In Russland wird bis 2025 das Bezahlen der U-Bahn-Fahrt durch Biometrie auf das ganze Land ausgeweitet

人脸识别闸机(10)

MOSKAU – Das Bezahlen per Gesichtserkennung in U-Bahnen wird in Russland bis Ende 2025 landesweit ausgerollt: angeblich soll seine Nutzung „freiwillig“ bleiben und dessen Daten sollen nicht zweckentfremdet werden, doch die Rechtsgrundlagen dazu sprechen eine andere Sprache.

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Internationale Anforderungen zum Einsatz von Biometrie

Das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) betonte gegenüber RFE/RL’s Idel.Realities im Jahr 2021, dass für den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie

„Anforderungen und Sicherheitsvorkehrungen“

vorhanden sein müssen. Aufgrund fehlender Informationen wollte sich OHCHR-Sprecherin Liz Throssell nicht zum Einsatz von Face Pay in der Kazan-U-Bahn äußern. Sie sagte jedoch, dass es sich bei biometrischen Systemen wie Zahlungssystemen generell um

„Hochrisikotechnologien handelt, die erhöhte Risiken für die Menschenrechte bergen, darunter das Recht auf Privatsphäre und die freie Meinungsäußerung“.

Selbst wenn die Nutzung biometrischer Daten freiwillig sei, so schrieb sie in einer E-Mail,

„erfordert die Sensibilität biometrischer Daten einen besonders starken rechtlichen und technischen Schutz. Der Zweck der Erhebung, Speicherung und Nutzung der biometrischen Daten, die Dauer der Speicherung und die Personen, die Zugriff auf die Daten haben, müssen streng begrenzt sein“,

sagte Throssell.

Der kommunistische Staat China findet ein solches System jedenfalls super:

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2021 in Moskau eingeführt

Die Stadt Moskau hatte im Jahr 2021 Russlands erstes Face-Pay-System bei der Metro eingeführt. Doch zugleich wurden in Moskau auch CCTV- Straßenkameras eingesetzt, um sowohl mutmaßliche Teilnehmer an regierungsfeindlichen Protesten als auch Journalisten festzunehmen, die über diese regierungsfeindlichen Proteste berichteten. Rechtsanwalt Andrej Fedorkow von der verbotenen russischen Menschenrechtsorganisation Memorial befürchtet, dass diese Praxis auch auf das biometrische Bezahlsystem in der russischen U-Bahn ausgeweitet werden könnte. Regierungskritiker könnten dann überall im U-Bahn-System Moskaus beim Betreten identifiziert werden. Er bezeichnet diese Risiken als „erheblich“:

„Dieses System ist bereits aktiv und funktioniert. Es ist nicht so massiv und allumfassend wie in China, aber die Tendenz ist völlig klar“,

sagte Fedorkov.

„Daher wird dieses System im heutigen Russland zu einem weiteren mächtigen Instrument zur Überwachung und Kontrolle der Bürger werden.“

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2024 auf weitere Städte ausgeweitet

Laut russischen Medien- und laut Regierungsberichten haben Kasan, die Hauptstadt der Wolgaregion Tatarstan, und eine U-Bahn-Station in Nischni Nowgorod, einer anderen großen Wolgastadt, im August mit der Nutzung des Face Pay genannten Systems begonnen. Die Wirtschaftszeitung Kommersant berichtete im Januar unter Berufung auf Unterlagen des Biometric Technologies Center (TsBT), also des staatlichen Unternehmens, das das biometrische Zahlungsprojekt betreut, dass Jekaterinburg und Samara im Jahr 2024 ebenfalls Face Pay einführen würden, St. Petersburg und Nowosibirsk sollen das System bis Ende 2025 einführen.

Der Leiter des TsBT argumentiert, dass die Technologie bis 2025 in allen russischen U-Bahn-Systemen zum Einsatz kommen werde.

„Für jeden Teilnehmer wird der Prozess absolut reibungslos ablaufen“,

zitiert Tatar-Inform.ru wiederum den Generaldirektor von TsBT, Vladislav Povolotsky aus Kasan. Die Nutzer

„können sich mit diesem Service zwischen den Städten unseres großen Landes bewegen.“

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Alles ganz easy?!

TsBT überwacht das United Biometric System, das biometrische Informationen sowohl für Zahlungen in der U-Bahn als auch im privaten Sektor erfasst. In einem Interview mit der Website der Digitaltechnologie-Konferenz TsIPR vom 27. Juni argumentierte Povolotsky, dass die Datenbank die „biometrischen Proben“ von Einzelpersonen von ihren „persönlichen Daten“ getrennt halte. Er sagte, die Datenbank enthalte keine

„Vor- und Nachnamen, individuelle Steuernummern, Adressen und andere persönliche Informationen“.

Nur auf die „biometrischen Vektoren“ der Datenbank – Koordinaten, die den Abstand zwischen wichtigen Merkmalen eines Gesichts markieren – könne von außen zugegriffen werden, fügte er hinzu. Povolotsky scheint Bedenken hinsichtlich der Risiken der Technologie für die Bürgerrechte nicht öffentlich geäußert zu haben. Russische Behörden behaupten, Face Pay biete unübertroffene Sicherheit und Komfort, da es nur auf der Gesichtserkennung des Passagiers basiere. Doch für Kritiker ist genau das das Problem.

Angeblich freiwillig

Die Nutzung des biometrischen Systems ist für U-Bahn-Fahrer nicht verpflichtend. Fahrgäste, die per Gesichtserkennung bezahlen möchten, müssen ein Selfie auf die mobile Anwendung des russischen Regierungsdienstleistungsportals hochladen und dann ihr Konto mit einer anderen App, SBPay, verbinden, die biometrische Zahlungen abwickelt, heißt es in einem TsBT-Leitfaden.

Im Hinblick auf die allgemeinen Pläne Russlands zur Biometrie behauptete Povolotsky im Juni, die Russen würden

„immer die Wahl haben – entweder die Dienste auf die herkömmliche Art in Anspruch zu nehmen oder Biometrie zu nutzen“.

Diese Entscheidung ist der Grund dafür, dass der Sicherheitsexperte Pavel Luzin, der früher den verstorbenen russischen Oppositionsführer Alexei Nawalny beriet, sagt, dass die wahre Sorge bezüglich Face Pay darin liegen könnte, wie die Menschen darauf reagieren. Solche Zahlungssysteme könnten das Verhalten der Menschen allein durch die Angst steuern, überwacht zu werden – unabhängig davon, ob dies tatsächlich der Fall ist oder nicht, sagt er.

„Die Leute sehen die Kameras. Man erzählt ihnen etwas über künstliche Intelligenz und schon haben sie Angst, falsch zu atmen, und zensieren sich selbst“,

sagt Luzin, ein nicht ansässiger Senior Fellow am Center for European Policy Analysis, einer Denkfabrik mit Sitz in den USA. Er bezeichnete die Face-Pay-Investitionen – die laut Kommersant allein für die Installationen 260 Millionen Rubel (2,9 Millionen Dollar) betragen – als „sinnlosen Schwindel“, der „keinerlei praktische Ergebnisse“ brächte. Dennoch besteht laut Fedorkov für jene Russen, die sich für Reisen mit Face Pay entscheiden, ein gewisses Risiko. Er prophezeite, dass die russischen Sicherheitskräfte

„selbst wenn sie die Chance dazu haben, nicht auf ein Videoüberwachungssystem mit Gesichtserkennung verzichten werden, da sie mit dieser Technologie bei Massenprotesten sogar jene Teilnehmer identifizieren können, die der Festnahme entgangen sind.“

Eine Einschmeichel-Offensive

Nutzer der U-Bahn von Kazan berichten dem örtlichen Nachrichtensender Vechernyaya Kazan, dass

„Komplimente“

auf dem Bildschirm erscheinen, wenn das Face Pay-Gerät ihre Gesichter scannt und

„ihren Stil, ihren Kleidungsgeschmack, ihr Lächeln und andere Merkmale zur Kenntnis nimmt“.

Ab dem 15. September erhalten sie nach Angaben von Mitarbeitern der U-Bahn von Kazan für jede Fahrt mit Face Pay einen „Cashback“ von 15 Rubeln (0,16 Dollar). Wie viele Passagiere in Kasan und Nischni Nowgorod sich für die Nutzung von Face Pay entschieden haben, ist unklar.

Eine Rechtsgrundlage, löchrig wie ein Schweizer Käse

Das russische Gesetz von 2022 zur Verwendung biometrischer Daten zur Identifizierung von Personen schreibt vor, dass die Regierung und die Zentralbank biometrische Daten nach 10 Tagen automatisch vernichten müssen, es sei denn, die Person, der sie gehören, hat sich über die „rechtswidrige Verarbeitung“ dieser Daten oder einen Fehler bei ihrer Verwendung zur Authentifizierung beschwert. Es verbietet auch die Weitergabe dieser Daten an Dritte. Allerdings heißt es im Gesetz, dass seine Bestimmungen:

„weder für Ermittlungs-, Spionageabwehr- und Geheimdienstarbeit noch für die „Landesverteidigung, die Gewährleistung der Staatssicherheit und Strafverfolgung“ oder die „Umsetzung der Außenpolitik“ oder andere Bereiche gelten.

Online-Karten zeigen, dass TsBT, ein 2022 vom Digitaldienstleistungsgiganten Rostelekom, dem Ministerium für digitale Entwicklung, Kommunikation und Massenmedien sowie der Zentralbank gegründetes Unternehmen, in einem Moskauer Gebäude angesiedelt ist, in dem auch Rosoboroneksport, die Agentur, die Russlands Rüstungsexporte abwickelt, und der Föderale Dienst für militärisch-technische Zusammenarbeit des Verteidigungsministeriums untergebracht sind.

Da stellt man sich schon die Frage, warum dann die Rechtsgrundlage so löchrig ist, wenn doch alles freiwillig ist und diese Daten zu keinen anderen Zwecken, als dem Bezahlen genutzt werden? Leider gibt es auf diese Frage keine Antwort!