIS-Konfigurationssequenzen gesammelt wurden, erreichten wir eine Klassifizierungsgenauigkeit von über 90 %.

Bildlich kann man sich das dann wohl wie eine einzelne Person im Schwimmbad vorstellen, die durch ihr Verhalten Wellen auf der Oberfläche des Wassers bewirkt, die dann wiederum am Beckenende gemessen werden und mit Hilfe der Messergebnisse kann man auf das Verhalten des Schwimmers und damit letztendlich auf dem Schwimmer zurückschließen. So weit zum grundsätzlichen Verständnis.
Wenn man also bei diesem Bild der Person im Wasser die Wellen der Wasseroberfläche durch WiFi-Wellen ersetzt, dann sollte man ziemlich genau das verstanden haben, was die Autoren versucht haben, zu erklären.
Die eingesetzte Technik identifiziert aber nun nicht die unmittelbar vom „Schwimmer“ ausgehenden Signale, sondern arbeitet mit WiFi-Signalen. Um beim obigen Bild zu bleiben, würden also WiFi-Sender am Beckenrand montiert, die ihre Signale ins Becken aussenden. Dort werden sie dann vom Schwimmer reflektiert und die Reflektionen werden am Becken wieder identifiziert. Aus den Reflektionen heraus wird dann mit Hilfe einer KI-Software auf das Verhalten des Schwimmers zurückgeschlossen.

Technologie kann genutzt werden, „auch wenn Einzelpersonen nicht kooperieren“

Für die Studie führten die Autoren eine Reihe von Experimenten mit ihrem RIS-Hardware-Design durch, bei denen große Datensätze einbezogen wurden. Die Experimente zeigten, dass das Design drei verschiedene Handgesten hocheffektiv wahrnehmen konnte – selbst wenn die gestikulierende Person durch eine Wand oder ein Objekt behindert war.

In ihrem Bericht heißt es dazu:

„Diese Fähigkeit ermöglicht es dem System, elektromagnetische Felder auf ausgewählte Körperteile zu konzentrieren und gleichzeitig Störungen aus der Umgebung zu minimieren. Außerdem kann das System zwischen verschiedenen Handzeichen unterscheiden und Vitalfunktionen wie die Atmung überwachen, selbst wenn die Person nicht kooperiert oder sich hinter Hindernissen befindet.“

Die Autoren sagten, ihre Forschung bringe

„den neuesten Stand der Technik bei HF-basierten Lösungen zur Erkennung menschlicher Aktivitäten (HAR) voran, insbesondere im Kontext der aufkommenden sechsten Kommunikationsgeneration.“

Um die Forschung zu beschleunigen, stellen sie ihr Design als Open Source zur Verfügung.

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Wie funktioniert das?

Genau genommen umfasst der Entwurf der Wissenschaftler aus Porto eine dünne programmierbare Oberfläche, die Reconfigurable Intelligent Surface (RIS) genannt wird. Diese sendet ihre Daten an Computer und auf diesen Computern läuft eine – man ahnt es schon – so bezeichnete „Künstliche Intelligenz“ (KI), die diese Daten dann auswertet.

Welches Potential steckt in dieser Entwicklung?

Im Kern handelt es sich bei dieser Technik um die Wirkung von Radar. Die Forscher können dann die Art und Weise der WiFi-Signale anpassen, was wiederum die Reflexion durch die Oberfläche ändern wird. Auf diese Weise könnte es möglich werden, die Fähigkeit verbessern, subtile menschliche Bewegungen zu erkennen.

Derartig arbeitende RIS-Panels können dann auch strategisch platziert werden, um so die Reflexion und Lenkung des drahtlosen Signals zu optimieren. Sie können in jedes Objekt integriert werden. Außer Haus können sie z.B. in Lichtmasten eingebaut werden. In einem Haus können sie in beliebige Objekte integriert werden, an Wänden, Decken oder in Möbeln beispielsweise.

Im Außenbereich und in städtischen Gebieten können sie in so bezeichneten „Gefährlichen Orten“ zum Einsatz kommen um den Kriminalitätsdruck zu mindern.

Sie könnten theoretisch aber auch in Büros, Flughäfen, Einkaufszentren, installiert werden.

Am Ende sind diese RIS-Panels in der Lage eine so genannte „intelligente“ Überwachung einer Stadt zu ermöglichen, indem aus den Bewegungen von Fußgängern und Fahrzeugen geschlossen werden soll, ob sich dort aktuell bereits Kriminalität ereignet oder in Zukunft  Kriminalität ereignen wird.

Ein Ausblick

RIS wurde noch nicht in die aktuellen Mobilfunknetze integriert, ist aber laut W. Scott McCollough, dem Chefprozessanwalt für die EMR- und Wireless-Fälle von CHD, für 6G in der Entwicklung.

„ Zukünftige 6G-Netzwerke werden über eine integrierte RIS-Funktionalität verfügen“, sagte er, „und es würde mich nicht überraschen, wenn sie RIS in zukünftigen 5G-Updates nicht implementieren.“

Befürworter der RIS-Technik heben den angeblichen Nutzen hervor, dass es bei der Automatisierung und Überwachung von Patienten im Gesundheitswesen helfen soll:

„Aber mehrere Berichte der Industrie und der Regierung zu 6G sagen unverblümt, dass sie diese Fähigkeiten zur Überwachung nutzen wollen “,

sagte McCollough.