Kontrollverlust draußen, Kontrollübernahme drinnen? Der versuchte Griff des Staates in die Privatwohnungen der Bürger

Quelle: Deutsche Fotothek‎, CC BY-SA 3.0 DE , via Wikimedia Commons

MÜNCHEN – Eine Vorlage der Sozialisten aus Hamburg und Karl Lauterbachs „Hinweisen“ aus der Bevölkerung durch die Polizei auf Verstöße gegen Corona-Auflagen nachzugehen gerät für Markus Söder zum Desaster.

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Eine unscheinbare Meldung im Stern vom 20.10. war wohl er Auftakt für eine Kampagne der Regierung, um sich wohl Zugang die Wohnungen der Bürger zu verschaffen. Das Argument: die aus den geschlossenen Clubs und Bars ins Private verdrängten „Feiernden“ hätten sich zu einem Risiko betreffend der Ausbreitung von Covid-19 entwickelt.

»Kanzleramtsminister Helge Braun hat in ungewöhnlich scharfen Worten jene Bürger kritisiert, die angesichts dramatisch steigender Corona-Infektionen Partys feiern und gegen staatliche Regeln verstoßen. ›Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern gesellschaftsschädigendes Verhalten. Es ist ein schwerer Verstoß gegen den Gemeinsinn in unserem Land‹,

sagte Braun in einem Interview mit dem stern. Daß das Vokabular des „gesellschaftsschädigenden“ Verhaltens  durch den   Kanzleramtschef Helge Braun und einen der engsten Vertrauten der Kanzlerin ausgeht verwundert. Das ist schon ziemlich nahe an einer Einstellung, wie  „Du bist nichts, Dein Volk ist Alles“. Hätte es ein AfD-Politiker verwendet, wären wohl die Rufe nach Lichterketten laut geworden. Nicht so aber bei Herrn Braun.

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Den Startpunkt in dieser Diskussion setzten Sozialisten aus Brandenburg, Hamburg und der SPD-Mann Lauterbach. Möglicherweise schwebte ihm hierbei ein Bild der Kommunen der 68er-Bewegung vor, die sich gegenseitig die Türen aushingen, um steten Einblick in das korrekte Verhalten eines jeden Genossen zu haben. Wie dem auch sei:

Zur Durchsetzung der Corona-Maßnahmen wollen Lauterbach und die Sozialisten aus Hamburg und noch viel Andere mehr, allen Ernstes die im Grundgesetz garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung einschränken oder ganz aufheben.

 

Die wohl erste Duftmarke betreffend der Kontrolle in privaten Wohnungen setzte das Land Brandenburg am 21.10.

Ohne erkennbaren Bezug setzte das Land Brandenburg  die Nachricht in die Welt, zum Zweck der angeblichen Verhinderung der Ausbreitung des Covid-19-Virus in Wohnungen eindringen zu dürfen:

Die Polizei in Brandenburg darf in privaten Wohnungen kontrollieren, ob dort mehr Gäste als erlaubt an einer Feier teilnehmen. Das berichtet der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) unter Berufung auf einen Polizeisprecher. 

Dem Bericht zufolge ist der Gastgeber verpflichtet, die Polizisten in seine Wohnung zu lassen. Im Notfall hätten die Beamten das Recht, sich unter der Leitung von Ordnungs- und Gesundheitsämtern mit Gewalt Zutritt zur Wohnung zu verschaffen. 

Dass dies vorkommt, ist jedoch recht unwahrscheinlich: „Wir brechen aber keine Türen auf“, versicherte der Sprecher des Brandenburger Polizeipräsidiums, Mario Heinemann, dem Sender. Bei Verdacht auf eine illegale Feier dürfe die Polizei Personalien aufnehmen und die Party auflösen, bisher sei das aber noch nicht vorgekommen.

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Hamburgs Vorgabe zur Kontrolle in privaten Wohnungen am 25.10.

Auf einer Pressekonferenz am 25.10. versuchte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) die neuen Regeln zu erklären, mit denen Hamburg glaubt das Covid-q9-Virus an der Ausbreitung hindern zu können: Durch eine Begrenzung der Personen in einem Haushalt

„Aus einem Skatabend wird ein Bierabend und dann schnell eine Feier.“

Ergänzend legt die Stadt einfach so fest, daß sie davon ausgeht, daß bei jeder Zusammenkunft mit mehr als zwei Haushalten in einer Privatwohnung der Mindestabstand von 1,5 Metern automatisch nicht eingehalten werden kann. Innensenator Andy Grote (SPD) legte hierzu nach, daß die Polizei zwar nicht flächendeckend bei den Hamburgern klopfen und kontrollieren werde.

„Dort, wo wir aber Hinweise haben oder wo ein Geschehen in einer Wohnung die Aufmerksamkeit der Polizei erregt, werden wir dem natürlich nachgehen.“

An diesem Hinweis zur Denunziation hatte sich noch niemand gestört gehabt.

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Karl Lauterbachs Hamburgs Forderung zur Kontrolle in privaten Wohnungen am 28.10.

Offenbar vor dem Hintergrund der Maßnahme aus Hamburg versucht der „Gesundheitsexperte“ der SPD Lauterbach dieses Konzept für ganz Deutschland zu fordern Am 28.1.2020 titelt die SPD-nahe ZEIT:

„Karl Lauterbach fordert Kontrollen in privaten Wohnungen Der SPD-Gesundheitsexperte spricht von einer „nationalen Notlage“. Die Unverletzbarkeit der Wohnung dürfe da kein Argument mehr für ausbleibende Kontrollen sein.“

Der SPD-Mann erkennt also eine „nationale Notlage“, wenn bei derzeit ca. 0,01 Prozent der Bevölkerung nicht mehr  lebensfähige/wirkungsfähige Genomreste eines Virus identifiziert  werden, von dem gemäß WHO im Durchschnitt 0,2% der Erkrankten sterben könnten. So hat das Bulletin der WHO eine Metastudie der Stanford-Universität veröffentlicht, in der die sogenannte Infektionssterblichkeit anhand von weltweiten Antikörper-Studien ermittelt wurde.

Insgesamt errechnete Ioannidis einen Median der Infektionssterblichkeit über 51 Standorte hinweg von 0,27 Prozent, korrigiert 0,23 Prozent. In Regionen mit weniger als 118 Todesfällen pro eine Million Menschen betrug die Rate lediglich 0,09 Prozent. Wo 118 bis 500 Covid-19-Tote pro eine Million Einwohner gezählt wurden, betrug sie 0,20 Prozent, an noch schlimmer betroffenen Standorten lag die Infektionssterblichkeit bei 0,57 Prozent. Betrachtet man nur Bevölkerungsgruppen mit Menschen unter 70 Jahren, betrug die durchschnittliche Rate sogar nur 0,05 Prozent.

Das würde aus Sicht des SPD-Manns die Sicherheit gefährden:

„Wenn private Feiern in Wohnungen und Häusern die öffentliche Gesundheit und damit die Sicherheit gefährden, müssen die Behörden einschreiten können“,

so die bizarre Begründung des SPD-Manns.

„Wenn private Feiern in Wohnungen und Häusern die öffentliche Gesundheit und damit die Sicherheit gefährden, müssen die Behörden einschreiten können.“

Ganz so als ob die Macher des Infektionsschutzgesetzes daran nicht gedacht hätten und dies aus gutem Grund nicht in das Gesetz geschrieben hatten.

 

 

Kurz vor dem neuen Lockdown-Beschluss zwischen Bundesregierung und Länderchefs hat SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (SPD) drastische Kontrollmaßnahmen angeregt – und auch Corona-Kontrollen in Privatwohnungen nicht ausgeschlossen!

Gegenüber der „Rheinischen Post“ sagte Lauterbach: „Wir befinden uns in einer nationalen Notlage, die schlimmer als im Frühjahr werden kann. Die Unverletzbarkeit der Wohnung darf kein Argument mehr für ausbleibende Kontrollen sein.“

 

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Die Vorgabe aus dem Kanzleramt vom 29.10. in der Früh

Am 29.10. in der Früh legte der Chef des Kanzleramts vor:

Er gehe davon aus, dass die große Mehrheit die Maßnahmen einhalten werde. „Ein kleiner Teil tut’s nicht“ – da müsse es strengere und regelmäßigere Kontrollen geben. Im privaten Bereich werde sich aber nichts ändern: „Wir werden natürlich keine Kontrollen im privaten Raum standardmäßig durchführen.“

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Markus Söder legt am 29.10. einen drauf

In einem Punkt weicht Markus Söder für Bayern vom zuvor getroffenen Bund-Länder-Beschluss ab. Anders als in Berlin vereinbart, will Markus Söder in Bayer die Kontaktbeschränkung für den öffentlichen Raum auch im privaten Raum durchsetzen.

Heikel wird in diesem Punkt jedoch die Frage der Kontrolle dieser für Bayern getroffenen Verschärfung. Diese Kontaktbeschränkung zuhause nicht zu kontrollieren wurde in der Pressekonferenz erst gar nicht erwogen. Auf der andren Seite des Extrems wäre ein Eingriff in die private Lebenswelt der Bürger notwendig, was aber das Grundgesetz verbietet, wie der Chef der Staatskanzlei festhält. Mit einem Schmunzeln läßt Markus Söder bei Min. 51:00 dann einen Hinweis für Denunzianten fallen, der eine Win-Win-Situation darstellen könnte:

„Es wird jetzt nicht jemand an den Türen klingeln (…), aber wenn natürlich erkennbarerweise Bürger sich da beschweren, dann wird man entsprechend auch darauf hinweisen.“

Kontrolle der Corona-Vorschriften im Privaten über den Weg des Beifangs im Rahmen einer anderen, rechtlich erlaubten Maßnahme scheint Söder also vorzuschweben. Bei einer Stunde und 15 Minuten konkretisierte der Chef der Staatskanzlei, daß es deswegen auch keine neuen Verordnungen gebe, um die Bevölkerung auf die Einhaltung der Corona-Regeln im eigenen Haushalt zu kontrollieren, dann konkretisierte Markus Söder mit den Worten:

„Wie bei Ruhestörung zum Beispiel. Wenn Sie eine private Feier machen, unabhängig von der Personenzahl, und es findet eine Ruhestörung statt (…) dann können die Nachbarn ja entsprechende Hinweise geben und dann kommt die Polizei, und in der Regel wird die Polizei sagen: Bitte verhalten Sie sich anders und die meisten werden das dann auch machen.“

Tatsächlich hat Markus Söder es offen gelassen, aus welchem Grund der Nachbar die Polizei ruft. Klar war bei dieser Aussage, daß es der Nachbar in der Hand hat bei seinem Gegenüber Kontrollaufgaben auszuüben.

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Der Aufschrei

Es folgte der vorhersehbare Aufschrei in der Bevölkerung und durch die Opposition. Das dann einsetzende Trommelfeuer an Kritik bewirkte, daß Markus Söder offenbar den Chef seiner Staatskanzlei zum Dementieren nach vorne schickte, was jedoch offenbar zu wenig zur Beruhigung der Lage beitrug, sodaß er selbst bei der Regierungserklärung noch einmal das Thema aufnehmen musste:

Bayern setze bei der Kontrolle von Verstößen gegen die Kontaktbeschränkung in Privatwohnungen „nicht im Geringsten“ auf Hinweise und Anzeigen von Nachbarn, versicherte Herrmann. „Alle anderen Interpretationen sind falsch und unseriös.“ Der private Raum sei verfassungsrechtlich gut geschützt. „Das soll und wird auch so bleiben“, betonte der CSU-Politiker.

Ministerpräsident Söder stellte am Nachmittag in seiner Regierungserklärung im Landtag klar, die Polizei werde die Einhaltung der Regeln in privaten Wohnungen nicht kontrollieren. „Es gibt auch keinen Aufruf, da Hinweise zu geben“.

Hiermit hat er Recht. Es gibt der Tat keinen Aufruf zur Denunziation

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Markus Söders Hinweis an Denunzianten

Markus Söder hat eine Möglichkeit zur Denunziation geschaffen und den Denunzianten einen Hinweis gegeben, wie sie diese Möglichkeit nutzen könnten. Er hätte auch in die Zitatensammlungen von Daniel Sanders (1906) und Richard Zoozmann (1911) über Hoffmann von Fallersleben greifen können und sagen können

Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant“.

Oder er hätte in die SPD-Zeitschrift der wahre Jacob von 1884 schauen können sagen können:

Verpestet ist ein ganzes Land, Wo schleicht herum der Denunziant.[…]Der Menschheit Schandfleck wird genannt Der niederträcht’ge Denunziant.

Beides hat er aber nicht getan, sondern mich formal darauf zurückgezogen, keinen Aufruf gestartet zu haben. Die Wirkung seiner Worte hat Markus Söder dennoch stehen lassen.

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Die Nachricht der Agentur Reuters

Richtig Sprengkraft haben diese Äußerungen jedoch erst durch einen Beitrag der Nachrichtenagentur Reuters erhalten, die die Äußerungen vollkommen zutreffend wie folgt zusammenfasste:

“Der Aufenthalt im öffentlichen wie im privaten Raum ist begrenzt auf die Angehörigen des eigenen Hausstands und eines weiteren Hausstands, jedoch in jedem Fall auf maximal 10 Personen”, beschloss das Kabinett von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Donnerstag in München. Durchsetzen solle die Polizei das Verbot von größeren Treffen in Wohnungen auf die gleiche Weise, wie sie gegen Ruhestörungen vorgehe, sagte Söder. “Dann können die Nachbarn entsprechende Hinweise geben, und dann kommt die Polizei.” Diese werde die Betreffenden zunächst auffordern, sich anders zu verhalten.

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Fas große Zurückrudern

Nachdem diese Äußerung die verwertbare breite Empörung hervorgerufen hat, ruderte Markus Söder am 30.10. im Landtag zurück und die „Qualitätspresse“ legte sich für ihn ins Zeug, diese Nachricht wieder aus der Welt zu schaffen:

Die Nachrichtenagentur Reuters: relativiert den von Markus Söder gegebenen Hinweis zur Denunziation:

„In Leserkommentaren auf Online-Medienseiten wurde dies als Aufruf zur Denunziation bewertet. Herrmann (Florian Herrmann, der Staatskanzleichef, Anmerkung d. Red.) erklärte daraufhin am Nachmittag: Bayern setzt bei der Kontrolle von Verstößen gegen die Kontaktbeschränkung in Privatwohnungen nicht im Geringsten auf Hinweise und Anzeigen von Nachbarn. Alle anderen Interpretationen sind falsch und unseriös.“

Der Spiegel ruderte später zurück:

„Durchsetzen solle die Polizei das Verbot von größeren Treffen in Wohnungen auf die gleiche Weise, wie sie gegen Ruhestörungen vorgehe, sagte Söder.“

Die Süddeutsche titelte am 30.10.:

„Wie Söders angeblicher Aufruf zur Bespitzelung Karriere macht“

und schob die Verantwortung den sozialen Medien zu

Doch keine der „Qualitätsmedien“ ging auf das ein, was Söder wirklich gesagt / getan hatte. Er hat den Denunzianten einen Hinweis gegeben und sie damit heiß gemacht und zwar – das ist richtig – ohne expliziten Aufruf, aber eben wirkidentisch, wie ein Aufruf!.

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Denuntianten, die neuen Verbündeten des Markus Söder im Kampf gegen Covid-19

So wird es trotz aller Dementi nicht ausbleiben, daß einige Denuntianten den Hinweis, der kein Aufruf war sehr wohl verstanden haben und sich dennoch aufgerufen fühlen tätig zu werden. Dies könnte dann Folgen haben, wie diese Auflösung eines Kindergeburtstags in Neu-Ulm am Sonntag, den 25.10.2020:

Am Sonntag gegen 18.30 Uhr wurde der Polizeiinspektion Neu-Ulm eine Geburtstagsfeier mit zirka 40 Personen mitgeteilt. Vor Ort konnten nach Angaben der Polizei 23 Personen angetroffen werden, die ohne Mund-Nasen-Schutz und ohne die gültigen Abstandsbestimmungen einzuhalten, einen Kindergeburtstag feierten. Den Veranstalter der Feier erwartet nun eine Ordnungswidrigkeitenanzeige nach dem Infektionsschutzgesetz. 

Da fragt man sich doch: Wie tief muß ein Politiker gefallen sein, daß er sich freiwillig Denuntianten als Verbündete sucht?