SAN MATEO DEL MAR OAXACA (MX) – Um sich die windreichsten und damit ertragstärksten Flecken Erde für ihre Windparks zu sichern, bekämpfen sich Investoren mit karten Bandagen. Weder auf die Natur, noch auf die in diesem Fall indigenen Einwohner, noch auf deren heilige Gebiete wird bei dieser der Jagd nach den Premium-Stellplätzen für Windparks Rücksicht genommen. Ein Massaker an 15 Ureinwohnern läßt nun den Verdacht aufkommen, daß auch französische und spanische Windindustrie-Investoren und/oder ihre Verbündeten nicht einmal vor Morden zurückschrecken.
Diese Verhältnisse sind eigentlich von dem großen Goldrausch oder dem Ölboom in den USA, oder gegenwärtig von der Jagd nach Tropenhölzern oder auch von der kolonialen Landnahme her bekannt und weitgehend erforscht. Dennoch scheinen sie nach wie vor Anwendung zu finden und zwar nicht nur von skrupellosen Kapitalisten, sondern auch von den „sauberen“ Produzenten „ökologischer Energie“, wie z.B. den französischen und spanischen Betreibern von Windparks.
Wie ein Massaker an Nachfahren der ansässigen Indios nahe legt, sind derartige Methoden auch den Wind-Investoren nicht fremd, so lautet jedenfalls der Vorwurf der Einwohner des betroffenen Orts in Mexiko.
Die Jagd nach den ertragstärksten Lagen für Windkraft in der Welt
Einige dieser neuen Premium-Lagen liegen in Mexiko. Genauer gesagt im südlichen Bundesstaat Oaxaca. Besonders oft und stark weht der Wind in der Gegend Mexikos, wo dieses Land zwischen beiden Ozeanen die dünnste Landmasse hat und „Isthmus von Tehuantepec“ genannt wird.
Dort werden Winde ab 6,5 Metern pro Sekunde gemessen, die den Bau von Windparks besonders rentabel machen. In der Landenge von Tehuantepec beträgt die durchschnittliche Windgeschwindigkeit sogar 10 Meter pro Sekunde. Derartige Windgeschwindigkeiten wirken wie Goldminen auf die Betreiber von Windparks. Bisher wurden in des mexikanischen Bundesstaates Oaxaca daher bereits 1.223 Windkraftanlagen installiert.
In der Landenge von Tehuantepec gibt es 29 bereits Windparks, die auf kommunalem Grund und Boden installiert sind.
Spanische und Französische Stromkonzerne „investieren“ in mexikanische Windparks
Doch damit soll noch lange nicht Schluß sein. es sind vor allem die noch windreicheren Küsten dieses Bundesstaats
die europäische Energie-Unternehmen für weitere Windparks erschließen wollen.
Die Küsten dieser Landenge wecken bei den Investoren von Windparks Begehrlichkeiten:
Eine Auswertung der Bewohnerin und Windkraftgegnerin und Kämpferin für die Rechte der Ureinwohner Rosa Marina Flores Cruz ergab:
Acciona aus Spanien produziert Energie für Cementos de México.
Das Problem: die Premium-Windanlagen sind von Ureinwohnern besiedelt
Doch wie so oft in derartigen Konstellationen gibt es ein Problem: Dem Expansionsdrang der europäischen Wind-Lobby stehen die Ureinwohner im Weg, die dort, wo die Wind-Giganten ihre Windmühlen hinbauen wollen, ihre Häuser und Felder und vor allem ihre heiligen Stätten haben.
Für diese Ureinwohner, die sich seit mehr als einem Jahrzehnt gegen die Ansprüche der Wind-Lobby wehren, und denen gesagt wird, daß sie ihre Ländereien für einen höheren Zweck, nämlich den Kampf gegen den „Klimwandel“ aufzugeben haben ist dieser Anspruch zugleich eine Aggression gegen die gesamte Lebensweise ihrer indigener Gemeinschaften.
Bereits 2013 hielt Rosa Marina Flores Cruz, von der „Versammlung der indigenen Völker der Landenge zur Verteidigung von Land und Territorium, Oaxaca“ Vorträge, um über die Ansprüche der Wind-Lobby und die damit verbundene Vernichtung der Heimat der Ureinwohner aufzuklären. Ihr Vortrag hatte den Titel „Windenergie in der Landenge von Tehuantepéc: Kapitalismus der Enteignung und der indigene Widerstand“ (ab Min 35):
Die schlechten Erfahrungen Der Bewohner von Union Hidalgo mit der Wind-Lobby
Union Hidalgo ist ein kleiner Ort in der Landenge von Tehuantepéc mit einem nun zehn Jahre andauernden Widerstand gegen Windkraftanlagen. Die Bewohner von Unión Hidalgo sind inzwischen gezwungenermaßen zu einem großen Teil „Experten für Windraft“ geworden. Sie sprechen über Megawatt, Dezibel und den Markt für CO2-Zertifikate. Die Installation von Windparks hat ihre Sprache verändert: Was früher Gemeindeland war, sind heute „Polygone“, in denen die Parks ausländischer Unternehmen installiert sind.
Gemeinsam ist ihnen, daß sie das Projekt der Electricité de France (EDF) ablehnen einen weiteren Park auf ihrem Territorium zu mit Hilfe französischer Staatsgelder zu errichten:
Mit Engelszungen wurden sie für den ersten Windpark überredet, doch es kam anders: die danach gemachten Erfahrungen sind alles Andere als positiv:
Die Unternehmen behaupteten, daß die Windparks harmlos sind: Sie kündigten an, daß sie, obwohl sie große Landstriche benötigen, nur 2% des Territoriums für die Installation von Windkraftanlagen benötigen würden und der Rest weiterhin für die Landwirtschaft genutzt werden könne.
Tatsache ist jedoch, daß sobald sie das Land vergeben und die Turbinen aufgestellt sind, die Konzerne normalerweise den Zugang abriegeln. Die Bewohner können dann ihre Tiere können nicht mehr weiden lassen und nur noch wenige haben das Recht die Saat auf ihren Äckern auszubringen.
Eine Zwei-Megawatt-Turbine misst etwa 67 Meter und benötigt Fundamente aus etwa 85 Tonnen Beton und Stahl, um sich selbst zu tragen: Die Fundamente behindern die Wiederauffüllung des Grundwasserspiegels und beschleunigen damit die Austrocknung von Flüssen und Flussmündungen.
Hierdurch bedrohen sie die Lebensgrundlagen der indigenen Zapoteken deren Lebensgrundlage der Ackerbau und das Fischen ist.
Den Profit für die Konzerne, die Nachteile für die Bewohner
Doch nicht nur das: Die Bevölkerung hat die Erfahrung gemacht, daß sie von dem neuen Reichtum ihres Landes als Premium-Wind-Standort nichts hat und diese neue „Goldgrube“ von Fremden ausgebeutet wird, die die damit gemachten Profite an Andere verteilten, nicht aber an sie selbst.
Bettina Cruz, Mitglied des Nationalen Indigenen Kongresses fragt denn auch, wie ist es möglich, dass in dieser Stadt, in der Millionen von Dollar im Wind erzeugt werden, nicht einmal ein Bruchteil davon an die Kommune oder an die dortige Bevölkerung ausgeschüttet wird, um z.B. die öffentlichen Gebäude reparieren zu können, die von dem Erdbeben mit einer Stärke von 8,2 beschädigt wurden.
doch nicht nur Funktionäre, sondern immer mehr Bewohner aus der Umgebung der Windparks stellen fest, daß der Wind, als das „neue Gold“ ihres Landes nicht ihnen zugutekommt. Vielmehr machen auch immer mehr Bewohner die Erfahrung, daß ihnen die Nachteile aufgeladen werden und die Konzerne das Privileg erhalten nur die Vorteile genießen zu können.
Der mexikanische Journalist Emiliano Ruiz reiste Anfang des Jahres 2020 durch die betroffene Region und sprach mit den Menschen vor Ort. Das Ergebnis seiner Recherche: Die Menschen sind nicht generell gegen die Windenergie, auch nicht gegen die wirtschaftliche Entwicklung der Region, wie sie Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador durch das große Eisenbahnprojekt zwischen Atlantik und Pazifik, das als „Transisthmischer Korridor“ bezeichnet wird, aber sie sind auch nicht bereit alle Lasten zu tragen, während Andere die Vorteil erhalten.
- „Demex sagte, wir hätten Universitäten, Krankenhäuser und Bürgersteige. Sie haben uns einen magischen Ort gemalt und uns getäuscht “(Norberto Altamirano).
- „Wenn der Transisthmische Korridor gebaut wird, werden sie uns um mehr Energie bitten… die Straßen, die uns vorher gehörten, haben jetzt Kontrollpunkte. Menschen, die von der Jagd und dem Sammeln von Brennholz lebten, haben keinen Zugang mehr zum Land “(Édgar Martín).
- Um den Windpark Piedra Larga 2 mit 69 Windkraftanlagen zu betreten, müssen Sie einen Kontrollpunkt mit drei bewaffneten Hilfspolizisten passieren.
Auch der Strom ist für die Bewohner nicht günstiger geworden:
- „Die Quittungen kommen von 600 Pesos zu uns. Zumindest sollten sie uns das Licht geben, wenn sie unseren Wind und das Land, das zur Gemeinde gehört, nutzen “(Lehrerin Rosalba).
- Frage: „Wie hoch ist Ihre Stromrechnung?“ Antwort: „Zwischen 1.500 und 2.000 Pesos.“ -Frage: „Warum so hoch?“ Antwort: „Weil es keine Vereinbarungen mit Demex gibt (um den Strom zu subventionieren). Es gibt keinen Nutzen für die Menschen, es gibt nichts. In einigen Orten von Juchitán regt sich hiergegen ziviler Widerstand, Die Bewohner bezahlen ihre Stromrechnungen nicht mehr. Frage: Wie fühlt es sich an, so viel Energie zu produzieren und eine so hohe Stromrechnung zu haben? Ich frage ihn. Er Antwortet nicht.
Die Windkraftanlagen sind störanfällig:
Dieses Verständnis über die Windräder europäischer Firmen hat sich im März diesen Jahres auch Mexikos Präsident Andres Manuel Lopez Obrador zu Eigen gemacht: Er erklärte bei einer Reise im März nach Baja California mit Blick auf die Turbinen:
„Diese Windräder zerstören die Schönheit die Landschaft.“
Einmal in Rage, legte López Obrador nach. Die Windräder würden nur wenig Energie erzeugen und befänden sich in der Hand von Privatfirmen:
„Eine der typischen Betrügereien der Neoliberalen.“
Die Indios zahlen den Preis für den Glauben europäischer Regierungen das Klima verändern zu können
In einem ,Interview mit Reportern bringt es Pedro Matus Ruiz aus Juchitán in Oaxaca wie folgt treffend auf den Punkt:
Ein anderer sagt:
Die Betroffenen wehren sich gegen die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen der Region, wie zum Beispiel des Rohstoffes Wind, mit denen dann ausländische Unternehmen Gewinne machen. Die Indios hingegen beklagen, daß ihre bisherige Lebensführung dadurch negativ beeinflußt wird.
Vertreibung der Landbesitzer durch Gewalt
In der Zwischenzeit hat sich eine Spirale der Gewalt entwickelt, in deren Folge sich die Stromkonzerne den Weg zu den Ländereien bahnen, die die höchste Windausbeute bereitstellen. Dort treffen sie auf Indios, die bereit sind, zu sterben, bevor sie ihr Land aufgeben. Die Zeitung DIE WELT hält fest:
Eine Betroffene bestätigt:
Gestorben wird offenbar systematisch. Viel zu häufig trifft es die, die sich gegen die Machenschaften der spanischen und französischen Stromkonzerne einsetzen.
Laura Fiallo und Beatriz Gutiérrez, zwei der Frauen der Monapaküy-Gemeinschaft, leiten ebenfalls Widerstand gegen den Windpark.
Dies läßt unter den Indios ebenfalls die Opferbereitschaft steigen:
Ein Epizentrum des Widerstands ist die am Meer gelegene Indiogemeinde San Mateo del Mar, in der etwa 15.000 Personen leben und ihr Ortsteil Huazantlán del Río
San Mateo del Mar
San Mateo bewahrt neben der Ombeayiüts-Sprache auch die indigene Kultur und Gesellschaftsordnung.
Im Jahre 1984 haben sie in Santa María durch Präsident Miguel de la Madrid ein Territorium von 3.773 Hektar Land zum Leben erhalten. Sie beanspruchen jedoch rund 7.700 Hektar als ihr kommunales Eigentum. In diesen Territorium befinden sich auch die heiligen Orte der Ikoots, wie z.B. der Paso Tileme, wo sie sich versammeln, um den Erscheinen des Regens zu danken.
Im Unterschied zu anderen Kommunen wehrte sich die Stadt gegen den Verkauf von Land an Energiekonzerne, die auf Windkraft setzen. Seit 2009 wehrt sich San Mateo erfolgreich gegen ein Megaprojekt, 100 große Windräder auf den heiligen indigenen Stätten der Ikoots zu bauen.
Seit dem 19. Oktober 2009 unterhalten die Einwohner von San Mateo einen Kontrollpunkt, der den Übergang zur Nachbargemeinde Santa María mit 1.500 Einwohnern verhindert.
Bisher könnte diese Geschichte einer der Dutzenden von Konflikten der territorialen Grenzen von Oaxaca sein. Aber im Jahr 2003 nahm es ein anderes Gesicht an.
Die Projekte des spanischen Windkraft-Projektentwicklers Preneal scheitert in Santa María del Mar
Der in Spanien beheimatete globale Windparkentwickler Preneal entwickelte dort ein Projekt zur Installation von 132 Windkraftanlagen. Davon sollten 102 in der Bar Santa Teresa in der Nachbargemeinde San Dionisio del Mar installiert. Die anderen 30 waren an den Küsten von Santa María geplant. Das Potenzial der 132 Windkraftanlagen betrug 396 Megawatt, was sie zu einem der produktivsten Windparks in Mittelamerika machte.
Das Projekt ging schnell voran: Im Jahr 2004 befürwortete der Gemeindekommissar von San Dionisio die Änderung der Landnutzung. Und 2006 genehmigte eine Versammlung von Gemeindemitgliedern aus Santa María del Mar ihren Teil.
Aber dann kam der Aufstand der Ikoots-Ureinwohner, zuerst aus San Dionisio und dann aus San Mateo del Mar. Die Gemeinde San Dionisio ignorierte ihre Agrar- und Verwaltungsbehörden und erhielt am 16. Februar 2013 die Annullierung der 102 Windkraftanlagen Preneal hatte das Projekt dann an die spanische Firma Mareña Renovables verkauft. Und das Projekt der 30 Windkraftanlagen in Santa María del Mar wurde auf Eis gelegt, es wurde nie abgeschlossen.
Aus diesem Grund muss die Uhr auf die Nacht vom 18. Oktober 2009 zurückgestellt werden. Die bisherigen Einvernahmen belegen, daß die Einwohner von Santa María del Mar als erste einen Kontrollposten eingerichtet haben und ihre Strasse von San Mateo in Richtung Salina Cruz geschlossen haben. Dies war die Vergeltung dafür, daß San Mateo sich der Wind-Lobby widersetzt hatte. Mit Hilfe von Schaufeln und Hämmern machten sich die Bewohner von San Mateo dann den Weg wieder frei. Santa María empfing sie dann mit Kugeln, die auf der Seite von San Mateo 16 Verwundete kosteten, zwei von ihnen schwer. Die aufgestachelte Bevölkrung von von San Mateo traf daraufhin die radikale Entscheidung Santa María del Mar einzusperren. seither sind 10 Jahre vergangen.
Eine, die seit Jahren gegen die Windparks auf indigenen Territorien kämpft, ist Menschenrechtsverteidigerin und Umweltschützerin Bettina Cruz Velásquez. „Die Windparks bedrohen die einheimische Tierwelt, provozieren Abholzung und schaffen Konflikte unter den indigenen Völkern. Außerdem fördert die Ankunft ausländischer Arbeiter die Prostitution“, sagte Cruz. Ihr Urteil zu den europäischen Investments in grüne Energie in der bisherigen Form: „Das ist Neokolonialismus.“
Weil sich Cruz seit Jahren vor allem für die Rechte betroffener indigener Völker einsetzt, ist ihr Leben in Gefahr. So sehr, dass die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) Mexiko dazu aufrief, besondere Schutzmaßnahmen für das Leben der Aktivistin zu ergreifen.
Im Herbst reiste ein Reporter auf der Suche nach den Ursachen des Konflikts in diese Gegend:
Dort hatte er Gelegenheit die Entschlossenheit der dortigen Ureinwohner zu dokumentieren:
wenige Monate später wird dies zur traurigen Realität werden
Das Masaker in Santa María del Mar
San Mateo del Mar und Santa María del Mar werden seit 2009 mit Ansprüchen der Windkraft-Lobby konfrontiert, große Flächen an Windkraftunternehmen wie Preneal und Mareña Renovables vermietet zu vermieten, um den Windpark Santa Teresa zu installieren. was wegen des Widerstands der Bevölkerung derzeit auf Eis liegt.
Wegen eines weiteren Konflikts riefen die indigenen Gemeinschaften der Ikoots die Nationalgarde und die Staatspolizei um Hilfe, um Sicherheit zu ermöglichen. Die Uniformierten kamen zwar, aber als sie von bedroht wurden, verließen den Ort wieder. Am 21.6.2020 erreichte die Gewalt einen traurigen Höhepunkt. Es kam zu einem Massaker und die anwesenden staatlichen Sicherhietskräfte griffen nicht ein:
Später geriet die Situation außer Kontrolle
Plötzlich erschienen Vermummte und schossen gezielt in die Menschenmenge.
15 Personen wurden getötet, darunter zwei Frauen.
Ein Kommentator der Zeitung „la Jornada“ fasst zusammen:
Die Überlebenden schidlern, wie die Angreifer sie mit Latten und Stangen und Waffen attackierten
Ein weiterer Überlebender kommt in diesem Beitrag zu Wort:
Derweil bleibt das Massaker von San Mateo unaufgeklärt. Die Tageszeitung „La Jornada“ kommt zu dem Ergebnis, dass das Abschlachten in der indigenen Gemeinde Teil einer Offensive der regionalen Mächte in Allianz mit Windenergie-Unternehmen gewesen sei, um jene Organisationen und Personen zu schwächen, die sich den Megaprojekten in den Weg stellen.