BERLIN – Das von der Expertenkommission vorgelegte Evaluationspapier bewertet viele der von den Regerungen in Bund und Land der Bevölkerung auferlegten Zwangsmaßnahmen als nicht evidenzbasiert, also letztendlich als esoterisch.
Es wirkt fast so, als ob der am 1.7.2022 offiziell herausgegebene Evaluationsbericht des von der Regierung eingesetzten Sachverständigenausschusses zur bisherigen Covid-Politik der Regierungen in Bund und Ländern, mittelalterlichen Pest-Ärzten mehr Kompetenz im Umgang mit dem Pest-Bakterium zutraut, als den aktuellen Regierungen in Bund und Ländern im Umgang mit dem Covid-Virus:
Sogar in der vorliegenden, weichgespülten Form ist der Evaluationsbericht in der Tat tatsächlich eine „Generalabrechnung mit der Politik und dem Robert Koch-Institut“, wie sogar die Zeitung „Welt“ in einem Bericht hinter einer Bezahlschranke feststellt.
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„Qualitätsmedien“ wirken erneut als Regierungslautsprecher und missachten den Bericht weitgehend
Was den Bericht außerdem interessant macht, ist die Tatsache, daß er in den großen „Qualitätsmedien“ praktisch überall heruntergespielt wird. Dies ist umso auffälliger, als daß die selben „Qualitätsmedien“ sich während der „Pandemie“ allzugerne als Regierungslautsprecher verstanden haben und als solcher auch gewirkt haben, statt ihrer eigentlichen Aufgabe nachzukommen, die Regierung zu kontrollieren.
Der Bericht hielt sich dan auch nur einen Tag in den Nachrichten und war dann schnell verschwunden. Von den Altparteien erhob lediglich Wolfgang Kubicki von der mitregierenden FDP – die alle von RKI-Chef Wiehler befohlenen Maßnahmen in NRW kritiklos umgesetzt hatte – den Rücktritt von RKI-Chef Lothar Wieler. Danach war auch Kuniki still.
Die Kommission zur Evaluierung der bisherigen Corona-Politik hat sich über schwierige Grundvoraussetzungen ihrer Arbeit beklagt. Die stellvertretende Vorsitzende Helga Rübsamen-Schaeff sagte in Berlin, die Erfüllung des Arbeitsauftrags sei „erheblich“ dadurch erschwert worden,
„dass wir eben zur Bewertung erst zwei Jahre nach Beginn der Maßnahmen aufgefordert worden sind“.
Doch niemanden in der Regierung interessierte das. Änderungen und Verbesserungen wurden bisher nicht zugesagt. Liest man sich nun den Bericht der gesetzlich festgelegten Expertenkommission durch, so erkennt man, daß man darin praktisch keinen einzigen Indikativ findet, sondern fast nur Konjunktive:
- Wirkung von Masken: vielleicht
- Wirkung von Lockdowns: eher nicht
- Wirkungen von Impfungen: kurzfristig vielleicht ja, aber sonst will man zu Impfungen nichts sagen, da das zu komplex sei.
Minister Lauterbach versucht hiernach den Bericht in seine Richtung zu bürsten:
Während Lauterbach bei dieser Präsenttaion noch erklärte, daß er sich an diesem Bericht auch orientieren würde, sagte er in einer Talkshow später dann das genaue Gegenteil: er brauche diesen Bericht nicht!
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Noch Diplomatie, oder schon Feigheit?
Auch aus dem Rat selbst kam Kritik. Der Virologe Klaus Stöhr bemängelte, seine Kollegen seien zu zaghaft gewesen. „Ich hätte mir gewünscht, dass mehr konkrete Aussagen getroffen worden wären“, sagte Stöhr dem ZDF. Man hätte auch „prägnanter formulieren können“: So würden etwa Daten zeigen, dass Schulschließungen ineffizient seien. Dennoch habe sich der Expertenrat hier nicht eindeutig geäußert. Stöhr machte deutlich, dass er den Bericht in Teilen nicht mitträgt, weil er ihm nicht weit genug geht. Es ist fatal, dass der Sachverständigenrat ganz offensichtlich nicht den Mut hatte, noch eindeutigere Schlüsse zu ziehen.
Umso vielsagender ist, dass die Kritik mit angezogener Handbremse an den politischen Entscheidungsträgern und dem RKI in dem 165-seitigen Bericht doch umfassend ist und man auch so noch von einer Ohrfeige sprechen kann.
Unter anderem wird „die Erhebung und der Umgang mit Daten, die unzureichende Forschungsarbeit, die öffentliche Kommunikation sowie das Zustandekommen der Grundrechtseinschränkungen bemängelt. Darüber hinaus findet sich bis auf das Maskentragen keine klare Aussage zum Nutzen von einzelnen Maßnahmen“, wie die „Welt“ schreibt.
- „… angesichts der meist lückenhaften Datenlage …“ (Blatt 9)
- „… angesichts der meist imperfekten Datenlage…“ (Blatt 28)
- „… wie angesichts der meist im-perfekten Datenlage…“ (Seite 40)
- „…Um eine zeitnahe und adäquate Datenlage für ein effizientes und erfolgreiches Pandemiemanagement zu ermöglichen, muss…“ (Seite 44)
Um auf die epidemiologische Dynamik angemessen reagieren zu können, wäre neben der Bereitstellung anonymisierter Gesundheitsdaten in Echtzeit auf individueller Fall-ebene eine Verbesserung der Datenlage durch die zusätzliche Erfassung von spezifischen Orten und Kontexten mit hoher Kontaktrate und Inzidenz, Daten über Beruf, Wohnverhältnisse und sozi-ökonomischen Kontext zielführend“ (Seite 50)
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Die Länderchefs fordern neue Macht
Die schlechte Nachricht vorab: In zwei Punkten weigert sich die Kommission ihrem gesetzlichen Auftrag aus § 5 Abs. 9 IfSG vom 01.07.2022 nachzukommen:
Von einem Impfzwang ist im Bericht keinerlei Rede, denn
Wenige Stunden, nachdem der Bericht vorgestellt wurde, forderten die Gesundheitsminister der Länder mehr Macht, um angeblich im Herbst eine noch unbekannte Variante erfolgreich bekämpfen zu können. Dies betrifft insbesondere die Bereiche Masken, Zugangsbeschränkungen und Schulschließungen.
Aus diesem Grund hat die AfD im bayerischen Landtag aus den Wünschen der Gesundheitsminister der Länder genau diese drei Sektoren herausgepickt und die Staatsregierung im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage am 4.7. damit konfrontiert, auf der Basis welcher Passagen aus dem Bericht diese genau bei den Masken, den Zugangsbeschränkungen und Schulschließungen erneut die macht haben will, diese den Bürgern ab Herbst erhneut aufzuerlegen:
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Masken:
Der bayerische Gesundheitsminister Holletschek forderte zusammen mit den anderen Gesundheitsministern der Länder dieser Tage „effektive sowie rechtssicher handhabbaren Befugnisse“, wozu für ihn erstens
„als Basisschutzmaßnahme für den Herbst/Winter 2022/2023 für notwendig erachtete Möglichkeit der Anordnung einer Maskenpflicht in Innenräumen (vgl. Ziffer 2 des GMK-Beschlusses)“
Diese Forderung sieht die Staatsregierung im Evaluationsbericht durch folgende Passage gestützt:
Entsprechend folgert der SV-Bericht:
Was die Staatsregierung jedoch unbeachtet läßt ist die Tatsache, daß es sich hierbei um Ergebnisse aus dem Labor, oder von Fachleuten handelt, die diese Masken tragen. In der Praxis sieht dies ganz anders aus, denn hierzu hält der Bericht fest, daß man völlig ahnungslos darüber ist, wie diese in der Praxis wirken:
In der Praxis wirken sie eher gegenteilig:
Als ob das noch nicht wenig genug wäre, ist die praktische Wirkung bei Kindern noch geringer:
Die Maske als Erziehungsinstrument
Was aus dem Bericht zu Masken aber glasklar hervorgeht, ist, daß die Maske eine Art erhobener Zeigefinger zur Erziehung der Bevölkerung darstellt:
Tatsache ist für den Evaluierungsbericht also, daß Masken nur dann etwas nützen könnten, wenn diese korrekt getragen werden, was aber praktisch nicht überprüft und eingefordert werden kann. Im Gegensatz zum Eindruck, den die Staatsregierung in ihrer Antwort auf die Anfrage der AfD zu erwecken versucht ist es also wie folgt:
Und noch etwas: Die Evaluierungskommission will, daß die Staatsregierung in Zukunft bessere Daten liefert:
„…Die Evaluationskommission empfiehlt eine systematische Literaturrecherche, ggf. auch eine experimentelle Untersuchung mit einer anschließenden epidemiologischen und fachärztlich-hygienischen Bewertung unter Berücksichtigung arbeitsmedizinischer Belange für die Evaluation von FFP2- versus medizinischen Masken….“ (Seite 13)
Ob die Söder-Regierung dem nachkommen wird bleibt abzuwarten.
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Zugangsbeschränkungen & 3G
Zugangsbeschränkungen sind im Kern nichts anderes, als die Anwendung eines Sozialkreditsystems. Der Staat verteilt Zugänge zum „normalen Leben“ nur an den, der sich den Vorgaben des Staates unterwirft und sich – im vorliegenden Fall – opportunistisch eine Substanz injizieren lassen, deren mittel- und langfristige Nebenwirkungen noch gar nicht erforscht sind. Wer dies ablehnt wird durch den Staat mit sozialer Exkommunikation bestraft, erhält also keinen „Sozialkredit“.
Der bayerische Gesundheitsminister Holletschek forderte zusammen mit den anderen Gesundheitsministern der Länder „effektive sowie rechtssicher handhabbaren Befugnisse“, wozu für ihn zweitens
„…weitere Eindämmungsmaßnahmen wie Zugangsbeschränkungen, die Vorlage von Immunitäts- und Testnachweisen und Personenobergrenzen als erforderlich an[sehen] (vgl. Ziffer 3 des GMK-Beschlusses)…“,
Auf Nachfrage der AfD, durch welche Passage aus dem Bericht der Evaluierungskommission die die Staatsregierung ihre Forderung gestützt sieht, zitiert diese die Passage:
„Der Effekt von 2G/3G-Maßnahmen ist bei den derzeitigen (und betrachteten) Varianten in den ersten Wochen nach der Boosterimpfung oder der Genesung hoch. Der Schutz vor einer Infektion lässt mit der Zeit jedoch deutlich nach. Außerhalb der Phase2G/3G des Containments ist das Beurteilen des Effekts von 2G/3G mit Schwierigkeiten und Unsicherheiten verbunden. Ist man aufgrund eines hohen Infektionsgeschehens und einer (drohenden) Überlastung des Gesundheitswesens gezwungen, Zugangsbeschränkungen einzuführen, so ist bei den derzeitigen Varianten und Impfstoffen eine Testung unabhängig vom Impfstatus als Zugangsbedingung zunächst zu empfehlen“
Zugangsbeschränkungen:
Doch dieser Passage können zumindest wir weder wörtlich, noch inhaltlich die Aussage entnehmen, daß „Zugangsbeschränkungen“ ein „effektives“, also belegt wirksames Instrument für Zurückdrängung der aktuellen und zukünftiger Varianten des Covid-Virus sind:
Ganz im Gegenteil: Selbst wenn 2G/3G-Regeln bei der Delta-Variante angeblich beobachtet wurden, ist dies beider Omoikron-Vatiante ja gerade nicht mehr der Fall!
Der Schutz durch Impfungen vor einem schweren Verlauf scheint bisher bei allen Varianten gegeben…“
Die Lüge des jahrelangen Schutzes wurde durch die Realität überholt:
Und auch die „Boosterung“ ist bei der Omikron-Variante offenkundig wirkungslos, wie das Gutachten belegt:
Daher gibt der Evaluierungsbericht das Schutzziel einer unterbrochenen / verminderten Transmission einfach auf und zaubert als neues Schutzziel bei der Omikron-Variante einfach die Hospitalisierungen aus dem Hut:
Ausweislich dieser Passage begeht der Bericht hierbeiden selben Fehler, wie die Regierungen in Bund und Ländern. Sie ignorieren einfach, daß die Omikron-Variante so gut wie gar nicht in der Lage ist, normal-gesunde Menschen auf die Intensivstation zu befördern. Seit Omikron gilt aber:
Und:
All die reduzierten Zahlen von den Intensivstationen werden in Folge aber einfach pauschal und ohne Belege anzuführen, als Leistung der „Boosterung“ vermarktet. Dies ist ein schwerer methodischer Fehler!
Wenigstens plädiert der Evaluierungsbericht dafür, die freie Beweglichkeit der geimpften Superspreader dadurch einzuschränken, daß diese ebenfalls in meine Testpflicht einbezogen werden:
Auch das ist eine schallende Ohrfeige für die Staatsregierung.
2G/3G funktioniert nicht
Bei der Delta-Variante berechnete man, daß 1000 Bürgern der Zutritt verwehrt werden muß, um eine einzige Infektion zu verhindern:
Doch nicht einmal diese absurd hohe Zahl läßt sich in der Praxis verifizieren. Aus der Praxis gibt es gemäß Evaluierungsbericht bisher keinerlei Belege dafür, daß 3G/2G wirkt:
2G/3G funktioniert auch nicht als Zwangsmittel, um Bürger zur Impfung zu nötigen
Der Evaluierungsbericht gibt, nachdem er keinerlei Gründe für Zugangsbeschränkungen gefunden hat, erstmals zu, daß ein weiterer Grund für die Verhängung von Zugangsbeschränkungen darin zu finden ist, Bürger durch eine staatlich verordnete Exkommunikation so lange zu schikanieren, bis sie sich impfen lassen. Hierfür wurde sogar der aus dem Marketing kommende Fachbegriff „Nudging“ auf Pandemien übertragen, offenbar um das Wort „Mobbing“ zu vermeiden:
„…Das Ziel der 3G-Regelung kann bei der Verwendung von Antigen-Schnelltests also nicht ausreichend gewährleistet werden. So wird auch in der Stellungnahme der Max-Planck-Gesellschaft zu den Maßnahmen davon ausgegangen, dass es bei einer guten Erkennung der Infektionen von 75 Prozent keinen Unterschied zwischen 2G- und 3G-Veranstaltungen gibt 90 (siehe auch Kapitel 8).
Allerdings verfolgten 2G/3G-Regeln nicht nur das Ziel, Neuinfektionen durch Minderung von Nah-kontakten mit ungeimpften Personen zu vermeiden, sondern sollten auch für ungeimpfte Personen einen Anreiz zur Impfung geben (Nudging) 110…“ (Seite 88)
Im Gegensatz zur Vorstellung der Regierung hat die gemobbte Bevölkerung sogar gegenteilig reagiert und sch noch weniger impfen lassen, ganz nach dem Motto: „wenn der Staat zu solchen Mitteln greifen muß, dann muß da etwas faul sein“
„…Auch in der Schweiz konnte ein kurzfristiger Anstieg der Impfungen verzeichnet werden. In Italien, Frankreich und Deutschland gingen die Zahlen der neu verabreichten Impfdosen pro Kopf nach Einführung der 3G-Regel zurück, hier zeigte sich also kein oder ein sogar gegenläufiger Effekt 111…“ (Seite 88)
Wie die Staatsregierung vr dem Hintergrund dieser Tatsachen auf die Idee kommt, durch den Bericht der Evaluierungskommission darin gestützt zu werden, die Befugnis zu erhalten 2G/3G erneut einzuführen ist ein Rätsel!
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Schulschließungen:
Der bayerische Gesundheitsminister Holletschek forderte zusammen mit den anderen Gesundheitsministern der Länder „effektive sowie rechtssicher handhabbaren Befugnisse“, wozu für ihn auch drittens
„4. das Schließen von „Bildungseinrichtungen …. auch diese Instrumente der Pandemiebekämpfungim Worst-Case-Szenario zur Verfügung stehen [muss]…“,
Auf Nachfrage der AfD zitiert die Staatsregierung im Bericht der Evaluierungskommission die Passage, daß
Mit anderen Worten: Die Staatsregierung will das Instrument der Schulschließungen erneut in die Hand bekommen, weil der Evaluierungsbericht belegt hat, daß der Effekt von Schulschließungen wissenschaftlich bisher nicht belegt werden kann.
Warum der Evaluierungsbericht nicht in der LAge ist, die Wirkungen der längsten Schulschließungen, also in Polen und Deutschland Schweden mit den Wirkungen der kürzesten Schulschießungen zu vergleichen, bleibt ein Rätsel :
Das IFO-Institut rechnet vor, daß in Deutschland die Kinder unter den zweitlängsten Schulschießungen in Europa zu leiden hatten.
Der Evaluierungsbericht berücksichtigt jedoch nur bundeswiete Schließungen in den Jahren 2020 und 2021 und legt damit seiner Arbeit ganz anderen Zahlen zugrunde
Selbst wenn man diese reduzierte Belastung der weiteren Arbeit zugrunde legt, konnte die Kommission keinerlei Belege finden, die Schulschließungen als eine geeignete Maßnahme zur Zurückdrängung des Covid-Virus akzeptieren:
Und die negativen Effekte sind hierbei noch gar nicht in Betracht gezogen:
Die Empfehlung ist daher klar ablehnend, bevor man für dieses Instrument eine Wirkung erkennen kann
Trotz dieser maximal-möglichen Ohrfeige beieht die Staatsregierung die Position:
Warum das so sein soll?? Fehlanzeige, es wird keinerlei Begründung geliefert. Stattdessen wird von der Staatsregierung einfach die Behauptung in die Welt gesetzt:
Dies steht in keiner Weise im Widerspruch zu den Aussagen des Evaluationsberichtes, die auf die uneinheitlichen Ergebnisse unterschiedlicher Studien im Hinblick auf den Effekt von Schulschließungen hinweisen.
Und das, obwohl aus dem Bericht ja genau das Gegenteil hervorgeht!
Wie unabhängig kann, soll oder darf der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim Amtsantritt der Ampelkoalition installierte Expertenrat arbeiten? Das derzeit aus 19 Fachleuten aus den unterschiedlichsten Disziplinen der Wissenschaft und Forschung bestehende Gremium berät die Bundesregierung bei der Ausrichtung ihrer Corona-Politik und veröffentlicht dazu in regelmäßigen Abständen Stellungnahmen zu jeweils aktuellen Fragen.
In der am vergangenen Mittwoch veröffentlichten 11. Stellungnahme geht es, der Überschrift des Papiers entsprechend, um die „Pandemievorbereitung auf Herbst/Winter 2022/23“. Wie es der Zufall will, hat sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nur wenige Tage vor der Veröffentlichung dieser Stellungnahme in einer schon jetzt peinlich-legendären Rede auf der Jahrestagung der PKV zu genau diesem Thema geäußert.
Bemerkenswert sind dabei vor allem zwei Dinge. Erstens die große inhaltliche Übereinstimmung zwischen den Aussagen des Ministers und den aktuellen Empfehlungen des Expertenrats. Und zweitens die umgehende Reaktion von Karl Lauterbach auf die Vorschläge der angeblich unabhängig arbeitenden Experten.
So berichtete am Mittwoch etwa der Merkur im Rahmen seines Corona-Updates um 15:15 Uhr von der Veröffentlichung der Stellungnahme des Expertenrats, um 16:42 Uhr folgte die zustimmende, fast schon überschwängliche Reaktion des Gesundheitsministers. Lauterbach wird dabei wie folgt zitiert:
„Der Expertenrat hat exzellente Arbeit geleistet. Erneut hat der Rat wichtige wissenschaftliche Empfehlungen für politische Entscheidungen gegeben. Das wird Basis für den Corona-Herbstplan der Bundesregierung.“
Und weiter:
„Wie hoch die Corona-Welle werden wird, kann auch der Expertenrat nicht sagen. Aber dass selbst im günstigsten Fall das Gesundheitswesen stark belastet sein wird, ist relativ sicher. Auf alle Szenarien müssen und werden wir vorbereitet sein: mit angepassten Test-, Impf- und Behandlungsstrategien sowie mit einem soliden gesetzlichen Rahmen.“
Die 11. Stellungnahme des Expertenrats hat einen Umfang von immerhin 23 Seiten. Schwer vorstellbar, dass Lauterbach dieses Papier innerhalb von nur wenigen Stunden gelesen hat und zu einer fundierten Bewertung kommen konnte. Nun wäre es nicht per se verwerflich, wenn dem Gesundheitsminister das Papier schon vor dessen Veröffentlichung vorgelegen hat, davon muss man sehr wahrscheinlich sogar ausgehen. Dies wiederum führt aber dann zu der Frage, ob Lauterbach, oder irgendjemand anderes, die Stellungnahmen des Expertenrats abnicken muss, ehe diese veröffentlicht werden. Außerdem bleibt noch die Frage nach den inhaltlichen Übereinstimmungen, die schon aus dem Munde des Gesundheitsministers keinen Sinn ergaben und auch durch die schriftliche Wiederholung des Expertenrats nicht einleuchtender werden.
Masken sollen Grippewelle verhindern
Wie schon Lauterbach bei seiner Rede warnen auch die Experten der Bundesregierung vor RSV- und Grippewellen in den nächsten Monaten. Und wieder einmal sollen es die Kinder sein, die in besonderem Maße vor diesen Infektionen mit Atemwegsviren geschützt werden müssen. Um insbesondere eine Überlastung von Kinderkliniken zu vermeiden, wird zum Schutz vor einer Infektion mit RSV (Respiratorisches Synzytial-Virus) oder Influenza das Tragen von Masken empfohlen. Vor dem Auftreten eben dieser beiden Infektionswellen, neben Corona versteht sich, hatte Lauterbach auf der PKV-Jahrestagung in Düsseldorf gewarnt und dies mit dem dank der Schutzmaßnahmen geschwächten Immunsystem begründet. Die durch Abstandhalten, das Tragen von Masken und exzessives Händewaschen hervorgerufenen Schäden sollen nun also auch nach Meinung des Expertenrats durch das Fortsetzen bzw. die Wiedereinführung eben dieser so verhängnisvollen Maßnahmen bekämpft werden? Auf die Idee, dass der beste Schutz vor der Infektion mit Alltagsviren, wozu neben RSV und Influenzaviren inzwischen eben auch Coronaviren gehören, ein funktionierendes Immunsystem ist, scheinen weder der Expertenrat noch Karl Lauterbach zu kommen.
Kindern droht nach dem Willen des Expertenrats aber noch weiteres Ungemach. In der Stellungnahme wird ausdrücklich empfohlen, die „Impfangebote“ an Schulen auszuweiten. Darüber, ob die Schüler dieses „Angebot“ dann auch ohne Zustimmung der Eltern annehmen dürfen oder vielleicht sogar müssen, steht in dem Text nichts. Um der zum Erliegen gekommenen Impfkampagne neues Leben einzuhauchen, wird der Bundesregierung darüber hinaus empfohlen, „aufsuchende Impfteams“ einzusetzen und eine „Aufklärungskampagne für Personen ab einem Alter von 5 Jahren“ zu starten. Auch an dieser Stelle fehlt ein Hinweis darauf, ob Kita-Kinder und Grundschüler im oder ohne Beisein der Eltern über die vermeintlichen Vorzüge des „Pieks“ aufgeklärt werden sollen. Und was dürfen sich Ungeimpfte darunter vorstellen, wenn sie von einem Impfteam „aufgesucht“ werden?
In einem anderen Kapitel der Stellungnahme wird vor künftig fehlendem Personal „insbesondere in hochbelasteten Bereichen“ des Gesundheitswesens gewarnt. Als Begründung für diesen Schwund führen die Experten der Bundesregierung die starke Belastung von Ärzten, Pflegern und Krankenschwestern durch Überstunden an, ganz so als sei dies der einzig denkbare Grund für die zahlreichen Kündigungen in den zurückliegenden Wochen und Monaten. Über die Einführung der sektoralen Impfpflicht für Mitarbeiter im Gesundheitswesen und das damit verbundene zwangsweise Ausscheiden aus den betroffenen Berufen verlieren die Autoren der Stellungnahme keine Silbe.
Expertenrat skizziert für das Spätjahr drei Szenarien
Um aufzuzeigen, was Deutschland im Herbst drohen oder nicht drohen könnte, haben die Experten der Bundesregierung drei Szenarien entworfen. Neben einem „Basisszenario“ ein besonders günstiges und ein besonders ungünstiges. Karl Lauterbach behauptete in seiner euphorischen Reaktion, dass es relativ sicher sei, dass „selbst im günstigsten Fall das Gesundheitswesen stark belastet sein wird.“ Eine glatte Lüge und pure Angstmacherei. Tatsächlich gehen die Experten im aus ihrer Sicht „günstigsten Szenario“ von einer im Vergleich zu Omikron noch harmloseren, aber ansteckenderen Virusvariante aus. Zitat aus Seite 4 der Stellungnahme: „Die neue Variante zeichnet sich durch eine geringere Krankheitsschwere bei Älteren und eine kaum merkliche Beeinträchtigung des Gesundheitsempfindens bei immunisierten Erwachsenen aus. Dadurch sind stärker eingreifende Infektionsschutzmaßnahmen aufgrund von COVID-19 nicht mehr oder nur für Risikopersonen notwendig.“
Wie man aus diesen Zeilen eine vermeintliche Warnung vor einer starken Belastung des Gesundheitswesens herauslesen kann, wird ein streng gehütetes Geheimnis unseres Panik-Ministers bleiben. Leider versäumten es die Autoren dieser Stellungnahme, darauf hinzuweisen, dass nicht nur die „immunisierten Erwachsenen“ kaum etwas von einer Infektion mit der Omikron-Variante geschweige denn einer im Herbst eventuell dominierenden, noch milderen Variante mitbekommen.
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https://www.tagesschau.de/gutachten-sachverstaendigenrat-corona-101.pdf
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